Freibetrag nach § 850d ZPO seit Hartz IV

  • Hallo.

    Ich möchte die Meinung der Rechtspfleger in den übrigen Bundesländern zu folgendem Thema erfragen :

    Wir hamburgischen Vollstreckungs-Rechtspfleger sind dahingehend übereingekommen, dass man seit dem 01.01.2005 für die Berechnung des Schuldner-Freibetrags nach § 850d ZPO nicht mehr auf die Vorschriften des (ehemaligen) BSHG, sondern (bei erwerbsfähigen Schuldnern) auf die Vorschriften des SGB-II abstellen muss.

    Somit gewähren wir seit 01.01.2005 einem ledigen Schuldner derzeit einen Freibetrag i.H.v. 782,50 €, der sich aus dem Grundfreibetrag (345,- €) sowie (in Anwendung der Rechtsprechung des LG HH) aus einem Pauschalbetrag für die Miete nach der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (für Hamburg bei Ein-Personenhaushalt) i.H.v. 350,- € zzgl. pauschal 25% von diesem Betrag für Nebenkosten zusammensetzt.

    Welchen Betrag nehmt ihr in Anwendung welcher Vorschriften ?
    Gibt es bei euch neuere Rechtsprechung zu diesem Themenbereich ?
    (Wir haben nur eine Entscheidung des LG HH, die sich nicht wirklich mit der Problematik auseinandergesetzt zu haben scheinen...)

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Hallo!


    Beim Amtsgericht Bamberg werden seit nunmehr drei Jahren 650,-- € als Grundfreibetrag für einen alleinstehenden Unterhaltspflichtigen gewährt. Zu Beginn des Jahres haben wir (insgesamt 4 Rechtspfleger) heftig über die Höhe diskutiert und haben uns darauf verständigt, die aus dem Vorjahr geltende Höhe für das Jahr 2005 zu übernehmen. Im Dezember werden wir uns wieder zusammen setzen und werden die Höhe neu diskutieren. Grundlage wird auch hier wieder sein: Regelsatz nach Hartz IV (z. Zt. 345,-- € zuzüglich Mietzuschuss nach § 8 WoGG (Stufe I für Landkreis bzw II für die Stadt in Höhe von 160 bis 280 €) und Zuschlag für die Nebenkosten.

    Wie schaut dieser Grundfreibetrag bei anderen Amtsgerichten aus?

    Ich habe schon die verschiedensten Beträge gelesen: von unter 500 € bis über 800 €!

  • Auch in NRW wird sich, soweit mir bekannt ist, an den aktuellen SGB-Sätzen orientiert.
    Ich halte das auch für sinnvoll, da der Schuldner ja auch durch eine bevorrechtigte Pfändung nicht sozialhilfebedürftig werden darf.

    Wenn man also unter diese Grenzen geht, hätte er ja einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB und das kann nicht Sinn der Sache sein.

    Verliere immer den ganzen Verstand - ein halber verwirrt nur! :grin:

  • Hallo,

    im Amtsgerichtsbezirk Landsberg am Lech wird weiterhin der Betrag von 820.-- Euro für einen alleinstehenden Schuldner gewährt. Bin ja erstaunt, daß es bei Euch wesentlich niedrigere Sätze sind. Scheinbar sind die Lebenshaltungskosten im Süden höher, daran orientiert sich dieser Betrag ja.

    Viele Grüße

    Maria

  • @Mia37rpflin :

    Zitat von Mia37rpflin

    im Amtsgerichtsbezirk Landsberg am Lech wird weiterhin der Betrag von 820.-- Euro für einen alleinstehenden Schuldner gewährt



    Hallo. Wie setzt sich "euer" Betrag von 820,- € zusammen (Beispiel = s.o.) ?

    Tina :
    Wieviel gewährt ihr denn nun einem ledigen Schuldner ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Hi bishop,

    der Betrag orientiert sich am Lebenshaltungskostenindex und den damaligen Sozialhilfesätzen. Mehr weiß ich auch nicht, war schon vor meiner Zeit am Vollstreckungsgericht so festgesetzt.

    Viele Grüße

    Maria

  • Nicht § 850d ZPO, aber trotzdem:

    ""Hartz IV - Auswirkungen auf die Pfändbarkeit von Arbeitseinkommen" von RA Günther R. Neugebauer, original erschienen in: MDR 2005 Heft 16, 911 - 914.
    Der Beitrag beschreibt die Auswirkungen, die sich aus Hartz IV bezüglich des notwendigen Selbstbehalts bei einer Unterhaltspfändung und einer Pfändung wegen Ansprüchen aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung ergeben. Er gibt in diesem Zusammenhang einen Überblick über die Regelleistungen der §§ 20 ff. SGB II und die Möglichkeit der Neufestsetzung des unpfändbaren Arbeitseinkommens analog § 850 g S. 1 ZPO."

    Weiterlesen (lexinews.de)

  • Interessanter Aufsatz, der voll in die Kerbe der oben dargestellten Rechtsauffassung haut.


    Als weitere Begründung der Anwendbarkeit der Vorschriften des SGB-II bei einem erwerbsfähigen Schuldner ergibt sich auf § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO in der Fassung ab dem 01.01.2005.

    Demzufolge müsste man konsequenter Weise bei erwerbsfähigen Schuldnern die Berechnung des Selbstbehalts nach SGB-II und bei erwerbsunfähigen Schuldnern nach SGB-XII vornehmen.

    Ich halte die Gewährung eines pauschalen Erwerbstätigen-Zuschlags nach § 30 SGB-II, wie vom Autor gefordert, gerade in Unterhaltssachen und Verfahren i.S.v. § 850f Abs. 2 ZPO für übertrieben.

    In diesen Verfahren hat der Schuldner aufgrund der Unterhaltsschuld bzw. aus der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung heraus eine erweiterte Erwerbsobliegenheitspflicht, so dass ich einen Zuschlag im Sinne des § 30 II SGB-II erst auf Antrag nach § 850f Abs. 1 Buchst. a ZPO und bei Nachweis der Entstehung von Aufwendungen im Rahmen der Erwerbstätigkeit im Umfang der Aufwendungen gewähren würde.

    Wie sehen die übrigen Vollstreckungskollegen diese Frage ?

    the bishop :kardinal:

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  • Da ich von dem Admin freundlichst darauf hingewiesen wurde, dass es unhöflich sei, einem Bischof nicht zu antworten :peinlich: , hieralso meine überfällige Antwort:
    Zumindest beim AG Leverkusen beträgt der Betrag z.Zt.:
    345,00 € + 391,00 € (Miete) = € 736,00 € + 25 % bei Erwerbstätigkeit 86,25 € = 822,25 €

    Bei einem nicht erwerbstätigen Schuldner, entsprechend ohne diese Erhöhung.

    Bekomme ich jetzt meine Absolution? :hoffebete :kardinal:

    Verliere immer den ganzen Verstand - ein halber verwirrt nur! :grin:

  • In Berlin gibt es zum diesem Thema selbst unter den unterschiedlichen Amtsgerichten der Stadt keine Einigkeit. Aber auch wir alle orientieren uns grundsätzlich am aktuellen Sozialhilfesatz. Lediglich hinsichtlich der Pauschale für Kosten für Wohnung, Erwerbstätigkeit, Nebenkosten gibt es Unterschiede. Beim AG CHBG haben wir uns darauf geeinigt, dem ledigen, nicht berufstätigen Schuldner 670,00 EUR zu belassen (Sozialsatz 345,00 EUR zzgl.
    Mietpauschale 325,00 EUR). Ist der Schuldner berufstätig soll ihm für Auslagen aus der Erwerbstätigkeit zusätzlich noch eine Pauschale belassen werden. Insgesamt hat dieser einen Betrag von 740,00 EUR zur Verfügung, da er zusätzlich zur Pauschale für seine Erwerbstätigkeit dazu "animiert" werden soll, seine Erwerbstätigkeit fortzuführen. In anderen Gerichten Berlins wird dem Schuldner ein Betrag von 840,00 EUR oder 860,00 EUR belassen, dieser Betrag erscheint mir jedoch zu hoch. Das ist für mich nicht mehr nachvollziehbar.

  • Also im Raum Freiburg nehmen wir "pauschal" 800.- EUR. Das LG Freiburg hat jedoch bei mir schon zwei mal entscheiden, daß die Sozialhilfebeiträge zu nehmen sind. Ich gehe also bei entsprechenden Anträgen nunmehr immer von der Sozialhilfe aus. Die Berufspauschale kann hierbei je nach Schwere der Unterhaltspflichtverletzung und der Höhe des pfändbaren Betrages zusätzlich nur zu bestimmten Prozenten angesetzt werden. Also liegen wir etwa ab 670.- aufwärts.....Ich hab die genauen Daten grad nicht da, aber wer Interesse hat.......

  • @ rüpfel : Ja, bitte !

    Wenn du "Sozialhilfe(i)beträge" sagst, meinst du dann solche i.S.v. SGB-II (erwerbsfähige Schuldner) oder solche i.S.v. SGB-XII (erwerbsunfähige Schuldner) ? (Das BSHG gibt es ja seit dem 01.01.2005 nicht mehr).

    Habt ihr bei euch so günstige Mieten, dass man "nur" auf 670,- € kommt (siehe unsere Berechnung im Tread oben) ?!? :confused:

    the bishop :kardinal:

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  • Also, das LG Freiburg (B.v.29.10.03, 13 T 136/03 sagt:

    Sozialhilfebedarf:

    Regelsatz, derzeit (2005) 345,00

    Bedarf für einmalige Anschaffungen sind 15% des Regelbedarfs: 51,75

    angemessene Kosten für Wohnung: Sozialamt hier: 45 m" x 5,62 zuzüglich NK, also etwa 300,00

    Für Berufstätige: Zuschag für Erwerbstätige entsprechend dem Grundgedanken des § 76 Abs. 2 Nr. 1 BSHG bis zu 50 % des Regelbedarfs.
    Die Bestimmung auf diesen Zuschlag setzt nach § 850 f Abs 1 ZPÜO jedoch voraus, daß überwiegende belange des gläubigers nicht dagegenstehen.
    Bei einem Kind, dessen Unterhaltsbedarf infolge aufgelaufener Rückstände nur durch Einspringen der Sozialhilfe oder Leistungen anderer Angehöriger ausgeglichen werden konnte, rechtfertigt sich eine Kürzung der berufstätigenpauschale um 40 %, (also nur 30% des Regelbedarfs).


    Nebenbemerkung: solange jedoch keine konkreten Anträge von gläubigern kommen , haben wir uns heute geeinigt, für Freiburg von 750.- bei nicht Berufstätigen und von 850.- für Berufstätige auszugehen. (40.- unter dem Mindestbehalt).

  • @rüpfel : Ähm... das wir 2003 noch das BSHG hatten, das es seit 01.01.05 nicht mehr in bisheriger Form gibt (is´nix mehr mit "Erhöhung des Regelsatzes für einmalige Anschaffungen" und auch nix mehr mit § 76 BSHG) , so dass sich die von dir zitierte LG-Rechtsprechung mehr oder weniger in Luft aufgelöst hat, hat sich doch bestimmt auch schon bis Freiburg rumgesprochen... , gelt ?! :tomate

    Es gibt seit 01.01.05 nunmehr nur noch das SGB-II für erwerbsfähige und das SGB-XII für erwerbsunfähige Personen.:klugschei

    the bishop :kardinal:

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  • Ich denk mal auf die 345 Euro plus nix Grundbedarf nach H.IV kann man sich einigen, einen Mehrbedarf in einer Zone von bis 10 % halte ich für vertretbar, einerseits als Anreiz, andererseits hat ein Erwerbstätiger tatsächlich höhere Ausgaben. Und die LG-Urteile sind nicht unbedingt aufgelöst, das LG HH hat sich hins. angemessener Kosten für eine Unterkunft geäußert, und daran ändert auch die Aufgabe der Sozialhilfe nichts.

  • @Erzett : Ich habe ja grundsätzlich nichts dagegen, wenn jemand der Meinung ist, einen Mehrbedarf nach § 30 SGB-II zu gewähren aber man sollte sich dann bewusst sein, welche Vorschrift(en) man anwendet.

    Ich möchte mich bemühen, das "das haben wir schon immer so gemacht"-Prinzip aus den Köpfen der Kollegen zu verdrängen.

    BSGH (einmalige Leistungen, Erhöhung gem. § 76 BSGH) gibt es seit 1.1.05 nicht mehr, that´s fact.
    :toot:

    the bishop :kardinal:

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  • :aufgeb:
    verzeiht, ich hab ja auch ein "altes§ urteil von 2003 zitiert....

    also, ich werd auch im angesicht der neuen regelungen eine zuschlag gewähren, da bei arbeit immer mehrbedarf anfällt.........:)

  • Weder das SGB noch Hartz IV sind Bestandteile der ZPO. Sie geben allenfalls Anhaltspunkte. Das Gericht kann hier relativ frei entscheiden. Und wenn jemand arbeitet, hat er höhere Ausgaben. Außerdem ist es ein wenn auch geringer Anreiz weiter zu arbeiten. Dabei sollte man allerdings bedenken, daß jeder Cent mehr für den Schuldner einen Cent weniger für den Unterhaltsberechtigten ergibt.

  • @rüpfel : (bohr...) : Nur rein Interessehalber : Wieviel Zuschlag i.S.v. § 30 II SGB-II gewährst du denn ? (ich persönlich bin gegen einen Zuschlag von vornherein (s.o. im Thread), aber das wird sogar innerhalb Hamburgs unter den Kollegen kontrovers diskutiert (ebenso übrigens die Höhe der zu gewährenden Mietkosten bei einem Mehrfamilienhaushalt))... ;)

    P.S.: Das oben sollte kein persönlicher Angriff sein (nix für ungut...) :abklatsch

    @Erzett : Das gilt wohl nur für die freiwilligen Unterhaltszahler oder diejenigen, die Haushaltsgemeinschaft mit dem Schuldner leben ?! Und : Wenn man sich § 850f Abs. 1 ZPO mal näher durchliest, ergibt sich schon eine Verknüpfung zum SGB-II, die wir als Vollstreckungsgericht nicht ignorieren können (siehe auch der oben zitierte Aufsatz)... ?!

    the bishop :kardinal:

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