Insolvenzanfechtung (gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO) bei gewährter Ratenzahlung

  • Hallo zusammen,

    vielleicht kann mir einer von Euch helfen...

    Neben dem Gesetz wird die Anfechtung auf die BGH-Entscheidung vom 14.10.2010 (IX ZR 16/10) gestützt.


    Zum Fall:
    Die Verurteilte (VU) wurde zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 TS zu 25,00 Euro am 04.01.2011 verurteilt. Das Urteil ist am selbigen Tage rechtskräftig geworden. Die Einleitung der Vollstreckung erfolgte am 26.01.2011, die Übersendung der Kostenrechung am 31.01.2011. Am 11.02.2011 beantragt die VU unter Übersendung der elekt. Lohnsteuerbescheinigung 2010, Kontoauszug für Jan./Feb. sowie Durchschrift eines Auftrages zur Limitrückführung. Am 15.02.2011 wurde dann durch mich eine Ratenzahlungsbewilligung in Höhe von mtl. 300,00 Euro ab 01.03.2011 erteilt. Am 18.02.2011 erschien die VU persönlich und bat um Reduzierung der Raten. Anhand eines ausgefüllten Formulars (Selbstauskunft) sowie Vorlage von Verdienstbescheinigungen wurde die Rate auf 120,00 Euro mtl. reduziert. Am 01.03. sowie 05.04.2011 gingen die jeweiligen Raten ein.
    Mit Schreiben vom 12.05.2011 teilt die Insolvenzverwalterin (IV) unter Beifügung des Eröffnungsbeschlusses mit, dass am 04.05.2011 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und ficht die Zahlung der zwei Raten an. Der Insolvenzantrag wurde am 22.02.2011 gestellt. (Eine weitere Zahlung ging am 03.05.2011 ein, so dass bei Bejahung der Anfechtung auch diese Rate darunter fallen würde.)

    Mit Schreiben vom 30.05.2011 teilte ich der IV mit, dass ich die Anfechtung nicht anerkenne und die Rückzahlung nicht veranlassen werde, weil
    a) die zitierte Entscheidung des BGH vom 14.10.2011 für den vorliegenden Fall nicht greift (eigenständiger Ratenzahungsantrag, Reduzierung der mtl. Rate, kein Hinweis, dass die VU beabsichtigt ein Antrag auf Eröffnung des Ins.verf. zu stellen)

    b) Vollstreckungsbehörde hatte keine Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit und angestrebten Ins.verf.

    c) Vollstreckungsbehörde hat kein besonderen Druck zur Durchsetzung der Zahlung auf die VU ausgeübt.

    Mit Schreiben vom 08.06.2011 hält die IV an der Anfechtung fest und fordert abermals zur Rückzahlung auf, weil die von mir dargestellten Argumente für die Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht greifen.

    Was meint Ihr dazu?

    Ich hoffe, Ihr könnt mir ein anderes Ergebnis mitteilen als das, dass ich die Rückzahlung veranlassen sollte. Dies vor dem Hintergrund, dass wenn die Zahlung, insbesondere bei einer gewährten Ratenzahlung (nicht einmal der Gesamtbetrag), der Insolvenzanfechtung unterliegt, ein herber Rückschlag für die Strafvollstreckung ist. Ich mag mir gar nicht ausmalen, was dann geschieht, wenn das "publik" wird.

    Vielen Dank

  • Also als regelmäßige Streiterin für Insolvenzanfechtung und das Gute auf der Welt, fasse ich meine Meinung mal wie folgt zusammen:

    1.) Das Urteil des Bundesgerichtshofs sagt, wie auch die ständige Rechtsprechung, dass Zahlungen innerhalb von Strafverfahren grundsätzlich der Insolvenzanfechtung unterliegen. Ein Privileg der Strafverfolgungsbehörden gibt es nicht und darf es auch nicht geben. Was dies für die Strafvollstreckung bedeutet :gruebel:.

    2.) Ob hier eine inkongruente Deckung, ähm Vollstreckungsdruck, vorliegt, darüber läßt sich trefflich streiten. Dagegen spricht, dass dem VU eine Ratenzahlung gewährt wurde, er damit keinem aktuellen Vollstreckungsdruck unterlag. Aber dem VU war natürlich auch bewußt, dass, wenn er nicht zahlt, Du zur Vollstreckung schreitest. Die Insolvenzverwalterin hat Recht, im Rahmen des § 131 InsO kommt es auf irgendwelche Kenntnisse des Gläubigers nicht an.

    3.) Ich gehe davon aus, dass Dir auch Tatsachen für die Zahlungsunfähigkeit des VU bekannt waren. Er hat im Rahmen der Ratenzahlungen ja "die Hosen vollständig runter gelassen". Auch spricht der Umstand, dass er die Ratenzahlungen reduziert werden sollten, für eine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit. Das heißt, wenn keine Anfechtung nach § 131 InsO, dann aber eine Anfechtung nach § 130 InsO.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Also mit § 131 InsO ist hier bislang noch kein IV durchgekommen, da die Tatbestände nicht bejaht werden - auch von unseren Vollstreckungs-STA. Selbst wenn der Begriff der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO wohl derart aufgeweicht ist, dass man da viel reinpacken kann, wird hier regelmäßig die Auffassung vertreten, dass die Möglichkeit einer ratenweisen Tilgung eben nicht für die Zahlungsunfähigkeit spricht.

    Mit § 130 InsO ist das schon etwas schwieriger, da es immer wieder vorkommen kann, dass sich aus der Akte was ergibt - z.B. in Wirtschaftssachen gern ein Antrag auf InsO-Eröffnung durch Krankenkassen. Aber eben auch nur bei positiver Kenntnis.
    Die Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen der Prüfung einer evtl. Genehmigung der Ratenzahlung ergibt nicht zwingend die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit. Vielmehr ist es so, dass die Ratenzahlung in der Höhe nach den wirtschaftlichen Verhältnissen und natürlich dem Grundsatz der beschleunigten und nachdrücklichen Strafvollstreckung (§ 2 StVollstrO) bestimmt wird - unter Beachtung aller (vom VU dargelegten) regelmäßigen monatlichen Verbindlichkeiten, die neben der Ratenzahlung auf die Strafe noch erfüllbar bleiben! Der VU bleibt mithin nach Ratenbewilligung weiterhin "voll" leistungsfähig, um alle Verbindlichkeiten zu bedienen. Dass es dann dazu kommen kann, dass die Ratenhöhe - im Rahmen des gesetzlich zulässigen - angepasst wird (in die eine oder anderer Richtung), spielt keine Rolle.

    Soweit ich mich erinnere, hatten wir hier bislang nur einen Fall, bei dem der IV Zahlungen auf die Strafe zurückerhalten hat. Allerdings war der Fall auch recht unglücklich gelaufen und unserer Staatsanwälte sind eingeknickt. Wir Rpfl. hätten standhaft eine Auszahlung abgelehnt und das Gericht bemüht.

  • Schenser meines Erachtens kommt es ganz darauf an, ob der VU lediglich um Ratenzahlung bittet oder - wie hier - weitere Umstände dazu kommen. Darüber hinaus muss man auch beachten, um welches Delikt es sich handelt. Beim Fahren ohne Führerschein dürften im Ermittlungsverfahren/Strafverfahren andere Tatsachen ermittelt werden, als beim Eingehungsbetrug. Ich kenne Fälle von Kollegen, wo der Bundesgerichtshof dem Verwalter mit dem Argument stattgegeben hat, dass aus den Ermittlungen die wirtschaftlichen Verhältnisse klar hervorgehen. Ergo: Es kommt auf den Einzelfall an.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Schenser meines Erachtens kommt es ganz darauf an, ob der VU lediglich um Ratenzahlung bittet oder - wie hier - weitere Umstände dazu kommen. Darüber hinaus muss man auch beachten, um welches Delikt es sich handelt. Beim Fahren ohne Führerschein dürften im Ermittlungsverfahren/Strafverfahren andere Tatsachen ermittelt werden, als beim Eingehungsbetrug. Ich kenne Fälle von Kollegen, wo der Bundesgerichtshof dem Verwalter mit dem Argument stattgegeben hat, dass aus den Ermittlungen die wirtschaftlichen Verhältnisse klar hervorgehen. Ergo: Es kommt auf den Einzelfall an.

    Sicher - jeder Fall ist Einzelfall. Deswegen von mir ja auch vorangestellt, dass es Fälle gibt, in denen man bei Vollstreckungseinleitung schon mehr oder weniger darauf gestoßen wird. Aber im Regelfall hat man keine Kenntnis. Und das hier gezeigt Prozedere, um zur Ratenzahlung zu kommen, ist der Regelfall. Wie sonst sollten wir denn zu einer Entscheidung bezüglich der Ratenzahlung kommen, ohne Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Dass dabei weitere Verbindlichkeiten zu Tage kommen ist normal und im Hinblick auf eine etwaige Ratenhöhe auch wichtig. Hieraus aber den Schluss zu ziehen, dass der VU zahlungsunfähig ist und die STA somit bösgläubig zu machen, ist m.E. etwas zu weitgehend. Die Ratenbewilligung ohne alles geht auch - nach Aktenlage - dann sind das drei/maximal vier Raten. Das könnte wieder zur Zahlungsunfähigkeit führen.

  • Vielen Dank für die hilfreichen Beiträge. Ganz besonders von Schenser. DANKE.

    Ich werde es wohl darauf ankommen lassen, weil ich in diesem Fall keinen außerordentlichen Vollstreckungsdruck für die VU bejahen kann. Sie hat eine Rechnung erhalten, Ratenzahlungsantrag sofort nach Erhalt der Rechung gestellt, der auch sofort gestattet und nach weiterem persönlichen Vortrag der VU die Ratenhöhe nochmals reduziert wurde. Bei einer Ratenzahlung von 120,00 Euro scheidet rein begrifflich für mich eine Zahlungsunfähigkeit schon aus. Gerade im Hinblick, wenn die VU vier Tage später den Eröffnungsantrag stellt.

    Wir werden sehen, wie es ausgehen mag bzw. ob die IV überhaupt den Anfechtung gerichtlich durchsetzt.

  • Gerade die Reduzierung der Ratenhöhe spricht schon für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit. Der Bundesgerichtshof sagt, dass Ratenzahlungsvereinbarungen, welche nicht eingehalten werden, ein Indiz für eine bestehende Zahlungsunfähigkeit sind.

    Würdest Du mir berichten, wie es weiter geht? Wäre schön.

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  • Gerade die Reduzierung der Ratenhöhe spricht schon für die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit. Der Bundesgerichtshof sagt, dass Ratenzahlungsvereinbarungen, welche nicht eingehalten werden, ein Indiz für eine bestehende Zahlungsunfähigkeit sind.

    Würdest Du mir berichten, wie es weiter geht? Wäre schön.

    Wenn sie nicht eingehalten werden, mag das zutreffend sein - hier geht es aber um Prüfung der Ratenbewilligung und soweit wie ich das überblicke, wurden die Raten auch ordnungsgemäß erbracht. Aber warten wir ab.

  • aber die Ratenhöhe musste gekürzt werden, dies ist aus Sicht des Verwalters/ meiner Sicht eine vergleichbare Situation

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  • aber die Ratenhöhe musste gekürzt werden, dies ist aus Sicht des Verwalters/ meiner Sicht eine vergleichbare Situation

    Wie du bereits eingangs bemerktest - da lässt sich trefflich streiten und es gehen die Meinungen auseinander. Bleibt abzuwarten, wie dieser Einzelfall ausgeht.

  • Wenn am 4.1. der Gesamtbetrag fällig war und am 11.2. mit Unterlagen (u.a. Limitrückführung/Disporückführung) um Ratenzahlung gebeten wird, was fehlt denn da am Anfechtungstatbestand?

    nix, aber auf mich hört doch keiner

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  • Wenn am 4.1. der Gesamtbetrag fällig war und am 11.2. mit Unterlagen (u.a. Limitrückführung/Disporückführung) um Ratenzahlung gebeten wird, was fehlt denn da am Anfechtungstatbestand?

    nix, aber auf mich hört doch keiner

    Nach dem strafvollstreckungsrechtlichen Prozedere wurde die Rechnung am 31.01.2011 gestellt - i.d.R. mit Zahlungsfrist von 2 Wochen. In der Rechnung wird - zumindest über Web.StA - ein Hinweis auf die Möglichkeit der Ratenzahlung und ggf. gemeinnützigen Arbeit erteilt. Der Ratenantrag war mithin in der Frist. Vom Gesamtbetrag - nämlich Strafe nebst Kosten - bekommt der VU ja erst Kenntnis mit der Rechnung. Insoweit geht - mal wieder der alte Streit um die Trennung der insolvenzrechtlichen sowie der strafvollstreckungsrechtlichen Sichtweise los. Allein die Kenntnis der Zahlungspflicht dem Grunde nach (und nur zur Höhe der Strafe) - nämlich mit Rechtskraft des Urteils - und der Tatsache, dass nicht gleich spätestens am 05.01.2011 gezahlt wurde, kann aus Vollstrecker-Sicht nicht genügen, dem VU Zahlungsunfähigkeit sowie der STA Kenntnis hiervon zu unterstellen und somit einen Anfechtungstatbestand zu begründen.

  • Leider wurde nicht berichtet, was da rausgekommen ist. Ich stelle deshalb mal meine beiden Probleme vor.
    1. Ich habe zum einen eine Insolvenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2. Die Geldstrafe, sowie die Kosten wurden 2017 bis 2018 bezahlt - allerdings die letzten Raten erst nach Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe, bzw. als die Polizei den Kostenschuldner verhaften wollte (also der klassische Fall der BGH-Entscheidung IX ZR 16/10). Insoantrag wurde am 06.04.2018 gestellt, so dass wohl die nach dem 06.01.2018 gezahlten Raten an den Insolvenzverwalter zurückzuerstatten sind.
    2. Hier werden Ratenzahlungen von 2020 behauptet - tatsächlich wurden sowohl Geldstrafe, als auch die Gerichtskosten bereits 2019 komplett bezahlt. Der Insolvenzverwalter beruft sich hier auf § 133 InsO.

    Mir liegen beide Akten als Bezirksrevisorin vor. Mittlerweile ist mir bekannt, dass darüber der Staatsanwalt nach Vorbereitung durch den Rechtspfleger entscheidet. Mir wurden beide Akten mit den Schreiben der Insolvenzverwalter "z.w.Vw." vorgelegt.

    Einmal editiert, zuletzt von Desertmouse (8. Dezember 2021 um 11:05)

  • Leider wurde nicht berichtet, was da rausgekommen ist. Ich stelle deshalb mal meine beiden Probleme vor.
    1. Ich habe zum einen eine Insolvenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2. Die Geldstrafe, sowie die Kosten wurden 2017 bis 2018 bezahlt - allerdings die letzten Raten erst nach Anordnung der Ersatzfreiheitsstrafe, bzw. als die Polizei den Kostenschuldner verhaften wollte (also der klassische Fall der BGH-Entscheidung IX ZR 16/10). Insoantrag wurde am 06.04.2018 gestellt, so dass wohl die nach dem 06.01.2018 gezahlten Raten an den Insolvenzverwalter zurückzuerstatten sind.
    2. Hier werden Ratenzahlungen von 2020 behauptet - tatsächlich wurden sowohl Geldstrafe, als auch die Gerichtskosten bereits 2019 komplett bezahlt. Der Insolvenzverwalter beruft sich hier auf § 133 InsO.

    Mir liegen beide Akten als Bezirksrevisorin vor. Mittlerweile ist mir bekannt, dass darüber der Staatsanwalt nach Vorbereitung durch den Rechtspfleger entscheidet. Mir wurden beide Akten mit den Schreiben der Insolvenzverwalter "z.w.Vw." vorgelegt.

    Und was ist hier die Frage?

  • Ich nehme an, es sind zwei unterschiedliche Fälle?

    Zu 1: Die Anfechtung greift nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO für alles ab 06.01.2018, auch für Raten nach Verfahrenseröffnung.

    zu 2: Ist so nicht beurteilbar, da würde ich mehr Fakten benötigen. Wenn der Verwalter allerdings Zahlungen aus 2020 behauptet, obwohl 2019 alles bezahlt worden ist, kann man ihn abtropfen lassen und um Vorlage der Zahlungsnachweise bitten.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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