Nachlasspflegschaft anordnen?

  • Hi, :)

    ich habe vor Kurzem vom Betreuungsgericht ein Schreiben weitergeleitet bekommen, worin der Betreuer nach dem Tod des Betroffenen eine Nachlasspflegschaft angeregt hat. Der Betroffene hat zuletzt im Heim gewohnt und ein Bankvermögen von rund 140.000 EUR hinterlassen. Erben sind nicht bekannt. Eine Nachlasspflegschaft nach § 1960 BGB dürfte m.E. mangels Sicherungsbedürfnis ausgeschlossen sein. Das Geld kann schließlich hinterlegt werden. Allerdings hat der Betreuer noch einen Vergütungsanspruch von 66,00 EUR, der gegen den Nachlass festzusetzen wäre. Ist dies ein Fall des § 1961 BGB? Allerdings dürfte die Festsetzung alleine doch auch nichts bringen, da er trotzdem nicht an das Geld käme, oder? :gruebel:

  • Wenn so viel Geld vorhanden ist, würde ich auf alle Fälle Nachlaßpflegschaft anordnen, mit dem Ziel, dass Erben ermittelt werden.

  • Einen Betrag von 140.000 € zu hinterlegen, ohne vorher (über einen Nachlasspfleger) die Erbenermittlung überhaupt versucht zu haben, halte ich für eine einigermaßen absurde Erwägung. Dann kann man gleich -ebenso absurd- das Fiskuserbrecht feststellen.

    In derlei Verfahren ist mir unverständlich, dass bei jahrelang anhängigen Betreuungsverfahren nichts unternommen wird, um die Verwandtschaftsverhältnisse festzustellen, nur um dann beim Tod des Betreuten "überrascht" festzustellen, dass keine Erben bekannt sind.

  • Zitat

    In derlei Verfahren ist mir unverständlich, dass bei jahrelang anhängigen Betreuungsverfahren nichts unternommen wird, um die Verwandtschaftsverhältnisse festzustellen, nur um dann beim Tod des Betreuten "überrascht" festzustellen, dass keine Erben bekannt sind.



    Dies ist nicht die Aufgabe des Betreuers und warum sollte dieser auch irgendwelche Verwandten auftun, die ja anscheinend kein Interesse an dem hilfebürftigen Angehörigen haben.

    Tut hier nichts zur Sache - musste ich aber mal loswerden.

    So zum Sicherungsbedürftig - dies ergibt sich nicht zwangsläufig immer daraus, dass jmd. unbefugtes sich bereichern könnte - was zum Beispiel bei einem Grundstück nicht ohne weiteres möglich sein dürfte - sondern bereits aus der Tatsache, daß ein Aktivnachlaß vorhanden ist, dessen Zukunft ungewiss ist und an dessen Fortbestand die unbekannten Erben ein nicht unmaßgebliches Interesse haben.

  • Bei unbekannten Erben ist ein Bedürfnis für eine Nachlasspflegschaft zum Zweck der Erbenermittlung auch ohne eine Gefährdung des Nachlasses schon deshalb zu bejahen, weil die Erben ohne eine solche Ermittlung nie vom Nachlass erfahren und ihn somit auch nicht erhalten würden (KG OLGZ 1971, 210 = NJW 1971, 565; MüKo/Leipold § 1960 Rn.17). Nach meiner Ansicht versteht sich dies von selbst, weil ein verwaltungsloser Nachlass stets der Fürsorge bedarf.

    Dass die Verwandten des Betroffenen im Verfahren zur Anordnung der Betreuung eine Beteiligtenstellung innehaben können und demzufolge auch zu ermitteln sind, ist nichts Neues (jetzt: § 274 Abs.4 Nr.1 FamFG). Dass dies in der Praxis regelmäßig nicht geschieht, heißt nicht, dass es in Ordnung ist und es heißt erst recht nicht, dass die betreffende Ermittlung unzulässig wäre. Aber was kümmert es schon den Rechtspfleger am Betreuungsgericht, wenn der Kollege am Nachlassgericht später die Arbeit hat - anders aber vielleicht, wenn er selbst für das Nachlassverfahren zuständig wäre?

  • Zitat

    Dass die Verwandten des Betroffenen im Verfahren zur Anordnung der Betreuung eine Beteiligtenstellung innehaben können und demzufolge auch zu ermitteln sind, ist nichts Neues (jetzt: § 274 Abs.4 Nr.1 FamFG). Dass dies in der Praxis regelmäßig nicht geschieht, heißt nicht, dass es in Ordnung ist und es heißt erst recht nicht, dass die betreffende Ermittlung unzulässig wäre. Aber was kümmert es schon den Rechtspfleger am Betreuungsgericht, wenn der Kollege am Nachlassgericht später die Arbeit hat - anders aber vielleicht, wenn er selbst für das Nachlassverfahren zuständig wäre?



    Es sei nur noch zu bemerken, dass der Rechtspfleger in der Regel die Akte erstmals auf den Tisch bekommt, wenn die Betreuung durch den Richter bereits angeordnet wurde - und danach macht die Ermittlung von Angehörigen weder Sinn noch haben die Kollegen am Betreuungsgericht Zeit zuviel :)

  • ...
    Dass die Verwandten des Betroffenen im Verfahren zur Anordnung der Betreuung eine Beteiligtenstellung innehaben können und demzufolge auch zu ermitteln sind, ist nichts Neues (jetzt: § 274 Abs.4 Nr.1 FamFG). Dass dies in der Praxis regelmäßig nicht geschieht, heißt nicht, dass es in Ordnung ist und es heißt erst recht nicht, dass die betreffende Ermittlung unzulässig wäre. Aber was kümmert es schon den Rechtspfleger am Betreuungsgericht, wenn der Kollege am Nachlassgericht später die Arbeit hat - anders aber vielleicht, wenn er selbst für das Nachlassverfahren zuständig wäre?



    Die o.g. Vorschrift spricht nur davon, dass die Verwandten beteiligt werden können. Von entfernteren Verwandten ist dort überhaupt nicht die Rede. Diese würde ich als Betreuer auch nicht ermitteln und als Betreuungsrechtspfleger den Betreuer auch nicht dazu anhalten, selbst wenn ich für Betreuungs- und Nachlass-Sachen zuständig wäre. Schließlich gibt es genug Fälle, in denen der Betroffene noch lange lebt und das Vermögen durch Pflegekosten o.ä. aufgezehrt wird. Wozu hat man dann die Erben ermittelt? Damit sie besser in die Röhre gucken können ?

  • Wir sprechen hier über das altbekannte Problem, dass manche Kollegen nicht über den Tellerrand der eigenen Zuständigkeit hinausblicken - und dies erklärtermaßen auch nicht wollen. Für die Nachlassgerichte gilt im übrigen das gleiche. Wenn der dortige Rechtspfleger den Antrag auf Erteilung eines Nacherbenerbscheins protokolliert und neben der Eintragung der (Nach)Erbfolge nicht auch den Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks aufnimmt, kann der Grundbuchkollege dem betreffenden Antrag bei den Beteiligten hinterher rennen. Aber warum einfach, wenn es auch umständlich geht?

  • Ein fachübergreifender Hinweis zwischen Rechtspflegerkollegen des Gericht wäre vielleicht hilfreich.
    Manchmal verliert man die Notwendigkeiten im anderen Rechtsgebiet ein bißchen aus den Augen oder man kennt sie nicht.:tipptipp
    Außerdem wäre es im Zuge des "Qualitätsmanagements" ein Vorschlag für effektivere Arbeit.

  • Bei unbekannten Erben ist ein Bedürfnis für eine Nachlasspflegschaft zum Zweck der Erbenermittlung auch ohne eine Gefährdung des Nachlasses schon deshalb zu bejahen, weil die Erben ohne eine solche Ermittlung nie vom Nachlass erfahren und ihn somit auch nicht erhalten würden (KG OLGZ 1971, 210 = NJW 1971, 565; MüKo/Leipold § 1960 Rn.17). Nach meiner Ansicht versteht sich dies von selbst, weil ein verwaltungsloser Nachlass stets der Fürsorge bedarf.



    Wenn man dem folgen würde, müßte ja bei jedem werthaltigen Nachlass ohne bekannte Erben eine NL-Pfleschaft eingerichtet werden um die Erben zu ermitteln. Eine Wertgrenze dürfte unzulässig sein.

    Dann verstehe ich allerdings nicht, warum in einigen Landesvorschriften eine Erbenermittlungspflicht festgelegt wurde und in anderen nicht.

    Ich würde in dieser Sache auch zu einer Hinterlegung für die unbekannten Erben tendieren.
    Und die Betreuervergütung, nunja, bei 66,00 € und dem VBVG und nem Blick drauf könnte man die Auszahlung als NL-Gericht auch selber veranlassen.

    Einmal editiert, zuletzt von CCM (11. Mai 2010 um 14:32)

  • Die in einigen Bundesländern vorgesehene Pflicht zur amtlichen Erbenermittlung gilt ganz allgemein, also auch, wenn die Erben leicht festzustellen sind. Mit der Frage, ob bei unbekannten Erben eine Nachlasspflegschaft anzuordnen ist, hat dies nur am Rande zu tun.

    Wie Du schon sagtest, bin ich der Ansicht, dass aus den genannten Gründen bei jedem werthaltigen Nachlass mit unbekannten Erben eine Nachlasspflegschaft zur Erbenermittlung sowie zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses angeordnet werden muss. Ich habe demzufolge noch nie (!) Nachlassgelder hinterlegt (Erben wurden stets gefunden, auch wenn es teils Jahre gedauert hat) und auch nur zweimal das Fiskuserbrecht festgestellt (beide Male in Ausschlagungsfällen). Nach meinem Rechtsverständnis ist es nicht die Aufgabe der Nachlassgerichte, dem Fiskus aufgrund unterlassener Erbenermittlung unverdiente und rechtsgrundlose Erbschaften zuzuschanzen, sei es, dass man voreilig das Fiskuserbrecht feststellt, sei es, dass man hinterlegt. Demzufolge halte ich die Erwägung, im vorliegenden Fall einen Betrag von 140.000 € zu hinterlegen, ohne die Erbenermittlung überhaupt versucht zu haben, für eindeutig rechtswidrig. Die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ist hier die einzige gesetzesmäßige Verfahrensweise.

  • Cromwell, ich kann deine Argumentation sehr gut nachvollziehen.

    Die Frage die sich mir stellt ist allerdings, ob der Gesetzgeber tatsächlich gewollt hat, daß man den unbekannten Erben in jedem Fall sein Erbe "hinterherträgt" und wie weit die Fürsorge des Staates gehen soll.

    Selbst für Leistungen nach Hartz IV muß der Bürger selbst tätig werden, da kommt und informiert doch auch keiner und fragt, ob der Bedürftige die Leistung in Anspruch nehmen möchte, da muß sich der der das Recht in Anspruch nehmen möchte auch selber kümmern.

    Ich meine, mit der Hinterlegung ist der Nachlass für die Erben für 30 Jahre gesichert, möge er sein Recht hier anmelden. Dann fällt er der Staatskasse zu. Selbst bei Feststellung des Fiskuserbrechtes würde vorab eine öffentliche Aufforderung erfolgen, auf die sich die Erben selber melden könnten bzw. aufgrund dessen sich die privaten Erbenermittler in die Arbeit stürzen würden. Und selbst die Feststellung des Fiskuserbrechtes dürfte, soweit ich weiß, nach Feststellung womöglicher Erben, zu korrigieren sein.

  • Der Hartz-IV-Empfänger ist im Gegensatz zum unbekannten Erben bekannt und demzufolge kann und muss er sich auch kümmern. Wer vom Erbe und oft sogar von Erblasser und Erbfall nichts weiß, kann sich auch nicht kümmern.

    Dass die Feststellung des Fiskuserbrechts wieder aufgehoben werden kann und hinterlegte Gelder jahrzehntelang zur Verfügung stehen, halte ich im hier besprochenen Kontext für eine Beruhigungspille, weil wir alle wissen, dass Otto Normalverbraucher den Bundesanzeiger nicht liest und die hinterlegten Gelder in praxi so gut wie nie von den wahren Erben abgerufen werden, und zwar deshalb, weil sie nie etwas von ihrem Erbanspruch erfahren. Und da sie deshalb nichts erfahren, weil das Nachlassgericht keine Erbenermittlungsmaßnahmen einleitet, dreht sich die Sache im Kreis. Die Hinterlegung ist nichts anderes als eine verkappte Fiskuserbrechtsfeststellung und in den Haushalt des Landes fließen die Gelder ebenfalls bereits mit der Hinterlegung.

    Man braucht also nicht um den heißen Brei herumzureden. Mit voreiligen Fiskuserbrechtsfeststellungen und Hinterlegungen entzieht man den wahren Erben bei unterlassener Erbenermittlung faktisch und sehenen Auges ihren Erbanspruch, weil die Wahrscheinlichkeit, dass ein Erbe vom Namen des Erblassers und vom Aktenzeichen des zuständigen Nachlassgerichts träumt, gegen Null tendiert.

  • Aus dem Grund gibt es Erbenermittlungsfirmen, deren Gründung bereits lange vor der Einführung des BGB lag und die seit Jahrzehnten seriös und ohne großes Aufsehen in 10.000den von Fällen 100.000de von Erben ermittelt haben.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • ich habe einen ähnlichen fall...
    nachlasswert ca. 30.000 eur.
    betreuungsgericht muss vergütungsbeschlüsse zustellen und regt anordnung nlp an.
    die erbenermittlung läuft jetzt schon seit einem jahr und wir kommen nicht so richtig weiter.
    wir machen immer mal wieder anfragen bei standesämtern und ema anfragen, aber es sind sehr komplizierte familienverhältnisse.
    reicht das schon aus, um eine nlp anzuordnen oder muss man das betreuungsgericht weiter vertrösten und weiter ermitteln, auch wenn ich mir recht sicher bin, dass wir nicht mehr viel herausfinden werden?

  • Ich stelle fest: Es ist unklar wer Erbe wird und es gibt sicherungsbedürftigen Nachlass. Hinzu kommt eine Anregung des Betreuungsgerichts.

    Einen klareren Fall für eine Nachlasspflegschaft gibts wohl kaum.

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