Geschäftsunfähigkeit bei Koma

  • Hi,
    bin erst seit kurzem dabei und hab jetzt denn fall, dass eine mutter seit der geburt im koma liegt.

    ist sie geschäftsfähig?

    vielen dank für eure hilfe

    Einmal editiert, zuletzt von kathi2205 (26. Januar 2011 um 19:52)

  • Nach der Definition des § 104 BGB könnte man messerscharf schließen, dass die Frau nicht geschäftsunfähig, sondern "nur" handlungsunfähig ist.
    Für die Komatöspatientin hat die Frage allerdings keine praktische Auswirkung. Sie kann nicht rechtsgeschäftlich handeln.

  • In bestimmten Fallkonstellationen kann die Frage jedoch praxisrelevant werden.
    Folgender Fall (bei dem ich sehr unsicher bin): Mutter liegt seit etwas mehr als zwei Wochen im Koma. Der vater des Kindes hat die vaterschaft vorgeburtlich nicht anerkannt und möchte dies jetzt nachholen, da das Krankenhaus ihm anderenfalls sein Kind nicht gibt. Die Zustimmung zur vaterschaftsanerkennung der mutter kann mit vormundschaftlicher genehmigung zwar ersetzt werden, aber nur, wenn die Mutter geschäftsunfähig ist. Die Gutachten der Ärzte legen sich diesbezüglich nicht fest. Es wäre derzeit noch nicht abzusehen, ob und wann eine Besserung des Gesundheitszustandes eintritt.
    Alle anderen Einzelheiten des Verfahrens sind soweit geklärt. Es geht nur um die Frage der Ersetzung der Zustimmung der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung.

    Vielleicht kann mir jemand von euch helfen: ab wann kann man die Mutter für geschäftsunfähig erklären? In der Kommentierung zu § 104 BGB im Palandt kann man dazu nachlesen, dass § 104 Nr. 2 BGB " bei wochenlanger Bewusstlosigkeit nach einem Unfall" anwendbar ist. Aber eigentlich passt das ja hier nicht. Andererseits soll der Vater sein Kind bekommen (entspricht dem Kindeswohl).

    Wer kann bei dieser kniffligen Frage helfen?

  • Bei wochenlanger Bewusstlosigkeit ist von Geschäftsunfähigkeit i.S. des § 104 Nr.2 BGB auszugehen (Palandt/Ellenberger § 104 Rn. 4). Dies führt zum Ruhen der elterlichen Sorge (§ 1673 Abs.1 BGB), sodass das Kind derzeit ohne gesetzlichen Vertreter ist und eines Vormunds bedarf (hier: zweckmäßigerweise das Jugendamt). Dieser erklärt mit familiengerichtlicher Genehmigung die Zustimmung des Kindes (§§ 1595 Abs.2, 1596 Abs.1 S.3 HS.1 BGB).

    Die Zustimmung der Mutter ist -entgegen der Schilderung im Sachverhalt- nicht ersetzbar. Sie muss daher durch einen zu bestellenden Betreuer mit betreuungsgerichtlicher Genehmigung erfolgen (§§ 1595 Abs.1, 1596 Abs.3 S.3 HS.2 BGB).

    Außerdem ist im famG Genehmigungsverfahren die Bestellung eines Ergänzungspflegers und im btG Genehmigungsverfahren die Bestellung eines Verfahrenspflegers erforderlich.

  • Die Feststellung der Geschäftsunfähigkeit ist eine Tatsachenfrage. Problematisch wird es, wenn der im Koma liegende (noch) nicht als geschäftsunfähig gilt, dann bleibt wohl nur die Feststellungsklage.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • ........und eines Vormunds bedarf (hier: zweckmäßigerweise das Jugendamt). Dieser erklärt mit familiengerichtlicher Genehmigung die Zustimmung des Kindes (§§ 1595 Abs.2, 1596 Abs.1 S.3 HS.1 BGB).

    Dem möchte ich widersprechen.

    Nach dem Gesetzeswortlaut

    (2) Die Anerkennung bedarf auch der Zustimmung des Kindes, wenn der Mutter insoweit die elterliche Sorge nicht zusteht.

    ist eine Zustimmung des Kindes erforderlich, wenn der Mutter die elterliche Sorge (insoweit) nicht zusteht. "Nicht zusteht" ist aber nicht gleichzusetzen, dass man sie im Moment nicht ausüben kann. Denn der Mutter steht die elterliche Sorge auch im Fall der eingetretenen Geschäftsunfähigkeit weiter zu, sie "ruht" nach § 1673 I BGB nur. Genau aus diesem Grund ist in Palandt unter Rn 4 zu § 1595 beim minderjährigen Kind als möglicher Fall auch nur aufgeführt, dass einerseits die Mutter verstorben ist oder andererseits ihr das Sorgerecht entzogen wurde, beides also Fälle, wo einer Mutter ein Sorgerecht insgesamt nicht mehr zusteht (zustehen kann).

    Insoweit kann ich keine notwendige Zustimmung des Kindes erkennen.

    Und selbst wenn eine Zustimmung des Kindes erforderlich und durch den gesetzlichen Vertreter (Vormund) vorzunehmen wäre, kann ich nicht erkennen, wieso diese Erklärung der vormundschaftlichen Genehmigung bedarf (geschweige denn die Notwendigkeit der Bestellung eines zusätzlichen Ergänzungspflegers für das Verfahren). § 1596 Abs. 1 regelt nur die Anerkennung und Zustimmung der Mutter, soweit Geschäftsfähigkeit beeinträchtigt ist. In Abs. 2, welcher die Zustimmung des Kindes regelt, ist eine notwendige Genehmigung nicht ersichtlich, auch kein Verweis auf Abs. 1. (siehe auch Palandt, Rn 6 zu § 1596: Zustimmung des Kindes "ohne vormundschaftliche Genehmigung ... vom gesetzlichen Vertreter").

  • anders jedoch Nickel in: jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 1595 BGB Rn. 14:


    "Zusätzlich zur Zustimmung der Mutter ist die Zustimmung des Kindes immer dann erforderlich, wenn der Mutter insoweit die elterliche Sorge nicht zusteht. Dies versteht sich von selbst, wenn das Kind volljährig ist. Bei Minderjährigkeit des Kindes ist seine Zustimmung dann notwendig, wenn die elterliche Sorge der Mutter ruht (§ 1675 BGB). Dies ist der Fall bei Geschäftsunfähigkeit oder Minderjährigkeit der Mutter (§ 1673 BGB), bei gerichtlicher Feststellung des Ruhens gem. § 1674 BGB sowie nach Einwilligung der Mutter in die Adoption des Kindes (§ 1751 Abs. 1 Satz 1 BGB)..."

  • Leider lässt sich der Münchner Kommentar darüber nicht aus. Aber für mich sind "Zustehen der elterlichen Sorge" und "tatsächliche Möglichkeit des Ausübens" zweierlei Dinge, ganz klar schon vom Wortlaut. Das gleiche ist ja bei einer 17-jährigen Mutter gegeben: Ihr steht grundsätzlich die elterliche Sorge zu, sie ruht lediglich rechtlich. Es ist auch ein großer Unterschied, ob eine Pfändung nur ruht oder aufgehoben wurde.

    Ich muss allerdings zugeben: Rein aus dem Bauchgefühl heraus würde ich das Zustimmungserfordernis des Kindes auch bejahen, bei strenger Haftung am Gesetzeswort dann aber nicht mehr so ohne weiteres.

    Man muss doch mal die Frage andersherum stellen: Was ist das Gegenteil von "steht ihr zu": "steht ihr nicht zu". Und dann sollte man nachdenken, wann einer Mutter die elterliche Sorge "nicht zusteht" (z.B. wenn sie ihr entzogen wurde) . Und "Ruhen" möchte ich dann keinesfalls gleichsetzen mit "nicht zustehen". Diese Diskussion über das "Zustehen" hatten wir hier schon mal an anderer Stelle, kann es jetzt nur nicht auf die Schnelle finden. Mich würde lediglich mal interessieren, wie es die Jugendämter handhaben, die das in der Praxis ja machen müssen. Da würde es wohl wieder die unterschiedlichsten Varianten geben, so wie etwa bein den F-Rechtspflegern, wenn es um die Bestellung von E-Pflegern in Genehmigungsverfahren geht. Wer gelangt da schon an die zitierte Stelle "Nickel in: jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 1595 BGB Rn. 14", selbst kaum ein Rechtspfleger würde das finden, wenn man nicht wie hier, darauf hingewiesen wird. Aus den gängigen Kommentaren wie Palandt und MüKo ist das jedenfalls nicht zu entnehmen, sodass man sich bei einer Entscheidung auch nicht unbedingt einer solchen Einzelansicht anschließen muss.

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