Zwangsversteigerung trotz § 210 InsO

  • wir haben folgendes Problem:
    Der Inolvenzverwalter hat angezeigt, dass Masseunzulänglichkeit vorliegt; es ist bekanntgemacht, dass die Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 05.09.2008 beim InsO gericht eingegangen ist.
    Nunmehr beantragt die Stadtkasse die Zwangsversteigerung gegen den Insoverwalter wegen Grundsteuern für die Zeit 15.08.08 bis 15.08.10.
    Steht der Anordnung u.a. § 210 InsO entgegen?

  • Dito

    Die Stadtkasse kann aus ihrem dinglichen Recht aus der Rangklasse 3 die Zwangsversteigerung betreiben.

    Ein Vollstreckungsverbot nach §§ 89, 210 InsO liegt nicht vor, wenn der Gläubiger ein Absonderungsrecht nach § 49 InsO , hat und damit kein Insolvenzgläubiger ist. Dies ist der Fall , wenn er aus einem Recht der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 1-4 ZVG, einem dinglichen Recht betreibt. ( Böttcher, ZVG, 5. Aufl., Rdn 16 zu § 28 ZVG; Stöber, ZVG, 19. Aufl. Rdn. 23.4 zu § 15 ZVG ).

    Schmidt: Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 3. Auflage 2009, Autor: Kuleisa, Rdn. 6 zu § 89 InsO:
    Aussonderungsberechtigte Gläubiger (§ 47) können die Herausgabevollstreckung betreiben. Das Aussonderungsgut ist nicht massebefangen, sodass die Voraussetzungen des § 89 nicht vorliegen (MK-Breuer § 89 Rn. 21).

    Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Auflage 2007, Rdn 17 zu § 89 InsO:

    Inhaber von Aussonderungsrechten. Aussonderungsberechtigte (§ 47, s Erl dort) sind ebenfalls keine Insolvenzgläubiger und unterliegen deshalb nicht dem Verbot des Abs 1. (22) [Braun/Kroth InsO2 § 89 Rn 8; HeidKomm/Eickmann InsO4 § 89 Rn 16; Kübler/Prütting/Lüke InsO § 89 Rn 5; MünchKomm/Breuer InsO § 89 Rn 21, 32; Nerlich/Römermann/Wittkowski InsO § 89 Rn 19; Uhlenbruck/Uhlenbruck InsO12 § 89 Rn 11; Gottwald/Gerhardt InsR-Hdb3 § 33 Rn 11 ]

    Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Auflage 2007, Rdn 19 zu § 89 InsO:

    Soweit der Inhaber eines dinglichen Sicherungsrechts sein Absonderungsrecht selbst verwerten kann, ist er zu diesem Zweck während des Insolvenzverfahrens zur Rechtsverfolgung im Wege der Zwangsvollstreckung berechtigt (Rn 21 ff).

    Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Auflage 2007, Rdn 21 zu § 89 InsO:

    Soweit die §§ 166 InsO, 30d, 30e, 153b ZVG nicht eingreifen, kann der Inhaber eines dinglichen Sicherungsrechts sein Absonderungsrecht selbst verwerten (§§ 49, 173) und zu diesem Zweck während des Insolvenzverfahrens im Wege der Zwangsvollstreckung verfolgen.

    Der Absonderungsberechtigte kann somit als solcher, dh kraft seines Anspruchs auf abgesonderte Befriedigung aus den Absonderungsobjekten, zB als Grundpfandgläubiger kraft der Hypothek, Grund- oder Rentenschuld aus dem Grundstück, seine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung betreiben. (36) [ Braun/Kroth InsO2 § 89 Rn 9; Uhlenbruck/Uhlenbruck InsO12 § 89 Rn 11. ] Wegen des vollstreckbaren dinglichen Anspruchs kann der Pfandgläubiger nur auf die pfandbelasteten Gegenstände (s Rn 23 zum Haftungsverband) zugreifen, da er nur insoweit als Absonderungsberechtigter vollstreckt. Ist er gleichzeitig Insolvenzgläubiger, unterfällt er mit seiner persönlichen Forderung und darum auch mit dem Ausfallbetrag dem Vollstreckungsverbot des Abs 1. (37) [ Hess/Hess InsO2 § 89 Rn 12; Nerlich/Römermann/Wittkowski InsO § 89 Rn 19; Uhlenbruck/Uhlenbruck InsO12 § 89 Rn 11. ]

    Einmal editiert, zuletzt von Wolf (15. Februar 2011 um 08:40)

  • Danke Wolf, das war ja ordentlich belegt.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Ich muss das Thema jetzt nochmals hochholen, da ich genau den gleichen Fall habe.
    Die Stadt X vollstreckt Grundsteuern (Masseverbindlichkeiten) trotz angezeigter Masseunzulänglichkeit.

    Die Meinung, das absonderungsberechtigte Gläubiger trotz Anzeige der Masseunzulänglichkeit vollstrecken dürfen, erscheint mir absolut richtig, nur in meinem Fall zu kurz gegriffen. Absonderungsrechte können meines Erachtens nur für Insolvenzforderungen, d.h. Forderungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden, entstehen. In meinem Fall vollstreckt die Stadt X aber Grundsteuer aus Zeiträumen nach Insolvenzeröffnung. Damit dürfte das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO eventuell doch einschlägig sein. Sicher bin ich mir aber nicht :oops:.

    Ich frage mich auch, was hier der richtige Rechtsbehelf wäre. Vollstreckungsgegenklage nach 767 ZPO oder Beschwerde gegen den Anordnungsbeschluss?

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Vorab: Aus den obigen Erläuterungen meine ich abzuleiten, dass die Vollstreckung zu Recht erfolgt. Aber danach fragst Du nicht. Zum richtigen Rechtsbehelf:

    Das Rechtsmittel Vollstreckungsgegenklage richtet sich gegen die Forderung selbst. An dieser hast Du aber keine Zweifel, sondern nur daran, dass diese nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit vollstreckt werden darf. Der Mangel einer Vollstreckungsvoraussetzung ist mit der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO geltend zu machen.

  • Vorab: Aus den obigen Erläuterungen meine ich abzuleiten, dass die Vollstreckung zu Recht erfolgt.

    Das frage (ich mich) natürlich auch.

    Wenn Deine Meinung richtig wäre, dann könnte der bloße Umstand, dass die öffenliche Hand die Möglichkeit der Zwangsversteigerung hat, die gesamte Verteilungsreihenfolge nach § 209 InsO außer Kraft setzen.
    Ohne die Sonderstellung ist jegliche Zwangsvollstreckung für jeden anderen (nicht privilegierten) Gläubiger ausgeschlossen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Ich zitiere hier mal die Kommentierung des Uhlenbruck zum 210 InsO Rdnr. 19: "... und genauso konsequent unterliegen sie (Absonderungsrechte) nicht dem Vollstreckungsverbot des § 210." Ich denke, dass es auch hier aufgrund der dinglichen Sicherung - und damit die Absonderung - der Grundsteuern bei der Vollstreckungsmöglichkeit bleibt. Egal, ob es sich um eine Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit handelt.

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  • Ich zitiere hier mal die Kommentierung des Uhlenbruck zum 210 InsO Rdnr. 19: "... und genauso konsequent unterliegen sie (Absonderungsrechte) nicht dem Vollstreckungsverbot des § 210." Ich denke, dass es auch hier aufgrund der dinglichen Sicherung - und damit die Absonderung - der Grundsteuern bei der Vollstreckungsmöglichkeit bleibt. Egal, ob es sich um eine Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit handelt.

    Das wird damit begründet, dass die Ansprüche eines absonderungsberechtigten Gläubigers absoluten Vorrang vor allen anderen Forderungen (sogar den Verfahrenskosten) hat. Dadurch, dass letztlich das Grundstück für die Steuer "haftet", dürfte die Gemeinde auch im laufenden Verfahren ein mit einem Absonderungsrecht vergleichbares Vorrecht erwerben.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer


  • Wenn Deine Meinung richtig wäre, dann könnte der bloße Umstand, dass die öffenliche Hand die Möglichkeit der Zwangsversteigerung hat, die gesamte Verteilungsreihenfolge nach § 209 InsO außer Kraft setzen.
    Ohne die Sonderstellung ist jegliche Zwangsvollstreckung für jeden anderen (nicht privilegierten) Gläubiger ausgeschlossen.


    Ein vor der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch einen Massegläubiger wirksam erlangtes Pfändungspfandrecht wird von dem Vollstreckungsverbot des § 210 nicht erfasst, LG Berlin vom 18.12.2007, 86 T 700/07.

    Dies dürfte mE auch für die dingliche Haftung des Grundbesitzes für die Abgaben zutreffen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich habe jetzt dazu im Münchener Kommentar (unter Verweis auf den Kommentar von Jaeger/Henckel) nur einen dürren Satz gefunden: "Unter die Rangklasse drei fallen auch öffentliche Lasten, die erst während des Insolvenzverfahrens entstanden sind" (MüKo, Insolvenzordnung, § 49 Rdnr. 53).

    Soll das jetzt heißen, dass ein Absonderungsrecht i.S.d. § 49 InsO auch für Masseverbindlichkeiten entsteht.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wohl eher nicht: BGH, Urt. v. 21.07.2011 − IX ZR 120/10, Rn. 8:

    "Es wird allerdings auch die Ansicht vertreten, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft für die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Hausgeldforderungen gem. § 10 I Nr. 2 ZVG ein Recht auf Befriedigung aus dem Grundstück habe, sie mithin aus der Rangklasse 2 des § 10 I ZVG in dem dort geregelten Umfang in die Eigentumswohnung vollstrecken könne (...). Dies soll auch für den Fall gelten, dass der Insolvenzverwalter nach § 208 InsO die Masseunzulänglichkeit angezeigt hat (...). Diese Auffassung ist nicht richtig. § 49 InsO gilt schon nach seiner Stellung im Gesetz nicht für Masse-, sondern nur für Insolvenzgläubiger. § 91 I InsO schließt es aus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch Rechte an Gegenständen der Insolvenzmasse erwerben kann, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zu Grunde liegt (...)."

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Die (fragwürdige) BGH-Entscheidung betraf aber Hausgelder, denen der BGH die Dinglichkeit schlechthin abspricht. Diese Entscheidung lässt sich mE nicht auf dingliche Gläubiger und auch nicht auf öffentliche Grundstückslasten übertragen.

  • Diese Entscheidung lässt sich mE nicht auf dingliche Gläubiger und auch nicht auf öffentliche Grundstückslasten übertragen.

    Warum nicht?

    Im Fall der Masseunzulänglichkeit ist keine "nachrangige Masseverbindlichkeit" mehr eilig; jeder hat zu warten, bis seine Forderung beglichen werden kann.

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  • Die (fragwürdige) BGH-Entscheidung betraf aber Hausgelder, denen der BGH die Dinglichkeit schlechthin abspricht. Diese Entscheidung lässt sich mE nicht auf dingliche Gläubiger und auch nicht auf öffentliche Grundstückslasten übertragen.

    Die einen sagen so, die anderen so.;) Dass die Entscheidung erhebliche Kritik erfahren hat ist bekannt. Dennoch ist sie in der Welt und kann daher mit entsprechendem Begründungsaufwand für eine Analogie herhalten.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Ich habe jetzt dazu im Münchener Kommentar (unter Verweis auf den Kommentar von Jaeger/Henckel) nur einen dürren Satz gefunden: "Unter die Rangklasse drei fallen auch öffentliche Lasten, die erst während des Insolvenzverfahrens entstanden sind" (MüKo, Insolvenzordnung, § 49 Rdnr. 53).

    Soll das jetzt heißen, dass ein Absonderungsrecht i.S.d. § 49 InsO auch für Masseverbindlichkeiten entsteht.

    Für manche öffentlichen Abgaben haftet das Grundstück per Gesetz dinglich, so z.B. die Grundsteuer nach § 12 GrundStG oder die Gebühren der Schornsteinfeger nach § 20 II SchfHwG.

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  • Interessantes Thema. Braucht die Kommune, um die Versteigerung aus Rangklasse III wegen offener Grundsteuern betreiben zu können, einen Duldungsbescheid gegen den Verwalter (trotz angezeigter Masseunzulänglichkeit)?

  • Vielleicht liest das ja jemand von der Gemeinde. Ich weiß es nicht und in der Regel interessiert das das Gericht nicht, da uns nur versichert werden muss, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen.

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  • " Vielleicht liest das ja jemand von der Gemeinde. Ich weiß es nicht und in der Regel interessiert das das Gericht nicht, da uns nur versichert werden muss, dass die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen."

    Was sollte uns, das Gericht nicht interessieren? ob ein Duldungstitel gegen den InsO-Verwalter vorliegt?

    Vollstreckt eine Kommune wegen sogenannter "Öffentlicher Grundstückslasten" ist aufgrund des Vollstreckungsersuchens die Vollstreckbarkeit der Forderung zu bescheinigen und das Ersuchen/der Antrag mit dem Dienstsiegel zu versehen. Dieses Ersuchen ersetzt einen gerichtlichen Vollstreckungstitel, da ja Öffentliche Grundstückslast....

    Zu empfehlen ist der handliche Kommentar "Immobilienvollstreckung aus Sicht der kommunalen Vollstreckungsbehörden", Handbuch für Praxis und Ausbildung, Verlag Reckinger, ISBN 978-3-7922-0097-1, für 42,-€
    Eine lohnende Anschaffung für alle Mitarbeiter der Kommunen/Stadtkassen pp.

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    1. Korinther 16,14

  • Ja das Gericht interessiert nicht, ob ein Duldungstitel gegen den richtigen vorliegt.

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