Todeserklärung oder Erbenaufgebot nach 2358 BGB?

  • Ich habe als Rpfl für Todeserklärungen folgende Anfrage auf dem Tisch.

    Zur Regelung einer Erbfolge der Ehefrau F, verstorben 1958 beim Amtsgericht A, wird der Sterbenachweis des Ehemannes M benötigt. Erbe soll allein der Sohn S sein, da der Ehemann M bei Tod der Ehefrau F bereits verstorben sein soll. Urkunden oder Daten über den Ehemann und dessen letzten Wohnsitz, Geburt oder Sterbeort liegen nicht vor. Daher soll der Ehemann M für tot erklärt werden.

    Zu den Familienverhältnissen wird vorgetragen, dass der Ehemann 1869 im heutigen Polen geboren worden sein soll (Urkunden nicht vorhanden), der Sohn wurde 1904 im Zuständigkeitsbereich meines Amtsgerichts geboren, Vater und Mutter stehen in dieser Urkunde. Aus dieser Tatsache allein heraus, schlussfolgert der Antragsteller meine Zuständigkeit, da die Familie 1904 zur Geburt des Sohnes hier gelebt haben muss!!! :confused:

    Selbst wenn die Mutter hier gelebt und das Kind hier geboren hat, kann ich doch aus der Geburtsurkunde nicht ersehen, ob der Vater bei Geburt noch am Leben war und auch hier gewohnt hat, :oops: oder??

    Bisher habe ich nur Kriegsverschollene für tot erklärt, so einen Fall hatte ich noch nicht. Kennt sich jemand aus???


    Letztlich frage ich mich, liegt hier wirklich eine Verschollenheit vor und mit welchem Zeitpunkt wäre denn überhaupt die Todeserklärung festzustellen?

    Sinn macht die Todeserklärung vorliegend ja nur für den Zeitraum vor dem Tod der Mutter, damit er in der Erbfolge nicht mehr zu berücksichtigen ist.

    Habt ihr so etwas schon gehabt? ich bin für jede Anregung dankbar.
    Ich habe auch schon überlegt, warum das Nachlassgericht hier nicht ein Erbenaufgebot nach § 2358 II BGB macht. Wäre das nicht sinnvoller?

    www

  • Zuständigkeit: § 15 a VerschG Sitz des Antragstellers.
    [FONT=&quot]Das Verschollenheitsverfahren hat nur mit der Todeserklärung zu tun, nicht deren Folgen auf das Erbrecht. Wenn der Verschollene 1869 geboren wurde, ist keine Todeserklärung zulässig, da es am Tod keine Zweifel gibt. Es wird ein Verfahren zur Feststellung des Todeszeitpunkts. Kann man durch ein Aufgebot keine weiteren Erkenntisse erwarten, kann man auf das Aufgebot verzichten (§ 42 II VerschG). Insgesamt eine einfach und schnelle Sache. Todeszeitpunkt § 44 VerschG.
    [/FONT]

  • Die Frage ist doch, ob der Ehemann verschollen ist im Sinne von § 1 VerschG. Ich meine nicht. Es fehlt an einem die Verschollenheit auslösendenden kausalen Ereignis.

    Hier ist wohl eher ein Verfahren nach § 2358 II BGB angezeigt.


    Siehe § 1:

    1) Verschollen ist, wessen Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne daß Nachrichten darüber vorliegen, ob er in dieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, sofern nach den Umständen hierdurch ernstliche Zweifel an seinem Fortleben begründet werden.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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  • Und wie will das Gericht nach § 44 I VerschG in Verbindung mit § 9 den Zeitpunkt es Todes wenigstens irgendwie halbwegs konkret ermitteln und feststellen? Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für den Todeszeitpunkt.

    Ich meine noch immer, dass man nach § 2358 II BGB verfahren sollte. Zum Zeitpunkt des Erbfalls 1958 hätte der 1869 geborene Ehemann noch leben können. Es weiß halt einfach heute keiner mehr, wann und wo sein Tod beurkundet wurde. Warum soll den sein Tod damals nicht beurkundet worden sein? Ich meine noch immer, dass das kein Fall für das VerschG ist, nur weil man heute die konkreten Umstände und Urkunden nicht mehr ermitteln kann.

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  • Ich hänge mich mal hier ran:

    Erblasser wurde 1867 geboren. Eine Sterbeurkunde existiert nicht. Letzte behördliche "Handlung" war die Schließung seiner Gewerbeakte beim Binnenschiffsregister 1940. Laut Auskunft der Familie soll er dann 1945 in einer Lungenklinik gestorben sein, wobei die Familie bei anderen Verwandten schon widersprüchliche Aussagen getätigt hat, so dass hier auf jeden Fall eine Unsicherheit besteht. Eine eidesstattliche Versicherung ist mangels eigenen Erlebens nicht möglich.
    Ein Todeserklärungsverfahren scheidet aus, da der Erblasser auf jeden Fall schon verstorben ist. Fraglich ist jedoch, welcher Todeszeitpunkt festgestellt werden kann.
    Folgende Möglichkeiten bieten sich m. E. an:

    1. Todeszeitpunkt 31.12.1940, da hier sein letztes behördliches Lebenszeichen vorgelegen hat.
    2. Todeszeitpunkt 31.12.1945 wegen der Angaben der Familie.
    3. Todeszeitpunkt 31.12.1977 wegen der dann begründeten Todesvermutung (110 Jahre).

    Einen Kommentar zum VerschG habe ich leider nicht zur Hand und meine Suche nach der 51. Auflage des Palandts, wo das VerschG angeblich kommentiert sein soll, gestaltet sich noch schwierig.

    Ich bedanke mich schon mal für eure Beiträge!

  • Der Tod des Erblassers muss irgendwie urkundlich belegt werden, um die Zuständigkeit und den Zeitpunkt des Erbfalls für das Nachlassgericht zu belegen. Offenkundigkeit nach § 2356 III BGB reicht demnach in diesem speziellen Fall nicht aus. Mit einer öffentlichen Aufforderung nach § 2358 II BGB hat das auch nichts zu tun, denn da können immer nur potentielle Erben "aufgeboten" werden, nicht aber der Tod des Erblassers belegt werden.

    Dennoch kann der Erblasser auch nicht für Tod erklärt werden, denn nur weil wir heute seinen ggf. sogar beurkundeten Sterbeeintrag nicht finden, ist er noch lange nicht verschollen im Sinne des VerschG, denn es fehlt an einem kausalen Ereignis, das die Verschollenheit begründet. Damit dass der Betreffende heute längst schon tot wäre, hat das nichts zu tun. Das hindert die Todeserklärung nicht. Insofern liegt halt einfach keine Verschollenheit im Sinne des § 1 VerschG vor.

    Also bleibt eigentlich nur die Feststellung der Todeszeit nach § 39 VerschG ff. bzw. die Durchführung eines solchen Verfahrens nach den dortigen Vorschriften die auf § 9 VerschG und dieser auf § 3 VerschG (alle anderen Tatbestände greifen nicht) verweisen.

    Der Betreffende hat 1940 das letzte nachweisliche Lebenszeichen hinterlassen. Damals hatte er das 80ste Lebensjahr noch nicht vollendet. Demnach kommt man über § 9 III a VerschG zu § 3 VerschG. Die Feststellung des Todeszeitpunktes ist demnach seit 1950 möglich (und damit auch heute noch). Sie kann auf das Ende des fünften Jahres nach dem letzten Jahr, in dem der Betreffende den vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt hat, erfolgen. Demnach auf den 31.12.1945.

    Ergeben jedoch die Ermittlungen des Gerichts, dass ein Todeszeitpunkt nach § 9 II VerschG angenommen werden kann (z.B. wg. übereinstimmender Aussagen der Angehörigen), kann auch dieser Tag als Todeszeitpunkt angenommen werden. Nicht aber, wenn die Ermittlungen kein konkretes Datum ergeben, sondern nur einen Zeitraum. Dann wäre wieder das im vorstehenden Absatz gesagte anzuwenden.

    Mein Kommentar - ohne Kommentar :)

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    6 Mal editiert, zuletzt von TL (24. Februar 2015 um 14:59)

  • zu 1:
    Die Gewerbeakte könnte auch geschlossen woerden sein, weil das Gewerbe nicht mehr betrieben wurde. Der Todeszeitpunkt 1940 erscheint mir daher nicht so naheliegend wie 1945

    zu 2:
    Die Angaben der Familie halte ich für das, was dem tatsächlichen Todeszeitpunkt am nächsten kommen dürfte. Die Familie ist jedenfalls "näher dran" als eine Behörde, die für Gewerbe zuständig ist und möglicherweise vom Schreibtisch aus entscheidet. Widersprüchliche Angaben ("Onkel Gustav ist im Mai gestorben.. nein, im August ..") halte ich in gewissen Grenzen für nicht ungewöhnlich.

    zu 3:
    Es gibt keine allgemeine gesetzliche Todesvermutung. Nur in einer grundbuchrechtlichen Vorschrift gibt es eine Löschungserleichterung für den Fall, das der Berechtigte eines Rechts 110 Jahre alt ist.

    Daher: Möglichkeit 2

  • Wie gesagt: § 9 III a VerschG

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