Grundbuchberichtigung - mehrere Verfügungen

  • Sachverhalt:

    Erblasser E war kanadischer Staatsbürger, Wohnsitz in Deutschland.

    1962 Erbvertrag. Erbe ist der Bruder B. Allerdings nur unter der Bedingung, dass E bei seinem Tod nicht in einer gültigen Ehe lebt.

    2006 Notarielles Testament. Als Erbin wird die Tochter T eingesetzt.

    E verstirbt als Witwer. T beantragt Grundbuchberichtigung auf ihren Namen.

    Fragen:
    1. Wer ist Erbe? B oder T? Ist die Bedingung im Erbvertrag wörtlich zu nehmen oder fällt hierunter auch der Umstand, dass E verwitwet ist.

    2. Hat das kanadische Recht Einfluss auf die Erbfolge?

  • Obwohl ich eigentlich Trauer trage, weil mein Urgroßonkel heute vor 470 Jahren hingerichtet wurde,;) versuche ich die Frage gleichwohl zu beantworten.

    Das kanadische IPR aller Provinzen und Territorien, auf welches das deutsche Recht zunächst verweist (Art.4 Abs.1, 25 Abs.1 EGBGB), verweist m.W. sowohl für den deutschen Grundbesitz (Recht der belegenen Sache) als auch für den beweglichen Nachlass (Domizil) auf das deutsche Recht zurück, sodass (falls der Erblasser nicht noch anderswo Grundbesitz hinterließ) keine Nachlassspaltung eintrat und der Erblasser kraft Rückverweisung (Art.4 Abs.1 S.2 EGBGB) insgesamt nach deutschem Recht beerbt wurde.

    Da die Zulässigkeit der gewählten Art einer Verfügung von Todes wegen (hier: Erbvertrag) gesondert anzuknüpfen ist (Errichtungsstatut nach Art. 26 Abs.5 S.1 EGBGB), müsste man aber noch ermitteln, wie es sich mit dem fiktiven Erbstatut im Zeitpunkt des Erbvertragschlusses (1962) verhielt, welche Staatsangehörigkeit der Erblasser und der Vertragspartner damals hatten, wer der Vertragspartner war und ob es sich um einen einseitigen oder um einen wechselseitigen Erbvertrag handelte. Man muss also zunächst einmal zur Wirksamkeit des Erbvertrags gelangen, um anschließend zu prüfen, welche Wirkungen er hat.

    Für den Fall, dass der Erbvertrag wirksam ist, könnte man daran denken, dass der Fall, dass der Erblasser verwitwet verstirbt, einen Unterfall der denkbaren Fälle darstellt, bei welchen der Erblasser nicht in einer gültigen Ehe lebt (ledig, geschieden, verwitwet). Danach würde die Erbeinsetzung bedingungsgemäß greifén. Wenn diese Auslegung zutrifft, dürfte der Rest relativ einfach sein. Denn wenn die Erbeinsetzung des Bruders vertragsmäßig getroffen wurde, steht die Bindung an den Erbvertrag der späteren einseitigen Erbeinsetzung entgegen. Ob eine Anfechtungsmöglichkeit besteht, wenn die Tochter erst nach Erbvertragserrichtung geboren wurde (§§ 2079, 2281, 2283, 2285), muss derzeit offen bleiben.

    Insgesamt bietet der vorliegende Erbfall aber solche (und zugleich mehrere) rechtliche Schwierigkeiten, die sich nur im Nachlassverfahren klären lassen. Dazu gehört nicht nur die Klärung des fiktiven Erbstatuts im Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags, sondern auch und vor allem die denkbare Auslegung, dass der Erbvertrag auch dann nicht gelten soll, wenn der Erblasser aus einer späteren, aber dann wieder aufgelösten Ehe Abkömmlinge hinterlässt. Diese Auslegung lässt sich keinesfalls von der Hand weisen und welche von beiden Auslegungsmöglichkeiten greift, setzt Ermittlungen voraus, die das Grundbuchamt nicht vornehmen kann.

    Ich würde daher im Ergebnis zur Grundbuchberichtigung schon wegen der Auslegungsproblematik einen Erbschein verlangen, ohne dass es noch auf die Details zur Bestimmung des fiktiven Erbstatuts ankäme.

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