Löschung altrechtl. Herrschvermerke

  • Hallo zusammen,

    ich bin neu für ein weiteres kleines kommunales Grundbuchamt in Baden zuständig. Dort hat man wohl konsequent bei Anlegung des BGB-Grundbuchs Grunddienstbarkeiten alten badischen Landrechts (früher im BV II eingetragen) wie ein Herrschvermerk im neuen Loseblatt-Bestandsverzeichnis als Vermerk dem herrschenden Grundstück zugeschrieben. Die Eintragung als Belastung in Abteilung II beim belasteten Grundstück unterblieb. Da nach dem 31.12.1977 jeweils gutgläubiger Erwerb durch Eigentumswechsel (Verkehrsgeschäft und alle sonstigen Voraussetzungen sind erfüllt) stattgefunden hat, kommt nach Art. 187 II EGBGB i.V.m. § 31 baden-württ. AGBGB eine Nachholung der Eintragung nicht mehr in Frage. Haben diese "Herrschvermerke" nach Art. 184 EGBGB noch eine Wirkung oder kann man sie nach § 84 ff. GBO löschen?

  • Zur Frage der Löschung führt Hezel in der BWNotZ 2000, 114/121 am Schluss aus:

    …“Vielfach ist festzustellen, dass aufgrund von § 9 GBO auf dem Grundbuchblatt des Berechtigten das Bestehen einer Grunddienstbarkeit eingetragen ist, ohne dass ein Eintrag auf dem belasteten Grundstück festzustellen ist. Dies beruht darauf, dass eine Eintragung auf dem belasteten Grundstück gemäß Art. 187 EGBGB bis zum 31.12.1977 nicht erforderlich war. Gleichwohl ist aber bei der Anlegung des Grundbuchs vielfach auf dem Grundbuchblatt des Berechtigten ein Hinweis erfolgt. Ein Eintrag gemäß § 9 GBO gibt dem Berechtigten kein unmittelbares Recht, gleichwohl sind aber diese Einträge für Beweiszwecke von großer Bedeutung. Wenn nämlich ein solcher Eintrag besteht, ist der Rückschluss zwingend, dass ein altrechtliches Wegerecht besteht bzw. wenn es sich um eine gemeinschaftliche Hofeinfahrt handelt, ein solches Recht bestanden hat. Notare lassen sich, wie ich festgestellt habe, bei Vertragsbschlüssen gelegentlich Löschungsbewilligungen für Einträge gemäß § 9 GBO abgeben. Dies geschieht in aller Regel ohne Belehrung, so dass hierdurch Nachteile für alte Rechte entstehen. Es ist dringend zu empfehlen, dass in solchen Fällen entsprechende Belehrungen erfolgen.“

    Für den gutgläubigen lastenfreien Erwerb kommt es zwar lediglich auf die (fehlende) Eintragung im Grundbuch des belasteten Grundstücks an (KG, JFG 10, 199/204; BayObLG, Rpfleger 1979, 420/421; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl. 2009, § 9 RN 41 m.w.N. in Fußn. 66). Da der unrichtige Buchstand aber erst mit Ablauf des 31.12.1977 eingetreten sein kann, kann ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb erst nach dem 1.1.1978 erfolgt sein. In solchen Fällen -wie in Deinem- wird der Vermerk wohl im Verfahren nach §§ 84 ff GBO zu löschen sein. Hatte der Erwerber hingegen schon vor dem 1.1.1978 von der Dienstbarkeit Kenntnis, scheidet ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb aus (Gursky, BWNotZ 1986, 58/59), so dass ich auch den Herrschvermerk bestehen lassen würde.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Hallo,

    hänge mich hier mal dran.

    Im GB ist unter BV 3/zu1 ein wie im Themenstart beschriebener Vermerk eines Uralt-Rechts (Wässerungsrecht, Eintrag 1882) eingetragen.
    Der Eigentümer bewilligt und beantragt die Löschung.
    Bei der Recherche beim dienenden Grundstücks bin ich bisher nicht auf eine Eintragung des Rechts in Abt. II gestoßen.

    In Abt. III des GB sind Rechte eingetragen. Weiterhin ist in Abt. II ua. eine Grunddienstbarkeit (Wasserleitungsrecht) und eine Reallast (Versorgung Fernwärme) eingetragen.

    Haben diese wie bei einem "richtigen" Herrschvermerk nach § 21 GBO trotz fehlender Eintragung des Rechts beim dienenden Grundstück zuzustimmen?! :confused:
    Oder kann ich den Vermerk nun einfach auf Antrag löschen?! :gruebel:

  • Der Vermerk nach § 9 GBO hat nur nachrichtliche Bedeutung (s. OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 02.06.2017, 34 Wx 93/17, Rz. 11
    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…-112289?hl=true
    Er soll bewirken, dass die Grunddienstbarkeiten auf dem belasteten Grundstück nicht ohne Zustimmung der Berechtigten (jedenfalls von Verwertungsrechten) am herrschenden Grundstück (§ 21 GBO) gelöscht werden. Wenn am belasteten Grundstück aber keine Rechte (mehr) eingetragen sind, auf die sich der Vermerk beziehen könnte, dann ist der Vermerk als gegenstandslos im Verfahren nach §§ 84 ff GBO zu löschen.

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  • Wenn die Buchung am dienenden Grundstück seit 1882 nie erfolgt ist, wäre ich jetzt mit der Löschung erst mal zurückhaltend. Altrechtliche Dienstbarkeiten bedürfen zu ihrer Wirksamkeit keiner Eintragung, und der Herrschvermerk wird ihre (mögliche) Eintragung nicht ersetzen.

    Ich würde also erst mal dieses ermitteln und dann weiterüberlegen.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Ja, das stimmt. Dann dürfte es sich allerdings auch um keinen Vermerk nach § 9 GBO handeln (s. dazu diesen Thread:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post611248)

    Falls sich der Vorgang in Bayern abspielt siehe den Beschluss des OLG München v. 16.01.2017, 34 Wx 380/16, Rz. 16
    http://www.gesetze-bayern.de/Content/Docume…-100526?hl=true
    zum Erlöschen alter Wassernutzungsrechte

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Danke für eure Antworten!

    Ganz verständlich ist mir die Sache aber noch nicht ganz... :oops:

    Habe ich mit dem vorliegenden Antrag des Eigentümers des Grundstücks, an dem dieser Vermerk eingetragen ist, nicht auch die Aufgabeerklärung bzgl. des Rechts?! Damit unabhängig davon, ob das Recht je einmal eingetragen war, verzichtet dieser explizit auf das Recht.

    Wie in dem Link:

    Ja, das stimmt. Dann dürfte es sich allerdings auch um keinen Vermerk nach § 9 GBO handeln (s. dazu diesen Thread:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…ll=1#post611248)

    sollte doch dann eine Löschung des Vermerks auch ohne die Zustimmung der Berechtigten möglich sein, weil es sich nicht um ein Vermerk nach § 9 GBO handelt - und die Bewilligung des unmittelbar Betroffenen habe ich im vorliegenden Antrag (§ 29 GBO ist erfüllt).


    Bzw. müsste es ansonsten nicht genügen, die Eintragung beim dienenden Grundstück bis 1978 zurückzuverfolgen und sofern ab da ein EW ohne Anzeichen auf Kenntnis dieses Rechts stattgefunden hat, die Löschung des Vermerks nach § 84 GBO möglich sein - und da ich aber den Antrag bereits habe, kann die Löschung direkt erfolgen?! :gruebel:
    Dabei wäre doch nur die Frage, falls das Recht eingetragen war, ob die damaligen Berechtigten nach § 21 GBO zugestimmt haben oder ob insoweit das GB unrichtig ist?!

    Die Sache spielt sich wie im Themenstart ebenfalls in Baden ab.

    Einmal editiert, zuletzt von cr07 (1. September 2017 um 08:57)

  • Die Aufgabe eines Rechts setzt dessen Existenz voraus. Streitig ist, ob in solchen Fällen auch die dinglich Berechtigten zustimmen müssen (s. einerseits Keller in Keller/Munzig, Grundbuchrecht – Kommentar, 7. Auflage 2015, § 9 RN 10; andererseits Wilsch im Beck'schen Online-Kommentar GBO, Hrsg. Hügel, Stand 01.05.2017, § 9 RN 74).

    Ich vermute aber, dass das Recht selbst nicht mehr existiert, weil die altrechtliche Dienstbarkeit nicht bis zum 31.12.1977 eingetragen wurde. Hat denn beim belasteten Grundstück ab dem 1.1.1978 ein Eigentumswechsel stattgefunden ? Dann könnte vom gutgläubigen lastenfreien Erwerb ausgegangen werden (§ 31 AGBGB BW).

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  • Ich vermute aber, dass das Recht selbst nicht mehr existiert, weil die altrechtliche Dienstbarkeit nicht bis zum 31.12.1977 eingetragen wurde. Hat denn beim belasteten Grundstück ab dem 1.1.1978 ein Eigentumswechsel stattgefunden ? Dann könnte vom gutgläubigen lastenfreien Erwerb ausgegangen werden (§ 31 AGBGB BW).

    Beim dienenden Grundstück fand ab 1978 lediglich eine Übergabe im Wege vorweggenommener Erbfolge statt, damit kein Verkehrsgeschäft.

  • Die Existenz oder Nichtexistenz des Rechtes sind momentan reine Spekulation. Nach Lage der Dinge wird sich kaum mit der notwendigen Sicherheit sagen lassen, dass das Recht nicht besteht.

    Ich würde den Eintrag wie ein Recht bzw. einen Herrschvermerk behandeln. Das Erlöschen des Rechts ist derzeit weder behauptet noch nachgewiesen. Sowohl bei einem Rechtseintrag als auch bei einem Herrschvermerk steht fest, dass es (nur) dann gelöscht werden kann, wenn der Eigentümer des herrschenden Grundstücks und die nach §§ 21 GBO, 876 S. 2 BGB zustimmungspflichtigen Berechtigten die Löschung formgerecht bewilligen. Das würde ich verlangen und den Hinweis hinzusetzen, dass es sich - Bestehen des Rechtes vorausgesetzt - um ein Recht zugunsten des Eigentümers von Flst. x handelt. Ich schließe nämlich nicht aus, dass die Beteiligten glauben, es wäre eine Belastung, eund es deshalb gelöscht haben wollen. Es wäre nicht der erste Irrtum dieser Art.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Hallo,

    ich hänge mich einfach mal an diesen Fall ran, da meiner ähnlich ist.

    Ich habe die Aufhebung von Stockwerkseigentum, da es in einer Hand steht und nun vom Eigentümer beantragt wird.
    Nun besteht hierzu ein Herrschvermerk "Kellerbenützung und Unterhaltung s.Servitutenbuch s. …" welcher ebenfalls gelöscht werden soll, da der Eigentümer zugleich Berechtigter und Verpflichteter ist.
    Nach Übersetzung des Servituteneintrags handelt es sich um einen Vertrag (1898) zwischen den damaligen Eigentümern, wie der Keller abgeteilt wird und wer welche Hälfte erhält und wer welche Kosten bei Beschädigung des Bodens trägt.
    In Abteilung II der Grundbücher ist keine Dienstbarkeit eingetragen, ich habe somit nur den Herrschvermerk.
    nach Recherche ist wirklich alles in der Hand von dem aktuellen Eigentümer.

    Kann ich somit den Herrschvermerk löschen?
    Aktuell würde ich, nachdem ich viel gesucht habe, schon eher dahin tendieren, dass ich es löschen kann, aber bin mir leider nicht zu 100% sicher.

    Vielleicht kann mir hier jemand noch helfen.

    Viele Grüße

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