Vollmacht für die organschaftliche Vertretung

  • Bei uns wird eine politische Gemeinde nach außen durch den Bürgermeister und den Gemeinderat vertreten.

    Wenn die Gemeinde derart vertreten eine Vollmacht an einen Dritten erteilt, liegt eine ganz normale Vollmacht vor, an deren Zulässigkeit keine grundsätzlichen Zweifel bestehen.

    Wie ist aber die Lage, wenn nur der Bürgermeister jemanden bevollmächtigt, z. B. in Grundstücksangelegenheiten für ihn zu handeln? Kann der Bürgermeister seine gesetzliche Vertreterposition auf einen Dritten (hier: Angestellter der Gemeinde) übertragen, so dass letztlich dieser Angestellte zusammen mit dem Gemeinderat handeln kann?

    Das kommt mir sehr merkwürdig vor. Dann könnte bei einem Verein, einer oHG oder einer GmbH dann, wenn mehrere Vorstände/Gesellschafter/Geschäftsführer gesamtvertretungsberechtigt sind, auch einer einen Dritten bevollmächtigen, an seiner Statt mit den anderen Vorständen/Gesellschaftern/Geschäftsführern die Gesamtvertretungs wahrzunehmen. Zumindest bei dem Verein muss der Vorstand sein Amt aber persönlich ausüben (Stöber Vereinsrecht Rn. 288), bei der oHG verstehe ich die (allerdings ältere) Kommentierung von Baumbach/Duden/Hopt zu § 125 HGB auch so.

    Meinungen?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Zumindest im Gesellschaftsrecht ist entscheidend, dass nicht die organschaftliche Vertretung übertragen werden kann, siehe



    Aber Achtung: Eine Generalvollmacht ist nicht generell verboten. Verboten ist lediglich die Übertragung der organschaftlichen Vertretung. So kann zB eine unzulässige Vollmacht zur organschaftlichen Vertretung uU in eine Generalvollmacht iS § 164 ff. BGB umgedeutet werden. Diese umfasst dann alle Rechtsgeschäfte außer denjenigen, die einem Organ vorbehalten sind.

    Siehe Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbH, Rdnr. 76, 77 zu § 35.

  • Hallo Andreas,

    so nach dem ersten Bauchgefühl (ich weiß, hat hier nix zu suchen;)) ist die Konstellation vergleichbar, als wenn ein Geschäftsführer einer GmbH ein Dritten Vollmacht erteilt, ihn zu vertreten soweit es die GmbH betrifft. Hiermit wäre die Vollmacht an die Geschäftsführerstellung gekoppelt, so dass ich beim Ausnutzen der Vollmacht immer zu prüfen habe, ob der Geschäftsführer noch Geschäftsführer der GmbH ist und die Vollmacht weiterhin wirksam ist.
    Auf Deinen Fall bezogen bedeutet dies, dass Du zu dem Zeitpunkt, wo der Bevollmächtigte und der Gemeinderat gemeinsam handeln, prüfen musst, ob der Bürgermeister noch Bürgermeister ist.

    Muss aber gestehen, dass ich mich noch nicht mit der Vertretung von Gemeinden auseinandergesetzt habe.

    Gruß Janet

  • Vielleicht hilft auch der folgende Aufsatz (sofern noch nicht bekannt), der sich jedoch mit dem § 181 BGB beschäftigt, und zwar Dr. Oliver Fröhler (Anwendbarkeit und Reichweite der Insichgeschäftsbeschränkung nach § 181 BGB bei Rechtsgeschäften, die Gemeinden betreffen, BWNotZ 2003, S. 14-22 (findest Du über Google).

  • ... Kann der Bürgermeister seine gesetzliche Vertreterposition auf einen Dritten (hier: Angestellter der Gemeinde) übertragen, so dass letztlich dieser Angestellte zusammen mit dem Gemeinderat handeln kann? ...



    Übertragung auf Gemeindebediensteten s. Art. 39 Abs. 2 GO (Bayern).

  • Die Entscheidung des BGH vom 27.10.2008 (II ZR 158/06) ist insofern nicht einschlägig, als der Stadtrat vorliegend wohl gehandelt hat (Nachweise sollen mir noch zugehen) und das Gesamtvertretungsprinzip daher beachtet wurde.

    Die Übertragung der Vollmacht auf Gemeindebedienstete kam mir auch schon in den Sinn. Allerdings scheitert eine solche nach Art 38 BayGO daran, dass hier definitiv kein ständig wiederkehrendes Geschäft des täglichen Lebens ohne finanzielle Bedeutung vorliegt. Desgleichen liegt mit BGH II ZR 158/06 auch ebenso definitiv keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung vor, die der BGH als Geschäfte in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommend und nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung definiert hat. Nachdem im besagten Beschluss bereits die Zustimmung nach § 5 ErbbauRG keine Tätigkeit der laufenden Verwaltung gewesen sein konnte, dürfte dies in meinem Fall - der Neubestellung eines Erbbaurecht in einem Investitionsvolumen im oberen siebenstelligen Bereich - erst recht nicht der Fall sein. Auch eine Übertragung nach Art. 39 II Fall 3 (in Angelegenheiten der laufenden Verwaltung einem Gemeindebediensteten) schließe ich daher aus, obwohl es sich vorliegend um eine Großstadt handelt. Bleibt Art. 39 II letzter Fall, aber die Vollmacht selbst ist vom Stadtrat nicht abgesegnet worden (zumindest ist mir derlei nicht vorgelegt worden).

    Die Vollmacht des Bürgermeisters (über eine Stadträtin) an die Gemeindebediensteten umfasst Grundstücksangelegenheiten ohne wertmäßige Begrenzung.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Nach Studium des Art. 39 BayGO würde ich sagen, dass die komplette Übertragung für alle Grundstücksangelegenheiten ohne wertmäßige Begrenzung allenfalls ein Fall der letzten Alternative sein kann.
    Hier (NRW) sind jedenfalls nach der oben genannten BGH-Entscheidung und entsprechenden Beanstandungen Vollmachten durch die Stadt erteilt worden, in denen die Wertgrenzen für An- und Verkäufe (als laufende Geschäfte der Verwaltung) explizit genannt wurden.

    Life is short... eat dessert first!

  • So sehe ich`s auch. Ich bin immer davon ausgegangen, daß der Katalog an Möglichkeiten der Vollmachtsübertragung durch den Bürgermeister in § 39 GO abschließend geregelt ist. Entsprechend sehen unsere Vollmachten auch immer aus ("Aufgrund der Art. 39 Abs. 2 und Art. 38 Abs. 2 der Gemeindeordnung (GO) bevollmächtige ich ..."; "Hiermit übertrage ich ... die Befugnis zur ... gemäß Art. 39 Abs. 2 GO auf ..."). Ich wüßte hier keine Besonderheit, weshalb eine Vollmachtserteilung ohne Mitwirkung des Stadtrates hätte erfolgen können.

  • Wenn ich die jeweiligen Entscheidungen vom BayObLG richtig verstanden habe, kann der 1. Bürgermeister einer Gemeinde nur dann wirksam handeln, wenn seine Vertretungsmacht durch einen Gemeinderatsbeschluss in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist (vgl. z.B. BayObLG, Beschluss v. 15.01.1997, Az. 3 Z BR 153/96, Rn. 14; BayObLG, B. v. 21.10.1974, Az. 2 Z 24/74). Insoweit müsste man dann in dem Beschluss schauen, ob auch eine Zustimmung nach Art. 39 Abs. 2 GO Bayern vorliegt. Danach müsste dann eine Bevollmächtigung möglich sein.

    Gruß Janet

  • In § 42 Abs. 1 Satz 2 der GO (Ba-Wü) heißt es:
    Er (der Bürgermeister) vertritt die Gemeinde.
    In § 44 Abs. 1 Satz 1 der GO (Ba-Wü) heißt es:
    "Der Bürgermeister leitet die Gemeindeverwaltung. ..."
    In § 53 Abs. 1 heißt es: "Der BM kann Gemeindebedienstete mit seiner Vertretung auf bestimmten Aufgabengebieten oder in einzelnen Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung beauftragen. ..."
    In § 53 Abs. 2: "Der BM kann in einzelnen Angelegenheiten rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilen. ..."

    Daraus leite ich ab, dass er für die (interne) Verwaltung Beauftragte bestellen und für die (externe) rechtsgeschäftliche Vertretung Bevollmächtigte bestellen kann.

    Er kann aber m.E. seine organschaftlichen Befugnisse nicht delegieren.

  • Im Ausgangsfall hat das OLG München zwischenzeitlich entschieden, dass die Bestellung eines Erbbaurechts jedenfalls keine Angelegenheit der laufenden Verwaltung ist und daher des Handelns des Bürgermeisters einerseits sowie des Gemeinderats oder des beschließenden Ausschusses - so vorhanden - andererseits bedarf.

    Nun steht die nächste Gemeinde mit folgender Konstellation auf der Matte:

    Verkauft wird ein Grundstück für 40.000 €. Handeln tut der 2. Bürgermeister. Vom Gemeinderat keine Spur.
    Der 2. Bürgermeister leitet sein Vertretungsrecht daraus ab, dass die Geschäftsordnung der Gemeinde folgende Regelung trifft:
    Der Stadrat ist ab 400.000 € zuständig.
    Von 100.000 € bis 400.000 € ist der zuständige Ausschuss zuständig (an sich unproblematisch, aber nicht mein Fall).
    Ferner heißt es irgendwo (scheint eine Anlage zur GeschO zu sein):
    Zuständigkeiten:
    bis 10.000 € - Amt
    über 10.000 € bis 100.000 € - Referat
    über 100.000 € wie oben beschrieben und auch in der Geschäftsordnung aufgeführt.

    Da der 2. Bürgermeister zugleich Referent des zuständigen Referats sei (Nachweis liegt nicht vor), sei seine Vertretungsberechtigung somit nachgewiesen.

    Mir liegt in der Sache bislang nur eine auszugsweise Faxkopie der Geschäftsordnung der Gemeinde vor.

    Ich meine, es hilft alles nichts: Der Verkauf eines Grundstücks fällt nicht unter "Angelegenheit der laufenden Verwaltung", weswegen die Art. 38, 39 BayGO im Wesentlichen ausscheiden. Es bliebe einzig die Möglichkeit, dass der Handelnde Herr X vom Stadtrat entsprechend bevollmächtigt wäre (Art. 39 Abs.2 Hs. 2 BayGO). Eine solche Vollmacht ist jedoch nur vom Bürgermeister erteilt worden bzw. das, was die Geschäftsordnung offenbar sagt, kann keine Vollmacht i.S.d. der Vorschrift sein (Bevollmächtigter = Amt bzw. Referat).

    Dennoch stellt sich die Gemeinde auf den Standpunkt, der Gemeinderat habe von seiner Möglichkeit, im Rahmen der Geschäftsordnung den jeweils sachlich zuständigen Referenten zur Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte zu ermächtigen, Gebrauch gemacht (wird näher ausgeführt).

    Woraus ergibt sich diese Möglichkeit, deren Grundlage ich irgendwie nicht finde?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • ...Der Verkauf eines Grundstücks fällt nicht unter "Angelegenheit der laufenden Verwaltung", weswegen die Art. 38, 39 BayGO im Wesentlichen ausscheiden. ... Eine solche Vollmacht ist jedoch nur vom Bürgermeister erteilt worden.



    Wie wär`s über §§ 37 Abs. 2 S. 1, 39 Abs. 2 GO? Allerdings mit dem gleichen Vorbehalt, daß dann nicht das "Referat" hätte bevollmächtigt werden können.

  • Ich könnte das jetzt eigentlich nur damit retten, dass der Bürgermeister für den Betrag sowieso allein handlungsberechtigt ist. Der handelt zwar eigentlich wohl als Vorsteher des Stiftungsreferats [weil die Kommune hier für die Stiftung handelt], wie sich aus dem Briefkopf ergibt, aber letztlich handelt er eben als Bürgermeister, was seiner Unterschrift beigefügt ist. Damit könnten mir dieses "Amts" und dieses "Referat" hier egal sein.

    Wenn mit die GO der Gemeinde dann also mal in der gehörigen Form vorgelegt wird, könnte ich die Eintragung vornehmen.

    Meinungen?

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  • Brrrr.... also grenzwertig vertretbar... wieder so ein Klassiker, wo die nie verstehen, warum ich das letztlich mache, und der mir dann in zwei Jahren um die Ohren gehauen werden wird ("Wieso, damals ging das doch auch...")...

    Es steht da:

    Stadt X
    Referat 9/Stiftungsreferat

    Dem Verkauf blablabla wird zugestimmt etc etc

    X, den 1.1.1900

    Meister Müller
    Bürgermeister

    - gesiegelt und unterschrieben -

    Hierzu heißt es auch in einem Schreiben der Gemeinde an mich: "Bis zur Wertgrenze von xxx € ergibt sich hieraus [= aus der Geschäftsordnung, s.o.] die Zuständigkeit von Bürgermeister Meister Müller als Stiftungsreferent, der ..."

    Wirklich koscher sieht m. E. anders aus. ich glaube, ich schlafe noch mal darüber...

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Bei mir handelt ein Gemeindeangestellter "aufgrund beigefügtem Gemeinderatsbeschluss und Vollmacht" für die Gemeinde bei einem Grundstückskaufvertrag.

    Die Vollmacht lautet:

    Gemeinde x -Vollmacht für notarielle Beurkundungen-
    Dem Angestellten X wird Vollmacht für den Abschluss von Grundstücksveräußerungs- und erwerbsverträgen mit Messungsanerkennung/Auflassung, Belastung mit dinglicher Rechten aller Art, Löschungen, Dienstbarkeiten, Erbbaurechten und Verfügungen aller Art erteilt.

    Bürgermeister

    Im Gemeinderatsbeschluss wird der Verkauf eines Grundstücks genehmigt und der Bürgermeister zur Durchführung beauftragt und bevollmächtigt.

    Da brauch ich doch zumindest eine Zustimmung des Gemeinderats zu einer solchen umfassenden Vollmacht?

  • Der Bürgermeister hat ja nicht gehandelt, und an Art. 39 II BayGO hat auch die Rechtsprechung des BGH (noch) nichts geändert.

    Grundstücksgeschäfte gehören nach dem OLG München nicht zu den Angelegenheiten der laufenden Verwaltung.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

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