Grundbesitz im Ausland / Vergütungsfrage

  • Guten Morgen zusammen!

    Gerade erhielt ich einen Anruf und nun brauche ich mal wieder Hilfe. Ein Betreuter besitzt Immobilien in der Türkei. Der hier eingesetzte Berufsbetreuer hatte eine Rechtsanwältin in der Türkei gebeten, sich um die Immobilienverwaltung zu kümmern. Diese hat nunmehr darum gebeten, dass der Betreuer nach Istanbul reist, um die Immobilien, die in sehr schlechtem Zustand sein sollen, zu besichtigen und zu entscheiden, was mit dem Grundbesitz geschehen soll. Der Betreuer beabsichtigt daher, in zwei Wochen für drei, vier Tage in die Türkei zu reisen. Die Flug- und Unterkunftskosten sollen aus dem Vermögen des Betreuten entnommen werden. Zudem muss der Betreuer sich allerdings drei Tage Urlaub von seiner sonstigen Tätigkeit nehmen und möchte diesen ebenfalls erstattet erhalten. Bin ziemlich ratlos, wonach dies möglich sein könnte. Meine Idee war, evtl. einen Ergänzungsbetreuer einsetzen zu lassen, der die Entschädigung der Reisekosten mit dem Betreuer regeln könnte. Liege ich damit total falsch oder hat sonst jemand vielleicht gute Ideen?

    Liebe Grüße, hoffe natürlich auf rege Beteiligung...

  • Die Kosten für Flug und Unterkunft sind kein Problem, weil es sich insoweit um Aufwendungsersatz i.S. des § 1835 BGB aus dem Vermögen des Betreuten handelt. Eines Ergänzungsbetreuers bedarf es daher insoweit nicht. Es genügt, die Entnahme der betreffenden Kosten aus dem Vermögen des Betroffenen zu genehmigen.

    Was den Zeitaufwand des Betreuers angeht, ist der vorliegende Fall ein beredtes Beispiel für die Unsinnigkeit der Vergütungspauschalierung. Es steht nämlich völlig außer Frage, dass der Betreuer für seine tagelange Tätigkeit keine weitere Vergütung nach dem VBVG verlangen kann. Ich sehe daher nur die Möglichkeit, dass der Betreuer insoweit nach § 4 Abs.2 S.2 VBVG i.V.m. § 1835 Abs.3 BGB ebenfalls Aufwendungsersatz geltend macht. Dies setzt allerdings voraus, dass der Betreuer einer Berufsgruppe angehört, für welche vergütungsrechtliche Sonderregelungen bestehen (Anwalt, Steuerberater usw.). Ist dies nicht der Fall (etwa bei einem Sozialpädagogen), scheitert auch der Weg über § 1835 Abs.3 BGB. Dann bleibt nur der Weg einer Vergütungsvereinbarung zwischen dem Betroffenen und dem Betreuer unter Einschaltung eines Ergänzungsbetreuers. Dass man insoweit großzügig verfahren muss, dürfte auf der Hand liegen, weil dem Betreuer nicht zumutbar ist, aufgrund seiner Betreuertätigkeit anderweitige erhebliche Vermögenseinbußen zu erleiden.

  • Hier handelt es sich um einen Berufsbetreuer. Da gibt es keinen Auslagenersatz in Form von Flugreisen. Auslagen sind grundsätzlich in der Pauschale mit drin. Auch Verdienstausfall gibt es nicht. Fraglich ist doch, ob der Betreuer überhaupt persönlich vor Ort sein muss? Ist er Immobiliensachverständiger und kennt er sich im türkischen Immobilienrecht und auf dem Grundstücksmarkt aus? Mir kommt das eher vor wie eine Lustreise.

    Eine Vergütungsvereinbarung zwecks Erstattung der Flugkosten, etc. halte ich für ausgeschlossen. Das VBVG lässt in dieser Hinsicht keine Ausnahmen zu.

  • Ich meinte natürlich jeweils § 1835 Abs.3 BGB, weil das die einzige Möglichkeit ist, wie der Betreuer zu seinem Geld und darüber hinaus zu einer vom Gesetz als Aufwendung fingierten Vergütung kommt. Ich habe mich im ersten Absatz meiner Stellungnahme aber vielleicht etwas missverständlich ausgedrückt.

    Nach dem Ausgangssachverhalt kann ich nicht erkennen, dass es sich bei der beabsichtigten Reise um eine überflüssige Maßnahme handelt, weil die beauftragte Anwältin vor Ort selbst um den Besuch gebeten hat, damit sich der Betreuer einen eigenen Eindruck verschaffen und aufgrund dessen entscheiden kann, wie mit den Immobilien zu verfahren ist. Der Betreuer hat durch die Beauftragung einer Anwältin vor Ort somit bereits versucht, eine Eigenreise entbehrlich zu machen. Dieser Versuch scheint gescheitert zu sein. Denn es kann niemand einem Betreuer eine Entscheidung über Immobilien abverlangen, die er nicht selbst in Augenschein genommen hat.

    Unterstellen wir einmal, dass die Reise notwendig ist. Dann kann es einfach nicht sein, dass der Betreuer einerseits gesetzlich verpflichtet ist, den erforderlichen Zeit- und Kostenaufwand für seinen Betreuten zu entfalten, ohne dass er hierfür -nicht einmal für die normalen Aufwendungen- entschädigt wird.

    Folgende Verfahrensweise wäre denkbar:

    Ich würde die Notwendigkeit der Reise dem Grunde nach anerkennen und den Betreuer die Erstattung der Aufwendungen samt Zeitaufwand als Vergütung beantragen lassen. Dann würde ich die Sache nach § 5 Abs.1 Nr.1 RpflG dem Richter mit der Begründung vorlegen, dass ich die Inklusivstundenregelung des § 4 Abs.2 S.1 VBVG für verfassungswidrig halte, mich durch die Norm aber an einer positiven Entscheidung über die gestellten Anträge gehindert sehe. Anschließend kann der Richter dann unmittelbar die Vorlage an das BVerfG nach Art.100 GG veranlassen, wobei die Vorlage im Hinblick auf ihre Begründung natürlich den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen hat (zur Verfassungswidrigkeit der Norm des § 4 Abs.2 S.1 BGB vgl. Bestelmeyer Rpfleger 2005, 583). Wenn man geschickt ist, wartet man mit der Vorlage noch bis April 2007 ab. Dann liegt nämlich der Vergütungsantrag für das erste Quartal 2007 vor, mit welchem der Betreuer das erhöhte Mehrwertsteuervolumen von drei Prozentpunkten zusätzlich zur Stundenvergütung des § 4 VBVG beantragen sollte. Auf diese Weise kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und in einer weiteren (gleichzeitigen) Vorlage nach Art.100 auch die Inkludierung der MWSt. auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand stellen.

    Auf diese Weise könnte einmal die längst gebotene Rechtsfortbildung betrieben werden. Mich wundert es ohnehin, dass es bis jetzt noch kein Gericht fertiggebracht hat, die fragwürdigen Regelungen des VBVG nach Art.100 vorzulegen.

    Wenn der dortige Richter nicht "mitmacht", ist folgender Weg einzuschlagen:

    Der Betreuer beantragt gesonderten Aufwendungsersatz für Flugreise, Hotel und sonstige Reisekosten sowie gesonderte Vergütung für den Zeitaufwand. Dieser Antrag bleibt liegen. Außerdem beantragt der Betreuer im April 2007 die Quartalsvergütung unter zusätzlicher Erstattung des erhöhten MWSt.-Volumens von drei Prozentpunkten.

    Beide Anträge werden unter Berufung auf § 4 Abs.2 S.1 VBVG in einem Beschluss zurückgewiesen. Sodann der übliche Beschwerdeweg zum LG und OLG. Anschließend Verfassungsbeschwerde des Betreuers.

    Nur Mut!

  • Zitat

    Der Betreuer hat durch die Beauftragung einer Anwältin vor Ort somit bereits versucht, eine Eigenreise entbehrlich zu machen. Dieser Versuch scheint gescheitert zu sein. Denn es kann niemand einem Betreuer eine Entscheidung über Immobilien abverlangen, die er nicht selbst in Augenschein genommen hat.


    Das wäre ein Argument für die Reise.

    Zitat

    Dann würde ich die Sache nach § 5 Abs.1 Nr.1 RpflG dem Richter mit der Begründung vorlegen, dass ich die Inklusivstundenregelung des § 4 Abs.2 S.1 VBVG für verfassungswidrig halte, mich durch die Norm aber an einer positiven Entscheidung über die gestellten Anträge gehindert sehe. Anschließend kann der Richter dann unmittelbar die Vorlage an das BVerfG nach Art.100 GG veranlassen, ...


    Das halte ich schon fast für illusorisch. Den RAG will ich sehen, der sich trotz aller Belastungen im Vormundschaftsgericht noch die Mühe einer Vorlage macht. Mit zwei, drei Sätzen zur Begründung dürfte es da nicht getan sein.

    Den letzten Vorschlag halte ich für einen gangbaren Weg. In diesem Fall sollte sich der Betreuer aber mit seinem Berufsverband zusammensetzen, damit er einen guten Anwalt über die darin enthaltene Rechtschutzversicherung gestellt bekommt. Alles andere würde sonst beim LG ohne Zulassung der weiteren Beschwerde scheitern.

  • Zitat Manfred:

    Den RiAG will ich sehen, der sich trotz aller Belastungen im Vormundschaftsgericht noch die Mühe einer Vorlage macht.

    Das ist einerseits zutreffend und andererseits ein Armutszeugnis für die angebliche Unabhängigkeit der Justiz.

    Ob das LG oder das OLG die letzte Instanz ist, bleibt sich gleich. Gegen eine rechtskräftige Entscheidung ist immer die Verfassungsbeschwerde zulässig, weil sie lediglich die Ausschöpfung des jeweiligen Rechtswegs voraussetzt.

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