§ 2 BerHG - Notwendigkeit einer Einigung

  • Vorbemerkung:
    Leider hatte eine Kollegin BerH-Schein für Telekommunikationssachen erteilt (das macht bei uns die Verbraucherzentrale, somit andere Art der Hilfe). Aber naja, Kind ist in den Brunnen gefallen.

    Fall selbst:
    RA reicht Kostennote über 255,85 € ein.

    Aus den Nachweisen geht hervor, dass die zu bestreitende Forderung 151,95 € beträgt. Die Forderung wird insgesamt bestritten, weil nie die vertraglich vereinbarte Leistung erbracht worden ist.
    Damit die BerH-Partei die Sache endlich los wird, wurde in dem Schreiben, in dem die Forderung bestritten wird, ein Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach die Partei sich auf 80 Euro-Ratenzahlung verständigen könnte.

    Gegner hat das Vergleichsangebot angenommen, womit technisch gesehen die Einigungsgebühr entstanden ist, weil kein klares Anerkenntnis oder Verzicht vorliegt und der Anwalt mitgewirkt hat.

    Ich überlege allerdings wegen § 2 BerHG (anwaltliche Vertretung für die Einigung war nicht notwendig) die Einigungsgebühr abzusetzen. Begründe dies damit, dass ein Selbstzahler dieses Unsinn nicht gemacht hätte. Der anwaltliche Vergleich ist im Ergebnis teurer (insgesamt 255,85 €), als wenn ein Selbstzahler oder die Beratungshilfepartei die Forderung in Höhe von 151,95 € von vornherein gleich bezahlt hätte. Das Verhalten der BerH-Partei ist vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen unverhältnismässig.

    Nur weil die BerH-Partei wusste, dass keine Anwaltskosten zu befürchten sind, konnte es sich diese Partei leisten, sich prozessökonomisch anders zu verhalten als ein Selbstzahler.
    Es ist grob unbillig, wenn eine BerH-Partei gegenüber einem Selbstzahler in diesem Punkt bevorteilt wird. Denn Beratungshilfe soll nur Nachteile ausgleichen, nicht aber gegenüber dem Selbstzahler Vorteile einräumen.

    Wie sehen denn die geschätzten Kollegen (damit meine ich auch die Anwälte) das? Vertretbar oder schieße ich übers Ziel hinaus? :D

  • Der anwaltliche Vergleich ist im Ergebnis teurer (insgesamt 255,85 €), als wenn ein Selbstzahler oder die Beratungshilfepartei die Forderung in Höhe von 151,95 € von vornherein gleich bezahlt hätte.

    Wie sehen denn die geschätzten Kollegen (damit meine ich auch die Anwälte) das? Vertretbar oder schieße ich übers Ziel hinaus


    1. wenn man den Selbstzahlervergleich anstellt, muss man redlicherweise mit den Wahlanwaltsgebühren rechnen, nicht mit der BerH-Vergütung
    2. die erfolgte Einigung war nicht Ziel der anwaltlichen Tätigkeit, sondern wahrscheinlich die Notlösung, als man mit dem Abwehren der Forderung insgesamt nicht durchkam. Sowas entwickelt sich ja erst im Laufe des Mandates. Insoweit kann man mE nicht
    im Nachhinein hergehen und Ausgangspunkt und Endpunkt des Mandates in Verhältnis setzen. MaW halte ich die Betzarchtungsweise: "dann hätte er ja gleich doe gesamte Forderung zahlen können" nicht für zulässig
    3. Aus´m Bauch habe ich auch irgendwie Bedenken, Einigungsgebühren zu Lasten der Staatskasse zuzubilligen. Aber das RVG sieht das vor und knüpft an diese Gebühren auch keine weiteren Bedingungen.
    Im Vergleich dazu verlangen die RS zumindest eine mehr oder weniger plausible Darlegung, warum man sich einigt und das eigentliche Ziel nicht weiter verfolgt. Die Kosten der Einigung trägt die RS nach den Vetragsbedingungen dann nur in dem Verhältnis des "Obsiegens/"Unterliegens". Diese Einschränkung gibt es aber bei erH eben nicht.

  • Ok, Punkt 1. trifft zu, wie hoch sind denn die Wahlanwaltskosten in diesem Fall bei einem Streitwert von bis zu 300 Euro? (hab beruflicherseit mit Wahlanwaltskosten nix am Hut).

    Zu 2. der Vergleichsauftrag war von Anfang an Teil der Tätigkeit, denn es wurde nur ein Schreiben in der Angelegenheit gefertigt. Bestreiten und hilfsweise Einigung waren in einem Schreiben.

    Zu 3. Wie legst du denn § 2 BerHG aus? Der Gesetzestext ist so mager, dass man die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung umfangreich ausdeuten kann. Eine Einigung ist ja auch eine Form der anwaltlichen Vertretung oder ist damit nur die Vertretungsgebühr an sich gemeint? Also: ist die Vertretung notwendig, ist automatisch immer auch die sich möglicherweise anschließende Einigung notwendig?

    Ich hoffe nicht, denn damit wäre ja dem (theoretisch denkbaren) Mißbrauch Tor und Tür geöffnet? :eek:

  • Ok, Punkt 1. trifft zu, wie hoch sind denn die Wahlanwaltskosten in diesem Fall bei einem Streitwert von bis zu 300 Euro?

    Bei einem Gebührensatz von 1,3 betragen die Kosten incl. USt. 46,41 €,

    Wie legst du denn § 2 BerHG aus? Der Gesetzestext ist so mager, dass man die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung umfangreich ausdeuten kann. Eine Einigung ist ja auch eine Form der anwaltlichen Vertretung oder ist damit nur die Vertretungsgebühr an sich gemeint? Also: ist die Vertretung notwendig, ist automatisch immer auch die sich möglicherweise anschließende Einigung notwendig?

    Ich hoffe nicht, denn damit wäre ja dem (theoretisch denkbaren) Mißbrauch Tor und Tür geöffnet? :eek:



    Theoretisch dürfte auch eine Einigungebebühr neben einer Beratungsgebühr entstehen können, wenn die Einigung auf anwaltlichen Rat erfolgt.
    Die Notwendigkeit einer Einigung kann man wohl kaum prüfen, das ist schliesslich eine Entscheidung der Parteien.

  • Ist bei den 46,41 € auch die Einigung mit drin? (hab wirklich keine Ahnung von)

    Nagut, werde die nächsten Tage gucken wie sich der Thread hier entwickelt und nochmal drüber schlafen. Ich arbeite eh im Schlaf am Besten :D

  • Würde die Forderung nicht von Anfang an bestritten worden sein, hätte ich direkt gesagt: Für eine Ratenzahlungsvereinbarung gibt es keine Einigungsgebühr. In diesem Falle ist es schwerer.

    Ich würde den § 2 BerHG nur auf das tatsächliche Tätigwerden des Rechtsanwalts, also die Vertretung "im Ganzen" anwenden. Hätte eine simple Beratung ausgereicht, ist die Vertretung nicht erforderlich. Meine UdGs verlangen (sofern ich nicht "erfolgloses Eigenbemühen" in den Schein schreibe) auch gerne mal, dass die Rechtssuchenden nach erfolgter Beratung erstmal selbst tätig werden sollen, um zu gucken, ob sie mit dem neu erworbenen Wissen tätig werden können (in dem seltenen Fall, in dem vorher kein eigenes Tätigwerden geprüft wurde... kommt bei mir so gut wie nie vor). Hat das nicht zum Erfolg geführt, war die anwaltliche Vertretung "notwendig" und wenn dabei ein Vergleich erzielt wird, isses gut so.

    In deinem Fall ist es für mich allerdings fraglich, ob tatsächlich eine Einigungsgebühr entstanden sein könnte. Für mich klingt es eher so, als würde die Hauptforderung komplett anerkannt worden sein (zumindest lese ich das aus deinen Ausführungen so heraus, da du nichts von einer geringeren Forderungshöhe o.ä. geschrieben hast). Für die bloße Ratenzahlungsvereinbarung gibt es keine Einigungsgebühr, da es sich hierbei bloß um eine Einigung zu Zahlungsmodalitäten handelt, durch diese jedoch die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird (das geschieht in deinem Fall durch das "Anerkenntnis").

  • Sehe ich genauso wie Lord Reis!
    Auch wenn die Forderung vielleicht anfangs bestritten worden ist, nur "um die Sache los zu sein" zahlt man doch nicht mal eben 150 €. Auch frag ich mich woher der 80 € mtl her nehmen will, wenn er nicht mal Geld für den Anwalt hatte, aber das ist noch wieder ne andere Sache!

    Wie gesagt, die Vereinbarung von Zahlungsmodalitäten ist ein tatsächliches Problem und daher nicht von der Beratungshilfe umfasst!

  • Wenn statt geforderten 150 € nur 80 € gezahlt werden, ist das eine Einigung über die Forderungshöhe und nicht über die Zahlungsmodalitäten.

    Es macht mir nichts aus, ein Vorurteil aufzugeben. Ich habe noch genügend andere.
    Fraue machet au Fähler, abber firs richtige Kaos braucha mer scho no d'Menner..

  • Im Vergleich wurde angeboten, dass insgesamt nur 80 Euro gezahlt werden (und diese in Raten), statt der 150 € ursprünglichen Forderung (möglicherweise habe ich den Text im Ausgangsfall nicht genau genug formuliert - daher sorry für das Mißverständnis :()

    Ich sehe es daher wie A.U., dass hier eine echte Einigung vorliegt.


    Halten wir mal fest:
    Tendenziell geht es bei der Diskussion im hiesigen Thread in die Richtung, dass § 2 BerHG nur für die Vertretung anzuwenden ist. Wird dabei eine Einigung erzielt, ist der Vergleich selbst nicht mehr gesondert auf die Notwendigkeit zu prüfen, wenn die Vertretung an sich notwendig war.


    Würdet Ihr es anders beurteilen, wenn der Vergleich augenscheinlich mißbräuchlich wäre (diese Frage zielt jetzt nicht konkret auf diesen Fall ab, sondern generell)? Also ein Vergleich über die symbolische Summe von 1 Euro bei einer Forderung von 100 Euro abgeschlossen wird? Oder ein Vergleich über 99 Euro bei einer Forderung von 100 Euro?

    Die Lösung wäre vermutlich, dass man nicht über die Notwendigkeit gem. § 2 BerHG geht, sonderne man den Vergleich eher als verschleierter Verzicht oder Anerkenntnis auslegt oder?

    Wie immer sind die Fragen spannend und wie immer wird wohl es keine genaue festzunagelnde Antwort drauf geben :D

  • Im Vergleich wurde angeboten, dass insgesamt nur 80 Euro gezahlt werden (und diese in Raten), statt der 150 € ursprünglichen Forderung (möglicherweise habe ich den Text im Ausgangsfall nicht genau genug formuliert - daher sorry für das Mißverständnis :()

    Ich sehe es daher wie A.U., dass hier eine echte Einigung vorliegt.

    Okay, dann hatte ich es falsch verstanden ;) In dem Fall liegt natürlich eine "echte" Einigung vor.



    Genau so würde ich es auch sehen. Es liegt in deinem zweiten Fall (99,- Euro werden gezahlt, 100,- Euro waren Forderung) m.E. nicht zwangsläufig ein "Vergleich" im Sinne der VV 1000 RVG vor, zumal dann zu prüfen wäre, ob der Antragsteller nicht möglicherweise selbst einen solchen "Preisnachlass" hätte erwirken können.
    In dem ersten Fall sieht es schon wieder anders aus: Wenn 100,- Euro gefordert werden und 1,- (symbolischer) Euro letztlich nur gezahlt wird, ist durch diesen Vertrag letzten Endes die Unsicherheit über ein Rechtsverhältnis endgültig geklärt. Man kann es auch in diesem Falle als "verschleierten Verzicht" sehen, so wie man den anderen Fall als "verschleiertes Anerkenntnis" sehen kann. Bei einem solchen Vergleich liegt die Vermutung jedoch näher, dass die anwaltliche Vertretung erforderlich war (je nach Sachverhalt) und die Gegenseite eben nicht vollständig auf die Forderung verzichten wollte.

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