Vorsatz oder nicht?

  • Hallo, aus einer hier von mir kürzlich gestellten Frage hat sich für mich rein interessehalber eine weitere Frage ergeben, und zwar:
    Unterschied Fahrlässigkeit und Vorsatz bei Körperverletzung schon klar. Versehentlich ein Bein gestellt = fahrlässig, jemanden geboxt = Vorsatz.
    Wie sieht es denn aber aus, wenn man ein Gesetz oder eine Verordnung nicht kennt und deswegen falsch handelt und sich unbewusst strafbar macht? Verbotsirrtum (vermeidbar?)Warum ist dann die Nichtanmeldung einer Waffe fahrlässig (Irrtum d. man nichts veranlassen muss, wäre ja auch vermeidbar). Also, wenn ich bei der Arbeit z. B. etwas mache z. B. während der Vollstreckung die Frist zur Zahlung der Geldstrafe verlängere, weil der Betroffene darum bat. Ich wüsste nicht, dass man dies nicht tun darf und hätte mich ja einer Vollstreckungsvereiteilung strafbar gemacht. Vorsätzlich oder fahrlässig? Ich würde ja einerseits absichtlich die Frist verlängert haben, andererseits aber nicht in dem Wissen, dass man das nicht darf, da mir die Vorschrift nicht bekannt war.

    Danke für die Beantwortung meiner Fragen schon im Voraus!

    Einmal editiert, zuletzt von Mawu (16. September 2011 um 12:13)

  • Ich wüsste nicht, dass man dies nicht tun darf und hätte mich ja einer Vollstreckungsvereiteilung strafbar gemacht. Vorsätzlich oder fahrlässig? Ich würde ja einerseits absichtlich die Frist verlängert haben, andererseits aber nicht in dem Wissen, dass man das nicht darf, da mir die Vorschrift nicht bekannt war.


    Mit dieser Argumentation könnte sich jemand verteidigen, der von der Straße weg zur Arbeit in einer Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft angeworben wurde, weil das gesamte Personal dort nicht einsatzbereit ist :)
    Bei der Justiz ist es tatsächlich aber anders : Justizbeamte werden sorgfältig ausgebildet und müssen eine Prüfung bestehen, bevor sie an die Arbeit gelassen werden. Obendrein werden frisch geprüfte Berufsanfänger von Vorgesetzten und Kollegen ihres Bereiches auf etwaige Sonderheiten hingewiesen. So weiß z.B. jeder Geschäftsstellenmitarbeiter der Vollstreckungsbehörde Bescheid, wer für die Genehmigung von Zahlungsaufschub zuständig ist, und dass das keineswegs die Geschäftsstelle ist :oops:
    Deshalb dürfte die Behauptung, man wüsste als Justizbeamter nicht, was einem im Dienst erlaubt oder untersagt ist, allenfalls als "Schutzbehauptung" gewertet werden und dürfte kaum gem. § 17 StGB zu einer Schuldbefreiung oder Strafmilderung führen.;)

  • By the Way:

    Um den Tatbestand einer Vollstreckungsvereitelung zur realisieren, muss man mehr machen als eine Frist zu verlängern.;)

  • Vielen Dank für die Antworten!

    Hm...ich würde nicht unbedingt meine Hand dafür ins Feuer legen, d. ich jedes Gesetz, jede Bestimmung und Ordnung kenne bzw. grundsätzlich Sicherheit habe was die Zuständigkeit (Ri, Re oder Se) angeht. Ich denke Fehler passieren immer, auch die Unwissenheit über die eine oder andere Bestimmung. Klar, man hat eine Ausbildung absolviert. Nur was ist, wenn man nach 10 Jahren z. B. aus der C-Abt. in die Strafabteilung gesteckt wird. Ob da das Wissen noch so frisch ist? Und was ist mit den Angestellten im Servicebereich? Die hatten mit den Gesetzestexten ja auch nix am Hut... Und die Erklärungen der Kollegen können ja aus "Unwissenheit" auch unvollständig sein.
    Sieht das dann hinsichtlich zivilrechtlicher Ansprüche genauso aus? Also Unkenntnis Vorschrift, Fehler passiert = Vorsatz, dann wäre ja die Amtshaftpflicht und Vermögensschadenhaftpf. fast überflüssig. Gut es kann auch mal ein Schreibfehler hier und da passieren.

    Ganz schön wuselig und beunruhigend alles! Liegt wohl in meiner Natur mir komische Fälle auszudenken und mir dann über alles mögliche Gedanken zu machen :D

    Achja, und warum ist das Nichtanmelden einer Waffe fahrlässig? Ist doch auch Pech, wenn man sich nicht genug informiert und deswegen die Waffe nicht anmeldet. (Umgekehrter Fall wegen der Vorschrift mit der Vollstreckungsvereitelung, man weiß nicht d. es verboten ist, macht es. Waffe= man weiß nicht, d. man etwas veranlassen muss, und macht nichts). Verstehe gerade den ganzen Vorsatz, Fahrlässigkeitskram nicht mehr. Bääääh, bin so verwirrt.....

  • Achja, und warum ist das Nichtanmelden einer Waffe fahrlässig? Ist doch auch Pech, wenn man sich nicht genug informiert und deswegen die Waffe nicht anmeldet. (Umgekehrter Fall wegen der Vorschrift mit der Vollstreckungsvereitelung, man weiß nicht d. es verboten ist, macht es. Waffe= man weiß nicht, d. man etwas veranlassen muss, und macht nichts). Verstehe gerade den ganzen Vorsatz, Fahrlässigkeitskram nicht mehr. Bääääh, bin so verwirrt.....

    :confused: Also grundsätzlich ist das Nichtanmelden einer Waffe, deren "Waffeneigenschaften" man erkannt hat nicht fahrlässig, sondern vorsätzlich.

    Insoweit sollte man hier genau zwischen den beiden "Irrtümern" im Strafrecht unterscheiden:

    Ein Irrtum über ein Merkmal des Tatbestandes ist als "Tatbestandsirrtum" und schließt eine Vorsatztat aus. Diese Irrtumsform liegt vor, wenn ein objektives Merkmal verkannt wird (Beispiel: Schusswaffe § 1 WaffenG, Merkmal (Schuss)Gegenstand, der Projektile verschießt und (waffe) bestimmungsgemäß dazu dienen Menschen zu verletzen oder Sportgeräte, welche sich aus solchen Gegenständen entwickelt haben und zur Verletzung geeignet sind). Wenn ein solches Merkmal nicht erkannt wird, liegt ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum vor. Also z.B. bei der Frage, handelt es sich um eine echte Waffe würde ein solcher vorliegen, wenn die Waffe irrig für eine Scheinwaffe (Schreckschusspistole) gehalten wird.

    Hiervon zu unterscheiden ist der "Subsumtionsirrtum" bei diesem werden die objektiven Merkmale korrekt erfasst, aber irrig angenommen, dass der Tatbestand gleichwohl nicht erfüllt wird. Beispiel: Die Annahme eine Pistole sei keine Schusswaffe, weil hierunter nur Gewehre fallen. Der Subsumtionsirrtum ist ein Unterfall des "Verbotsirrtums" (irrige Annahme, dass das was man macht nicht verboten ist) in dem es dann wie von Dir richtig erwähnt, auf die Vermeidbarkeit ankommt.

    Beim Irrtum muss man sich immer die Frage stellen, hat derjenige den Sachverhalt richtig erkannt und die Merkmale in der Laiensspäre richtig gewertet oder irrt er nur über die "Strafbarkeit" als solche.

    In deinem Fall der Vollstreckungsvereitelung dürfte der Vorsatz aus anderen Gründen scheitern. Die Vollstreckungsvereitelung setzt nämlich "Absicht" und damit eine bestimmte Vorsatzform voraus. Wer eine Frist gewährt in der Vorstellung, dass dieses den Ausgleich tatsächlich fördert, begeht keine zielgerichtete Vermögensschädigung und damit auch keine Vollstreckungsvereitelung. Nichts desto Trotz würde dies "Fahrlässig" sein. Dieses ist das außer Achtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt und das geschieht sehr sehr schnell.

    Ich gleube Dein Problem liegt darin, dass dur fälschlich davon ausgehst, dass ein Verstoß gegen das Waffengesetz nicht vorliegt, wenn man fälschlich meint, dass es sich nicht um eine Waffe handelt. Dieses ist indes nicht so, da auch hier i.R. nur ein Subsumtionsirrtum vorliegt.

  • Danke für die ausführliche Antwort....habs aber immer noch nicht wirklich verstanden mit dem
    Vorsatz und nicht Vorsatz, Verbotsirrtum und nicht Verbotsirrtum. Hab das Gefühl, dass durch den
    vermeidbaren Verbotsirrtum fast alles Vorsatz ist und wir auf einem Pulverfass sitzen, wenn wir
    eine Verordnung nicht kennen zivil- bzw. strafrechtlich.

  • Das ist auch der Sinn dahinter: Keiner soll sich damit herausreden können, dass er es nicht gewusst habe. Falls das Ergebnis dann ein bisschen zu hart erscheint, kann die Strafe nach § 49 I StGB gemildert werden.

    @CDenker: Vollstreckungsvereitelung geht auch wissentlich. Zielgerichtetes Handeln ist daher nicht nötig.

  • @CDenker: Vollstreckungsvereitelung geht auch wissentlich. Zielgerichtetes Handeln ist daher nicht nötig.

    Kommt darauf an, wovon wir sprechen entweder von:
    § 288 StGB (Vereiteln der Zwangsvollstreckung): Wer bei einer ihm drohenden Zwangsvollstreckung in der Absicht, die Befriedigung der Gläubiger zu vereiteln, Bestandteile seines Vermögens veräußert oder beiseite schafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Verfolgung nur auf Strafantrag des Gläubigers.

    oder von

    § 258 II StGB Ebenso wird bestraft, wer absichtlich oder wissentlich die Vollstreckung einer gegen einen anderen gerichteten Strafe oder Maßnahme ganz oder zum Teil vereitelt.

    Irgendwie war ich geistig bei der zivilrechtlichen Zwangsvollstreckung.

    Beachtlich bleibt, dass aber auch der § 258 II StGB eine besondere Vorsatzform, nämlich den direkten Vorsatz (1. oder 2. Grades) verlangt und es insoweit nicht ausreicht, dass eine rechtswidrige Verzögerung billigend in Kauf genommen wird. Hierbei dürfte unter dem Begriff "Vereiteln" nicht jede Vollstreckungsverzögerung zu werten sein, sondern nur eine "rechtswidrige", so dass nach meiner unbedeutenden Ansicht, dass bloße Wissen, dass es zu einer Verzögrung kommt nicht ausreicht, wenn der Handelnde zugleich denkt, zu einer solchen Verzögerung gesetzlich befugt zu sein. Soweit man, diese Ansicht teilt, dass die Rechtswidrigkeit bereits Element des "Vereitelns" darstellt, ist der Irrtum hierüber ein Tatbestandsirrtum und kein bloßer Verbotsirrtum mehr.

    Einmal editiert, zuletzt von Storberg (16. Juli 2011 um 19:22)

  • Hallo,
    hatte vor einiger Zeit schon ein ähnliches Thema gestartet, aber mache mir nach wie vor noch einige Gedanken dazu.
    :gruebel:
    :mad:- Wenn man "unzuständigerweise!" etwas veranlasst (da man davon ausgeht, dazu befugt zu sein aus Unkenntnis eines §) würde man dann eine Vollstreckungsvereitelung begehen zB. Fristverlängerung hins. Zahlung eines Geldbetrages.
    Man verlängert, bleiben wir mal bei der Frist, die Frist bewusst, aber im Glauben dazu befugt zu sein.

    - Kann Unkenntnis eines § zu einer Straftat führen?
    z. B. geht man von einer falschen Rechtsmittelfrist aus, Urteil wird zu früh oder zu spät rechtskräftig. Wäre das Vollstreckungsvereitelung oder wg. der zu frühren Rechtskraft Freiheitsberaubung oder so?

    - Wie ist das bei Arbeitsüberlastung?
    z. B. wenn die Akte aus Arbeitsüberlastung relativ spät an die StA z. Vollstreckung gesandt wurde.

    Man macht ja nicht bewusst etwas falsch und gibt sich ja die größte Mühe alles korrekt zu erledigen...aber Fehler passieren ja nun mal....

    Dieser § beunruhigt mich ein wenig muss ich sagen.

    Vielen Dank für die Antworten. :)

  • Die meisten in Betracht kommenden Straftaten setzen Vorsatz voraus. Der Täter muss also die Tatbestandsverwirklichung wollen bzw. diese wenigstens voraussehen und sich damit abfinden. Wer sorgfältig und nach bestem Wissen und Gewissen arbeitet, kann meines Erachtens nicht vorsätzlich handeln.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Hatte ein neues Thema gestartet, weil ich die Überschrift meines damaligen Themas nicht ganz passend fand und nicht wusste, wie ich das hätte ändern können ;( Sorry!!!

    Gegs: Handelt es sich aber nicht dann um einen Verbotsirrtum? Ich arbeite sorgfältig und genau, aber kenne einen § nicht und verlängere evtl. unzuständigerweise die Zahlungsfrist für eine Geldstrafe. Ist dann die Vollstr.vereitelung erfüllt? Ich habe die Vollstreckung ja vereiteilt (auch bewusst) nur in der Annahme ich wäre dazu befugt.

    Danke schon einmal für die Antworten.

    Diesen Verbotsirrtum finde ich ganz schön schräg. Klar so kann sich nicht jeder rausreden mit "hab ich nicht gewusst". Allerdings so gut wie alles als "vermeidbaren Verbotsirrtum anzusehen ist doch krass. Wer holt schon rechtlichen Rat ein, wenn er sicher ist, korrekt gehandelt zu haben und gar nicht auf die Idee kommt einen Fehler gemacht zu haben bzw. evtl. zu machen? So läuft ja echt jeder Bürger ohne kriminelle Ernergie doch Gefahr mal vor dem Strafgericht zu stehen!

  • Wenn man "unzuständigerweise!" etwas veranlasst[,]... würde man dann eine Vollstreckungsvereitelung begehen[?]... Handelt es sich aber nicht dann um einen Verbotsirrtum?

    Da der Tatbestand auf ein anderes Gesetz verweist, das selbst nicht Strafgesetz ist, ist es umstritten, ob es sich um einen Tatbestands- oder um einen Verbotsirrtum handelt.

    Zitat

    Wie ist das bei Arbeitsüberlastung?

    Wenn alles getan wurde (Überstunden bei vorübergehender Überlastung; Rückstandsanzeigen), kann es jedenfalls keinen Schuldvorwurf geben.

  • Scheinbar lässt sich meine Frage so pauschal wohl leider nicht beantworten. Die Meinungen gehen ja ziemlich auseinander teilweise. Schade...langsam aber sicher, wird mir die Straf-/OWi-Abteilung ganz schön unheimlich...
    Also heiißt es wohl weiter bibbern und hoffentlich keine großen Fehler machen... Falls jemandem noch etwas einfällt...ich bin dankbar für jede Antwort und möchte mich natürlich auch jetzt schon bei allen bedanken!!!

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