Erfüllung Pflichtteilsanspruch

  • Ich würde gerne mal andere Meinungen zu folgendem Fall hören:

    Die Mutter meiner Betreuten ist verstorben. Im Testament hat die Verstorbene die Schwester der Betreuten als Erbin eingesetzt.
    Es wurde eine Ergänzungsbetreuerin zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche der Betreuten gegenüber ihrer Schwester (wurde nach dem Tod der Mutter zur neuen Betreuerin bestellt) bestellt.
    Der Nachlass bestand aus Barvermögen und 3/4 Anteil an einer Eigentumswohnung. Der restliche 1/4 Anteil dieser Wohnung gehört bereits der Betreuten.
    Die Ergänzungsbetreuerin hat den Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des Barvermögens geltend gemacht. Auf meinen Einwand, dass der Betreuten auch noch der Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des Anteils der Eigentumswohnung zusteht, war die Ergänzungsbetreuerin der Ansicht, dass die Geltendmachung nicht im Sinne der Betreuten wäre. Der weitere Pflichtteilsanspruch würde ca. 10.000 € betragen. Um ihn zu realisieren, müsste die Eigentumswohnung verkauft werden. Die Eigentumswohnung würde jedoch dazu dienen, dass die Betreute und die Betreuerin sich dort zusammen treffen können, da die Betreute ansonsten im Heim lebt und die Betreuerin weit entfernt wohnt. Außerdem hätte in der Vergangenheit bereits die Mutter der Betreuten und nunmehr die Schwester der Betreuten sämtliche Unterhaltungskosten für die Wohnung gezahlt.
    Ich habe darauf bestanden, dass der Anspruch der Betreuten aber zumindest abgesichert wird.
    Nun wird mir folgender Vertrag zur Genehmigung vorgelegt:
    Der restliche Pflichtteilsanspruch wird bis zur Veräußerung der Wohnung gestundet. Als Ausgleich braucht sich die Betreute nicht an den laufenden Kosten der Wohnung und Instandhaltung zu beteiligen. Zur Absicherung des Betrages wird eine Hypothek im Grundbuch eingetragen.
    Zu Lebzeiten der Betreuten wird allerdings die Auseinandersetzung der Eigentümergemeinschaft gem. § 1010 BGB ausgeschlossen und im Grundbuch eingetragen. Bei Selbstnutzung der Wohnung von den Miteigentümern ist wechselseitig keine Nutzungsentschädigung zu zahlen.

    Da die Ergänzungsbetreuerin Vereinsbetreuerin ist, halte ich den Vertrag nur insoweit für genehmigungsbedürftig, soweit der Ausschluss der Auseinandersetzung im Grundbuch eingetragen werden soll (§ 1821 I Nr. 1 BGB) und sofern die Hypothek am gesamten Grundstück eingetragen werden soll (wg. Eigentümerhypothek).
    Ich habe jedoch bei der Genehmigungsfähigkeit etwas Bauschmerzen, da der Auseinandersetzungsausschluss doch nicht unbedingt von Vorteil für die Betreute ist und offensichtlich nur dazu dient, die Geltendmachung von Ansprüchen des Sozialhilfeträgers zu verhindern.

  • Meines Erachtens ist die Hypothek nur am 3/4-Miteigentumsanteil der Erbin/Schwester einzutragen. Gegen die übrigen Vereinbarungen ist im Grundsatz nichts einzuwenden (zinslose Stundung gegen Befreiung von den Kosten).

    Für die befristete Vereinbarung des Ausschlusses der Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft gilt folgendes:

    Zunächst ist zu berücksichtigen, dass die Eintragung des Aufhebungsausschlusses im Grundbuch nach § 1010 BGB nur bewirkt, dass der auch ohne Eintragung wirksame Aufhebungsausschluss i.S. des § 749 Abs.2 S.1 BGB auch Wirkung gegenüber den jeweiligen Rechtsnachfolgern der Bruchteilseigentümer entfaltet. Streng genommen könnte die Vereinsbetreuerin diesen schuldrechtlichen Aufhebungsausschluss somit auch ohne Genehmigung des Gerichts wirksam vereinbaren.

    Für den auf das Ableben des Betreuten befristeten Ausschluss der Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft besteht auf den ersten Blick sowohl in schuldrechtlicher auch in dinglicher Hinsicht kein Anlass. Er hat zum einen mit der Pflichtteilsregelung nichts zu schaffen und zum anderen war für die Zeit vor dem nunmehr eingetretenen Erbfall auch mit der Erblasserin kein Aufhebungsausschluss vereinbart gewesen. Weshalb sollte er aus materiellrechtlicher Sicht also jetzt erfolgen?

    Aber:

    Offenbar hat der 1/4-Miteigentumsanteil der Betreuten an der bis dato wohl von der Mutter eigengenutzten Wohnung durch den eingetretenen Erbfall seine sozialhilferechtliche Qualifikation als nicht einsetzbares Vermögen verloren. Falls es sich so verhält, kann der Sozialhilfeträger ohne vereinbarten Aufhebungsausschluss nunmehr auf diesen 1/4-Anteil zugreifen und über den Auseinandersetzungsansprch auf die Verwertung der ETW (= Veräußerung) dringen. Damit würde aber die Stundung des Pflichtteilsanspruchs im Ergebnis ad absurdum geführt, weil die Stundung ja nur deshalb erfolgt, weil für die Bedienung des Anspruchs durch die nicht liquide Erbin eine Veräußerung der Wohnung erforderlich wäre. Denn wenn die Wohnung aufgrund der geschilderten sozialhilferechtlichen Gegebenheiten wegen § 749 Abs.1 BGB ohnehin veräußert werden muss, entfällt die Grundlage für die Stundung des Pflichtteilsanspruchs, weil die Pflichtteilsschuld aus dem 3/4-Verkaufserlös der Erbin dann ja ohne weiteres bedient werden kann.

    Aus den genannten Gründen dient der vorliegende Aufhebungsausschluss in mittelbarer Hinsicht dem Zustandekommen der Stundungsvereinbarung, weil letztere ohne ersteren wegen des geschilderten rechtlichen Zusammenhangs nicht durchführbar ist.

    Falls ich im Hinblick auf die sozialhilferechtliche Rechtslage richtig liege, muss man sich also entscheiden: Entweder beides oder keines von beiden.

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