Anfechtungsklage in der Schweiz

  • Hallo Foren-Mitglieder,

    habe mal wieder ein Problem und konnte leider nichts wirklich hilfreiches finden.

    Eine bekannte Gläubigerin mit Sitz in der Schweiz hat vor Eröffnung aber nach Antragstellung in das Arbeitseinkommen des Schuldners vollstreckt. Aufgrund des PfÜbs sind innerhalb von drei Monaten gut 5.000,00 EUR an die Gläubigerin gezahlt worden. In diesem unsrem Lande wäre die Anfechtungsklage eine einfache Sache, aber ich muss die Forderung wohl in der Schweiz durchsetzen. Habe bis jetzt nur rausfinden können, dass in der Schweiz auch nicht Klage zu erheben sit sondern wohl ein internationales Konkursverfahren zu beantragen. Aber nach welchem Recht richet sich die Anfechtung selber.:confused:

    Hilfreichen Antwortern wird mein Dank ewig nachschleichen.

    Mikesch

  • Danke für die schnelle Antwort. Muss mir jetzt nur noch den Artikel besorgen. Die Zeitschrift haben wir hier leider nicht und die nächste Bücherei ist weit.

    Ich finde es ganz toll, dass man hier so schnell gute Antworten bekommt.

  • Man muss hier unterscheiden:

    Wenn der Schuldner Vermögen in der Schweiz hat, kommt ein deutscher Insolvenzverwalter nicht ran, sondern es muss ein sogenannter "Minikonkurs" über das Vermögen in der Schweiz durchgeführt werden. In einem solchen Verfahren werden zunächst privilegierte schweizer Gläubiger befriedigt und die deutsche Masse erhält lediglich einen etwaigen Überschuss.

    Eine andere Frage ist, wie ein Anfechtungsanspruch aus dem deutschen Insolvenzverfahren gegen einen Anfechtungsgegner in der Schweiz durchgesetzt werden kann. Über einen solchen Anspruch kann in der Schweiz kein Minikonkurs durchgeführt werden.

    Die vom EuGH eröffnete Möglichkeit, dass der deutsche Verwalter Anfechtungsansprüche gegen (EU-)Ausländer in Deutschland einklagen kann, funktioniert im Verhältnis zur Schweiz leider nicht. Ohne dies näher geprüft zu haben, vermute ich, dass allenfalls eine Klage des deutschen Verwalters in der Schweiz in Betracht kommt. Ob die Schweiz dem deutschen Verwalter die Klagebefugnis zuerkennt, deutsches Insolvenzrecht anwenden würde und ggf. unter welchen Einschränkungen (z.B. nicht weitreichender als nach schweizer Recht), könnte davon abhängen, wo das deutsche Verfahren eröffnet wurde (im Hinblick auf die noch gültigen Staatsverträge zwischen verschiedenen Kantonen und dem Königreich Bayern bzw. der Krone Württemberg von achtzehnhundertsowieso). Genaueres kann ich leider auch nicht sagen, aber bei Bedarf schweizer Kollegen mitteilen, die nicht ganz billig sind, aber sich auskennen müssten - ggf. PN.

  • Es gibt wohl hier im Forum einen Kollegen, der eine Klage in der Schweiz in fast gleicher Konstellation schon mal geprüft und letztendlich wegen fehlenden Erfolgsaussichten verworfen hat. Mal schauen, ob er etwas dazu sagen kann/mag.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Mag ich:

    Anfechtungsklage kann in der Schweiz erhoben werden, allerdings nach schweizer (Insolvenzanfechtungs-) Recht. Von der EU-Nähe einfach vorstellen, man würde in Indonesien oder Brasilien Klage erheben wollen. Bei mir hat an dieser Stelle der Weg damals aufgehört, weil ich gerade eine Woche vorher den schweizer Konkursrechtskommentar versehentlich entsorgt hatte^^ und die Beratungsrechnung eines guten schweizer Anwalts über dem Streitwert gelegen hätte.

    chicks Hinweise auf altrömisches Recht waren mir noch nicht bekannt, für mich allerdings auch nicht relevant, da ich weder im Freistaat noch in B-W sitze.

  • 1. Freistaat B oder BW nützt für sich noch nichts, es muss das Gebiet der ehemaligen Königreiche sein, welche in den 1830ern die Staatsverträge geschlossen haben.:strecker

    2. Die Anwendbarkeit des schweizerischen Anfechtungsrechts sollte keinen Rückzieher, sondern Ehrgeiz auslösen. Kurzinformationen und einen link zu den jeweils aktuellen Gesetzestexten der Schweiz gibt es im MüKo-InsO Bd. 3 S. 1563 ff.

  • Gesetzestext ist nicht das Problem, aber die Auslegung. Die Anfechtung einer Pfändungsmaßnahme wie § 131 InsO findet man im Gesetzestext nicht (und auch nicht im schweizerischen Internet). Du kannst Dir ja mal einen Basler Kommentar zum SchKG zulegen :). Preislich ist es sogar weniger als gedacht (wenn auch immer noch höher als mein damaliger Streitwert) und von mindestens einem der Autoren hörte ich einmal, dass der ein hervorragender Jurist sein soll.

  • Es gibt wohl hier im Forum einen Kollegen, der eine Klage in der Schweiz in fast gleicher Konstellation schon mal geprüft und letztendlich wegen fehlenden Erfolgsaussichten verworfen hat. Mal schauen, ob er etwas dazu sagen kann/mag.

    Jetzt hat's mich auch erwischt.
    Schuldnerin ist deutsche AG. Gesellschafterin ist schweizerische AG.
    Anfechtungsanspruch nach § 135 InsO.
    Gerichtsstand?
    München 7 U 2287/06 meint: § 22 ZPO.
    Irgendwelche neueren Erkenntnisse im Forum?

  • Schnellschuss: Ich würde prüfen, ob das nicht unter gesellschaftsrechtliche Anspruch fallen könnte. Das fällt, wenn ich mich richtig erinnere, unter das Luganer Abkommen mit der Folge, dass die deutschen Gerichte zuständig wären.

    Wenn's genauer sein soll, müsste ich sehen, ob ich meine damaligen Unterlagen noch finde :)

  • Anwendbarkeit des Luganer Abkommens im Insolvenzverfahren ? Ok, hier geht es um einen Vermögensanspruch gegen den Gesellschafter, mag sein, dass man den in Deutschland geltend machen kann. Das nächste Problem wäre dann aber die Durchsetzung des Anspruchs in der Schweiz, da der deutsche Verwalter dort ein Nullum ist, s.o.

    Nichtwissend ob es passt, wissend, das die Schweiz nicht in der EU ist, nichtwissend ob die Schweiz die EUInsVO anerkannt hat oder nicht (wohl eher nicht), könnte man noch EuGH, Urteil vom 12. 2. 2009 - C-339/07, dies vorgelegt durch IX ZR 39/06 probieren.

    PS: habe die OLG München-Entscheidung noch einmal angesehen, durch MoMiG hat sich da eine Verschlechterung aufgetan, weil die Anspruchsgrundlagen nach §30, 31 GmbHG gekappt und dafür § 135 InsO geweitet worden sind. Das macht die Geltendmachung des Anspruchs idR leichter, jedoch nicht in diesem Fall.

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    Einmal editiert, zuletzt von La Flor de Cano (7. Juni 2012 um 10:58)

  • PS: habe die OLG München-Entscheidung noch einmal angesehen, durch MoMiG hat sich da eine Verschlechterung aufgetan, weil die Anspruchsgrundlagen nach §30, 31 GmbHG gekappt und dafür § 135 InsO geweitet worden sind. Das macht die Geltendmachung des Anspruchs idR leichter, jedoch nicht in diesem Fall.

    Genau, das war's, mein damaliger Fall war kurz vor MoMiG. @zonk: Zu dieser Frage, ob man über 135 das GmbHG oder AktG wieder reinzieht, ist mir nichts Neueres bekannt (sagt vielleicht die 4. Aufl. des HambK etwas dazu?).

    EuGH und EUInsVO können wir aber getrost außer acht lassen.

    Meines Erachtens liefe es wohl auch hier darauf hinaus, dass man in der Schweiz nach schweizer Recht gegen den schweizer Gesellschafter klagen müsste.

    Oder gibt es vielleicht die Möglichkeit, die Ansprüche nach AktG geltend zu machen?

  • Meines Erachtens liefe es wohl auch hier darauf hinaus, dass man in der Schweiz nach schweizer Recht gegen den schweizer Gesellschafter klagen müsste.

    Nach Par. 22 ZPO eventuell Anwendung schweizerischen Rechts vor dt. Gericht.


    Hm. Möcht ich eigentlich beides nicht so gern...
    Entscheidend ist der Gerichtsstand. Das anwendbare materielle Recht ergibt sich aus dem IPR des Gerichtsstaats. Habe ich einen deutschen Gerichtsstand, bin ich im deutschen IPR und damit bei der lex fori concursus (§ 335 InsO).
    Das LugÜ gilt für den Anfechtungsanspruch wohl eindeutig nicht, weil die Bereichsausnahme in Art. 1 Abs. 2 lit. b LugÜ greift; das LugÜ soll ja einheitlich mit EuGVÜ/EuGVVO ausgelegt werden, und für diese hat der EuGH in dem o.g. Urteil entschieden, daß die Insolvenzanfechtung unter die Bereichsausnahme fällt und daher insoweit nicht die EuGVVO, sondern die EuInsVO anzuwenden ist.
    Damit wäre, sofern es nicht irgendwelche mir bisher unbekannten bilateralen Abkommen zwischen D und der schweizerischen Eidgenossenschaft gibt, die internationale Zuständigkeit nach autonomem deutschem Prozeßrecht zu bestimmen. Und da finde ich die Argumente, mit denen München den § 22 ZPO bejaht hat, durchaus überzeugend...:D

  • Ich war bezüglich der Bestimmung des anwendbaren Rechts davon ausgegangen, dass es sich um eine gesellschaftsrechtliche Angelegenheit handelt. Ohne konkret im EGBGB nachgelesen zu haben, wäre dann dt. Gesellschaftsrecht anwendbar. Allerdings müßte man wohl in diesem Fall analog der damaligen Entscheidung des LG Kiel zu § 64 GmbHG argumentieren. Experiment macht kluch.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • EGBGB


    Das deutsche internationale Gesellschaftsrecht ist bis heute nicht kodifiziert; Rspr/hL für Nicht-EU-Sachverhalte ist mW immer noch Sitztheorie. Aber für die Insolvenzanfechtung habe ich ja definitiv eine eigene Anknüpfung, da muß ich nicht auf's Gesellschaftsrecht zurückgreifen.

  • (sagt vielleicht die 4. Aufl. des HambK etwas dazu?)


    Tut sie. HambK, 4. A., § 135 Rn 75: Internationale Zuständigkeit ggü EU-Ausland gemäß Art. 3 EuInsVO, ggü Nicht-EU-Ausland gemäß § 22 ZPO.

    Dafür soll auch die Gesetzesbegr. zur letzten Änderung des § 22 sprechen:

    Zitat von BT-Drs 16/9737 S. 58

    Der besondere Gerichtsstand der Mitgliedschaft (§ 22 ZPO) soll auf Anregung aus der insolvenzrechtlichen Praxis dahingehend ausgeweitet werden, daß am Ort der Gesellschaft nicht nur Klagen der Gesellschaft gegen die Gesellschafter, sondern auch Klagen des Insolvenzverwalters gegen die Gesellschafter möglich sind. Die Änderung dient der Vereinfachung der Verwaltung der Masse und über die vorgesehene Zuständigkeitskonzentration zugleich auch der Justizentlastung. Hintergrund ist insbesondere die Sorge, daß der auf Grundlage des geltenden Rechts angenommenen analogen Anwendung des § 22 ZPO in solchen Fällen angesichts der Wechselwirkung zur Aufgabe der sog. Rechtsprechungsregeln der Boden entzogen und der Insolvenzverwalter so gezwungen sein könnte, jeden Gesellschafter z. B. an dessen Wohnsitz zu verklagen.

    Und das wollen wir ja alle nicht...
    :D

    Einmal editiert, zuletzt von zonk (12. Juni 2012 um 11:16)

  • der Insolvenzverwalter so gezwungen sein könnte, jeden Gesellschafter z. B. an dessen Wohnsitz zu verklagen.

    Und das wollen wir ja alle nicht...
    :D[/QUOTE]

    deshalb bitten wir notfalls um eine Gerichtsstandsbestimmung (und stehen stolz und aufrecht auf dem Achterdeck)

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • der Insolvenzverwalter so gezwungen sein könnte, jeden Gesellschafter z. B. an dessen Wohnsitz zu verklagen.

    Und das wollen wir ja alle nicht...
    :D

    deshalb bitten wir notfalls um eine Gerichtsstandsbestimmung (und stehen stolz und aufrecht auf dem Achterdeck)[/QUOTE]

    qui bono?

    was willst Du den mit so einem Titel anfangen, an die Wand nageln?

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