Jugendamt verweigert Übernahme der Vormundschaft, § 87c III SGB VIII

  • Hallo,

    ich hab kurz vor den Tagen noch eine blöde Sache auf dem Schreibtisch.:gruebel:
    Jugendamt A hat einen Antrag auf Entlassung gem. § 87c III SGB VIII gestellt. Es handelt sich um eine bestellte Amtsvormundschaft. Jugendamt A ist der Meinung, die Voraussetzungen es zu entlassen und das Jugendamt B zu bestellen lägen vor, da das Mündel dauerhaft in den Bezirk des JA B gezogen ist, und der Wechsel daher dem Kindeswohl diene.
    Jugendamt B verweigert die Übernahme, weil es von Jugendamt A keine Akteneinsich erhält. Es befürchtet, dass unerledigte Angelegenheiten vorliegen und ein Wechsel daher dem Mündel schaden könne. Außerdem läge eine Kontinuität in der Person des Vormundes eher im Mündelinteresse. Darüberhinaus sei Hilfeträger weiterhin das JA A und Hilfeanbieter Stadt c. Lediglich die Pflegefamilie mit dem Mündel wohne in Bezirk B, der aber für JA A auch erreichbar sei.
    Jugendamt A dagegen verweigert Akteneinsicht, da es lediglich auf den Wohnsitz des Mündels ankäme und Jugendamt B sämtliche Unterlagen nach Übernahme bekäme.
    Jugendamt B wiederum ist der Meinung, es käme auf seine Zustimmung an, verweist auf § 87 c II SGB VIII, der meiner Meinung nach aber nur auf gesetzliche Amtsvormundschaften anzuwenden ist, und erklärt, ohne Akteneinsicht werde seine Zustimmung verweigern.

    Wie finde ich heraus, was dem Wohl des Kindes eher entspricht: ortsnaher Vormund oder Kontinuität?
    Mündel ist zu jung um angehört zu werden.
    Ich will nun noch die Pflegeeltern anhören, fürchte aber, dass diese lediglich eine Entscheidung wünschen damit das Hin und Her aufhört. Glaub nicht, dass es Präferenzen zugunsten eines JA gibt.

    Wie würdet Ihr entscheiden? Welches JA hat recht?

    Gibt es noch andere Vorschriften, wonach die Zustimmung des übernehmenden JA erforderlich ist?

    Hat es eurer Meinung nach Sinn, das JA zu bestellen, das sich gegen die Übernahme wehrt?

    Soll ich einen Verfahrensbeistand bestellen? Eigentlich idt der Wechsel von einem JA auf ein anderes doch eher lapidar? Ist die Bestellung des Verfahrensbeistandes angemessen?

    Vielen Dank schon mal für hoffentlich einige Antworten!!

  • Aus § 87 c III SGB VIII ergibt sich nichts, was dich zu einem Handeln im Sinne des zur Abgabe der Vormundschaft entschlossenen JA zwingt. Dieses soll einen Antrag auf Entlassung stellen. Ob dem Antrag stattgegegeben wird, richtet sich allein nach den Vorschriften des BGB.
    Da steht nichts, was einen Automatismus beinhaltet. Natürlich ist kaum haltbar, dass das JA München eine Vormundschaft über ein in Hamburg befindlichen Kindes weiterführt. Falls aber eine aktuell "haarige" Angelegenheit, in die das JA München bestens eingearbeitet ist, ansteht, sehe ich keinen Anlass, vor deren Abschluss im Sinne des JA München zu entscheiden.

  • Der Entlassungsantrag liegt mir vor.
    Das Problem ist, dass ich nicht sicher weiß, ob es ungeklärte Probleme gibt. JA B vermutet dies, Jugendamt A bestreitet es. Seltsam finde ich natürlich schon, dass JA A dem anderen JA keine Akteneinsicht gewährt.

    Das einzige Faktum ist der geänderte Wohnsitz. JA A hält dies für das ausschlagende Kriterium zum Wohl des Kindes.
    Alles andere ist nur spekulativ.

    P.S.: Die Distanz zwischen JA und dem Wohnsitz des Mündels beträgt etwa 25km.

  • In NRW würden zu dieser Problematik Leitlinien entwickelt. http://www.lwl.org/lja-download/d…nd_01_12_03.pdf

    Seitdem gibt es eine Verhandlungsgrundlage, auf deren Basis die Jugendämter miteinander diskutieren können. Wenn ich mitteile, wieso ich die ENtlassung beantrage oder zumeist nicht beantrage beziehe ich mich auf die passenden Sätze in den Leitlinien.

    Die Akteneinsichtung zu verweigern provoziert natürlich geradezu den VErdacht, es solle etwas versteckt werden. Zumindest in Deine Akte sollte Einsicht genommen werden können.

    Lege doch dem Landesjugendamt die Problemlage vor, damit es einen Grund hat, fachliche Standards zu entwickeln.

  • Danke Moosi,
    das Landesjugendamt hatte ich bislang noch nicht eingeplant. kann dieses wohl auch um eine Stellungnahme gebeten werden?

    Die Leitlinien kenne ich. Allerdings sagt JA A die Voraussetzungen liegen vor wg. Wohnsitz und JA B sagt, die Voraussetzungen liegen nicht vor, weil wegen des positiven Kontakts zu den Beteiligten die Ausnahmeregelung greift, und sich daher wg. des Kindeswohls ein Wechsel verbiete.
    Beides folgt den Leitlinien.
    Lt. Beschluss OLG Hamm tritt dieser Gedanke aber zurück, wenn auf Dauer gesehen, der ortsnahe Vormund vorteilhafter fürs Kind ist. Diesbzgl. meint JA B wieder, es könne den Vorteil nicht bestätigen, solange es keine Akteneinsicht hatte.

    Insofern wäre vielleicht eine Stellungnahme des Landesjugendamtes nicht verkehrt. Dieses könnte möglicherweise zumindest für die Akteneinsicht sorgen, oder?

  • Dass JA A dem JA B die Akteneinsicht verweigert, finde ich schon sehr merkwürdig. :gruebel:
    Ich würde hier vermutlich dem JA A genauso blöd kommen indem ich ihnen mitteilen würde, dass Ihrem Antrag auf Entlassung stattgegeben wird, wenn sie JA B Akteneinsicht gewährt haben und die ordnungsgemäße Übergabe/Übernahme zwischen den Jugendämtern geregelt ist. Einen Versuch ist es zumindest wert.

  • So ähnlich habe ich jetzt auch erst einmal gemacht. Hab die Jugendämter gebeten, im Sinne des Kindeswohls ein Übergabegespräch gemäß Leitlinien zu führen und das JA A gebeten, Akteneinsicht zu gewähren, damit Klarheit herrscht, ob noch "Altlasten" vorliegen, die besser vom bisherigen Vormund zu Ende gebracht werden sollten, da er mit der Angelegenheit betraut ist.
    Falls es aber so weiter geht wie bisher, hilft mir das nicht weiter. Ob ich von den Pflegeeltern eine eindeutige Stellungnahme erhalte, bleibt abzuwarten.
    Interessant fände ich hier, ob die Möglichkeit besteht, das Landesjugendamt einzuschalten.

  • Eine Akteneinsicht des abgebenden Jugendamtes gegenüber dem annehmenden Jugendamt ist mir in Vormundschaftssachen noch nicht untergekommen. Das halte ich weder für üblich noch geboten.

    Hinsichtlich der Datenschutzbestimmungen des § 68 SGB VIII halte ich eine Vorabeinsicht in die Akte des gesetzlichen Vertreters darüber hinaus für rechtlich problematisch.

    Als Vormund würde ich jedenfalls einer Akteneinsicht nicht zustimmen.

    Wenn Jugendamt B befürchtet, dass unerledigte Angelegenheiten vorliegen, ist das alleine kein Grund eine Abgabe aufzuschieben.

    Bei einem jungen Mündel würde ich im Hinblick auf den persönlichen Kontakt zwischen Vormund und Mündel (Stichwort: Reform des Vormundschaftsrechts) im Zweifelsfall Jugendamt B bestellen. Auf die Zustimmung des Jugendamtes B kommt es nicht an, da § 87c Abs. 2 SGB VIII hier nicht einschlägig ist.

    Da die beiden Jugendämter nicht weit auseinander liegen (25 km), vermute ich häufigere Zuständigkeitsstreitigkeiten in der Vergangenheit, die nun auf dem Rücken des Mündels (oder Rechtspflegers) ausgetragen werden sollen.

  • Hallo chocoholic,

    wenn das Jugendamt A nicht gewillt ist, Jugendamt B in die Akte Einblick
    nehmen zu lassen - so liegen mit SICHERHEIT "Ungeklärtes, Schwierigkeiten"
    vor !
    Ich fühle mich beim Lesen des Eintrages geradezu angesprochen, weil ich selbst von einem derzeitigen solchen Fall weiß, wo eine Zuständigkeit wechseln soll von JA A zu JA B und ebenfalls die Vormundschaft.

    Und hier ist mir bekannt, das JA A mit dem FALL schlechthin (schwierige Herkunftsfamile mit geregeltem, gesetzlichen monatlichen Umgangsrecht -
    zweiwöchentlich wird von den Herkunftseltern sogar angestrebt und immer wieder bei Gericht prozesierend - und das inzwischen schon seit mind. 3 Jahren... was gerade für das JA A eine erhebliche Belastung bedeutet, die sie schnellsmöglich loswerden wollen....) PROBLEME hat.
    Das die mit aller Gewissheit froh sind, den gesamten Fall abzugeben und sicherlich nicht auch noch Einblick in solch eine Akte zu gewähren, ist m.E. mehr
    wie naheliegend.

    Und was ist, wenn vielleicht die Pflegefamilie selbst aufgrund des realen problembehafteten Inhaltes der Akte, z.B. dass der gesetzl. geregelte
    Umgang des Pflegekindes mit den Herkunftseltern schon seit langem in der Praxis eine Zumutung für das Kind darstellt bzw. als solche erlebt wird ?
    Vielleicht tendiert die Pflegefamilie ja auch selbst rein "interessenhalber" mehr
    zu dem einen oder dem anderen JA ?
    Zum Wohle des Kindes mit der Option der Dauerunterbringung halte ich das nicht für unerheblich !

    Und da könnte ich JA B auch bestens verstehen und sie täten wohl daran, den
    Zuständigkeitswechsel abzulehnen.
    Die Frage die sich mir hier aber auch stellt ist: "Und die Pflegefamilie liegt
    hier bei allem im Brennpunkt der gesamten Sache - und ist schließlich und
    endlich auch noch "Träger" des Ganzen ?

    Vielleicht wäre es hilfreich zur Entscheidungsfindung die Pflegefamilie selbst auch anzuhören - u.U. wartet sie sogar darauf ?
    (Und vielleicht erfährt man dann sogar noch mehr.... ?)


    Gruß
    Weihnachtsstern

  • Bei einer gesetzlich geregelten Zuständigkeit gibt es keinen Anspruch darauf, lediglich solche Fälle zu übernehmen, die keiner besondere Schwierigkeit unterliegen.

    Die Zuständigkeitsregelung unterliegt nicht dem Interesse des annehmenden Jugendamtes, sondern richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen des § 87c Abs. Abs. 3 SGB VIII sowie dem Mündelinteresse nach § 1779 BGB.

    Für eine Entscheidung im Hinblick auf die Frage, ob die Übernahme einer Vormundschaft eventuell für das annehmende Jugendamt lästig und für das abgebende Jugendamt entlastend ist, gibt es keinen Raum.

  • Bei einer gesetzlich geregelten Zuständigkeit gibt es keinen Anspruch darauf, lediglich solche Fälle zu übernehmen, die keiner besondere Schwierigkeit unterliegen.

    Die Zuständigkeitsregelung unterliegt nicht dem Interesse des annehmenden Jugendamtes, sondern richtet sich ausschließlich nach den Bestimmungen des § 87c Abs. Abs. 3 SGB VIII sowie dem Mündelinteresse nach § 1779 BGB.

    Für eine Entscheidung im Hinblick auf die Frage, ob die Übernahme einer Vormundschaft eventuell für das annehmende Jugendamt lästig und für das abgebende Jugendamt entlastend ist, gibt es keinen Raum.



    Dem kann man als Rechtspfleger nur zustimmen!!! :daumenrau

    How can I sleep with Your voice in my head?

  • Also ich berufe mich in solchen Fällen immer auf § 86 c SGB VIII. § 87 c III SGB VIII trifft zwar eine klare Aussage, aber ich denke dadurch wird § 86 C SGB VIII nicht ausgehebelt. Es ist offensichtlich kein geeigneter Einzelvormund vorhanden. Somit ist das örtlich zuständige Jugendamt als Vormund/Pfleger einzusetzen.

    Das war zum Zeitpunkt der Bestellung Jugendamt A. Jugendamt A kann zwar den Antrag auf Entlassung nach § 87 c III SGB VIII stellen, aber ist gemäß § 86 c SGB VIII solange zur Leistung verpflichtet, bis Jugendamt B die Leistung fortsetzt. Zur Fortsetzung bedarf es der Einigung der Jugendämter untereinander und nicht einer gerichtlichen Entscheidung. Dadurch, dass Jugendamt A keine Akteneinsicht gewährt erschwert es selbst den Prozess. Ich finde nicht, dass das Gericht Probleme der Jugendämter lösen muss.

    Solange sich keine rationalen Umstände (aufgrund der Anhörung der Pflegeeltern) zur Entlassung bzw. zwingend aus der Akte ergeben (darunter zählen für mich nicht allgemeine Aussagen zwecks Ort oder Bearbeiternähe), würde ich hier eine Entscheidung ablehnen bzw. eine Entlassung nicht vornehemen.

    Sollen sich die Jugendämter einigen und ggf. das mit dem übergeordneten Träger klären und nicht die Gerichte mit der dortigen ungenügenden Klärung belasten.

  • § 86c SGB VIII bezieht sich ausschließlich auf die Leistungen der Kinder und Jugendhilfe. Damit soll sicher gestellt werden, dass bei einem Zuständigkeitswechsel der bisherige Träger vorläufig weiter leistet (z.B. im Rahmen der Hilfe zur Erziehung gem. §§ 27 ff SGB VIII). Es soll keine Unterbrechung der Leistung eintreten.

    Die Vormundschaften gehören aber zu den anderen Aufgaben des Jugendamtes. Deren Zuständigkeit richtet sich nach den §§ 87 ff SGB VIII.
    § 86c SGB VIII ist auf die Vormundschaft nicht anwendbar. Zu einer Unterbrechung der Vormundschaft kann es im Regelfall nicht kommen, da der Rechtspfleger bei Entlassung des einen Vormundes mit gleicher Entscheidung einen anderen Vormund bestellt.

    Einmal editiert, zuletzt von Giacomo (23. Dezember 2010 um 07:50)

  • Vielen Dank für die bisherige Diskussion.:daumenrau

    Die Pflegeeltern haben auf die schriftliche Anhörung bislang nicht reagiert. Würde sie nach fruchtlosem Ablauf der Frist noch laden.

    Hat jemand Erfahrungen mit der übergeordneten Behörde, dem Landesjugendamt?

    Ich fände es nach wie vor interessant, ob diese im Zweifel, wenn die gerichtliche Aufforderung der Jugendämter, im Interesse des Kindes eine Einigung zu erzielen, ins Leere geht, involviert werden könnte.

  • Es gibt kaum eine Behörde, die unter demselben Namen derart unterschiedlich ausgestattet ist. In NRW spielt das Ministerium kaum eine Rolle, während die Landesjugendämter tausende Mitarbeiter haben. In anderen Bundesländern sind die Ministerien stärker ausgestattet, während die LJÄ bedeutungslos sind.

    Zumindest organisieren sie die Treffen der Jugendamtsleiter und können dort Beispiele guter und schlechter Praxis zum Thema machen.

    Meinen Vorschlag, dem übernehmenden JA Deine AKte zur EInsicht zu geben, halte ich weiterhin für effektiver als z.B. Anhörung der Pflegeeltern. Wenn eine Berufsvormund eine Vormundschaft übernehmen soll, bekommt er seine Fallinformationen vorher doch auch über den RP, der ihn anfragt.

  • Wie ist der Fall denn ausgegangen?

    Ich habe fast genau das gleiche Problem. Das übernehmende JA -in meinem Bezirk- verweigert die Übernahme, weil sich das abgebende JA (wohl) nicht ordentlich gekümmert hat. Pflegeeltern gibt es nicht.

    Der Aufenthaltsort liegt eindeutig beim übernehmenden JA, sprich hier.

    M. E. entspricht es, wenn ich die Akte durchlese, dem Kindeswohl, die Vormundschaft hier weiter zu führen, eben damit sich endlich um die Jugendliche gekümmert wird.

    Stehe nun auf dem Schlauch. Kann ich das alte JA entlassen und das neue verpflichten, obwohl die Übernahme abgelehnt wurde? Der Streit geht schon seit Anfang des Jahres, ich habe die Sachen aber erst jetzt im Mai übernommen.

    LG Nicky

  • Guten Morgen!

    Ich habe auch grad einen ähnlichen Fall.

    Das übernehmende JA A (nicht mein Bezirk) verweigert die Übernahme, da ja jetzt noch nicht sicher gesagt werden könne, dass das Kind auf Dauer in dessen Zuständigkeitsbereich bleiben wird. Das abgebende JA B in meinem Bezirk sagt, dass die Unterbringung in der neuen Einrichtung auf Dauer sein wird.

    JA A will bis zum nächsten Hilfeplangespräch (in ca 6 Monaten) warten, bis es festlegen will, ob die Übernahme erfolgen kann oder nicht.

    Ich finde diese Begründung des JA A etwas merkwürdig. Man kann ja nie zu 100 % sicher sein, ob das Kind wirklich auf Dauer irgendwo bleibt. Natürlich ist es jetzt in die neue Einrichtung gekommen mit dem Ziel, dort länger zu bleiben.

    Kann ich das JA a "zwingen", die Vormundschaft zu übernehmen?

    Liebe Grüße

  • Gegen die Entlassung des alten und Bestellung des neuen JA kann natürlich ein Rechtsmittel eingelegt werden. Zumindest hast Du dann aber für Klarheit gesorgt und das neue JA wird sich für einige Zeit auf die neue Lage einstellen müssen. Bis zum nächsten Hilfeplangespräch sind das noch sechs Mündelbesuche.

    Wenn das Kind noch nicht alt genug ist, um gehört zu werden, wird es wohl keinen Erfolg beim Rechtsmittel geben.

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