Niederländischer Erblasser wählt deutsches Recht

  • Hallo Zusammen,

    bevor ich jetzt ein Schreiben rausschicke, mit dem ich die Kollegin vom Grundbuch "reinreite", würde ich mich doch gerne bei Euch rückversichern.

    Der Erblasser ist niederländischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland. In einer notariellen Urkunde hat er das deutsche Recht für sich gewählt (Art. 5 Abs. 2 des Haager Erbrechtsübereinkommens). Weiter befindet sich in dieser Urkunde ein notarieller Erbvertrag in dem sich die Eheleute gegenseitig als Erben einsetzen. Der einzige Sohn erbt nach dem Längstlebenden.
    Dieser Erbvertrag wurde eröffnet und nun wollte die überlebende Ehefrau den Grundbesitz auf sich ümschreiben lassen. Als Erbnachweis legt sie den Erbvertrag nebst Eröffnungsprotokoll vor. Das Grundbuchamt verlangt nun die Vorlage eines Erbscheins da bei anwendbarem ausländischen Recht und übergangenen Abkömmlingen möglicherweise ein Noterbrecht für diese besteht (vgl. Schöner/Stöber, Rn. 800, 14. Aufl.) und deshalb das Verlangen des Erbscheins gerechtfertigt ist.
    Nun meine Frage: Da komme ich doch gar nicht hin? Ich habe doch kein "anwendbares ausländisches Recht", oder???? :gruebel:
    Mein Gespräch mit der zuständigen Kollegin beim Grundbuch brachte mich leider nicht weiter.... :mad:

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Aus maßgeblicher deutscher Sicht ist für inländischen Grundbesitz schon eine Rechtswahl nach Art.25 Abs.2 EGBGB ausreichend (vgl. Palandt/Thorn Art. 25 EGBGB Rn.7 m.w.N.). Das Grundbuchamt müsste sogar bei einer solchen konkludenten Rechtswahl ohne Erbschein eintragen (LG München I Rpfleger 2007, 316 = FamRZ 2007, 1198 = ZEV 2007, 434; Bestelmeyer Rpfleger 2008, 552, 563 Fn.176). Aber auch eine nach dem an sich über Art.25 Abs.1 EGBGB maßgeblichen ausländischen (Kollisions-)Recht zulässige Rechtswahl wäre nach Art.4 Abs.1 S.2 EGBGB als Rückverweisung auf deutsches Recht vom Grundbuchamt zu berücksichtigen (LG München I und Bestelmeyer a.a.O.).

  • Mir liegt ein notarielles Testament von einer niederländischen Staatsangehörigen vor.

    Hinsichtlich des in Deutschland befindlichen Grundvermögens soll deutsches Erbrecht gelten. Zu alleinigen Erben wurden die Enkelkinder bestimmt. Der Erbfall ist 2016 eingetreten.

    Laut Mitteilung eines Rechtsanwaltes wurde die Erbschaft in den Niederlanden für die minderjährigen Enkel ausgeschlagen. Auch die gesetzliche Erbin hat in den Niederlanden ausgeschlagen.

    Mir liegt hier keine Erbausschlagungserklärung vor.
    Das Testament habe ich hier eröffnet.

    Es stellt sich mir die Frage, ob ich das Testament an das niederländische Amtsgericht senden muss und von dort ggf. eine Nachlasspflegschaft eingerichtet werden kann.

    Wirken die Erbausschlagungen in den Niederlanden auf für den deutschen Grundbesitz oder hätte hier eine weitere Erbausschlagung erklärt werden müssen?

    Könnte ich eine Nachlasspflegschaft einrichten oder das Fiskuserbrecht feststellen?

    Komplizierter Fall... Ich hoffe, dass ihr mir weiter helfen könnt.

  • Schwierig zu sagen, wenn nicht mitgeteilt wird, wo der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Erblasserin war und wann sie das deutsche Testament errichtet hat.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Sorry, ich bin irrtümlich davon ausgegangen, dass die EU-Erbrechtsverordnung noch nicht galt. Aber diese ist ja bereits 2015 in Kraft getreten...

    Der letzte gewöhnliche Aufenthalt war in Deutschland. Die Testamente wurden am 07.07.2015 und 09.11.2015 erfasst.

    Dann wäre ja deutsches Recht anwendbar... Die Erbausschlagung vor dem niederländischen Gericht müsste doch dann aber hierher geschickt werden. Wird diese wirksam mit Eingang beim niederländischen Gericht?

    Dann müsste ich ja hier auch eine Nachlasspflegschaft einrichten können. Wie verhält es sich mit dem Fiskuserbrecht? Kann der deutsche Fiskus Erbe eines niederländischen Erblassers werden?

  • Nach der EuErbVO ist eine Teilrechtswahl unzulässig.


    Hinsichtlich des ersten Testamentes wäre aber Art. 83 II EuErbVO zu beachten.

    Wenn es aber keine Rechtswahl hinsichtlich niederländischem Erbrecht besteht, dann ist ohnehin deutsches Erbrecht maßgeblich (Art. 21 I EuErbVO).
    Und dann bist du -die Zuständigkeit nach §343 FamFG vorausgesetzt- für den gesamten Nachlassvorgang zuständig (Art. 4 EuErbVO).

    Hinsichtlich der Ausschlagungen sind Art. 13, 28 EuErbVO zu beachten.

    Edit: Wenn deutsches Erbrecht gilt, dann gilt auch §1936 BGB.

    Perfektion ist eine Illusion.

    Einmal editiert, zuletzt von jfp (30. Januar 2019 um 14:32) aus folgendem Grund: wegen #5

  • Das Testament, in welchem die Rechtswahl hinsichtlich des in Deutschland befindlichen Vermögens getroffen wurde, wurde vor Wirksamwerden der EU-Erbrechtsverordnung erstellt.

    Da der Erbfall ja aber erst nach Wirksamwerden der EU-Erbrechtsverordnung eingetreten ist, wäre ja sowieso deutsches Erbrecht anzuwenden.

    Die Erbausschlagungen, welche in den Niederlanden abgegeben wurden, müssten mir ja noch übersandt werden.

    Vielen Dank für die Ausführungen.

  • Es stellt sich mir noch die Frage, ob die Erbausschlagungen mit Eingang beim Amtsgericht in den Niederlanden oder mit Eingang beim zuständigen Amtsgericht in Deutschland wirksam werden.

    Wie lang wäre die Ausschlagungsfrist in den Niederlanden? Beteiligt war ein minderjähriges Kind für dessen Ausschlagung auch eine Genehmigung erteilt wurde. Allerdings erst zwei Jahre nach Eintritt des Erbfalls.

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