Genehmigung der Ausschlagung und komisches Testament

  • Und wieder ein Problem...

    Ich habe eine Ausschlagungserklärung zur familiengerichtlichen Genehmigung vorliegen, mit der ich nicht so ganz klarkomme.

    Der Erblasser hat testamentarisch verfügt, dass derjenige seiner Großnichten bzw. Großneffen der Erbe sein solle, der im Falle seines Todes bereit ist, seine Wohnung mit Inventar zu übernehmen um in Ort XY Schulbildung, Studium oder Beruf fortzuführen. Ort XY ist dabei sein Wohnort bzw. war und liegt viele viele viele Kilometer vom Wohnort der potentiellen Erben entfernt.

    Nach Ausführungen des Antragstellers sind Wertpapiere im Wert von ca. 80.000,- € vorhanden, davon sind noch diverse Kosten abzuziehen.

    Die im Testament genannte Bedingung kann bzw. will offenbar von keinem der potentiellen Erben erfüllt werden.
    Ich habe jetzt die Ausschlagungserklärung für ein 10-jähriges Kind (einer der Großneffen) vorliegen und frage mich, wie dieses Testament zu verstehen ist. Wenn doch die Bedingung nicht erfüllt wird, erlangt der Betreffende doch auch keine Erbenstellung und müsste nicht ausschlagen. Oder muss pro forma ausgeschlagen werden? Kann mich mit dem Wortlaut des Testaments nicht so ganz anfreunden und will auch keine eventuell unnötige Genehmigung erteilen.

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Wenn in dem Testament keine weiteren Aussagen enthalten sind, was bis zu dem Zeitpunkt passiert, in dem eine/r der Großneffen/-nichten in XY aufschlägt, ist das m.E. ein Fall des § 2105 BGB.

    Abgesehen davon finde ich die Bedingung auch sehr merkwürdig formuliert. Wenn es heißen würde "wer als erster heiratet, ist Erbe" - ok, zweifelsfrei feststellbar. Aber dieses Umziehen nach XY, um Schule, Studium oder Beruf fortzuführen, finde ich verdächtig nahe an § 2065 BGB. Der Erblasser hat damit sicherlich nicht gemeint, daß derjenige alles erhält, der als erster in XY seinen Wohnsitz nimmt (und sich am nächsten Tag wieder abmeldet oder so).

  • Wie beurteilt denn die örtliche Nachlassabteilung das Testament??

    Könnte nicht evtl. die komplette Erbeinsetzung unwirksam sein? Dann käme man wohl zur gesetzlichen Erbfolge.

    Ich bin da aber im grunde genau so fragend wie Du. :nixweiss:

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Zitat von Maus

    Und nu???

    Dann wären die Großneffen/-nichten Nacherben, so daß gegenwärtig noch keine Erbschaftsanfall vorliegt (§ 2139 BGB), also auch noch nichts auszuschlagen ist. Würde ich jetzt zumindest so sehen.

    Zitat von Maus

    Ich bin ein lebendes Fragezeichen :D

    Machst Du Yoga? :D

  • Einen Verstoß gegen § 2065 BGB sehe ich nicht, weil nicht ein Dritter zu bestimmen hat, ob die Verfügung gültig ist oder wer Erbe (aus einem bestimmten Personenkreis) wird. Der Erblasser hat vielmehr zulässigerweise eine aufschiebend bedingte Erbeinsetzung verfügt und sowohl das Bedingungsereignis als auch die Person des Bedachten durch Benennung eines bestimmten in Betracht kommenden Personenkreises selbst bestimmt. Eine solche Bedingung kann die Erbeinsetzung auch zulässigerweise vom Wohnsitz, der Ausbildung und dem Beruf des Bedachten abhängig machen (MünchKomm/Leipold § 2065 RdNr.11). Hierfür ist es ausreichend, dass die Bedingung objektiv erfüllbar ist. Nicht maßgeblich ist demgegenüber, ob sie aus Sicht der Bedachten sinnvoll ist.

    Die vorliegende Bedingung kann begrifflich erst nach dem Erbfall eintreten. Damit kann der die Bedingung herbeiführende Großneffe (bzw. die betreffende Großnichte) im Rechtssinne nur zum Nacherben berufen sein, weil es in der Zeit zwischen Erbfall und Eintritt der Bedingung keinen herrenlosen Nachlass geben kann.

    Wie schon zutreffend bemerkt wurde, läuft demnach alles auf die konstruktive Vorerbenberufung i.S. des § 2105 BGB hinaus. Aber auch dies kann problematisch sein, soweit die Großneffen und Großnichten auch zu den gesetzlichen Erben des Erblassers gehören. Denn es kann niemand Vorerbe und Nacherbe zugleich sein. Allerdings lässt sich dieses Problem dadurch umgehen, indem man annimmt, dass der zu den gesetzlichen Erben zählende Großneffe (-nichte) für seinen (ihren) gesetzlichen Erbteil nicht Vorerbe, sondern Vollerbe ist, sofern er (sie) es ist, in dessen (deren) Person sich der Bedingungseintritt verwirklicht. In diesem Fall ist die Nacherbfolge nur für die übrigen gesetzlichen Erbteile angeordnet, wobei es zum jetzigen Zeitpunkt notgedrungen offen bleiben muss, welche Erbteile welcher Personen das sind. Das NachlG wird bei der Formulierung des entsprechenden Erbscheins jedenfalls viel Freude haben. Aber nach dem Inhalt des Erbscheins ist (noch) nicht gefragt.

    Nachdem die Erbrechtslage geklärt erscheint, ist des weiteren zu fragen, wie sich der vorliegende Fall möglichst pragmatisch lösen lässt. Wenn keiner der Großneffen oder Großneffen geneigt oder in der Lage ist, die vom Erblasser gesetzte Bedingung zu erfüllen, so steht für jeden einzelnen der Großneffen und Großnichten bereits zum jetzigen Zeitpunkt fest, dass er (sie) aus dem Nachlass des Erblassers (jedenfalls in seiner/ihrer Eigenschaft als potentieller Nacherbe) ohnehin nichts erhält. Wenn dem aber so ist, so steht der Ausschlagung des bedingten Nacherbenrechts nichts im Wege. Denn ob man nichts bekommt, weil man ausschlägt oder weil man die vom Erblasser gesetzte Bedingung nie erfüllen wird, bleibt sich aus der Sicht eines jeden potentiellen Nacherben völlig gleich.

    Mit anderen Worten:

    Die Ausschlagung des bedingten Nacherbenrechts durch alle Großneffen und Großnichten kann (und soll wahrscheinlich) dazu führen, dass aufgrund des Wegfalls aller potentiellen Nacherben im Ergebnis die gesetzlichen Erben des Erblassers mit ihren jeweiligen Erbteilen zu Vollerben des Erblassers berufen sind. Dies wäre jedenfalls dann plausibel, wenn nach dem Erblasser die gesetzliche Erbfolge der dritten Erbordnung eintritt, weil die vorhandenen Großneffen und Großnichten (die ja dann Cousins und Cousinen des Erblassers sind) in diesem Fall innerhalb ihres Stammes am Nachlass partizipieren, und sei es nur in der Form, dass der zum gesetzlichen Erben berufene Elternteil noch lebt, über welchen die potentiellen Nacherben mit dem Erblasser verwandt sind. Das gleiche gilt natürlich entsprechend innerhalb der zweiten Erbordnung, falls der Erblasser mit "Großneffen und Großnichten" die Abkömmlinge seiner Geschwisterkinder gemeint hat.

    Aus den genannten Gründen würde ich zunächst das zuständige NachlG kontaktieren und mich schlau machen, wie der Hase im Hinblick auf Testamentsauslegung und Ausschlagungen eigentlich läuft. Dann kann man weitersehen.

    Dass die vorliegende Ausschlagung im Hinblick auf § 2142 Abs.1 BGB durchaus Sinn macht, dürfte deutlich geworden sein.

  • So langsam kommt Licht ins Dunkel :D
    Um den Sachverhalt noch kurz zu ergänzen: Mit Großnichten und- neffen hat der Erblasser die Enkel seiner Schwester und seines Bruders gemeint. Die Schwester ist bereits verstorben und hat 4 Kinder hinterlassen (leben alle noch), diese wiederum haben nun insgesamt 6 Kinder, die ausgeschlagen haben. Der Bruder des Erblassers lebt noch und hat 3 Kinder, die wiederum insgesamt 6 Kinder. Das heißt also, 12 Großnichten bzw. - neffen haben die Erbschaft ausgeschlagen.
    Die Wohnung des Erblassers wurde bereits zum 31.12.2006 gekündigt (Mietwohnung). Die Erfüllung der Bedingung ist damit ohnehin ausgeschlossen.
    Dann will ich mal das zuständige Nachlassgericht kontaktieren, in der Hoffnung, dass ein Erbscheinsantrag gestellt wurde. Sonst bringt mich das ja auch nicht weiter...

    "Es ist nicht möglich, den Tod eines Steuerpflichtigen als dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 3 EStG zu werten und demgemäß den erhöhten Freibetrag abzuziehen." (Bundessteuerblatt) :D

  • Das mit der Wohnungskündigung hatte ich mir auch schon überlegt, sozusagen als raffinierten faktischen Trick, um den Eintritt der Bedingung endgültig zu vereiteln. Ob die Wohnungskündigung allerdings für sich alleine ausreicht, anzunehmen, dass die Bedingung endgültig ausgefallen ist, kann m.E. dahinstehen. Denn im praktischen Ergebnis sind der Bruder zu 1/2 und die vier Kinder der Schwester zu je 1/8 zu gesetzlichen Erben berufen, wenn alle Großneffen und Großnichten die Erbschaft ausschlagen. Da auf Bruder- und Schwesterseite jeweils sechs Großneffen bzw. Großnichten vorhanden sind, entspricht die quotale Verteilung nach gesetzlicher Erbfolge auch zufällig der Zahl der Geschwisterenkel eines jeden Stammes.

    Dem Bruder wäre übrigens zu raten, die Erbschaft auszuschlagen, da er nur über einen Erbschaftsteuerfreibetrag von 10.300 € verfügt und er demzufolge mit Steuern in Höhe von knapp 3.000 € belastet würde (80.000 ./. 10.300 Beerdigungspauschale : 2 ./. 10.300 Freibetrag = 24.550; abgerundet 24.500, davon 12 % in Steuerklasse II = 2.940 €), während seine drei Kinder den erbrechtlichen Erwerb praktisch überhaupt nicht versteuern müssten (80.000 ./. 10.300 Beerdigungspauschale : 6 = 11.616 ./. 10.300 = 1.316; gerundet 1.300, davon 12 % = 156 € für jeden der drei Miterben; Steuerersparnis durch die Ausschlagung somit 2.940 ./. 156 x 3 = 2.472 €).

    Eine Ersatznacherbfolge im Rahmen der vorliegenden bedingten Nacherbfolge ist nach Sachlage nicht angeordnet (§ 2069 BGB nicht anwendbar), sodass evtl. Abkömmlinge der Großneffen und Großnichten nicht mehr ausschlagen müssen. Mit der Ausschlagung "der 12" ist die angeordnete Nacherbfolge somit "endgültig tot".

    Es kommt also darauf an, welche Ausschlagung vorliegt. Ist es diejenige eines Großneffen (einer "der 12"), würde ich nach Sachlage völlig unbedenklich genehmigen. Diejenige eines Abkömmlings eines Großneffen kann es schon deswegen nicht sein, weil die Ausschlagung nach § 1643 Abs.2 BGB genehmigungsfrei möglich wäre (Großneffe/-nichte schlägt aus und dann zusammen mit dem betreffenden Ehepartner auch für das aufgrund der eigenen Ausschlagung nachberufene minderjährige Kind).

    Wenn beim zuständigen NachlG ein vernünftiger Pragmatiker sitzt, ist die Angelegenheit also relativ schnell erledigt.

  • Der Erblasser hat testamentarisch verfügt, dass derjenige seiner Großnichten bzw. Großneffen der Erbe sein solle, der im Falle seines Todes bereit ist, seine Wohnung mit Inventar zu übernehmen um in Ort XY Schulbildung, Studium oder Beruf fortzuführen. Ort XY ist dabei sein Wohnort bzw. war und liegt viele viele viele Kilometer vom Wohnort der potentiellen Erben entfernt.

    Eine solche Bedingung kann die Erbeinsetzung auch zulässigerweise vom Wohnsitz, der Ausbildung und dem Beruf des Bedachten abhängig machen (MünchKomm/Leipold § 2065 RdNr.11). Hierfür ist es ausreichend, dass die Bedingung objektiv erfüllbar ist. Nicht maßgeblich ist demgegenüber, ob sie aus Sicht der Bedachten sinnvoll ist.

    Nur mal am Rande gefragt (derartige Testamente gibt es ja sicherlich zuhauf, und möglicherweise wollen nicht immer alle Erben ausschlagen, wenn das Geld lockt oder z.B. die Immobilie im Eigentum des Erblassers stand und sich bei Ausschlagungen andere Konstellationen ergäben als hier o.ä.):

    Wie ist denn in solchen Fällen der Bedingungseintritt glaubhaft zu machen (bzw. bei einem Rechtsstreit zwischen den möglichen Erben zu beweisen)? Daß das aus Sicht der Bedachten alles wenig sinnvoll sein mag, ist klar. Meiner Meinung nach ist eine solche Bedingung ausgesprochen schwammig formuliert. Gerade der Begriff des "Fortführens" (unterstellt, daß er auch so oder inhaltsgleich in einem Testament verwendet wird) läßt m.E. darauf schließen, daß der Wille des Erblassers darauf zielt, daß sich der Erbe zumindest für eine gewisse Dauer im Ort niederläßt. Wie soll man das aber - erst recht auch bzgl. Ausbildung und Beruf - feststellen? Oder wäre es im Zweifel dann doch so, daß der erste, der sich im Ort niederläßt, erbt und es nicht darauf ankommt, wie lange er dort zu verbleiben gedenkt?

  • Hier handelt es sich um reine Beweisfragen. Denken wir etwa an den Fall, dass eine Zuwendung unter der auflösenden Bedingung steht, dass der Bedachte wieder heiratet oder in eheähnlicher Gemeinschaft mit einer anderen Frau zusammenlebt. Auch hier können sich die potentiellen Nacherben entweder selbst oder mittels eines Privatdetektivs vor dem Anwesen des Bedachten mit dem notwendigen technischen Rüstzeug "auf die Lauer legen".

    Bei derlei "unsicheren" Bedingungen kann sich der Erblasser behelfen, indem er innerhalb der nach § 2065 BGB zulässigen Grenzen einen Dritten dazu bestimmt, festzustellen, ob und ggf. zu wessen Gunsten die gesetzte Bedingung eingetreten ist. Die Grenze für die Zulässigkeit solcher Anordnungen ist aber überschritten, wenn dem Dritten ein solcher Ermessensspielraum eingeräumt ist, dass er nicht feststellt, sondern in Wahrheit anstelle des Erblassers entscheidet. Letzteres wäre eine nach § 2065 BGB unzulässige Vertretung im Willen.

  • :2danke Das war mir so nicht klar, daß die Feststellung durch einen Dritten hierbei als etwas anderes als die Entscheidung durch einen Dritten zu verstehen ist.

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