Verteilungsverfahren ja oder nein

  • Mitnichten, mitnichten ! Mitnichten ist hier Gutdünken am Werk. Wer ist dann am Werk ? Es ist der gesunde Menschenverstand ! Es ist nämlich Ausfluss unseres Berufes, dass wir nicht nur schematisch wie die Roboter arbeiten, sondern bei der Anwendung von §§ immer Sinn und Zweck der Vorschrift bedenken müssen. Es kann eben passieren, dass man eine Vorschrift nicht anwendet, weil es zwar ihrem Wortlaut nach angezeigt wäre, nicht aber nach ihrem Sinn und Zweck. Beispiele lassen sich ebenfalls in epischer Breite überall nachlesen, z.B. bei der Nichtanwendung des § 181 BGB bei Insichgeschäften, die lediglich rechtlich vorteilhaft sind. Aber ist die Aussage dieses Beispiels aus dem materiellen Recht denn auch im streng formalisierten ZV- bzw. HL-Verfahren anwendbar ? Jawohl, sie ist es ! Auch im formalisierten Verfahren gilt, dass man den Schutzzweck der Norm beachten muss, statt an ihrem Wortlaut zu kleben. Letzteres führt zu sinnloser Förmelei.

  • aus Wikipedia: Unter Rechtsbeugung versteht man im deutschen Recht die bewusst falsche Anwendung des Rechts durch Richter, Amtsträger oder Schiedsrichter bei Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache zugunsten oder zum Nachteil einer Partei.
    Eine bewusst falsche Anwendung des Rechts ist, zu sagen, diese oder jene Vorschrift wende ich in diesem oder jenem Sachverhalt nicht an. der Gesetzgeber setzt zwar diese Norm, aber mein Sachverstand rechtfertigt die Nichtanwendung der Norm, Rechtsgrund: Förmelei.

  • ... Rechtsbeugung ... die bewusst falsche Anwendung des Rechts .. zugunsten oder zum Nachteil einer Partei.
    ...



    Und genau das liegt hier eben nicht vor. Beide Gläubiger freuen sich, dass sie ihr Geld kriegen, ohne dass noch ein sinnloses Verteilungsverfahren durchgezogen wird, und Schuldner und Drittschuldner sind ohne ein solches weder besser noch schlechter gestellt als mit.
    Deshalb sind Gänseblümchen, Ulf und ich auch keine Rechtsbeuger, und die Kommentatoren und Entscheider in dem im vorletzten Beitrag zitierten Beispielsfall auch nicht. Oder begeht der BGH mit seiner in Palandt/Ellenberger, Rn. 9 zu § 181 BGB zitierten Entscheidung Rechtsbeugung, rusu ?

  • Nein, dazu ist die Vorlage zu gut. Ich verstehe hier nicht, wieso sich jemand freiwillig höchstem Regressrisiko aussetzt, denn so zu verfahren ist reiner Blindflug.

    Um auf die Frage AKoehlers zu antworten:Leider kann ich die Sache mit dem BGH nicht nachschauen. § 181 ist materielles Recht. Bei materiell-rechtlichen Vorschriften wird ein Lebenssachverhalt unter eine Gesetzesnorm subsumiert mit einer bestimmten Rechtfolge. Ich denke davon reden wir hier nicht.
    [FONT=&quot]Wir reden hier aber von formalem Recht. Wir reden davon, ob sich das Gericht an die Spielregeln halten muss, die der Gesetzgeber den Gerichten vorgibt oder ob es den Gerichte erlaubt ist, nach Belieben davon abzuweichen, wenn alle sich freuen.[/FONT]

  • rusu, wir sind uns einig, dass Gesetze einzuhalten sind.

    Du bist der Verfechter des J-Verfahrens ohne wenn und aber.

    Ich denke im Gegensatz hierzu, dass Leute sich im Vorfeld des J-Verfahrens einigen können, genauso wie sich Leute im Vorfeld eines Prozesses einigen können.

    Wir müssen uns auch einig sein, dass man verschiedener Meinung sein kann, ohne dem Vorwurf der Rechtsbeugung ausgesetzt zu werden.

    Was die Gefahr des Regresses angeht, sehe ich die bei dem Ausgangsfall überhaupt nicht als gegeben an. Alle Beteiligten sind sich einig. Wer will mir einen Regress anplacken, wenn er das erhält, was er haben will?

  • Der Drittschuldner meldet unter Umständen nicht alle Gläubiger. Wie ich schon sagte, die korrekte Meldung schuldet er dem Verteilungsgericht. Ich kenne keinen Fall, wo das Verteilungsverfahren denselben Inhalt hatte, wie das Hinterlegungsverfahren. Man brauch nur mal beim Drittschuldner nachzufragen und schon kommt eine Nachmeldung. Kommt die Nachmeldung nach der Herausgbe, nach dem Motto ... uns ist da was passiert, wir haben eine Gläuberiger versehentlich nicht gemeldet, ja wie kann man dann die Herausgabe rechtfertigen? Etwa, dass der Drittschuldner einen Fehler gemacht hat? Nee, den hat die Hinterlegungsstelle gemacht, weil sie das Verfahren an sich gerissen und vorzeitig beendet hat.
    Das Ende eines Verteilungsverfahrens ist das Herausgabeersuchen, wobei man sich um nichts kümmern muss, man schreibt einfach nur die Herausgaberaordnung entsprechend dem Ersuchen.

  • rusu, es muss doch angegeben werden, zu wessen Gunsten hinterlegt wird.
    "Vergisst" der Drittschuldner einen Berechtigten, hat er den schwarzen Peter in der Hand. In der HL-Sache sind nur die Beteiligte, zu deren Gunsten hinterlegt ist und nicht derjenige, zu dessen Gunsten hinterlegt werden könnte.

  • Hat er in diesem Verfahren gerade nicht, weil der Gesetzgeber die Hiterlegungsstelle nur als Geldsammelstelle vorgesehen hat. Im Verteilungsverfahren kommen Gläubiger hinzu und fallen weg. Dies teilen der Drittschuldner und die Gläubiger dem Verteilungsgericht mit.
    Das längste Verteilungsverfahren dauerte hier 5 jahre und endete mit dem Arbeitsplatzverlust des Schuldners. In den gesamten fünf Jahren hatte die Hinterlegungsstelle nur monatlich die Annahmeanordnung zu machen. Es gab keinerlei Infomationen bezüglich der Gläubiger, weil alle Informationen nur bei Verteilungsgericht eingingen.
    Was besonders gefährlich ist, dass sich die Herausgabebedingungen nachträglich ändern können. Man kann sich nicht darauf berufen, dass zum Tag x die Bedingungen für die Herausgabe gegeben waren. Der Teilungsplan des Verteilungsgerichts ist aber sicher, weil nach der Niederlegung auf der Geschäftsstelle keine Änderungen mehr auftreten können. Nach Ausführung des Herausgabeersuchens ist das Hinterlegungsverfahren endgültig abgeschlossen.Die unzulässige Verfahrensweise der Hinterlegungsstelle bleit dauerhaft angreifbar.

  • rusu, wir reden von den Gläubigern, die bis zum Tag der Einigung oder meinetwegen bis zum Tag der Auszahlung aktenkundig sind.
    Spätere Gläubiger haben sowieso keine Rechte an dem Geld. Deren Pfandrecht kann sich nicht auf die pfändbaren Teile des Gehaltes, das vor ihrer Pfändung verdient worden ist, beziehen.

    Aber man kann natürlich vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen, weshalb es wohl besser ist, die Diskussion zu beenden.

  • Finde ich längst, aber da es niemand sehen will, das ganze mal praktisch.
    Der Steuerberater (Anwalts- und Steuerberatungskanzlei) hat einen Mandanten, der einen Arbeitnehmer hatte, bei dem nacheinander mehrere Pfändungen eingehen. Der Kanzlei wird der Aufwand allmählich zu hoch, insbesondere nachdem noch Unterhaltspfändungen hinzukommen und beschließt zu hinterlegen. In der Kanzlei wird der Hinterlegungsantrag ausgefüllt und die Kopien der letzten drei, vier Pfändungen werden dazugepackt, um § 853 ZPO nachzuweisen.
    Die Originale der Pfändungsbeschlüsse und Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, insgesamt 17 an der Zahl, werden im Original an das Gericht geschickt, das den ersten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen und die Hinterlegung wird angezeigt. Dieses Gericht liegt in einem anderen Bundesland, der Arbeitnehmer ist Pendler.
    Auf der Hinterlegungsstelle gehen Monat für Monat die Zahlungen ein, sonst geschieht nichts. Nach mehr als einem Jahr erreicht geht erstmals die Anfrage eines Gerichts (J-Aktenzeichen)ein, wie viel Geld hinterlegt worden sei und wie hoch die Hinterlegungszinsen seien.
    (Das Verteilungsverfahren hatte sich dem Vernehmen nach im Lauf der fünf Jahre prächtig entwickelt, weil eine Unterhaltsberichtigter ausschied und nach einigen Monaten, nach Beginn einer Ausbildung wieder unterhaltsberichtigt wurde.
    Dieses Gericht und die Gläubiger wären wohl alles andere als amüsiert gewesen, hätte die Hinterlegungsstelle mitgeteilt, das Geld sei ausbezahlt, weil sich die Gläubiger doch längst geeinigt hätten.

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