Pfändung einer Insolvenzforderung

  • Ich bin auf ein rechtliches Problem gestoßen, das bislang nicht befriedigend gelöst zu sein scheint, und das ich daher zur Diskussion stellen möchte:

    Wie ist mit der Pfändung einer Insolvenzforderung umzugehen? D.h. der Gläubiger (Pfändungsgläubiger "PG") eines Insolvenzgläubigers ("IG") pfändet dessen Insolvenzforderung gegen einen Schuldner ("S"). Folgende Fallkonstellationen sollten m.E. zum Erfassen der Problematik mindestens bedacht werden:

    (1) PG pfändet vor Anmeldung der Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren:
    (2) PG pfändet, nachdem die Insolvenzforderung bereits angemeldet und geprüft ist.
    (3) Die Forderung PG gegen IG ist höher als die Insolvenzforderung.
    (4) Die Forderung PG gegen IG ist niedriger als die Insolvenzforderung.

    In allen Konstellationen soll davon ausgegangen werden, dass die Insolvenzforderung dem PG auch zur Einziehung (§ 835 Abs. 1 Alt. 1 ZPO) überwiesen wurde. Dies hat nach BGH (Z 114, 138, 141) zur Folge, dass PG durch Hoheitsakt die Einziehungsberechtigung erhält, die Forderung aber im Vermögen von IG bleibt.

    Praktische Folgen laut Kommentarliteratur (allerdings ohne argumentative Begründung):

    - Im Insolvenzverfahren des Drittschuldners darf PG die Forderung im eigenen Namen anmelden (B/L/A/H, 69. Aufl., § 835 ZPO Rz. 13; Zöller/Stöber, 26. Aufl., § 836 ZPO Rz. 4; Schuschke/Walker, 2. Aufl., § 835 ZPO Rz. 14)

    - Im Insolvenzverfahren des Drittschuldners darf IG die Forderung anmelden (B/L/A/H, § 835 Rz. 21)

    - Das Stimmrecht dürfen im Insolvenzverfahren PG und IG (nur) gemeinsam ausüben (B/L/A/H, § 835 Rz. 13 u. 21; Z/S, § 836 Rz. 4)

    - Das Stimmrecht darf im Insolvenzverfahren PG ausüben (S/W, § 835 Rz. 14)

    Nichts kann ich im Schnellüberblick finden zu der Frage, ob es i.R.v. § 213 InsO auf die Zustimmung von PG oder IG ankommt, wer von beiden befugt ist, im InsVerfahren Rechtsmittel einzulegen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Gläubigerwechsel in der Tabelle vermerkt wird, wer Zustellungen erhält, etc.

    Falls jemandem Entscheidungen oder etwas tiefergehende Abhandlungen zu der Thematik bekannt sind, oder falls jemand eigene Lösungsvorschläge hat oder auch nur weitere praktische Probleme nennen kann, die sich in der Konstellation ergeben: Herzliche Einladung zum Mitdiskutieren!

  • Früher habe ich reihenweise als Gläubiger auch Insolvenzforderungen i. V. m. dem Auszahlungsanspruch auf die Quote gepfändet. (Kann aber nicht behaupten, dass das den Staatshaushalt saniert hätte.)

    Ob die Insolvenzforderung höher oder niedriger ist als die vollstreckte Forderung ist hierbei jedenfalls egal - ich lasse ja nicht an Erfüllung statt überweisen. Dem PG wird in jedem Fall die ganz IG-Forderung zur Einziehung überwiesen. Die nominelle Höhe entspricht zudem eh nicht dem Wert. Interessant wird es aber, wenn Absonderungsrechte bestehen.

    Ich bin damals immer davon ausgegangen, dass am Insolvenzfahren weiter der Forderungsinhaber, also der IG, teilnimmt. Meine Pfändungsrechte habe ich immer bei InsVerw geltend gemacht.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Schwere Kost, ich finde dazu fast gar nichts.

    Der Schuldner bleibt Inhaber der Forderung und darf weiter über sie verfügen, wenn auch nicht zum Nachteil des Gläubigers (ThoPu/Hüßtege § 836 Rn 2). Rechtshandlungen, die weder den Bestand des Pfandrechts noch den der gepfändeten Forderung beeinträchtigen, sind ihm deswegen gestattet. Er darf deswegen aus eigenem Recht auf Leistung an den Pfändungsgläubiger klagen (BGH NJW 01, 2178, 2179 f).

  • Nun sind fast 10 Jahre vergangen, aber zu den Fragestellungen von chick konnte ich auch heute noch keine wirklich befriedigende Antwort finden:

    Sachverhalt: Die Forderung des Insolvenzgläubigers ("IG") gegen seinen insolventen Schuldner ("S") wurde zur Insolvenztabelle festgestellt. Ein Gläubiger des IG, der Pfändungsgläubiger ("PG"), pfändet sowohl die Insolvenzforderung des IG gegen S als auch den Quotenauszahlungsanspruch des IG gegen den Insolvenzverwalter und lässt sie sich zur Einziehung überweisen.

    Fragestellung: Wer kann jetzt das Stimmrecht im Insolvenzverfahren S ausüben?

    Lösungsversuch: Hierzu finden sich nur sehr wenige Stimmen, wie chick schon anno dazumal festgestellt hat:

    • Einerseits wird vertreten, dass das Stimmrecht weiter allein dem PG zusteht (Schuschke/Walker, 2. Aufl., § 835 ZPO Rz. 14, zit. nach chick).
    • Andererseits soll das Stimmrecht jetzt nur noch von PG und IG "zusammen" bzw. "gemeinsam" ausgeübt werden (B/L/A/H/Nober, 78. Aufl. 2020, § 835 ZPO Rn. 13 & 21; BeckOK ZPO/Riedel, 37. Ed. 1.7.2020, ZPO § 835 Rn. 10; Zöller/Stöber, 28. Aufl. 2010, § 835 ZPO Rn. 4).


    Gibt es hierzu in der Forengemeinde theoretische und/oder praktische Erfahrungen oder gar Rechtsprechung? Ich wäre für jede Wortmeldung dankbar.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Ohne mich jetzt in das Thema eeingelesen zu haben:

    nach IE wird die Forderung gepfändet; davon ist auch der mit der Anmeldung der Forderung bereits angelegte Anspruch des Insolvenzgläubigers auf Auskehrung der Konkursdividente gepfändet.
    Entweder man vertritt, der Pfändungsgläubiger rückt komplett in die Stellung des Insolvenzgläubigers ein, oder man vertritt, nur der Auskehrungsanspruch ist vom Teilnahmerecht am Verfahren umfasst. Dass nur beide gemeinsam Stimmrechte ausüben können, scheint mir in der Grundsätzlichkeit nicht herleitbar.
    Die Stellung des Insolvenzgläubigers umfasst neben dem Anspruch auf Konkursdividende auch die Teilnahmerechte an einer Verlustgemeinschaft. Dies könnte eine gesellschaftsrechtliche Sicht der Dinge nahelegen. Wollte man diese zu Grunde legen, so dürften die Teilnahnahme- und Abstimmungsrechte zunächst von der Pfändung und Überweisung unberührt bleiben. Allerdings fänden diese Rechte ihre Grenze in einemVerhalten, welches den Forderungsbestand (oder genauer: die Konkursdividende) wirtschaftlich beeinträchtigen würde (z.B. im Falle eines Teilverzichts im Rahmen eines Insolvenzplans).
    Oki eine aus der hüfte geschossene theoretische Betrachung.... mehr hab ich da im mom nicht zu drauf.

    greez
    Def

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
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    :daumenrau

  • Vielen Dank für Deine Gedanken zur Nacht, Def.

    Die oben zitierten Kommentarstellen leiten das "gemeinsame" Stimmrecht auch nicht wirklich her, sondern stellen das als (Hypo-)These auf und zitieren sich gegenseitig.

    Der Vergleich mit einer Verlustgemeinschaft und der Pfändung von Gesellschaftsanteilen, bei der nach h.A. das Stimmrecht beim Gesellschafter verbleibt, greift aber aus meiner Sicht zu kurz. Die "Verlustgemeinschaft" beruht doch allein auf der Gläubigerstellung des IG. Wenn aber hier der PG die Forderung des IG bereits vor der Insolvenzeröffnung des S gepfändet hätte, so hätte der PG selbst die Forderung im eigenen Namen zur Tabelle anmelden können (Siehe Zitate bei chick) und wäre damit von Anfang an Mitglied der Verlustgemeinschaft mit eigenem Stimmrecht geworden. Soll sich daran etwas grundsätzlich ändern, nur weil die Pfändung hier erst nach Feststelung zur Tabelle erfolgt ist?!

    Ich bin gespannt auf weitere Wortmeldungen der Experten.

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  • . Der Vergleich mit einer Verlustgemeinschaft und der Pfändung von Gesellschaftsanteilen, bei der nach h.A. das Stimmrecht beim Gesellschafter verbleibt, greift aber aus meiner Sicht zu kurz. Die "Verlustgemeinschaft" beruht doch allein auf der Gläubigerstellung des IG. Wenn aber hier der PG die Forderung des IG bereits vor der Insolvenzeröffnung des S gepfändet hätte, so hätte der PG selbst die Forderung im eigenen Namen zur Tabelle anmelden können (Siehe Zitate bei chick) und wäre damit von Anfang an Mitglied der Verlustgemeinschaft mit eigenem Stimmrecht geworden. Soll sich daran etwas grundsätzlich ändern, nur weil die Pfändung hier erst nach Feststellung zur Tabelle erfolgt ist?!

    Hess hebt mit Verweis auf Kübler bei verpfändeten Ansprüchen auf die Pfandreife ab. Vor Pfandreife gemeinsam, IG + PG, nach Pfandreife der PG. KöKo, § 76, Rn. 17.

    Hilft nicht § 244 II S. 2 InsO weiter? Siehe FK-InsO § 244, Rn. 26f.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich habe keine Ahnung. Aber die Stimmrechte im Insolvenzverfahren sind doch ähnlich dem Gesellschaftsrecht. Und da ist wohl so, dass es beim Gesellschafter verbleibt (von Rechenberg, Kölner Handbuch Handels- und Gesellschaftsrecht,VII. Stimmrecht und Stimmrechtsausübung; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, §47, Rn. 35).

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • es ist ein wundervolles akademisches Probelm, welches allerdings auch schnell einmal praktische Relevanz erfahren kann.
    Oki, ich hatte nur "aus der Hüfte geschossen", gegen den Ansatz lässt sich jedoch nicht einwenden, was wäre wenn vor IE gepfändet und überwiesen wurde. Grund: ma kriegt die Forderung - genauso wie bei der Zession - nur so, wie sie ist ! Die Verlustgemeinschaft wird mit der Insolvenzeröffnung begründet. § 244 II hilft nicht unmittelbar weiter, da es sich um eine Stimmrechtsvorschrift handelt, die eine entsprechende schuldrechtliche Struktur voraussetzt, nicht jedoch diese schafft (musste mich im Jan. damit einmal zum Stimmrech des gemeinsamen Verterters von Anleihegläubigern auseinandersetzen).

    Ich mag aber auch nicht verliebt in den Ansatz sein, und wüsste auch nicht, wie ich im Termin damit umgehen würde. Der "Spaltfall" wäre sicherlich die Abstimmung im Planverfahren, hihi, darf ich nicht mehr :D

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  • Ein großer Dank an Euch fürs Mitdenken!

    Danke an LFdC für die weiteren Fundstellen. Die von Hess geforderte "Pfandreife" läge ja hier vor... Auch kann man aus meiner Sicht zumindest das Telos der Insolvenzplan-Vorschrift des § 244 Abs. 2 S. 2 InsO auch für Abstimmungen in Gläubigerversammlungen fruchtbar machen. Allerdings wird in der Kommentierung zu § 244 Abs. 2 S. 2 InsO zusätzlich danach unterschieden, ob die gepfändete Forderung dem Pfändungsgläubiger nur zur Einziehung (wie in meinem Fall) oder (wie unüblich) an Zahlungs statt überwiesen wurde. Nur im zweiten Fall soll das Stimmrecht allein dem Pfändungsgläubiger zustehen.

    Der von Mosser und Def favorisierten Analogie zum Gesellschaftsrecht steht aus meiner Sicht entgegen, dass sich die Beteiligung an einer Gesellschaft (meist) auf einen freien Entschluss und eine bewusste Auswahl der Mitgesellschafter zurückführen lässt. Da will man über die Geschicke der Gesellschaft - wie auch in einer Erbengemeinschaft - keinen gesellschaftsfremden Dritten mitentscheiden lassen. Hier handelt es sich eher um eine zufällige "Schicksalsgemeinschaft" der Gläubiger, die allein ihre Gläubigerstellung gemein haben. Auch sind die Gegenstände, über die in einer Gläubigerversammlung abzustimmen ist, maßgeblich auf eine Masseverwertung und Gläubigerbefriedigung ausgerichtet, also auf genau die Aspekte, die auch den Pfändungsgläubiger betreffen und seine Mitbestimmung rechtfertigen. Demgegenüber ist das Themenspektrum in der Gesellschafterversammlung eines lebenden Unternehmens ein viel mannigfaltigeres, was einer Beteiligung des Pfändungsgläubiger eher entgegensteht, eine solche jedenfalls nicht gebietet.

    Mal sehen, ob das "wundervolle akademische Problem" in der anstehenden Gläubigerversammlung zu einem praktischen und justiziablen wird. :cool:

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  • :)

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  • Ich darf weiter berichten: Die angesprochene Rechtsfrage ist zwar praktisch geworden, hat aber nicht die Instanz gewechselt.

    In der Gläubigerversammlung stellte der/die Rechtspfleger/in bei der Prüfung der Stimmrechte fest, dass bei der gepfändeten Forderung das Stimmrecht nur gemeinsam durch IG und PG ausgeübt werden kann. Mangels einer Einigung auf eine gemeinsame Stimmabgabe wurde das entsprechende Stimmrecht bei der folgenden Abstimmung nicht berücksichtigt. Allerdings hat der IG nicht gegen diese bedingte Feststellung des Stimmrechts aufbegehrt, so dass es damit sein Bewenden haben dürfte.

    Dann wird dieser Thread wohl wieder für ein knappes Jahrzehnt in Kais Keller verstauben...

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  • »Irrtümer werden meist sofort aufgedeckt – Erkenntnisse brauchen oft ein Leben lang, sich durchzusetzen«

    Häsemyer via Nachruf auf ihn Windel, Shen, Brinkmann, KTS 2020, 243

    passt zwar nicht ganz hierher, aber bezüglich der ein- oder anderen Rechtsfrage.... sie taucht wieder auf und wird dann entschieden, solange man lang genug am Fluss sitzt :D

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