§ 765a ZPO, substantiierter Vortrag bzgl. einer angeblichen Suizidalität

  • Ich muss nun über einen Räumungsschutzantrag entscheiden.
    Der Schuldner trägt vor, dass "mich auch suizidale Gedanken erreicht haben". Er sei seit längerer Zeit an einer schweren psychischen Erkrankung erkrankt, die fachärztlich behandelt werde.
    Als Attest legt er jedoch lediglich ein Schreiben eines Internisten vor, wonach keine Zwangsräumung durchgeführt werden könnte. Er sei psychisch krank und deshalb nicht in der Lage, die Situation zu stemmen. Auch hätte er ggü. dem Arzt suizidale Gedanken geäußert.

    Der zust. VS-Richter kennt ihn aus bisherigen Verfahren und verneint eine Suizidabsicht. Die Räumung könne unter der Auflage des Beiseins eines Arztes durchgeführt werden.

    Ich persönlich hatte noch keinen Kontakt zum Schuldner. Aus einer Niederschrift einer VS-Akte lassen sich im Übrigen gewisse Tendenzen erkennen "Einen Personalausweis besitze ich nicht."

    Ich weiß nun nicht, ob ich mich der Meinung des Richters anschließen soll oder nicht. Räumungstermin ist in genau 2 Wochen.

    Für eure Hilfe wäre ich dankbar.

  • Wenn er in fachärztlicher Behandlung ist und noch zwei Wochen Zeit sind, soll er doch von diesem und nicht vom Internisten ein Attest vorlegen. Sieht er sich dazu nicht in der Lage (nicht aus tatsächlichen Gründen sondern krankheitsbedingt, quasi wie antriebslos), würde ich das der Betreuung weitergeben.

    Hat der Richter ein Medizinstudium und den Schuldner gestern untersucht??

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Es muss ein fachärztliches Gutachten sein, aus dem sich zweifelsfrei ergibt, dass Suizid bei der Räumung erfolgen wird. Der Sch muss allerdings mit einem längeren Aufenthalt in der Geschlossenen rechnen, deswegen schleunigst zum Vormundschaftsgericht zur weiteren Veranlassung. Falls die zwei Wochen zur Beurteilung nicht reichen, kurzer Räumungsschutz.

  • kurzer Räumungsschutz? Einstweilige Einstellung bis zur Entscheidung des Antrags.

    Und warum soll er in eine Geschlossene? Und warum soll das generell zur Betreuung? Er scheint doch krankheitseinsichtig und in Behandlung zu sein.

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • kurzer Räumungsschutz? Einstweilige Einstellung bis zur Entscheidung des Antrags.

    Und warum soll er in eine Geschlossene? Und warum soll das generell zur Betreuung? Er scheint doch krankheitseinsichtig und in Behandlung zu sein.

    Ich kann dieses medizinisch nicht beurteilen. Um den Sch zu schützen sollten doch Fachleute (=Betreuungsgericht) ran, die ggf Weiteres veranlassen. Da kann es sein, dass die 2 Wochen nicht reichen.

  • Halt mal. Im Vollstreckungsrecht herrscht Beibringungsgrundsatz. Bei mir hat sich in solchen Fällen bewährt, den Schuldner einen Katalog mit Fragen wie Folgenden zu schicken:

    • Wie lange ist der Schuldner schon psychisch angeschlagen? Wie hat sich die Störung entwickelt?
    • Welche Veränderungen haben sich seit Beginn der Vollstreckung eingestellt?
    • Welche Symptome?
    • Wie wirkt sich die Störung auf den Alltag, insbesondere auf Arbeit, Familie... aus?
    • Seit wann und bei wem in Behandlung? Wenn nur beim Hausarzt etc., warum kein Facharzt?
    • Welche Diagnose wurde gestellt?
    • Welche Therapie erfolgt?
    • Welche Medikamente wurden verordnet?

    Wenn jetzt die Frage nach meinem Medizinstudium kommt, ich habe keins und dies ist auch vollkommen egal! Es geht hier um den konkreten Sachvortrag, um Kausalität und die um Frage, ob ein Gutachten in Auftrag zu geben ist. Darüber hinaus geht es um eventuelle Nebenmaßnahmen zur Gefahrenabwehr wie z.B.: Überprüfung der Fahrtauglichkeit, elterliche Sorge, Einschaltung Ordnungsamt --> Unterbringung, Einschaltung Betreuungsgericht...

    Wichtig ist auch sich de Ärzte von deren Schweigepflicht entbinden zulassen.

    Hat bisher sehr funktioniert. Trotz vieler Schutzanträge habe ich in den letzten Jahren erst ein Gutachten in Auftrag gegeben. Da war jedoch die Suizidalität des Schuldners jedoch aus einem Vorverfahren (gescheiterter Versuch) amtsbekannt.

  • Halt mal. Im Vollstreckungsrecht herrscht Beibringungsgrundsatz. Bei mir hat sich in solchen Fällen bewährt, den Schuldner einen Katalog mit Fragen wie Folgenden zu schicken:

    • Wie lange ist der Schuldner schon psychisch angeschlagen? Wie hat sich die Störung entwickelt?
    • Welche Veränderungen haben sich seit Beginn der Vollstreckung eingestellt?
    • Welche Symptome?
    • Wie wirkt sich die Störung auf den Alltag, insbesondere auf Arbeit, Familie... aus?
    • Seit wann und bei wem in Behandlung? Wenn nur beim Hausarzt etc., warum kein Facharzt?
    • Welche Diagnose wurde gestellt?
    • Welche Therapie erfolgt?
    • Welche Medikamente wurden verordnet?

    Wenn jetzt die Frage nach meinem Medizinstudium kommt, ich habe keins und dies ist auch vollkommen egal! Es geht hier um den konkreten Sachvortrag, um Kausalität und die um Frage, ob ein Gutachten in Auftrag zu geben ist. Darüber hinaus geht es um eventuelle Nebenmaßnahmen zur Gefahrenabwehr wie z.B.: Überprüfung der Fahrtauglichkeit, elterliche Sorge, Einschaltung Ordnungsamt --> Unterbringung, Einschaltung Betreuungsgericht...

    Wichtig ist auch sich de Ärzte von deren Schweigepflicht entbinden zulassen.

    Hat bisher sehr funktioniert. Trotz vieler Schutzanträge habe ich in den letzten Jahren erst ein Gutachten in Auftrag gegeben. Da war jedoch die Suizidalität des Schuldners jedoch aus einem Vorverfahren (gescheiterter Versuch) amtsbekannt.

    Das wurde kürzlich (?) obergerichtlich (BGH?) geändert. Wir müssen das gfs in Auftrag geben.

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    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Sehe ich nicht so! Der Schuldner/Antragsgegner hat eine Pflicht zum konkreten Vortrag. Das ergibt sich ebenfalls aus vielen obergerichtlichen Entscheidungen. Erst dann können wir über die Erforderlichkeit einer Begutachtung entscheiden. Mir ist keine Entscheidung bekannt, die uns trotz eines dürftigen, nichtssagenden, allgemeinen Vortrags zur Beauftragung eines Gutachtens zwingt.
    Wenn an mir was vorbeigegangen ist, bitte ich um Mitteilung des Aktenzeichens. Ich bin gern bereit etwas dazu zu lernen.

  • ....
    Der Schuldner trägt vor, dass "mich auch suizidale Gedanken erreicht haben". Er sei seit längerer Zeit an einer schweren psychischen Erkrankung erkrankt, die fachärztlich behandelt werde.
    Als Attest legt er jedoch lediglich ein Schreiben eines Internisten vor, wonach keine Zwangsräumung durchgeführt werden könnte. Er sei psychisch krank und deshalb nicht in der Lage, die Situation zu stemmen. Auch hätte er ggü. dem Arzt suizidale Gedanken geäußert.

    ....

    vorgetragen hat er doch. Alles weitere ist im Wege der Beweiserhebung zu klären.

    Wenn ein Schuldner nur vorträgt: "Ich will Räumungsschutz, weil suizidal." wäre mir das auch zu wenig, da ich nicht über jedes Stöckchen springen möchte, was mir hingehalten wird.

    Bei einem Ausflug in den Rechtssprechungsthread der Zwangsversteigerung hier, wirst in schnell und häufig fündig.

    Der BGH hängt die Messlatte hinsichtlich des erforderlichen Vortrags des Antragsstellers jedoch recht niedrig.

    z.B. BGH, 16.12.2010 - V ZB 215/09 Rn. 12


  • Zitat aus der angeführten Entscheidung:
    "Hierfür besteht Anlass, wenn das Gericht zwar von einer erhöhten Suizidgefahr ausgeht, diese aber nach dem Vortrag des Schuldners als nicht hinreichend konkret ansieht."

    Wann geht denn ein Gericht von einer erhöhte Suizidgefahr aus?
    Die Entscheidung ist ein schlechtes Beispiel und nicht überzeugend.

  • Überzeugen kann man nur den, der bereit ist, sich überzeugen zu lassen....

    Zitiere doch erstmal ein schlechtes Beispiel und wenig überzeugendes, was deine Rechtsauffassung stützt.

    Bei einem Ausflug in der Rechtssprechungsthread der Zwangsversteigerung hier, wirst du auf mindestens 10 Entscheidungen zu dem Thema stoßen.


  • Zitat aus der angeführten Entscheidung:
    "Hierfür besteht Anlass, wenn das Gericht zwar von einer erhöhten Suizidgefahr ausgeht, diese aber nach dem Vortrag des Schuldners als nicht hinreichend konkret ansieht."


    Wann geht denn ein Gericht von einer erhöhte Suizidgefahr aus?
    Die Entscheidung ist ein schlechtes Beispiel und nicht überzeugend.

    Welche Ansprüche hast du denn daran? Wenn der Schuldner das vorträgt und das von ihm selbst vorgelegte Attest nicht das genaue Gegenteil besagt, musst du doch erstmal davon ausgehen, dass der Vortrag stimmt. Alles andere lässt sich im Hinblick darauf, dass es letztlich um ein Menschenleben geht, nur schwer begründen. Wobei, du gehst wahrscheinlich einfach nie von erhöhter Gefahr aus...;)

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Es gibt einen Aufsatz von Schmidt-Räntsch "Suizid in der Zwangsversteigerung", ZfIR 2011, S. 849. Der fasst die BGH-Rechtsprechung zu dem Thema gut zusammen. Das hat ja nicht nur was mit Zwangsversteigerung zu tun. Und obwohl der Aufsatz zwischenzeitlich 7 Jahre alt ist, hat sich da nicht so arg viel verändert.
    Ich zitiere mal:
    "Der Schuldner muss die Suizidgefahr oder andere Bedrohung seines Lebens durch die Fortführung des Zwangsversteigerungsverfahrens substantiiert vortragen (BGH vom 02.12.2010, V ZB 124/10, BGH vom 31.03.2011, V ZB 313/10). Dazu genügt aber, was in der Instanz gelegentlich nicht in dieser Schärfe gesehen wird, ein schlüssiger Vortrag (BGH vom 16.12.2010, V ZB 215/09; BGH vom 17.02.2011, V ZB 205/10). Der Schuldner muss seine Suizidgefährdung oder sonstige lebensbedrohliche Lage nicht glaubhaft machen (BGH vom 02.12.2010, V ZB 124/10). Ihm können in diesem Verfahrensstadium auch nicht die Schwächen eines von ihm vorgelegten ärztlichen Attestes vorgehalten werden (BGH vom 02.12.2010, V ZB 124/10). ... Das Vollstreckungsgericht muss den Einwand des Schuldners prüfen und ihn ggf. von Amts wegen aufklären (BGH vom 17.02.2011, V ZB 205/10 und vom 31.03.2011, V ZB 313/10)."

    Das was in der Zwangsversteigerung gilt, muss ja auch für Räumungsvollstreckung anwendbar sein.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Genau darauf wollte ich doch hinaus. Der Schuldner kommt doch meist (zumindest bei uns) mit einem 0815 Antrag. Dieser enthält regelmäßig den Hinweis, dass das Gericht verpflichtet sei ein Gutachten in Auftrag zu geben. Wenn Profis am Werk sind, liegt dem noch ein Attest vom Hausarzt bei. Da ist nichts mit substantiviertem Vortrag.

    Einmal editiert, zuletzt von Purzel (24. September 2018 um 11:43)

  • Mehr muss der Schuldner aber nicht vortragen. Schlüssiger Vortrag bedeutet, dass tatsächliche Ausführungen bei Subsumtion bei Unterstellung ihrer Richtigkeit unter die Voraussetzungen einer Rechtsnorm diese begrifflich und inhaltlich ausfüllen.

    Auch beim Räumungsschutz gilt, wie überall in der ZPO, dass Gutachten vom Gericht einzuholen und nicht vom Schuldner beizubringen sind.

    Insbesondere ist es schlicht unzulässig, dass der Schuldner irgendwelche vom Gericht erarbeiteten und von Amts wegen vorgelegten Fragenkataloge zu seinem Zustand beantworten soll. Das sind alles Beweisfragen für den Sachverständigen.

  • Insbesondere ist es schlicht unzulässig, dass der Schuldner irgendwelche vom Gericht erarbeiteten und von Amts wegen vorgelegten Fragenkataloge zu seinem Zustand beantworten soll.

    Selbstverständlich ist es zulässig, einen Antragsteller zu seinem Antrag informatorisch zu befragen.

    Ich finde überforsche Rückfragen seitens des Gerichts vor dem Hintergrund problematisch, dass wir mit unserer Ausbildung kaum medizinische Schlüsse aus den Antworten ziehen können.

    Oder in welche Richtung soll eine informatorische Befragung gehen?

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