§ 850i ZPO neu - gilt das auch für Steuererstattungen ?

  • Hallo,

    habe Probleme mit dem neuen § 850i ZPO. In seiner Formulierung heißt es: "... oder sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind"

    Was verbirgt sich hinter dieser nebulösen Umschreibung ??
    Kann ich sagen, für die Anwendbarkeit der §§ 850 ff. muß es sich im weitesten Sinne um Arbeitseinkommen handeln, oder ist jetzt alles bei der Freigabe möglich ?

    Stehe nämlich eigentlich nach wie vor auf dem Standpunkt, daß Steuererstattungen nicht unter § 850i fallen, da kein Arbeitseinkommen sondern steuerrechtlicher Anspruch.

    Gibt es da schon Rechtsprechung ?

  • Aber eine Steuererstattung ist doch eine sonstige Einkunft, die kein Arbeitseinkommen ist. Und gerade deswegen fällt die Steuererstattung unter den neuen § 850i ZPO.

    Erfasst sind demnach sämtliche Arten von Einkünften wie z.B. aus

    Vermietung, Verpachtung, Steuererstattung oder Zinseinkünfte.



  • Was meinst du woher ich die zumindest ansatzweise kenne?

    Der Zöller, den ich in meinem Schrank habe ist die 26. Auflage und die habe ich mir aus zweiter Hand auf eigene Kosten beschafft.

  • Aber eine Steuererstattung ist doch eine sonstige Einkunft, die kein Arbeitseinkommen ist. Und gerade deswegen fällt die Steuererstattung unter den neuen § 850i ZPO.

    Erfasst sind demnach sämtliche Arten von Einkünften wie z.B. aus


    Vermietung, Verpachtung, Steuererstattung oder Zinseinkünfte.




    Aber alle Vorschriften ab § 850 ZPO befassen sich mit Einkommen und Einkünften aus Arbeit oder sozialen Leistungen.
    Die Steuererstattung wird weder für eine Arbeitsleistung, noch für den Unterhalt gezahlt, sondern nur weil zuviel Steuer bezahlt worden ist.
    Den Kontext mit Arbeit oder sozialen Leistungen kann man meiner Ansicht nach nicht einfach ausblenden.

    Woher nimmst Du Deine Einschätzung ? Liegen Dir die Motive zur Gesetzesänderung vor ? Das interessiert mich wirklich. Hab bisher nichts dazu gefunden. Lasse mich gern eines besseren belehren, wenn mich das ganze überzeugt

  • Woher nimmst Du Deine Einschätzung ? Liegen Dir die Motive zur Gesetzesänderung vor ? Das interessiert mich wirklich. Hab bisher nichts dazu gefunden. Lasse mich gern eines besseren belehren, wenn mich das ganze überzeugt

    http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/076/1607615.pdf

    Seite 24
    Anlage 3
    Stellungnahme des Bundesrates

    Zu Artikel 1 Nr. 6 (§ 850i Abs. 1 ZPO)
    Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetz- gebungsverfahrens zu prüfen, wie sichergestellt werden kann, dass der Schuldner infolge der Erweiterung des § 850i Abs. 1 ZPO um den Bereich der „sonstigen Ein- künfte, die kein Arbeitseinkommen sind“ nicht bei jeder Forderungspfändung einen Pfändungsschutzantrag ge- mäß § 850i Abs. 1 ZPO-E stellen kann.

    Begründung

    Der Gesetzentwurf will in § 850i ZPO-E den Pfändungs- schutz des § 850 ff. ZPO jedem Selbstständigen zugute kommen lassen, unabhängig davon, ob sein Einkommen auf Grund persönlich geleisteter Arbeiten oder Dienste er- zielt wird oder etwa durch im Unternehmen oder Betrieb des Schuldners angestellte Kräfte. Damit soll das Schutz- niveau der Selbstständigen in vollem Umfang demjenigen der abhängig Beschäftigten angeglichen werden. Die zu diesem Zweck gewählte Formulierung in § 850i Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 ZPO-E geht über dieses Ziel hinaus, indem sie die Formulierung „sonstige Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind“ verwendet. Ausweislich der Einzelbegründung zu Artikel 1 Nr. 6 des Gesetzentwurfs soll dieser Begriff nicht nach den Bestimmungen des Ein- kommensteuergesetzes, sondern autonom ausgelegt wer- den. Dies lässt die Deutung zu, dass von dem vorgenannten Begriff jedwede Forderung umfasst sei. In diesem Fall könnte jeder Schuldner bei jedweder Forderungspfändung bei Gericht einen Antrag auf Gewährung von Pfän- dungsschutz gemäß § 850i Abs. 1 ZPO-E stellen. Damit ginge ein unabsehbarer Mehraufwand der Vollstreckungsgerichte einher, der einem Grundanliegen des Gesetz- entwurfs, die Justiz zu entlasten, widerspräche.
    ------
    Seite 30

    Anlage 4
    Gegenäußerung der Bundesregierung

    Ein Pfändungsschutzantrag eines nicht abhängig erwerbstätigen Schuldners kommt grundsätzlich nicht bei jeder Forderungspfändung, sondern nur bei der Pfändung von Geldforderungen in Betracht. Denn bei § 850 ff. der Zivil- prozessordnung (ZPO) und damit auch bei § 850i ZPO geht es um den Pfändungsschutz für die Geldmittel, die der Schuldner zur Sicherung seines Lebensunterhalts benötigt. Im Übrigen wäre es vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels der Sicherstellung des Lebensunterhalts des
    Schuldners und seiner Familie sowie der damit einhergehenden Entlastung der öffentlichen Haushalte von ansonsten notwendig werdenden Transferleistungen nicht zu rechtfertigen, z. B. nach der Art der dem Schuldner zufließenden Geldleistungen zu unterscheiden. Einer eventuellen Belastung der Vollstreckungsgerichte ist die Entlastung der öffentlichen Haushalte im Bereich der Sozialleistungen gegenüberzustellen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Wenn man allerdings § 850 ZPO liest: " Arbeitseinkommen ... kann nur nach Maßgabe der §§ 850 a bis 850 i gepfändet werden."
    muss man eigentlich davon ausgehen, dass auch § 850 i nur für Arbeitseinkommen und nicht für Steuererstattungen anwendbar ist.



    Das würde ich nicht so sehen. Für einmalige Zahlungen aus AE kann Pfändungsschutz gewährt werden, aber Pfändungsschutz kann darüber hinaus gewährt werden, wenn es sich nicht um AE handelt.

    Das Problem dabei ist, dass die Gedanken des Gesetzgebers schon weiter war als das Gesetzgebungsverfahren.

    Nach dem GNeuMoP sollen die §§ 850 ff ZPO für alle Einkünfte des Schuldners gelten, losgelöst von dem Arbeitseinkommen.

    Im Zuge der Änderung des Kontopfändungsschutzes ist nun dieser § 850i ZPO (vermutlich) schon geändert worden, ohne dass es für diese Änderung (im Zusammenhang mit dem AE) einen sachlichen Grund gab.

    Eigentlich hätte das GNeuMoP schon lange verabschiedet sein müssen, weil zum 01.07.2011 endlich die nächste Dynamisierung nach § 850c Abs. 2a ZPO ansteht, die das Justizministerium nicht mehr umgehen kann. Alle Betroffene warten also schon sehnsüchtig auf die Bekanntmachung der Änderung zu § 850c ZPO.

  • Da das GNeuMoP aber bekanntermaßen noch nicht verabschiedet ist, kann ich es auch noch nicht anwenden, also auch nicht mit ihm argumentieren (wer weiß ob es überhaupt kommt ...).



    Dass ändert aber nichts daran, dass mit dem Hintergedanken an die grundsätzliche Änderung der pfändungsrechtlichen Vorschriften der § 850i ZPO schon mit dem Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes geändert wurde.

  • Ich seh das wie Rainer und Coverna,
    der Wortlaut des § 850i ist da eindeutig ohne dass es Anhaltspunkte dafür gibt, die eine einschränkende Auslegung nahelegen. Auch das Argument hinsichtlich der systematischen Stellung - 850 ff. befassen sich nur mit Arbeitseinkommen ist nicht treffend, § 851b dürfte sich aufgrund dieses standpunktes nicht erklären lassen :D (klar, die mieteinkünfte beruhen auf arbeitsleistung, aber auf der der mieter !)
    Sonstige Einkünfte sind letztlich alles, was nicht auf Arbeitsleistung beruht.

    Ob nun im gegebenen Fall was freizugeben ist, ist eine andere Frage.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Genau, der Gesetzgeber hat den § 850i ZPO bei dem Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes den Pfändungsschutz für einmalige andere Einkünfte im Vorgriff darauf geändert, dass der Pfändungsschutz der §§ 850 ff ZPO auf alle Einkünfte ausgedehnt werden soll.

    Aus der BR-Drucksache 139/10 S. 14 ff:

    Darüber hinaus werden Guthaben auf Pfändungsschutzkonten gemäß § 850k ZPO ohne Rücksicht auf ihre Herkunft von der Pfändung nicht erfasst, soweit sie die Beträge gemäß § 850c Abs. 1 S. 1 ZPO nicht übersteigen. Da nahezu alle Einkünfte über Girokonten abgewickelt werden, hat die Ausdehnung des Pfändungsschutzes gemäß § 850c Abs. 1 ZPO auf jegliches Kontoguthaben zur Folge, dass die ursprünglich nur für "Arbeitseinkommen" geltenden Freibeträge faktisch für jegliches Einkommen gelten. Gleiches gilt für den Schutz der "sonstige(n) Einkünfte, die kein Arbeitseinkommen sind" in § 850i ZPO. Dennoch ist bisher an dem Begriff des Arbeitseinkommens in §§ 850 ff. ZPO festgehalten worden.

  • Ich würde auch dazu tendieren, den § 850i in der neuen Fassung eher weit auszulegen. Das einzige Argument, das mir dagegen einfällt, ist der systematische Standort der Norm, der zumindest dafür spräche, die "sonstigen Einkünfte" in Zusammenhang mit Arbeitsleistung zu sehen.

    Bei Steuerrückforderungen hätte ich ja sogar einen solchen Zusammenhang, wenn es sich um Lohnsteuer handelt: Das Lohnsteuerguthaben resultiert ja aus vergangener Arbeitsleistung.

    Insgesamt sehe ich aber eher, das aus dem Wortlaut eine breite Auslegung abzuleiten ist, zumal es sich ja um eine bewusste Ergänzung handelt, und nicht um einen ganz neu eingefügten Paragrafen.

  • Ich würde auch dazu tendieren, den § 850i in der neuen Fassung eher weit auszulegen. Das einzige Argument, das mir dagegen einfällt, ist der systematische Standort der Norm, der zumindest dafür spräche, die "sonstigen Einkünfte" in Zusammenhang mit Arbeitsleistung zu sehen.

    Bei Steuerrückforderungen hätte ich ja sogar einen solchen Zusammenhang, wenn es sich um Lohnsteuer handelt: Das Lohnsteuerguthaben resultiert ja aus vergangener Arbeitsleistung.



    Das wäre eine gefährliche Rolle rückwärts. Wenn denn dem so wäre, würde der Erstattungsanspruch in der WVP unter die Abtretungserklärung des § 287 InsO fallen.

    Hierzu hat (ohne 850i ZPO) der BGH jedoch ausgeführt, dass:

    Der an den Steuerpflichtigen zu erstattende Betrag erlangt, auch wenn er wirtschaftlich betrachtet das auf den Veranlagungszeitraum entfallende Einkommen erhöht, nicht wieder den Charakter eines Einkommens, das dem Berechtigten aufgrund einer Arbeits- oder Dienstleistung zusteht, IX ZR 115/04.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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