BGH, Beschluss vom 28. April 2011 - VZB 194/10 - zum Erwerb durch bestehende GbR

  • Leitsatz:

    Erwirbt eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Grundstücks- oder Wohnungseigentum, reicht es für die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch aus, wenn die GbR und ihre Gesellschafter in der notariellen Auflassungsverhandlung benannt sind und die für die GbR Handelnden erklären, dass sie deren alleinige Gesellschafter sind; weiterer Nachweise der Existenz, der Identität und der Vertretungsverhältnisse dieser GbR bedarf es gegenüber dem Grundbuchamt nicht.

    BGH, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZB 194/10 - KG Berlin AG - Berlin-Charlottenburg

    Der Volltext der Entscheidung kann der angehängten PDF-Datei entnommen werden.

    edit by Kai: Anhang entfernt

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ich muss es noch gar nicht gelesen haben, um bereits jetzt zu wissen, dass mich das weder rechtlich überzeugen noch aus der Haftung für die nächste Akte befreien wird.

    (p.s.: Okay, 899a und 29 braucht man laut BGH also eigentlich nicht, wenn das Grundbuchamt doch viel schöner halbesotherisch mediatisieren kann. Ist irgendwem bekannt, ob vom LG Bielefeld jemand zum BGH weggelobt worden ist? Bei allem Restrespekt, aber das ist doch keine juistisch seriöse Argumentation...)

    Einmal editiert, zuletzt von Buridans Esel (18. Mai 2011 um 13:11)

  • Bin gespannt auf die Schadensersatzklagen, nach den ganzen Kosten für nachbeurkundete Erklärungen für's Abtretungsmodell und ähnlichem etc. ...:akten

  • Ich bin erstmal gespannt, wie die Kritiker (Befürworter OLG München u.s.w.) die Entscheidung zerlegen werden. Ist mir auch egal , ich bin froh darüber. Gruß an alle.

  • Also mich ärgert es schon sehr, auch wenn der BGH versucht mit Blick auf die Nöte der BGB-Gesellschafter sehr, sehr kulant zu sein.
    Mit welchem Recht sollen wir als gleich behandelnde Justiz zukünftig noch vom einem Geschäftsführer erwarten, eine Vertretungsmacht nachzuweisen, wenn die bereits vor dreißig Jahren schon mal zur Grundakte nachgewiesen worden ist? Der kann ja sogar auf ein vielleicht uraltes, aber immerhin mit öffentlichem Glauben versehenes Register verweisen.
    Die dahinterstehende Grundannahme, nur Zweifel bei spezieller Sachkenntnisse anmelden zu sollen, ist bei einem so extrem verkehrsfähigen Rechtsgebilde außerdem so unglaublich realitätsfremd, dass die o. g. Kulanz eigentlich nur noch Anbiedern unter gleichzeitiger Aufgabe elementarer gesetzlicher Vorschriften darstellt.
    Ich habe auch Zweifel, dass man auf Dauer diesen ergebnisorientierten Entscheidungsstil wird durchhalten können, denn dafür sind die Gesetze und die Rechtsprechung viel zu lückenhaft.

  • Wieso uralter Nachweis? Nach dem BGH genügt doch die Behauptung des Geschäftsführers völlig aus.

    Nebenbei sind ohne Not weitere Türen aufgestoßen. Wie kommt man dazu, eine Vollmacht für die Beteiligte 2 "bei verständiger Würdigung" dahin auszulegen, dass daneben auch deren benannte Gesellschafter gemeinschaftlich zur Vertretung berechtigt sein sollen?

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Beabsichtigt war von mir, einen Vergleich zu einer fiktiven GmbH zu ziehen, die notfalls auch etwas aktuelles in der Form des § 29 GBO beibringen muss.

  • Auf eine GmbH würde ich das nicht ausweiten. Eine GbR und eine GmbH sind nun einmal völlig verschiedene Gebilde... Aber wir drehen uns im Kreis...

  • Nein, der BGH würde das natürlich auch nicht, aber es ist ja offensichtlich, dass, naja, sagen wir mal "auf mehr Beständigkeit gerichtete" Geschäftsleute auf diese Weise erkennbar nicht vor dem Gesetz gleich behandelt werden, wenn für die GbR das Gesetz (als § 899a BGB und § 29 GBO) gar nicht gelten.
    Und deswegen ist diese Entscheidung im Kern auch unseriös, weil so Freiheit und Verantwortlichkeit in ein Mißverhältnis geraten.

  • Sollte man den Entscheidungen des OLG München/Karlsruhe bisher gefolgt sein, müsste man sich nun überlegen, ob man sich nicht dem BGH anschließt, und eventuell angeforderte weitere Nachweise (z.B. beurkundeter neuer Gesellschaftsvertrag – bzw. neue Auflassungsurkunden u.s.w.) jetzt nicht mehr verlangt - und den Beteiligten entsprechende Nachrichten erteilt, damit nicht noch weitere Beurkundungskosten anfallen.

  • Das ist die Frage. Wer kämpft schon gerne gegen Windmühlen.
    Ich sehe aber nach wie vor nicht, wie mich eine lückenhafte Einzelfallentscheidung, die erkennbar geltendes Recht nicht anwendet, vom Haftungsrisiko befreien soll.
    Interessanter dürfte die Frage daher sein, ob die Verwaltungen diesen Beschluss auch so zügig bekannt geben werden wie zuletzt diejenigen, die auf der Linie München/Hamm/Köln lagen. Vielleicht sollte man in kritischem Dialog mit denen da oben einfach mal doof fragen.

  • Super! Wir machen die BGB Gesellschaft zur OHG! Nur ohne Register und handelsrechtliche Vorschriften. Das wird eh alles total überbewertet :D

  • Beabsichtigt war von mir, einen Vergleich zu einer fiktiven GmbH zu ziehen, die notfalls auch etwas aktuelles in der Form des § 29 GBO beibringen muss.

    Auf eine GmbH würde ich das nicht ausweiten. Eine GbR und eine GmbH sind nun einmal völlig verschiedene Gebilde... Aber wir drehen uns im Kreis...

    Super! Wir machen die BGB Gesellschaft zur OHG! Nur ohne Register und handelsrechtliche Vorschriften. Das wird eh alles total überbewertet :D


    So meinte ich das: Jeder Gesellschaftsrechtler wird uns sagen, dass die GbR und die oHG, annähernd auch die KG im Prinzip doch die gleichen Rechtsgebilde sind. Jetzt nach der Rechtsfähigkeit der GbR sowieso. Da liegt es doch nahe, die OHG nicht anders zu behandeln: Geständniserklärung genügt. Und was der OHG recht, wird der GmbH billig sein, die doch einstens qua Register nicht anders dastand - warum also sollten wir OHG schlechter behandeln als die GbR und dann die GmbH schlechter als die OHG?

    Und nachdem wir im Verlaufe der GbR-Rechtsprechung in ungefähr (mindestens?) 50% aller Entscheidungen bewiesen bekommen haben, dass man auch die absurdesten Begründungen für alles Mögliche heranziehen kann - wenn man denn überhaupt noch eine bemüht und nicht einfach "zwanglos auslegt"* oder den status quo ante als Begründung heranzieht -, braucht man ohnehin nicht mehr so kompliziert zu begründen wie ich oben.

    Das Ergebnis mag sein, wie es ist. Hätte der BGH einfach gesagt, ein formeller Nachweis geht nicht, deswegen geht es hier halt nur mit dem Freibeweis, dann hätte ich das noch verstanden. Das wäre eine ehrliche Begründung gewesen. Aber diese Begründung ... ohne Worte ...

    * Ich glaube, es war unklar, die in einem Thread zur ostdeutschen Gespenstergemeinschaft das Wort "auslegen" mit "hinzudichten" synonymisiert hat.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (18. Mai 2011 um 17:01)

  • Der Pensenschlüssel für Eintragungen in Abt. I ist damit natürlich dringend zu berichtigen. Nur noch eine Seite der Auflassung angucken macht ja nur noch halb so viel Arbeit.

  • Der Pensenschlüssel für Eintragungen in Abt. I ist damit natürlich dringend zu berichtigen. Nur noch eine Seite der Auflassung angucken macht ja nur noch halb so viel Arbeit.



    :D:D:D

    Die Justizministerien schnuppern schon Einsparmöglichkeiten :D

  • Sollte man den Entscheidungen des OLG München/Karlsruhe bisher gefolgt sein, müsste man sich nun überlegen, ob man sich nicht dem BGH anschließt, und eventuell angeforderte weitere Nachweise (z.B. beurkundeter neuer Gesellschaftsvertrag – bzw. neue Auflassungsurkunden u.s.w.) jetzt nicht mehr verlangt - und den Beteiligten entsprechende Nachrichten erteilt, damit nicht noch weitere Beurkundungskosten anfallen.


    Ich mache mir da keine große Sorgen. Die Notare werden uns alsbald auf die betreffenden Fälle und die neue Entscheidung hinweisen. Von daher würde ich derzeit nichts unternehmen. Und dann ist natürlich - Buridans Esel sprach es schon an - die Frage, wie diese "lückenhafte Einzelfallentscheidung, die erkennbar geltendes Recht nicht anwendet" auf den Fall zutrifft, den ich gerade da habe ... das habe ich für mich noch nicht entschieden und schlafe da erst mal drüber.

    Juppheidi, juppheida, Erbsen sind zum Zählen da ...

  • Die Entscheidung hat einen neuen Argumentationsansatz zu Grunde gelegt, und zwar den von Reymann. Dieser sagt im Wesentlichen aus, dass die zu § 47 Abs. 1 GBO geltenden Grundsätze (die Beteiligten müssen nicht nachweisen, dass zwischen ihnen eine Erbengemeinschaft oder Gütergemeinschaft besteht) auch im Rahmen des § 47 Abs. 2 GBO gelten. Sie zeigt, dass auch die rechtsfähige GbR nicht notwendigerweise so behandelt werden muss wie eine juristische Person oder registrierte Personenhandelsgesellschaft.

    Die Argumentation von Reymann hat bislang noch niemand widerlegt, wobei ich vermute, die Kritiker werden nicht lange auf sich warten lassen. Der Ansatz von Reymann hat den Charme, dass man nicht Voraussetzungen und Grenzen der Nachweiserleichterungen erörtern muss. Diese Fragen werden sich freilich in anderen Bereichen weiterhin stellen.

    Eine Übertragung auf andere Gesellschaften und Rechtsträger scheidet aus, weil für diese eben § 47 Abs. 2 GBO nicht gilt und dies das maßgebliche Differenzierungskriterium war.

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