Europäischer Zahlungsbefehl in Polen

  • Ich brauche mal wieder Hilfe für einen europäischen Zahlungsbefehl:

    Mit viel "googlen" und einem Wörterbuch habe ich herausbekommen, das der Gegner eine oHG ist und einen langen Firmennamen laut dem dortigen HR hat. Es geht um eine Geldforderung aus Warenlieferung einer deutschen GmbH an eine polnische oHG.

    Fragen:
    1) Wenn ich jetzt gegen die Firma einen europäischen Zahlungsbefehl beantragen will, müsste ich das ja in Polen tun, aber bei welchem Gericht?? (Sitz ist in 74400 Debno / ein deutscher Gerichtsstand wird wohl nicht nachzuweisen sein)
    2) Werden/Können auch bei einer polnischen oHG die Gesellschafter mitverklagt? (vielleicht blöde Frage, aber ich weiß einfach nicht, ob ich deutsches Recht darauf übertragen kann)
    3) Im HR stehen unter "Czlonkowie reprezentacji" einige Namen, sind das die Gesellschafter? Muss ich im Antrag die Privatanschriften angeben oder kann ich auch die Adresse der Firma für die Gesellschafter verwenden?

    Tut mir leid, falls die Fragen irgendwie blöd klingen, aber die Sprache ist hierbei für mich das größte Hindernis. :oops:

  • Die Zuständigkeit kann unterschiedlich begründet sein.
    Grundsätzlich richtet sich die Zuständigkeit nach dem Rechtssitz der Schuldnerpartei.
    Besondere ZUuständigkeiten können u. a. jedoch durch den Erfüllungsort/Leistungsort der vertraglichen Verpflichtung oder durch Gerichtsstandsvereinbarungen der Parteien begründet sein/werden.

    Daher könnte insoweit u. a. das Gericht in Debno als Gericht am Rechtssitz der Schuldnerpartei zuständig sein.
    Einzelheiten können insoweit dem Justizportal NRW entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausland/epo/index.php

    PS:
    Bei "Czlonkowie reprezentacji" handelt es sich offensichtlich um die persönlich haftenden Gesellschafter.

    2 Mal editiert, zuletzt von rolli (25. April 2018 um 23:01)

  • Sofern und soweit das Gericht am Rechtssitz der Schuldnerpartei zuständig sein sollte, wäre zuständig:

    Wydział Rodzinny i Nieletnich-Sąd Rejonowy w Myśliborzu
    Verwaltungsadresse: ul. Niedziałkowskiego 6; 74-300 Myślibórz.

    Das zuständige polnischen Gerichte kann insoweit anhand des Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen ermittelt werden.
    Die vorgenannte Internetseite des Amtsgerichtsgerichts enthält eine Verlinkung auf den Gerichtsatlas für Zivilsachen.

  • Im Europäischen Mahnbescheid ist die Schulnerpartei mit der Firmenbezeichnung sowie unter Angabe der gesetzlichen Vertreter anzugeben.
    Als Anschrift reicht der Firmenanschrift aus (Anspruch richtet sich ja gegen die Firma).

  • Die VO (EG) Nr. 1896/2006 ermöglicht die direkte Vollstreckung im Inland.
    Soll z. B. aus einem vollstreckbaren Europäischen Zahungsbefehl aus Polen im Inland vollstreckt werden, so kann die Gläubigerpartei sich direkt an den zuständigen inl. Gerichtsvollzieher oder an das zuständige inl.
    Vollstreckungsgericht wenden.


    Weder der ausl. Europ. Zahlungsbefehl noch die Erklärung über die Vollstreckbarkeit (Formblatt G) dürfen im Inland in der Sache selbst nachgeprüft werden.


    Vorzulegen sind:
    a) Ausfertigung des Europäischen Zahlungsbefehls aus Polen (Formblatt E),
    b) Erklärung des polnischen Gerichts über die Vollstreckbarkeit (Formblatt G).
    c) ggfs. Übersetzung der Vollstreckbarerklärung (Formblatt G) in deutscher Sprache.


    In der Regel ist die Beifügung einer Übersetzung der Eintragungen im Formblatt G nicht erforderlich, da es sich bei dem Formblatt um ein EU-einheitliches Formular handelt und die erforderlichen Angaben durch Eintragung von Namen, Anschrift und Zahlen sowie durch Ankreuzen von Kästchen erfolgt.
    Eine Übersetzung ist daher nur bei ergänzenden Eintragungen erforderlich.


    Hinsichtlich der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung wird auf das Justizportal NRW Bezug genommen:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausl…/zv/3/index.php


    Weitere Einzelheiten können der entsprechenden Info entnommen werden:
    https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausl…zv/3/eumvvo.pdf

    7 Mal editiert, zuletzt von rolli (25. April 2018 um 23:04)

  • Vielen Dank rolli für die Infos.
    Die Ware ist von unserem Mandanten (aus Deutschland) persönlich nach Polen gebracht worden, daher fällt wohl der Erfüllungsort aus.
    Der Gerichtsstand ist zwar laut AGB unseres Mdt in Deutschland, aber der Mdt. konnte mir noch keinen unterschriebenen Auftrag mit Hinweis auf die AGB vorlegen.

    Über den Gerichtsatlas für Zivilsachen sind mir mehrere Gerichte angezeigt worden, daher war ich mir nicht sicher, welches stimmt - danke für die sichere Adresse.

  • KeineVollstreckbarerklärung eines polnischen Zahlungsbefehls bei Versäumnis derPrüfung der Anerkennungsvoraussetzungen nach Maßgabe des polnischen Rechts

    Hat sich der Beklagte auf das Verfahren nicht eingelassen und ist ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht zugestellt worden, darf eine Entscheidung nur dann für vollstreckbar erklärt werden, wenn das Gericht feststellt, dass der Beklagte die Möglichkeit hatte, im Urteilsstaat einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen.

    Ob der Beklagte die Möglichkeit hatte, gegen eine ergangene Entscheidung einen Rechtsbehelf einzulegen, richtet sich nach dem Recht des Urteilsstaates. Maßgeblich ist, ob die Gerichte des Urteilsstaates einen vom Beklagten eingelegten Rechtsbehelf nach Maßgabe des von ihnen zu beachtenden Rechts entsprechend der tatsächlichen Auslegung und Anwendung dieses Rechts als zulässig behandelt hätten und dieser eine vollständige Überprüfung der Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht ermöglicht hätte.
    BGH, Beschluss vom 17. Mai 2018 - IX ZB 26/17

  • Zur Klarstellung (um unnötige Verwirrungen/Verwechslungen zu vermeiden):

    1.
    Die Beiträge 1 - 6 beziehen sich auf einen Europäischen Zahlungsbefehl nach der EU-Verordnung Nr. 1896/2006.
    Einzelheiten zur Zwangsvollstreckung aus dem Europäische Zahlungsbefehl in Deutschland: s. Info im Justizportal NRW: https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausl…zv/3/eumvvo.pdf

    2.
    Der Beitrag 7 bezieht sich dagegen in einem Altfall auf einen Zahlungsbefehl nach den nationalen Verfahrensvorschriften.
    Für die Zwangsvollstreckung aus dem polnischen Zahlungsbefehl in Deutschland bedarf es im Altfall noch der Vollstreckbarerklärung durch das Landgericht.

    Bei der geschilderten Fallkonstellation ist auf den Rechtsbehelf der Schuldnerpartei hin vom Beschwerdegericht (Oberlandesgericht) die Vollstreckbarerklärung zu versagen.

    Einzelheiten zur Brüssel-I-Verordnung: s. Info im Justizportal NRW: https://www.justiz.nrw/BS/rechtimausl…uessel-I-vo.pdf

  • [h=2]Ablehnung der Vollstreckbarerklärung des Urteils eines ausländischen Gerichts wegen Verstoßes gegen das Recht der freien Meinungsäußerung und gegen die Medienfreiheit[/h]Beschluss vom 19. Juli 2018 – IX ZB 10/18

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