Rechtsprechungshinweise Fächerübergreifende Themen

  • Tatsächlicher Zugang eines zuzustellenden Dokuments bei Verstoß gegen zwingende Zustellungsvorschriften

    Verstößt eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gegen zwingende Zustellungsvorschriften, weil der Zusteller entgegen § 180 Satz 3 ZPO auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung nicht vermerkt hat, ist das zuzustellende Dokument i.S. des § 189 ZPO in dem Zeitpunkt dem Empfänger tatsächlich zugegangen, in dem er das Schriftstück in die Hand bekommt.

    BFH, Beschluss vom 6.5.2014, GrS 2/13

  • VG Wiesbaden, Urteil vom 28.2.2014 – 6 K 152/14.WI.A, NJW 2014, 2060


    1. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt aktuell keine ordnungsgemäßen elektronischen Akten.
    2. § 7 EGovG setzt voraus, dass nicht nur ein optisch identischer Inhalt gewährleistet wird, sondern der Inhalt des Ursprungsdokuments, welches eingescannt wurde, sowohl in der Bildwiedergabe als auch der textlichen Darstellung so wiedergegeben wird, dass das Dokument – soweit die elektronische Akte herangezogen wird – die gleiche optische Klarheit und Lesbarkeit bietet wie das Original. Farbige Dokumente sind ebenfalls farbig einzuscannen und auch farbig auszudrucken.
    3. Die für den Scanvorgang verantwortliche Person hat qualifiziert signiert zu bescheinigen, dass das eingescannte elektronische Dokument mit dem Original vollumfänglich tatsächlich übereinstimmt.
    4. Gerichte müssen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben objektiv und unparteiisch vorgehen. Hierzu müssen sie von jeglicher Einflussnahme von außen, einschließlich der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme des Bundes oder der Länder, sicher sein und nicht nur von der Einflussnahme seitens der zu kontrollierenden Einrichtung (hier des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge).

    Anmerkung: Mit Blick auf die anbrechende Zeit der E-Justiz sicher auch für die Gerichte schon bald von Interesse.

    Nachklapp: Dieser Teil ist spannend, aber in der NJW nicht abgedruckt:

    Da der vorliegende Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge jegliche Auseinandersetzung mit den vorliegenden Informationsquellen vermissen lässt, aber auch nicht erkennen lässt, dass die von dem Kläger vorgelegten Unterlagen überhaupt zur Kenntnis genommen wurden, geschweige denn auf ihre inhaltlichen Aussagegehalt und ihre Wertigkeit geprüft wurden, konnte das Gericht den vorliegenden Bescheid nur aufheben, um dem Bundesamt die Möglichkeit zu geben, die erforderlichen Ermittlungen, welche erheblich sind, durchzuführen und die Belange des Klägers sachdienlich zu prüfen.
    Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, die Arbeit des Bundesamtes durchzuführen. Dies, zumal nach der von der Exekutive (zweiten Gewalt) dem Richter vorgeschriebene Gerichtsstatistik Peppsy für ein durchschnittliches Asylverfahren nur 400 Minuten zur Verfügung stehen und damit die für ein Verfahren vorgegebene Arbeitszeit äußerst knapp bemessen ist. Es mag zwar sein, dass ein entsprechender „Pensumschlüssel“ auch beim Bundesamt gegeben ist. Dieser damit aufgebaute Erledigungsdruck lässt sich jedoch durch entsprechenden Personaleinsatz minimieren. Dies scheint nicht nur ratsam, sondern zweckmäßig, zumal die vorliegenden Verfahren zwischenzeitlich in einem europäischen Rechtsrahmen stehen.

  • a) Wird die Handakte eines Rechtsanwalts allein elektronisch geführt, muss sie ihrem Inhalt nach der herkömmlich geführten entsprechen. Sie muss insbesondere zu Rechtsmittelfristen und deren Notierung ebenso wie diese ver-lässlich Auskunft geben können und darf keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Pendant.

    b) Der Rechtsanwalt, der im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Verfahrenshandlung - hier der Einlegung der Beschwerde - mit einer Sache befasst wird, hat dies zum Anlass zu nehmen, die Fristvermerke in der Handakte zu überprüfen. Auf welche Weise (herkömmlich oder elektronisch) die Handakte geführt wird, ist hierfür ohne Belang.

    BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 - XII ZB 709/13 - LINK

  • Zur Haftung der Post aufgrund einer unrichtigen Postzustellungsurkunde (Angebliche Zustellung durch Einwurf in den nicht vorhandenen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung)

    OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2014, 11 U 98/13

    Quelle

  • ZPO § 233 Satz 1 B

    Ein Schriftstück, mit dem eine bei einem Gericht zu wahrende Frist eingehalten werden sollte, gelangt nicht schon zu dem Zeitpunkt fristwahrend tatsächlich in die Verfügungsgewalt des Gerichts, zu dem der mit der Annahme von Schriftstücken beauftragte Mitarbeiter des Gerichts die ihm von einem Rechtsanwalt oder einem Mitarbeiter einer Rechtsanwaltskanzlei übergebene Postmappe zum Zwecke der Anbringung des Eingangsstempels auf den Schriftstücken und Einbehaltung der für das Gericht bestimmten Exemplare annimmt.

    BGH, Beschluss vom 22. Mai 2014 - I ZR 70/14

    (Wiedereinsetzung wurde allerdings gewährt)

  • Rechtsmittelschrift: Zur Wiedereinsetzung bei versehentlich unterbliebener Unterschrift

    ZPO § 85 Abs. 2; § 233

    Da die Unterschriftenkontrolle, die der Rechtsanwalt zuverlässigen Bürokräften überlassen darf, gerade der Vermeidung eines erfahrungsgemäß nicht gänzlich ausschließbaren Anwaltsversehens bei der Unterschriftsleistung dient, kann auf ein zeitlich vor der unterbliebenen Unterschriftskontrolle liegendes Anwaltsversehen im Zusammenhang mit der Unterzeichnung der Berufungsschrift regelmäßig nicht zurückgegriffen werden.

    BGH, Beschluss vom 15.07.2014, VI ZB 15/14

    NJW 2014, 2961

  • Prozessunterlagen müssen nur dann nicht in Blindenschrift zugänglich gemacht werden, wenn die Vermittlung durch den Rechtsanwalt gleichwertig ist.

    BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2014, 1 BvR 856/13

  • Zustellung bei Nichtermöglichen der Zustellung durch den Empfänger; wirksame Zustellung an den Anwalt, wenn in einer Familienstreitsache zwar das Mandat beendet, aber ein neuer Anwalt nicht bestellt ist

    OLG München, Beschluss vom 10.11.2014, 11 WF 1625/14 und 11 WF 1626/14

    Beschluss:
    1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
    2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
    3. Der Wert der Beschwerde beträgt insgesamt € 9.014,15.

    Gründe:
    Im Beschwerdeverfahren 2 UF 1782/12 (betr. Gesamtschuldnerausgleich - 002 F 619/11 AG Starnberg) erging am 26.2.2013 ein Versäumnisbeschluss des Oberlandesgerichts München, der unter Ziffer 4. eine Kostenentscheidung dahingehend enthält, dass die Kosten der ersten Instanz gegeneinander aufgehoben werden und von den Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragsteller 1/4 und die Antragsgegnerin 3/4 tragen. Es handelte sich um eine von beiden Parteien eingelegte Beschwerde gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts vom 21.09.2012 - Az. 002 F 619/11.

    Im Beschwerdeverfahren 2 UF 1781/12 (betr. Nutzungsentschädigung - 002 F 687/11) erließ das Oberlandesgericht München am 26.02.2013 einen Beschluss, der unter Ziffer 3. eine Kostenentscheidung dahingehend enthält, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens zu tragen habe; der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 3.000,00 € festgesetzt. Auch hier handelte es sich um eine von beiden Parteien eingelegte Beschwerde gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts vom 08.10.2012 - Az. 002 F 687/11.

    Am 17.09.2014 erging bzgl. beider Beschwerdeverfahren (s. oben) ein Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts, mit dem die von der Antragsgegnerin an den Antragsteller gemäß § 104 ZPO nach dem Versäumnisbeschluss vom 26.02.2013 (insoweit erfolgte mit Beschluss vom 10.10.2014 eine Berichtigung der Monatsbezeichnung von unrichtig 26.03.2013 auf richtig 26.02,2013) und nach dem Beschluss vom 26.02.2013 zu erstattenden Kosten auf 9.014,15 € nebst Zinsen festgesetzt wurden. Dabei handelte es sich um vom Antragsteller als Zweitschuldner beglichene Beträge von 8.868,00 € und 146,15 €.
    Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss legte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 05.10.2014, eingegangen am 08.10.2014, sofortige Beschwerde ein mit der Begründung, sie habe die beiden Beschlüsse des Oberlandesgerichts München nicht „an ihre einzige seit 01.08.2002 fortdauernde ununterbrochene wohnmelderechtliche Adresse in Y, P-Str. 3, zur Kenntniserlangung zugestellt bekommen". Es werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Wegen des Inhalts der Beschwerdeschrift wird auf Bl. 497/499 der Akten 002 F 619/11 Bezug genommen.

    Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 10.10.2014 der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

    Die sofortige Beschwerde ist zulässig gemäß §§ 85 FamFG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg. Auf die zutreffenden Ausführungen des Rechtspflegers im Nichtabhilfebeschluss vom 10.10.2014 wird Bezug genommen.

    1.
    Soweit sich die Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben vom 26.10.2014 (Absender in X-Str. 18 in X) gegen die mit Beschluss vom 10.10.2014 ausgesprochene Berichtigung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass der im Beschwerdeverfahren 2 UF 1781/12 er*gangene Beschluss des Oberlandesgerichts München das Datum 26.02.2013 (ebenso wie der Versäumnisbeschluss im Beschwerdeverfahren 2 UF 1782/12) trägt (Bl. 425/430 der Akten 002 F 687/11 AG = 2 UF 1781/12 OLG München). Wenn im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss statt „26.02.2013" das Datum „26.03.2013" genannt war, so handelt es sich dabei um ein offensichtliches Versehen, das mit Beschluss vom 10.10.2014 berichtigt werden konnte (§§ 113 FamFG, 319 ZPO).

    2.
    Die sofortige Beschwerde richtet sich nicht gegen die Höhe der Festsetzung auf 9.014,15 €, die im Übrigen aus Kostenrechnung II im Verfahren 002 F 619/11 = 2 UF 1782/12 bzgl. des Teilbetrags von 8.868,00 € und aus Kostenrechnung II im Verfahren 002 F 687/11 = 2 UF 1781/12 bzgl. des Teilbetrages von 146,15 € nachvollzogen werden kann. Bei dem letztgenannten Betrag handelt es sich um einen Teilbetrag aus insgesamt 267,00 €, von dem der Antragsteller mit Buchungstag 08.08.2014 den Teilbetrag von 146,15 € bezahlt hat (s. Bl. 493/494 d.A. 002 F 687/11). In beiden Fällen wurde der Antragsteller gemäß § 26 FamGKG von der Staatskasse als Zweitschuldner, nämlich als Antragsschulder nach § 21 FamGKG, in Anspruch genommen und hat die Zahlungen glaubhaft gemacht (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

    3.
    Gegen die Festsetzung wendet die Antragsgegnerin lediglich ein, sie habe die beiden Beschlüsse des Oberlandesgerichts vom 26.02.2013 nicht an ihrer richtigen Anschrift zugestellt erhalten. Hinsichtlich der Zustellung des am 26.02.2013 im Beschwerdeverfahren 2 UF 1781/12 ergangenen Beschlusses weist der Rechtspfleger zu Recht auf den Aktenvermerk des Oberlandesgerichts München (Bl. 433 d.A.) hin. Die Zustellung des Schriftstücks an der von ihr in der Beschwerdeschrift genannten Anschrift hat die Antragsgegnerin durch Nichtermöglichen der Zustellung verweigert, weshalb nach § 179 ZPO das Schriftstück als zugestellt gilt: Ein Hausbriefkasten besteht nicht und der Zugang zur Haustüre ist versperrt. Auch am 20.07.2013 und 26.07.2013 konnten dort keine Zustellungen durchgeführt werden.

    Zweifel an der Richtigkeit der von der Antragsgegnerin genannten Anschrift rechtfertigen sich zudem dadurch, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.09.2014 unter der Anschrift X-Str. 18 in X am 24.09.2014 zugestellt wurde, eine Anschrift, die die Antragsgegnerin selbst im März 2014 gegenüber dem Amtsgericht genannt hat und die sie auch bzgl. des Schreibens vom 26.10.2014 als Absendeanschrift nennt.

    Der Versäumnisbeschluss vom 26.02.2013, ergangen im Beschwerdeverfahren 2 UF 1782/12 = 002 F 619/11, wurde am 04.03.2013 dem Verfahrensbevollmächtigten zugestellt. Im Hinblick auf die Regelung in § 87 Abs. 1 ZPO war diesem auch dann zuzustellen, wenn das Mandat nicht mehr bestanden haben sollte; denn es handelte sich um einen Anwaltsprozess (§ 114 FamFG) und die Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts war nicht erfolgt.

    Bei dieser Sachlage waren die Grundlagen der Kostenfestsetzung gegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin erweist sich als unbegründet.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • 1. Ausweislich der frei im Internet abrufbaren Antworten auf häufig gestellte Fragen von Kunden der Deutschen Post gilt für die Zustellung eines Einschreibens ebenso wie für die Zustellung eines Einschreibens mit Rückschein die Laufzeitvorgabe E+1 (1 Tag nach Einlieferung).


    2. Da die Deutsche Post gegenwärtig ausdrücklich weder für Einschreiben noch für Einschreiben mit Rückschein eine von einfachen Postsendungen abweichende Postlaufzeit benennt, besteht keine Rechtfertigung zu einer abweichenden Beurteilung der Postlaufzeit bei diesen Übersendungsarten, etwa aufgrund von besonderen Kontrollen, denen eine solche Sendung unterliege (gegen OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. Dezember 2010, 32 Ws 1142/10, NStZ-RR 2011, 116 sowie KG, Beschluss vom 10. Mai 2005, 3 Ws 186, NStZ-RR 2006, 142).


    OLG Hamm, 16.10.2014, 3 Ws 357/14

  • Fehlende Rücksendung des Empfangsbekenntnisses und der Nachweis der Empfangsbereitschaft

    BGH, Beschluss vom 13.01.2015 – VIII ZB 55/14

    Rdnr. 12: "Zwar kann die für eine Zustellung nach § 174 ZPO erforderliche Empfangsbereitschaft nicht allein durch den bloßen Nachweis des tatsächlichen Zugangs im Sinne von § 189 ZPO ersetzt werden. Hinzukommen muss noch die zumindest konkludente Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegen zu nehmen (BGH, Urteil vom 22. November 1988 - VI ZR 226/87, aaO; BVerwG, Urteil vom 29. April 2011 - 8 B 86/10, juris Rn. 6 f.; jeweils mwN). Allerdings lässt die fehlende Zurücksendung des Empfangsbekenntnisses für sich genommen keinen entscheidend gegen eine fehlende Empfangsbereitschaft sprechenden Willen des Adressaten erkennen. Denn von einer Weigerung, das zuzustellende Schriftstück in Empfang zu nehmen, kann auch bei fehlender Rücksendung eines unterschriebenen Empfangsbekenntnisses nicht ausgegangen werden, wenn die Gesamtumstände gleichwohl in gegenteilige Richtung weisen und hinreichend zuverlässig auf die Empfangsbereitschaft des Adressaten schlie- ßen lassen (BVerwG, NJW 2007, aaO). Ein hierbei vom Adressaten abweichend oder gegenteilig gebildeter Wille, das ihm übersandte Schriftstück (noch) nicht als zugestellt betrachten zu wollen, ist unbeachtlich, wenn er nach außen keinen Ausdruck gefunden hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Oktober 1984 - 1 B 57/84, juris Rn. 8)."

  • BGH, Beschluss vom 04.02.2015 - III ZR 513/13

    § 97 Abs. 1 ZPO, § 341 ZPO, § 522 Abs. 2 ZPO, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO, §178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, §§ 183, 184 ZPO, § 183 Abs. 1, § 184 Abs. 1 ZPO, § 178 Abs. 1 ZPO, § 181 Abs. 1 ZPO, § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO

    In der widerspruchslosen Entgegennahme des zustellenden Schriftstücks durch eine in den Geschäftsräumen beschäftigte Person ( § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO ) liegt zugleich die (konkludente) Erklärung, dass der Zustellungsadressat abwesend beziehungsweise an der Entgegennahme der Zustellung verhindert ist. Weitere Nachforschungen des Zustellers sind dann regelmäßig nicht veranlasst.

  • ZPO § 85 Abs. 2, § 130 Nr. 6, § 519 Abs. 4

    a) Ein vereinfachter und nicht lesbarer Namenszug ist als Unterschrift anzuerkennen, wenn der Schriftzug individuelle und charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschrift erkennen lässt.



    b) Ist ein Schriftzug so oder geringfügig abweichend allgemein von den Gerichten über längere Zeit als in sehr verkürzter Weise geleistete Unterschrift unbeanstandet geblieben, darf der Rechtsanwalt darauf vertrauen, dass die Unterschrift den in der Rechtsprechung anerkannten Anforderungen entspricht.



    c) Will das Gericht die über längere Zeit nicht beanstandete Form der Unterschrift nicht mehr hinnehmen, gebietet der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz über den Anspruch auf faire Verfahrensgestaltung hinaus gegenüber dem Rechtsanwalt eine Vorwarnung.



    BGH, Beschluss vom 3. März 2015 - VI ZB 71/14

  • Zum Nachweis, dass der Postzusteller entgegen der Angabe in der Zustellungsurkunde vor dem Einwurf in den Briefkasten nicht versucht hat, das zuzustellende Schriftstück entweder den Adressaten persönlich noch an eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person auszuhändigen.

    BFH, Urteil vom 21.1.2015, X R 16/12

    Rdnrn. 31 bis 33:

    "b) Im Streitfall hat der Postbedienstete zwar nach den Angaben in der Zustellungsurkunde das zuzustellende Schriftstück zu übergeben versucht und --weil die Übergabe in den Geschäftsräumen nicht möglich war (so jedenfalls der Eintrag in der Zustellungsurkunde)-- am 2. Juli 2012 in den zu diesen gehörenden Briefkasten eingelegt. Zudem erbringt die Zustellungsurkunde gemäß § 418 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 Satz 2 ZPO als öffentliche Urkunde den vollen Beweis der in ihr bezeugten Tatsachen. Die Beweiskraft erstreckt sich nicht nur auf das Einlegen des Schriftstücks in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung, sondern insbesondere auch darauf, dass der Postbedienstete unter der ihm angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2008 IV R 78/05, BFH/NV 2008, 1860). Ein Gegenbeweis kann nach § 418 Abs. 2 ZPO nur durch den Beweis der Unrichtigkeit der in der Zustellungsurkunde bezeugten Tatsachen geführt werden. Derjenige, der sich auf die Unwirksamkeit der Ersatzzustellung beruft, muss den Nachweis eines anderen als des beurkundeten Geschehensablaufs erbringen, der ein Fehlverhalten des Zustellers und eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde belegt (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1860, m.w.N.).

    c) Dieser Nachweis ist den Klägern gelungen. Sie haben substantiiert die Umstände dargelegt, die gegen die Richtigkeit des Inhalts der Zustellungsurkunde sprechen und die ein Fehlverhalten des Postzustellers bei der Zustellung und damit eine Falschbeurkundung in der Zustellungsurkunde zu belegen geeignet sind. Von der Richtigkeit dieser Angaben ist der erkennende Senat überzeugt.

    Die Kläger haben vorgetragen und dies mit Versicherungen an Eides statt der Geschäftsführerin und zweier Mitarbeiter ihres Prozessbevollmächtigten belegt, dass die Steuerberatungskanzlei am 2. Juli 2012 zwischen 7:00 Uhr und 19:00 Uhr durchgehend besetzt gewesen sei. Zwischen 7:00 Uhr und 18:00 Uhr sei die Büroeingangstüre entsperrt (die Haustüre sei wegen der Arztpraxen im selben Gebäude permanent offen) und während dieser Zeit habe folglich das Büro von jedermann, also auch von dem Postzusteller, ungehindert betreten werden können. Die Kläger haben weiter dargelegt, die Büroeingangstüre sei mit einer Klingel verbunden, damit das Büro von niemand unbemerkt betreten werden könne. Wegen der Klingel könne das Öffnen der Eingangstüre im ganzen Büro gehört werden, auch wenn der Empfang neben der Eingangstüre ausnahmsweise nicht besetzt sei. Ein kurzfristiges, eventuell in Vergessenheit geratenes Verlassen des Empfangs (so wie in dem dem Beschluss in BFH/NV 2008, 1860 zugrunde liegenden Streitfall denkbar), konnte somit nicht zur Folge haben, dass der Postzusteller in den Geschäftsräumen des Prozessbevollmächtigten der Kläger niemand angetroffen hat. Zudem haben die Kläger vorgetragen, der Postzusteller sei nach dessen eigener Aussage am 2. Juli 2012 --wie stets-- zwischen 8:30 Uhr und 10:00 Uhr am Objekt vorbeigekommen, in dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger seine Büroräume hat. Eine Übergabe des Zulassungsbeschlusses außerhalb der Geschäftszeiten des Prozessbevollmächtigten ist somit auch nicht denkbar."

  • ZPO §§ 167, 170 Abs. 1 Satz 2, § 189

    a) Die Unwirksamkeit der Zustellung an eine prozessunfähige Person (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO) kann gemäß § 189 ZPO dadurch geheilt werden, dass das zuzustellende Schriftstück dem gesetzlichen Vertreter der prozessunfähigen Person tatsächlich zugeht.

    b) § 167 ZPO erfasst auch die erst durch eine - insgesamt noch "demnächst" erfolgende - Heilung wirksam gewordene Zustellung.

    BGH, Urteil vom 12. März 2015 - III ZR 207/14

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