Suizid als "neue" Masche ?

  • 13 schrieb hier:

    Wenn das die Runde macht, wird das mit einiger Fantasie eine wirkungsvolle neue Masche... :confused:

    Die Masche wird bei uns jetzt gestrickt. In letzter Zeit tritt immer wieder eine Firma (Schuldnerberatung, Immobiliensicherung, Entschuldung) als Schuldnervertreter auf, die die Absetzung von Versteigerungsterminen wegen angeblicher Suizidgefahr des Schuldners beantragt. Vorgelegt wird dabei ein nervenärztliches Gutachen, welches diese Suizidgefahr bestätigt.

    Auffällig ist, dass offenbar eine Vielzahl der Schuldner beim selbenNervenarzt bereits seit Jahren unter ständiger Beobachtung (so heißt es in den Gutachten) steht, obwohl dessen Praxis ca. 150 km (und weiter) vom Wohnort der Schuldner entfernt liegt, und dass die Gutachten alle ähnlichen bis zum Teil gleichen Inhalts sind.

    Der Arzt versäumt es auch in keinem seiner Gutachten, das Gericht darauf hinzuweisen, dass eine Ablehnung der Schuldnerschutzanträge mit der Begründung, der Schuldner könne sich in stationäre Behandlung begeben, nicht in Frage komme, da die Krankheiten der Schuldner auf Unrecht beruhe, welches nicht durch stationäre Behandlung in Recht umgewandelt werden könne.

    Habt ihr ähnliche Fälle und wie geht ihr damit um?

  • ... da die Krankheiten der Schuldner auf Unrecht beruhe, welches nicht durch stationäre Behandlung in Recht umgewandelt werden könne.



    Einen entsprechenden Einstellungsantrag würde ich mit dem Hinweis auf mögliche zivilrechtliche Verfahren, in denen die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt werden kann, zurückweisen.

    Hab es insoweit auch mal gemacht, da nur das Prozeßgericht prüfen kann, ob hier ein "Unrecht" vorliegt.


  • Habt ihr ähnliche Fälle und wie geht ihr damit um?



    Ich mache kein ZVG, halte es aber für möglich ein Sachverständigengutachten eines vereidigten Sachverständigen (den das Gericht aussucht) nach § 402 ZPO über die Behauptung des Schuldners, der Versteigerung stehe seine Suizidgefahr entgegen, einzuholen

  • Bei mir ist eine Häufung solcher Fälle zum Glück (noch?) nicht zu beobachten. Meine Selbstmörder waren bisher immer "individuell", d.h. nicht gehäuft und nicht nach der gleichen Masche.
    Bei Vollstreckungsschutzanträgen mit Begründung Suizidgefahr schicke ich die Schuldner grundsätzlich zum Amtsarzt beim Gesundheitsamt. Auf Privatgutachten würde ich mich da nicht verlassen, insbesondere dann nicht, wenn sie so offensichtlich getürkt sind.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Uhu: Den Passus habe ich nur mit reingeschrieben, damit ihr seht, in welche Richtung die Gutachten gehen. Über die Krankheit bzw. Suizidgefahr des Schuldners wird meist verhältnismäßig wenig gesagt, stattdessen wird der bisherige Verlauf des Versteigerungsverfahrens ausführlich dokumentiert und die wirtschaftliche Situation des Schuldners auseinanderklamüsert.
    Eine Beurteilung dahingehend, ob die Versteigerung zu Unrecht erfolgt oder nicht, steht dem Nervenarzt ja ohnehin nicht zu.

    Bisher hat es bei uns nur in einem Fall einen Termin mit zuschlagsfähigem Gebot gegeben. Da wurde der Zuschlag ausgesetzt und der Schuldner zum Amtsarzt geschickt. In den anderen Fällen haben die Termine ergebnislos oder mit Zuschlagsversagung geendet.

    Man wird den Verdacht nicht los, dass hier eine "Schuldnerberatungs"firma und ein Arzt in Kooperation eine neue Einnahmequelle für sich entdeckt haben.

  • Stimme ich hiro voll zu! Auf keinen Fall auf ein privates Gutachten verlassen, vielmehr würde ich den Schuldner ebenfalls zum Amtsarzt schicken und auf eine entsprechende Stellungnahme vom Amtsarzt warten.
    Problematisch ist das nur kurz vorm Versteigerungstermin, vermutlich würde ich den Termin trotzdem abhalten und bei zuschlagsfähigem Gebot einen Verkündungstermin anberaumen, bis zu dem dann das amtsärztliche Gutachten beizubringen ist.... Den Termin wegen so einem antrag ohne weiteres aufzuheben, würde ich denk ich mal nicht tun!

    Wenn kein Wind geht, dann rudere!
    (polnisches Sprichwort)

  • Ich mache kein ZVG, halte es aber für möglich ein Sachverständigengutachten eines vereidigten Sachverständigen (den das Gericht aussucht) nach § 402 ZPO über die Behauptung des Schuldners, der Versteigerung stehe seine Suizidgefahr entgegen, einzuholen


    Das habe ich auch schon gemacht, weil der vorgetragene Sachverhalt eine erhebliche Suizidgefahr glaubhaft gemacht hat. Der Schuldner hat von mir ein Jahr Vollstreckungsschutz erhalten und vom LG ein weiteres Jahr. Aus den Gründen läßt sich entnehmen, daß Schutz vermutlich auf Lebenszeit bewilligt wird. Das war einer der seltenen Fälle, in denen die vorgetragenen Gründe echt waren. Im geschilderten Fall, mit dem Hintergrundwissen, würde ich die Geschichte abbügeln. Bisher ist hier soetwas noch nicht vorgekommen. Suizidgefahr wurde bisher immer individuell vorgetragen. In der Regel war die Gefahr aber nach Ablehnung des Antrags vorbei, da keine Rechtsmittel eingelegt wurden. Ich habe auch noch nicht gehört, daß sich danach einer das Leben genommen hat, einem wurde es allerdings genommen. Da hätte dann ein anderer Entscheid auch nichts dran geändert.

  • In Räumungsschutzsachen reicht meist schon die Androhung, dass bei Vollstreckungsschutz die Sache an das Vormundschaftsgericht weitergegeben wird zwecks Einrichtung einer Betreuung. :D

  • Wirksam ist eigentlich der Rundumschlag:

    amtsärztliches Gutachten anfordern,
    Ordnungs- oder Jugendamt informieren (PsychKG),
    Vormundschaftsgericht informieren (Betreuung),

    die Anträge werden deutlich weniger, wenn sich das herumspricht (und es spricht sich in einschlägigen Kreisen herum).

  • Das amtsärztliche Gutachten scheidet in Räumungsschutzsachen meist wegen der 2-Wochen-Frist aus, die meist nur knapp eingehalten wird.

  • Kenne diese Sachen nur aus der Räumungsschutz-Perspektive, aber dort auch bislang nur als Einzelfälle. Bei Räumungsschutzsachen versuche ich wegen der Kosten und des Zeitaufwands immer zunächst auf Grund privatärztlicher Atteste zu entscheiden. Damit fahre ich insoweit glaub ich auch ganz gut - wenn wirklich ernstliche Risiken da sind, dann sind die Atteste entsprehend und man kann (z.B. über den Betreuer) auch konstruktive Lösungen finden.
    Hier scheint es dagegen ja nur ums torpedieren des Verfahrens zu gehen, also sollten die Auflagen an die Schuldnerseite schon den Charakter von Daumenschrauben haben. Juristische Sinnfragen des attestierenden Arztes würde ich aber in jedem Fall -wie die Wohnortferne- als Indiz für ein instrumentalisiertes Gebrechen oder gar ein Gefälligkeitsattest werten. Über eine Gesamtschau des Verfahrens lassen sich oft genug Argumente (zum Beispiel bei offensichtlicher Verfahrensverschleppung) finden, die diese Wertung festigen. Damit handelt der Schuldner aber normalerweise in tendenziell sittenwidriger wider seine ihm obliegende erhebliche Mitwirkungspflichten. Und dann liegt eben kein Grund zur Versagung mehr vor.
    Da das alles Zeit in Anspruch nimmt ist die spätere Zuschlagsentscheidung in jedem Fall die beste Variante, zumal sonst auch die Aufhebung wegen fehlerhafter Sachverhaltsaufklärung droht.

  • Das Problem mit den Psychos ist, dass sich der Zustand in absehbarar Zeit nicht ändern wird. Schon wegen des Schutzes der Person ist der Räumungsschutz notwendig, bei gleichzeitiger Einschaltung des Vormundschaftsgerichts. Aber das Attest des Arztes muß schon gut sein.

  • Ich kenne solche Situationen nur von der anderen - anwaltlichen - Seite. Zum Glück haben wir hier solche Fälle nur selten.
    Bei einer Sachen haben wir die Auseinandersetzungsversteigerung einer Erbengemeinschaft betrieben, weil einer der Miterben in das zum Nachlass gehörende Haus eingezogen war und sich geweigert hat, an die anderen Miete zu zahlen bzw die anderen Miterben auszuzahlen. Dieser Miterbe hat über seinen Anwalt damit gedroht von der Brücke zu springen, wenn die Zwangsversteigerung nicht eingestellt wird. Ärztliches Gutachten war beigefügt. Das Versteigerungsgericht hat sich nicht drauf eingelassen und Termin anberaumt. Einen Tag nach Zustellung der Terminsnachricht ist er dann wirklich gesprungen.

    In der anderen Sache hat sich das Versteigerungsgericht auch nicht drauf eingelassen. Grundbesitz wurde im ersten Termin versteigert. Gleich am nächsten Tag hat die Gegenseite aus allen Rohren geschossen und das LG bemüht. Es hat 4 Monate gedauert bis die Ersteigerer ins Grundbuch eingetragen werden konnten. Es mußte dann auch noch zwangsgeräumt werden.

    Wie ich von einer Rechtspflegerin von einem Versteigerungsgericht gehört habe, scheint es sich in letzter Zeit zur Masche zu entwickeln, eine Zwangsversteigerung - wenn auch nicht zu verhindern - so lange als möglich zu verzögern.

    Den Job beim Versteigerungsgericht möchte ich nicht geschenkt haben.

    »Die zehn Gebote sind deswegen so kurz und logisch, weil sie ohne Mitwirkung von Juristen zustandegekommen sind.«
    Charles de Gaulle (1890 − 1970)

  • Ich denke auch, dass grundsätzlich zunächst ein vereidigter Gutachter (Facharzt) zu bestellen ist mit der zusätzlichen Auflage an den Sachverständigen in seinem Gutachten auch zu ermitteln welche Therapie geeignet ist um den Verfahrensdruck für den Betroffenen erträglich zu machen. Wenn der Gutachter feststellt, dass tatsächlich Suizidgefahr besteht muss man wohl unter der Auflage, der Therapie nachzugehen das verfahren zunächst einstellen. Der Schuldner ist auf jeden Fall zur Mitwirkung verpflichtet alles dafür zu tun, dass der Verfahrensdruck für ihn erträglich ist (s. z.B. BVerfG, Beschluss vom 27.06.2005, Rpfleger 2005 Heft 11 S. 614, bezieht sich zwar auf Zwangsräumung aber von der Begründung sicherlich auch hier anzuwenden).

    Überl ist natürlich, dass im geschilderten Fall auf einer Masche rumgeritten wird. Dennoch muss man wohl jeden Einzeöfall zunächst erst mal ernst nehmen und "Scheinfälle" durch obige Verfahrensweise versuchen auszuhebeln.

  • Ich hatte bislang erst einen solchen Fall, wo ich dann auch eingestellt habe. Die Zeit vor dem Termin war sehr knapp bemessen, so dass eine amtsärztliche Begutachtung unwahrscheinlich schien; die Gutachterin (Verkehrswert) hatte aber im Gespräch seinerzeit bereits angedeutet, dass die Schuldnerin 'etwas dem wirklichen Leben entrückt' schien. Die Einstellung läuft übernächste Woche ab, die Schuldnerin hat von mir entsprechende Auflagen bekommen und (wahrscheinlich) nix weiter gemacht. Werde sie ggf. dann auch dem Amtsarzt vorstellen.

  • Den Job beim Versteigerungsgericht möchte ich nicht geschenkt haben.



    Danke für die Blumen, aber jeder Job bringt ein gerüttelt Maß an Verantwortung mit sich.

    Im Zweifel setze ich mich deshalb mit der/dem Betr. zusammen und versuche, mir ein Bild von ihrer/seiner Persönlichkeit zu machen - ich muss die Entscheidung ja im Zweifel vertreten, aber da ich kein Voll-Mediziner bin, ginge das wohl meist 'in dubio pro reo' aus.

  • Ich kann mir keinen schöneren vorstellen.:)



    Ich inzwischen schon.

    Stress ohne Ende, verrückte Belastungszahlen und immer mehr halbverrückte und böswillige Schuldner. Die Banken schicken immer öfter ihre Lehrlinge in die Termine und die Interessenten rekrutieren sich immer häufiger aus asiatischen oder orientalischen Bevölkerungsgruppen mit entsprechendem Auftreten.

    Da hilft selbst das an sich interessante Rechsgebiet nicht weiter.

  • Als Gläubigervertreter verlange ich in Stellungnahmen zu derartigen Vollstreckungsschutzanträgen immer ein amtsärztliches Gutachten.

    Zu diesem speziellen Fall: Hier haben eine "Schuldnerberatung" nebst Arzt eine gemeinsame Geldquelle aufgetan. Die Schuldner zahlen sicherlich nicht wenig für diese Tipps. Als Gläubiger (und nicht als RPfl beim AG) würde ich der Ärztekammer einen Hinweis geben, dass Verdacht auf erlogene Atteste besteht.

    Zum "Unrecht, das durch stationäre Behandlung nicht in Recht umgewandelt werden kann": Jeder erlebt im Alltag größere und kleinere Ungerechtigkeiten ("alle sind so gemein zu mir"). Wer damit überhaupt nicht zurecht kommt, dem kann die stationäre Behandlung doch sicher helfen, mit Ungerechtigkeiten besser umzugehen oder selbst für Gerechtigkeit zu sorgen (wie auch immer die aussehen mag).

  • Zu diesem speziellen Fall: Hier haben eine "Schuldnerberatung" nebst Arzt eine gemeinsame Geldquelle aufgetan. Die Schuldner zahlen sicherlich nicht wenig für diese Tipps. Als Gläubiger (und nicht als RPfl beim AG) würde ich der Ärztekammer einen Hinweis geben, dass Verdacht auf erlogene Atteste besteht.



    Die Preise liegen nach den mir vorliegenden Informationen zwischen 2.000 und 10.000 Euro.

    Es dürfte auch von Interesse sein, ob dieser "Arzt" noch eine Zulassung hat.

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