Entscheidung des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes

  • Mit liegt folgendes Thema sehr am Herzen, ich würde das gern mal offiziell diskutieren:

    Der gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat in seinem Beschluss vom 27.09.2010, GmS-OGB 1/09 festgestellt, dass für Anfechtungsklagen gegen Arbeitnehmer die Arbeitsgerichte zuständig sind.

    Ein uns allen bekannter Kollege möchte daraus schließen, dass die Arbeitsgerichte oder aber auch die Sozialgerichte für Anfechtungsklagen des Insolvenzverwalters gegen Krankenkassen zuständig sind. Des Weiteren folgert er aus der Tatsache, dass das im Beschluss festgestellt wurde, dass der Insolvenzverwalter für die Dauer des Insolvenzverfahrens Arbeitgeber Kraft Amtes ist, dass zumindest die Arbeitnehmerbeiträge nicht mehr der Anfechtung unterliegen.

    Da diese Argumentation in Zukunft massenhaft vorkommen wird, bitte ich um Munition.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • In der vergangenen Woche habe ich Papes alljährlichem Rechtsprechungs-Rückblick zugehört. Zu der o.g. Entscheidung sagte er, hierzu könne er nichts sagen, er verstehe sie nicht. Und äußerte genau die Befürchtung, dass es künftig unterschiedliche Anfechtungsrechte geben könnte, je nach Anfechtungsgegner. Er hält Insolvenzanfechtungssachen allerdings für ein Thema, das in jedem Fall an die Zivilgerichte gehört (bzw. er hat es irgendwie so formuliert, dass er die Arbeitsgerichtsbarkeit einbezog aber die übrigen Gerichte ausschloss).

    Zitat

    Des Weiteren folgert er aus der Tatsache, dass das im Beschluss festgestellt wurde, dass der Insolvenzverwalter für die Dauer des Insolvenzverfahrens Arbeitgeber Kraft Amtes ist, dass zumindest die Arbeitnehmerbeiträge nicht mehr der Anfechtung unterliegen.

    Dagegen brauchst Du nur Munition, wenn Du nicht bei den Zivilgerichten bist. Spätestens der BGH nimmt das sonst für Dich auseinander.


    Ergänzung:
    Man könnte den so Argumentierenden das Angebot machen, ihren Insolvenz-Fremdantrag am Sozialgericht (KK-Anträge) oder am Finanzgericht (FÄmter) zu stellen. Anträge auf Eintragung von Zwangssicherungshypotheken stellen die Beteiligten dann künftig auch nicht mehr an den zuständigen Amtsgerichten, sondern bei ihrer persönlich zuständigen Gerichtsbarkeit.

  • Wenn man aus der Entscheidung heraus argumentiert,, dass das ursprüngliche Arbeitsverhältnis durch den Insolvenzverwalter fortgefürt wird, dass müsste die Anfechtung der Krankenkassenbeiträge doch vor den Arbeitsgerichten zu klären sein.

    Ich erstelle gerade ein Strategiepapier, wie "meine Verwalter" damit zukünftig umgehen wollen/sollen.

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  • Beziehe die Überlegung ein, was mit der Argumentation ist, wenn das Arbeitsverhältnis vor Insolvenzeröffnung beendet war oder die anfechtbaren Zahlungen sich aus SV-Beiträgen von vor IE beendeten und bei IE noch bestehenden Arbeitsverhältnissen zusammen setzen. :eek:

  • das mit dem Arbeitgeber "kraft Amtes" seh ich nicht so willt. Entweder werden die Löhne und Sozialbeiträge als Auslaufverbindlichkeiten durch die Masse geschuldet oder bei Weiterbeschäftigung ohne Kündigung halt so.
    Die Augen hab ich mir schon gerieben, als die Entscheidung las.
    Demnächst noch bei der Anfechtung: Arbeitgeberanteile = Sozialgericht; Arbeitnehmeranteile = Arbeitsgericht........

    Nun kommt natürlich von mir etwas häme: wer dem proletariat die kohle wegnehmen will, soll sich auch was spezielles einfallen lassen :D (hab keine Einwände gegen die Anfechtung, wenn durch InsG gedeckt, aber sonst.... meist wirtschaftlich Unfug......

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • aber sonst.... meist wirtschaftlich Unfug......



    Im mittleren IN-Verfahren haben wir durchschnittlich Ansprüche von EUR 40.000,000 - das ist kein wirtschaftlicher Unfug. Bei Arbeitnehmern würde ich dagegen immer vorher "abklopfen", ob die überhaupt wirtschaftlich potent sind

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  • aber sonst.... meist wirtschaftlich Unfug......



    Im mittleren IN-Verfahren haben wir durchschnittlich Ansprüche von EUR 40.000,000 - das ist kein wirtschaftlicher Unfug. Bei Arbeitnehmern würde ich dagegen immer vorher "abklopfen", ob die überhaupt wirtschaftlich potent sind



    ..zumal man jetzt auch noch auf den Kosten hängen bleibt

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • aber sonst.... meist wirtschaftlich Unfug......



    Im mittleren IN-Verfahren haben wir durchschnittlich Ansprüche von EUR 40.000,000 - das ist kein wirtschaftlicher Unfug. Bei Arbeitnehmern würde ich dagegen immer vorher "abklopfen", ob die überhaupt wirtschaftlich potent sind



    ..zumal man jetzt auch noch auf den Kosten hängen bleibt



    Na super, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Andererseits bekommen wir doch als Prozesshans'ln immer unsere Gebühren. Von der Masse oder vom Staat.

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  • na mit dem wirtschaftlichen Unfung hatte ich auch nicht die 10 x 4 TEUR Gehaltszahlungen an leuz aus dem mittleren Management im Auge (Proletariat...?). Es ging eher dahin, warum es wirtschaftlich noch Sinn macht, jemandem 1,2 TEUR über Anfechtung streitig zu machen, die er eh nicht mehr hat.

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    :daumenrau

  • Ich hatte meine Aussage generell für alle Anfechtungsgegner getroffen. Bei den üblichen Verdächtigen (Finanzämter, Krankenkassen) stellte die wirtschaftliche Potenz zumindest in der Vergangenheit kein Problem dar.

    Bei den Arbeitnehmeranfechtungen gebe ich Dir Recht, da muss man mal ganz genau hinterfragen, ob die Anfechtung Sinn macht.

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  • Auf eine Sinnhafigkeit kann aber eine Prüfung nicht ausgerichtet sein, lediglich auf den Erfolg (schön, wenn der Anfechtungsgegner mal außergerichtlich seine Vermögenslosigkeit offenbart).

    Dass es keinem so richtig Spass bereitet, einem AN wegen Summen im dreistelligen Bereich hinterherzuhechten, hatten wir ja schon öfters diskutiert.

    Den Luxus, dies unter den Tisch zu kehren, kann man sich jedoch nicht leisten.

    Im Extremfall sind solche Sachverhalte die einzig zu realisierende Masse, mit der man das Verfahren aufbekommt.

    Bei einem ähnlichen Fall hier haben wir bei ca. 12 Anfechtungsgegnern (keine AN) Beträge zwischen 300-500 EUR eingesammelt, dies war erkennbar bei Verfahrenseröffnung auch die einzige Masse. Dies stellt ja auch keiner in Frage.

    Und diesem System wird man sich auch nicht entziehen können:
    In der eingeschlägigen Gazetten wird eindringlich darauf hingewiesen, dass die Leistung des Verwalters auch darin besteht, möglichst wenige Antragsverfahren mM über die Klinge springen zu lassen, siehe zuletzt Frind in ZInsO 2011, Heft 5.

    Wenn dies Ziel und Qualitätsmerkmal sein soll, wird man, um im Geschäft zu bleiben, sich dem zu fügen haben. Also entweder Masse generieren auf Teufel komm raus oder Onkel Willi in Amerika (dann fällt es nicht auf) um einen Kostenvorschuss zur Eröffnungsfähigkeit anhauen (dann stimmt es auch mit der Qualität und der Kennzahlenauswertung).

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  • Mit Sinnhaftigkeit meinte ich, dass es wenig für Güte des Insolvenzverwalters spricht, wenn man die Masse verprozessiert und dann bei der Vollstreckung plötzlich feststellt, dass der Arbeitnehmer - wie außergerichtlich bereits absehbar oder sogar belegt - nix hat.

    Generell muss man wohl sagen, dass man durchaus den Mut haben muss, Anfechtungsgegner in den Insolvenzantrag zu treiben. Aber doch nur die, die es deshalb verdient haben, weil sie sonst im nächsten Unternehmen den gleichen Schaden anrichten. Arbeitnehmer, deren einziger Fehler darin besteht, im Zeitraum des § 131 InsO ihren rückständigen Arbeitslohn vollstreckt zu haben, zähle ich nicht darunter.

    Ich persönlich bin da schon bissig, aber wo es genug ist, muss es auch aufhören. Wobei wir neulich das Feedback bekommen haben, dass es gut ist, dass wir eben keine vorschnellen Abweisungen mangels Masse produzieren, sondern uns auch der Mühe und dem Risiko unterziehen, Verfahren mit gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen (halte ich für die schwierigsten Entscheidungen) zu eröffnen. Andere Kollegen halten es wohl anders. Eröffnung nur, wenn die Kosten durch bereits einzogenes Kontoguthaben gedeckt sind.

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  • :daumenrau:daumenrau:daumenrau

    Und genau in diesem Zusammenhang sollten Insolvenzgerichte sehen, dass der Abweisungsbeschluss eine wesentlich größere Verantwortung erfordert, als eine Verfahrenseröffnung.
    Wobei eine "im Zweifel-Eröffnung" zunächst auf Kosten des Verwalters geht.

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    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Wobei eine "im Zweifel-Eröffnung" zunächst auf Kosten des Verwalters geht.



    Hat Dein Zahn Dich früh morgens geweckt oder warst Du noch gar nicht im Bett :gruebel:.

    Ich kenne Insolvenzgerichte, die halten eine Einstellung nach § 207 InsO für ein Negativmerkmal eines Verwalters. Nach dem Motto: "Hätte er vor der Eröffnung richtig nachgedacht, wäre es nicht zu einer Einstellung gekommen."

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  • Wobei eine "im Zweifel-Eröffnung" zunächst auf Kosten des Verwalters geht.



    Hat Dein Zahn Dich früh morgens geweckt oder warst Du noch gar nicht im Bett :gruebel:.

    Ich kenne Insolvenzgerichte, die halten eine Einstellung nach § 207 InsO für ein Negativmerkmal eines Verwalters. Nach dem Motto: "Hätte er vor der Eröffnung richtig nachgedacht, wäre es nicht zu einer Einstellung gekommen."



    Na der Zahn war es zum Glück nicht mehr. Irgendwie hat sich am WE die Zeit bei mir verschoben (2 Wochen zahngedöhns oder sonstwas).

    Fatal, was da als Negativmerkmal aufgefasst wird.
    Erfahrene VerwalterInnen haben ein Gespür dafür, dass der Umstand der Eröffnung gelegentlich noch Wege gibt, mal abgesehen davon, was noch so alles vom Himmel fallen kann.
    Wie oft hat man so zwischen den Zeilen zu lesen, dass - halt leider - die Abweisung anzuregen ist, und jeder (sofern er was vom Geschäft versteht) kann schon die Sektkorken von weit her knallen hören, wenn der Abweisungsbeschluss unterschrieben wird.
    Es scheint wohl bei einigen Gerichten noch nicht so die richtige Sensibilität gegeben zu sein.....
    Bezüglich der "begleiteten Antragstellung" wird die ja demnächst sowieso abgeschafft; die Verfahren dürften wohl weitgehend zur Eröffnung gelangen. Wenn das Teil verabschiedet wird, werd ich schon mal den Vordruck zur Einsetzung des Sonderverwalters basteln :D

    grüsse
    Def

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
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