Arbeitseinkommen und Selbstständigkeit während der WVP

  • Ich habe folgende theoretische Konstellation:

    Schuldner befindet sich in der WVP. Er ist AN und hat Einkünfte aus dem AV, die nach § 287 Abs. 2 InsO an den TH abgetreten sind.

    Nebenbei ist er noch selbstständig (macht Musik und verkauft eigener CD`s) und erzielt daraus derzeit aber (noch) keinen Erlös. Unter dem Strich steht ein Minus.

    Was ist, wenn aus dieser Tätigkeit einmal Einkünfte anfallen sollten.

    § 850e Nr. 2 ZPO zieht nicht, weil die Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis und aus selbstständiger Tätigkeit nicht zusammengerechnet werden können. Der Schuldner hat ja auch nur den pfändbaren Teil seiner Bezüge abgetreten.

    Stutzig macht mich der § 295 Abs. 2 InsO, dass der Schuldner, der selbstständig ist, die Gläubiger durch Zahlungen an den TH so stellen muss, wie wenn er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre. Daraus könnte man ableiten, dass die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit wie Arbeitseinkommen anzusehen sind.

    Es gibt drei Möglichkeiten:

    1. kein Arbeitseinkommen, somit nicht von der Abtretung erfasst,

    2. wenn sie wie AE anzusehen wären, dann wäre u.U. auch wieder eine Zusammenrechnung möglich,

    3. die Einkünfte sind voll an den TH abzuführen.


    Die dritte Möglichkeit schließe ich aus. Die erste Möglichkeit sehe ich wegen § 295 Abs. 2 InsO auch nicht als ideal an. Bleibt Möglichkeit zwei.

    Aber dann sind die Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit als Mehrarbeitseinkommen anzusehen (wenn der Schuldner als Arbeitnehmer vollbeschäftigt ist) und damit zur Hälfte unpfändbar. Steuern werden erst nach Steuererklärung gezahlt und somit steht für die Zusammenrechnung ja kein Nettobetrag fest.

    Wie ist denn Eure Meinung darüber?

  • Es gab/gibt ja den Streit, wieviel der selbständig tätige Schuldner in der WVP abzuführen hat. Folgender Fall:

    Schuldner verdient in der WVP selbständig 10.000 € netto; bei angemessener abhängiger Beschäftigung würde er nur netto 5.000 € verdienen. Muss er den pfändbaren Betrag aus 10.000 € oder aus 5.000 € abführen?

    Die meines Wissens zwischenzeitlich h.M. sagt, er muss nur den pfändbaren Betrag aus dem fiktiven angemessenen Arbeitseinkommen abführen, nicht denjenigen aus dem tatsächlichen selbständigen Einkommen (Die Begründung dafür ist m.E. OK, spare ich mir aber jetzt).

    Daraus ergibt sich m.E. die Lösung für die Frage:

    1. Wenn das Arbeitsverhältnis, das der teilselbständige Schuldner hat, ein angemessenes i.S.v. § 295 I Nr. 1 ist, dann muss er aus einer teilselbständigen Nebentätigkeit gar nichts mehr abführen.

    2. Ist das Arbeitsverhältnis nicht angemessen i.S.v. § 295 I Nr. 1, dann sollte er lieber den Betrag abführen, der sich bei angemessenem Arbeitsverhältnis ergäbe (und zwar unabhängig davon, was er nebenerwerblich tatsächlich verdient oder nicht), weil § 295 II zur Anwendung kommen dürfte, da dort nicht differenziert wird zwischen teil- und vollselbständig (genauso wie i.R.v. § 304 I).

    Die Frage, was für den selbständigen Schuldner i.R.v. § 295 II konkret als angemessen zu betrachten ist, ist dann wieder eine ganz andere Baustelle, für die es meines Wissens noch keine befriedigende Lösung gibt, wenn der Schuldner nicht zufällig einen Ausbildungsberuf hat, bei dem es feste Tariflöhne o.ä. gibt.

  • Vielen Dank Chick.

    Also könnte man annehmen, dass eine Schuldnerin, die mit drei minderjährigen Kindern noch mehr als 50 % arbeitet durchaus angemessen arbeitet!?

    Wie gesagt, wird derzeit noch kein Gewinn erwirtschaftet. Die Frage war nur für den Fall, dass doch einmal unter dem Strich ein + steht.

    Ich habe wohl bei meiner Betrachtung die angemessene Arbeit nicht so betrachtet.

    Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann spielen die Einkünfte aus der Selbstständigkeit keine Rolle, wenn der Schuldner einer angemessenen Beschäftigung nachgeht.

    Ob der TH das im Fall des Falles ebenso sieht..... da habe ich meine Bedenken. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt....

    Nochmals vielen Dank!

  • Nun, seitens des Gerichts bereitet mir diese Konstellation weniger Kopfzerbrechen, es handelt sich um eine Obliegenheit. Wenn nun ein Gläubiger meint es liege ein Missverhältnis vor und der Schuldner stelle ob seiner (teil oder voll) selbstständigen Tätigkeit die Gläubiger nicht so wie es zu erwarten sei, dann ist es diesem Gläubiger unbenommen einen entsprechend begründeten RSB Versagungsantrag zu stellen.
    Bislang kamen mir solche noch nicht unter die Hände.

    Natürlich ist ja die Frage, was ist angemessen, was erzielt der Schuldner, wie soll man verfahren. M.A. nach sollte man sich an der Tabelle zu 850c orientieren unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten und den Möglichkeiten des Schuldners.

  • Da ist wieder das allgemein insolvenzpraktische Problem des nackten Mannes und seiner Taschen.

    Wenn die Schuldner das alles entsprechend dokumentieren und Nachweise führen, dann dürfte das kein Problem sein, sehe ich auch so.

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