Wer vollstreckt Geldbuße in OWi-Sachen: StA oder Jugendrichter?

  • Hallo und Guten Morgen,

    ich brauche wieder mal euren Rat.

    als Rechtspfleger für Jugendstrafsachen beim AG habe ich ein rk Urteil in einer OWi-Sache vorgelegt bekommen, wo eine Geldbuße wegen Zulassens des Führens eines nicht zugelassenen KfZ im öffentl. Straßenverkehr zu vollstrecken ist (§§ 19 III StVZO, 3 IV, 48 Nr. 2, 1. Alt. FZV, 24 StVG, 17, 46 OWiG, 260, 465 StPO.

    Die Akte ging zur StA, diese gab sie zurück ans AG zur Vollstreckung gem. §§ 91 OWiG, 82 JGG.

    Der Richter gab die Akte zurück an die StA unter Hinweis darauf, dass das JGG hier nicht angewandt worden ist.

    Die StA schickte die Akte zurück mit folgendem Vermerk:

    "Die Vollstreckung gerichtlicher Bußgeldentscheidungen, die gegen Heranwachsende ergangen sind, obliegt dem Jugendrichter als Vollstreckungsleiter (§ 91 OWiG i.V.m. § 82 Abs. 1 S. 1 JGG).
    Für die Einordnung als Heranwachsender kommt es auf das Alter des Betroffenen zur Zeit der Begehung der Ordnungswidrigkeit an. Die Vollstreckung gegen Heranwachsende ist - entgegen § 110 JGG - dem Jugendrichter allein übertragen, da die differenzierende Regelung des § 105 JGG in § 91 OWiG nicht für sinngemäß anwendbar erklärt wird (siehe zu allem Karlsruher Kommentar zum OWiG/Mitsch, 3. Auflage 2006, Rz. 9 zu § 91 OWiG)."

    Nun hat der Richter die Sache mir vorgelegt.

    Ist das AG denn hier wirklich zuständig?
    Wenn der Richter die Behandlung als Heranwachsender bei Urteilsfassung gar nicht in Erwägung gezogen hat, sondern Erwachsenenrecht angewandt hat, dürfte doch wie bei Jugendstrafsachen auch ein Heranwachsender wie ein Erwachsener verurteilt werden.
    Vollstreckungsbehörde wäre die StA.

    LG
    dibalao

  • "Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende obliegt die Vollstreckung dem Jugendrichter (§ 91 OWiG, § 82 I JGG). Dies gilt auch dann, wenn die zu vollstreckende Entscheidung nicht durch ein Jugendgericht, sondern durch ein Erwachsenengericht erging. Eine dem § 105 JGG entsprechende Vorschrift enthält das OWiG nicht..."

    (Isak/Wagner, 7. Auflage Rn.453)

  • Hm,

    im HRP, Isak/Wagner, Strafvollstreckung, 7. Auflage habe ich unter Rn. 473 gefunden:
    "Hat das Gericht nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eine Sachentscheidung getroffen, ist Vollstreckungsbehörde in Bußgeldsachen gegen erwachsene die Staatsanwaltschaft und in Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende der Jugendrichter (§ 91 OWiG).
    Gegen Heranwachsende jedoch nur dann, wenn der Richter Jugendrecht angewendet hat.
    Dies ergibt sich aus dem Verweis auf § 82 Abs. 1 JGG in § 110 JGG."

    Und nun?

  • Nein, entscheidend ist das Alter zum Zeitpunkt der Festsetzung der Geldbuße (Karlsruher Kommentar, OWiG § 98 Rn. 5).


    Ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist, ist immer einen Frage des Tatzeitpunktes und nie eine Frage des Tages der Hauptverhandlung. Ich hatte gerade die Akte eines 30-Jährigen auf dem Tisch, der eine JGG-Verurteilung für Taten aus den Jahren 1998 / 1999 bekommen hat.

  • Das HRP sagt zwar etwas anderes, aber aus dem Gesetz komme ich dann auch zu dem Schluss, dass ich zuständig bin.

    Ohje:confused:, meine erste zu vollstreckende Geldbuße.

    Muss ich irgendwas besonderes beachten???
    Habt ihr Tipps, Verfügungen, Anmerkungen?

    Ansonsten würde ich mir etwas zusammenbasteln nach dem HRP Rn 474 ...

    LG
    dibalao

  • Die Buße wird mit den Kosten durch Kostenrechnung eingefordert (macht der UdG). Nach Fristablauf Mahnung, dann anschließend Vollstreckungsauftrag bei Nichtzahlung. Die Fruchtlosigkeitsbescheinigung wird dem Ri zur E-Haftfestsetzung vorgelegt.
    Solte der Betr. sich melden und Ratenzahlung beantragen, sollte dieses großzügig bewilligt werden. Unbefristete Stundungsanträge sollten abgelehnt werden.

  • Hallo Dirk,
    ich danke dir.

    Ich habe jetzt folgende Vfg. zusammengebastelt.
    Könnt ihr erfahrenen Geldbußevollstrecker mal drüberschauen und noch paar hilfreiche Tipps drübersteuen?

    Insbesondere überlege ich auch, ob ich eine Vollstreckungsanordnung des Richters brauche und ob ein Vollstreckungsheft im Hinblick auf § 15 StVollStO anzulegen ist.
    Und dann noch, ob die Kostenrechnung des KBs an den Betroffenen zuzustellen ist.

    Den Verfügungspunkt zum KB habe ich nur so ausführlich geschrieben, weil das unsere erste hier beim Amtsgericht zu vollstreckende Geldbuße ist.


    Vfg.

    1.)
    Vermerk:
    Die Beitreibung der Geldbuße ist grds. erst 2 Wochen nach Eintritt der Fälligkeit zulässig (§ 95 Absatz 1 OWiG)
    Fälligkeit von Geldbuße (und Kosten): mit RK der Bußgeldentscheidung (§§ 89 OWiG, 63 Absatz 2 Satz 2 GKG)
    Die Bußgeldentscheidung Blatt 93 ff. ist rechtskräftig seit dem 15.07.2010.
    Die Beitreibung ist zulässig.

    2.)
    Vermerk:
    Die Übersendung einer Ausfertigung des Urteils gem. § 76 Abs. 4 OWiG an die Verwaltungsbehörde (Zentrale Bußgeldstelle) Blatt 28 ist durch die Staatsanwaltschaft bereits erledigt, Bl. 124

    3.)
    Urteilsabschrift nach Nr. 140, 285 RiStBV an
    a) Betroffenen
    b) Verteidiger
    übersenden

    4.)
    Mitteilung an das Kraftfahrt-Bundesamt Flensburg zu Blatt 93 ff.
    (wegen § 24 StVG und da 40 € vollstreckt werden)

    5.)
    Vermerk:
    Die Geldbuße ist gleichzeitig mit den Kosten des Verfahrens einziehen - § 1 Absatz 2 EBAO

    6.)
    Vorlage an KB zur Erstellung der KR nach folgendem Muster und Übersendung der Zahlungsaufforderung an den Betroffenen gemäß § 87 Absatz 3 StVollstrO, 4, 5 EBAO.

    Kostenrechnung in pp.

    Geldbuße: …. €
    KV-Nr. 7110
    KV-Nr. 7130
    KV-Nr. 7200
    KV-Nr. 7600-7603
    KV-Nr. 7131
    KV-Nr. 9005
    KV-Nr. 9012
    KV-Nr. 9015
    KV-Nr. 9002
    KV-Nr. 9006

    Sehr geehrter Herr….,
    Zahlen Sie bitte den vorstehend berechneten Betrag binnen 2 Wochen (gemäß § 95 Absatz 1 OWiG) nach Empfang dieser Rechnung ein. Anderenfalls wird er zwangsweise beigetrieben werden.
    Gemäß § 87 Abs. 3 StVollstrO ergeht folgender Hinweis:
    Sollten Sie zahlungsunfähig sein, so sind sie verpflichtet innerhalb der genannten Frist schriftlich oder zur Niederschrift der Vollstreckungsbehörde darzulegen, warum Ihnen die fristgemäße Zahlung nach Ihren wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zugemutet werden kann. Kommen Sie Ihrer Pflicht, rechtzeitig zu zahlen oder Ihre Zahlungsunfähigkeit darzulegen nicht nach, so kann gegen Sie wegen der Geldbuße Erzwingungshaft gemäß § 96 Abs. 1 OWiG angeordnet werden.
    Der Überbringer dieser Zahlungsaufforderung ist zum Empfang des Geldes nicht berechtigt.
    Hochachtungsvoll
    ….

    7.)
    Wv. 1 Monat nach Absenden der KR zu 6.) oder bei Zahlungeingang

    Lieben Dank + LG
    dibalao

  • Nein, entscheidend ist das Alter zum Zeitpunkt der Festsetzung der Geldbuße (Karlsruher Kommentar, OWiG § 98 Rn. 5).


    Ob Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist, ist immer einen Frage des Tatzeitpunktes und nie eine Frage des Tages der Hauptverhandlung. Ich hatte gerade die Akte eines 30-Jährigen auf dem Tisch, der eine JGG-Verurteilung für Taten aus den Jahren 1998 / 1999 bekommen hat.




    Laut dem zitierten Kommentar soll es in OWi-Sachen anders sein als in Strafverfahren von Jugendlichen/Heranwachsenden.

  • :(
    Unser KB springt jetzt hier im Dreieck...

    Ich hatte ja verfügt, dass die Geldbuße zusammen mit den Kosten eingezogen werden soll mit obigem Anschreiben...

    Bei uns werden die Kosten aber durch die Landesjustizkasse eingezogen.

    Der KB :confused: steht jetzt vor dem Rätsel, ob die Geldbuße dann auch über die LJK läuft.

    Er meint, die StA wäre ja eigene Vollstreckungsbehörde und würde auch ihre Kosten selbst beitreiben.

    Kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, das läuft bei der StA doch bestimmt auch über die LJK.

    Nur ob die Geldbuße da mit in die KR kann?

    Wie gesagt, es ist der erste Fall bei uns hier am Amtsgericht...

  • Nein, die Geldbuße läuft keinesfalls über die LJK, du forderst die Geldbuße zuzüglich Kosten ein. Wenn der Betroffene die Geldbuße gezahlt hat und nur noch die (Rest-)Kosten offen sind, musst du nicht mehr weitervollstrecken, sondern kannst den Rest von der LJK einziehen lassen.

  • "...du forderst die Geldbuße zuzüglich Kosten ein. "

    Und wie läuft das praktisch?

    Wie bereits angedeutet, hab ich die Akte jetzt wieder auf dem Tisch.

    Ist nur die Geldbuße mit obigem Anschreiben anzufordern?
    Und dann lege ich die Akte dem KB vor wegen der Erstellung der KR, die dann aber gesondert läuft?

    Im HRP steht eigentlich unter Rn 477 (7. Auflage):

    "Mit der Geldbuße werden gleichzeitig auch die Kosten des Verfahrens eingezogen."

    Soll das nur für die StA gelten?

  • Es sind Geldbuße und Kosten zugleich einzufordern, §§ 87 II1 StVollstrO, 1 II EBAO.

    Ein V-Heft wird in den Fällen der §§ 87 I1, 15 II1 StVollstrO angelegt.

  • "Es sind Geldbuße und Kosten zugleich einzufordern, §§ 87 II1 StVollstrO, 1 II EBAO."
    Wie gesagt, unser KB hält das für nicht möglich, da bei uns die Kosten durch die Landesjustizkasse eingefordert werden, während die Geldbuße ja von uns (Amtsgericht) einzufordern ist.

    Ich zitiere mal § 1 Absatz 2 EBAO:

    "Gleichzeitig mit einem Geldbetrag sind auch die Kosten des Verfahrens einzufordern und beizutreiben, sofern nicht die Verbindung von Geldbetrag und Kosten gelöst wird (§ 15)."

    und § 15 Absatz 1 Ziffer 3 EBAO sagt:

    "Die Verbindung von Geldbetrag und Kosten wird gelöst, wenn die Vollstreckungsbehörde die getrennte Verfolgung beider Ansprüche aus Zweckmäßigkeitsgründen anordnet."

    Also werde ich das Gespräch mit dem KB von gestern vermerken und die Sache dem OWi-Richter hier als Jugendrichter vorlegen, um über die getrennte Verfolgung zu entscheiden.



    Ein V-Heft wird in den Fällen der §§ 87 I1, 15 II1 StVollstrO angelegt.

    Ich zitiere mal § 15 Absatz 2 Satz 1 StVollstrO:

    "Ist damit zu rechnen, dass die Akten während der Vollstreckung anderweitig benötigt werden, oder handelt es sich um Strafsachen größeren Umfangs, so ist ein Vollstreckungsheft anzulegen."

    Antwort: 2 x NEIN, also kein V-Heft.

    Ich danke euch für euer Mitüberlegen und eure hilfreichen Tipps. :)

    dibalao


  • "Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende obliegt die Vollstreckung dem Jugendrichter (§ 91 OWiG, § 82 I JGG). Dies gilt auch dann, wenn die zu vollstreckende Entscheidung nicht durch ein Jugendgericht, sondern durch ein Erwachsenengericht erging. Eine dem § 105 JGG entsprechende Vorschrift enthält das OWiG nicht..."

    (Isak/Wagner, 7. Auflage Rn.453)

    Steht im HRP nicht auch, dass - wenn es zur Erzwingungshaft kommt - dann die StA zuständig ist ? Steht im HRP 2 Sätze weiter.

    Ganz schwach vom HRP: es erfolgt keine Auseinandersetzung mit BGH 2. Strafsenat 2 ARs 178/02, 2 ARs 178/02 - 2 AR 95/02

  • Der KB hat hier einfach unrecht. Er muss nicht zwingend Kosten zum Soll stellen. Man kann dem Betr. auch eine Kosténrechnung übersenden, wie es ja auch bei Kleinbeträgen läuft. Dieses "das haben wir immer schon so gemacht" ist nun wirklich kein Argument. :daumenrun
    Die spätere E-Haft wird auch durch das AG vollstreckt.

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