Umgang mit Schuldnern

  • Und ich kenne nach neun Jahren Insolvenzverwaltung auch die Schuldner, die sich mit Eröffnung des Verfahrens an nichts erinnern können, wenig bis gar nicht kooperativ sind, ein totales Anspruchsdenken haben etc. Und ich finde, irgendwie werden es immer mehr. Oder kann es sein, dass ich mit zunehmender Berufsdauer auch einfach nur radikalisiere.

    So´ne Trutsche hab ich grad hier:
    Regelinsolvenzverfahren, 41 Gläubiger. In der Gläubigerliste in der Gerichtsakte: Name (gern auch nur Kurzfassung wie Avon), Höhe der Forderung. Sonst nix. Keine Adressen, keine Aktenzeichen. Ich warte seit drei Tagen auf Unterstützung. Ich kann etwa 60 % vage im www ermitteln bzw. aus dem Bestand der Datenbank. Vertreter? Aktenzeichen? Nix. Totaler Gedächtnisschwund. :mad:

    "Da muss ich ja eine Nachtschicht einlegen, wenn ich da so´ne Liste erstellen soll." Ach neee..... :confused:

    Und ans Telefon geht man nach dem ersten telefonischen Kontakt nun auch nicht mehr. Ich fühle mich ein wenig veralbert. Verfahren eröffnet, Rest interessiert mich nicht. Da weiß ich jetzt schon, dass das eine ganz tolle Sache wird.

    Das führt mich zu der Frage, was wir machen können / sollen /müssen.

    Ich würde ja sagen: Schuldner auffordern, notfalls schrifltich, benötigte Unterlagen beizubringen mit zustellfähiger Anschrift. Es ist doch nicht unsere Aufgabe, die Angaben des Schuldners zu komplettieren? Wenn es mal ein, zwei Gläubiger sind, wo was fehlt - OK. Aber wenn nichts passt?

    Wie sehen die Insoverwalter das, wie sehen das unsere Rechtspfleger?

  • Für solche Fälle gibt es die Mitwirkungspflicht nach § 97 InsO, die ggf. auch mit eidesstattlicher Versicherung bis hin zur Aufhebung der Kostenstundung durchgesetzt werden kann.

    Der Schuldner hat die Pflicht die entsprechenden Daten beizubringen, tut er dies nicht, dann hat er mit Konsequenzen zu rechen.

    Ergo: Kurze Anzeige an das Gericht, dass der Schuldner seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkommt und abwarten.

    Ich zitier mich mal selber. :D

    Es ist sicherlich nicht eure Pflicht sämtliche Anschriften zu ermitteln. Klar, ihr hat die besseren Möglichkeiten dem Schuldner zu helfen, wenn ein paar Anschriften fehlen, aber es ist nicht eure Aufgabe sämtliche Anschriten zu ermitteln.

    Wie schon gesagt, wenn der Schuldner seiner Pflicht nicht nachkommt:

    Anzeige an das Gericht, dann wird dieses den Schuldner auffordern seinen Pflichten nachzukommen, tut er dies nicht, erfolgt Aufhebung der Kostenstundung.

  • Meine Frage, die mir seit Zugang der Akte durch den Kopf spukt: Hätte das Gericht die Schuldnerin nicht schon vor EÖ auffordern können/müssen, die Gläubigerliste zu komplettieren? Dass da nix in der Liste steht, ist offensichtlich. Ich weiß allerdings nicht, inwieweit hier seitens des Gerichts eine Verpflichtung besteht. Die Schuldnerin wurde lediglich zwei Mal aufgefordert, die Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen zu komplettieren.

  • Na ich zitiere mich auch mal: Manchmal ist man schon froh, wenn man von einem Schuldner wenigstens irgendwelche Belege (im Wäschekorb) erhält. Da kann man dann weiter recherchieren. Denn manchmal weiß man, dass jeder weitere Versuch, Infos zu erlangen, umsonst ist. Der Schuldner ist am Ende seiner Fähigkeiten. Wie neulich ein Schuldner, der aufgrund sehr sehr rudimentärer Deutschkenntnisse meine Fragen, die ich auf 100 verschiedene Weise gestellt habe, einfach nicht verstanden habe. Was natürlich auch bei dt. Schuldnern passieren kann. Oder die schöne Aussage, Finanzamt hat mich zur Zahlung unter Druck gesetzt. Zahlungen von zirka EUR 60.000. Und dann versucht man den Sachverhalt zu rekonstruieren. Und man kann Gift nehmen, dass die professionellen Anfechtungsgegner mit null Infos rüberkommen. Da helfen auch keine Zwangsmaßnahmen des Gerichts.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Meine Frage, die mir seit Zugang der Akte durch den Kopf spukt: Hätte das Gericht die Schuldnerin nicht schon vor EÖ auffordern können/müssen, die Gläubigerliste zu komplettieren? Dass da nix in der Liste steht, ist offensichtlich. Ich weiß allerdings nicht, inwieweit hier seitens des Gerichts eine Verpflichtung besteht. Die Schuldnerin wurde lediglich zwei Mal aufgefordert, die Angaben zu ihren Vermögensverhältnissen zu komplettieren.

    Dazu ist der Schuldner nach § 20 InsO verpflichtet. Warum und wieso die Anschrfiten fehlen müsste man aus der Akten ersehen können.

  • Warum und wieso die Anschrfiten fehlen müsste man aus der Akten ersehen können.

    Nö, die Liste wurde wohl als ausreichend angesehen. Oder es wurde übersehen, dass da sonst nichts Erhellendes drinsteht. Wie gesagt, sie wurde ja zwei Mal angeschrieben, ihre Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu vervollständigen.

    Dann warte ich mal auf meinen Wäschekorb. :cool:

  • Oder die schöne Aussage, Finanzamt hat mich zur Zahlung unter Druck gesetzt. Zahlungen von zirka EUR 60.000. Und dann versucht man den Sachverhalt zu rekonstruieren. Und man kann Gift nehmen, dass die professionellen Anfechtungsgegner mit null Infos rüberkommen. Da helfen auch keine Zwangsmaßnahmen des Gerichts.


    Grad bei FA & KK haben wir doch inzwischen recht gute Karten, seitdem die Verwaltungsgerichte dankenswerterweise die aus unerfindlichen Gründen so zurückhaltende Rechtsprechung der Finanzgerichte zu Auskunftsansprüchen (zuletzt etwa BFH v. 10.02.2011 - VII B 183/10) dadurch konterkarieren, daß sie für Klagen des IV nach dem IFG den Verwaltungsrechtsweg zulassen (OVG NRW v. 26.08.2009 - 8 E 1044/09) und dann auch noch in unserem Sinne entscheiden (BVerwG v. 09.11.2010 - 7 B 43/10 zu KK; OVG NRW v. 15.06.2011 - 8 A 1150/10 zum FA). Nach der letztgenannten Entscheidung bekomme ich vom FA ohne weiteres einen Kontoauszug.

  • IFG ist in meinem Bundesland nicht umgesetzt, deshalb dürften Auskunftsansprüche von der Finanzverwaltung und im Land implementierten Krankenkassen hier nicht zu erhalten sein. Aber danke für den Tip. Ich habe jetzt bezüglich zivilrechtlicher Auskunftsansprüche gegen die Finanzverwaltung neulich vor dem Landgericht Regensburg in einer PKH-Entscheidung einen ersten kleinen Sieg errungen. Nichts ist unmöglich.

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  • Ich bekomme heute einen Anruf eines Schuldners in der Wohlfühlphase. Die Dame beim Jobcenter habe gesagt: Wenn er wieder Einkommen aus einem Arbeitsverhältnis habe, bräuchte er ein P-Konto! Er müsse sich eine Bescheinigung von seinem Insolvenzverwalter holen, damit er ein P-Konto eröffnen kann.

    Auf meine Nachfragen erklärte der Schuldner, dass er sich bei Zeitarbeitsfirmen beworben habe und er davon ausginge, dass er also mindestens 1000 € netto verdienen würde, wenn nicht noch viel mehr. :confused: Und seine Betreuerin beim Jobcenter habe gesagt, dass alles, was über 985 € läge, pfändbar sei und sofort vom Konto abgezogen werde, wenn er kein P-Konto habe. :gruebel:

    Ihr könnt euch sicher vorstellen, dass das Telefonat doch etwas länger wurde.

  • also im anfechtungsrelevanten Bereich kann auch das Insolvenzgericht (Amtsverfahren !) durchaus mal Vernehmungstermine durchführen. Ob sich der Vollstreckungsbeamte da auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen darf (nach § 384 ZPO) erscheint fraglich. Was natürlich erforderlich ist, dass sich das Insolvenzgericht um die beamtenrechtliche Aussagegenehmigung bemüht (wir sind ja nicht im Parteiprozess !). Diese kann z.B. die Finanzverwaltung aber nicht mit Hinweis auf das Steuergeheimnis verweigern, da es nicht um Besteuerung oder Grundlagen der Besteuerung geht, sondern nur um Zahlungen :D
    Oki, diesen Hauch der gerichtlichen Möglichkeiten in die offenbar z.T. verstaubten Amststuben deutscher Insolvenzgerichte hineinzubringen, könnte ja Verwalter unbeliebt machen.....
    aber das ist eine ander geschichte (moustache in billy wilders irma la douce)....

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Also unsere Insolvenzrichter stärken uns im Fall renitenter Gerichtsvollzieher schon prima den Rücken; gegenüber der Finanzverwaltung habe ich es noch nicht probiert. Aber da gibt es teilweise auch andere Mittelchen.

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  • Diese kann z.B. die Finanzverwaltung aber nicht mit Hinweis auf das Steuergeheimnis verweigern, da es nicht um Besteuerung oder Grundlagen der Besteuerung geht, sondern nur um Zahlungen :D



    Zahlungen im Steuererhebungsverfahren sind aber selbstverständlich auch vom Steuergeheimnis mit umfasst. Allerdings könnte der "Betroffene" gem. § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO der Offenbarung zustimmen. Bleibt die Frage, was der Finanzbeamte dort überhaupt aussagen soll. Ich könnte mich jedenfalls nicht an nennenswerte Details von einem Fall (von 1000 Fällen) von vor 3 Jahren erinnern...

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Bleibt die Frage, was der Finanzbeamte dort überhaupt aussagen soll. Ich könnte mich jedenfalls nicht an nennenswerte Details von einem Fall (von 1000 Fällen) von vor 3 Jahren erinnern...


    Naja, als Zeuge kann und muß er vor der Vernehmung sein Gedächtnis aus Aufzeichnungen und Unterlagen auffrischen, oder?

  • Werde ich dort persönlich als Zeuge geladen vertrete ich dort nicht meine Behörde. Wegen allgemeinen Auskünften aus den Steuerakten möge man sich auf normalen Wege an den Leiter meiner Behörde wenden.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Werde ich dort persönlich als Zeuge geladen vertrete ich dort nicht meine Behörde. Wegen allgemeinen Auskünften aus den Steuerakten möge man sich auf normalen Wege an den Leiter meiner Behörde wenden.


    Hätte auch kein Prob einen Leiter vorzuladen :D

    Äh zu den Gerichtsvollziehern: mit einer auf den anfechtungsrelevanten Zeitraum beschränkte Anfrage habe ich bisher durchweg gute Erfahrungen gemacht. Was nicht wirklich funktionieren kann, sind pauschale Anfragen und auch noch ohne Anlass, wann gegen den Schuldner vollstreckt wurde.

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  • Den Leiter als Zeugen vorzuladen dürfte jedenfalls gar nichts bringen. Der hat bestimmt nichts Relevantes mitzuteilen.

    Zeugen kann man fragen, was sie selbst wahrgenommen haben und an was sie sich noch erinnern. Die Zeugenvernehmung dient aber bestimmt nicht der mittelbaren Akteneinsicht, indem sich der Zeuge vorab umfangreich in die Aktenlage einlesen muss um dann im Zeugenstand das gerade Gelesene vorzutragen...

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  • Hm, aber wenn wir schon über § 4 InsO in der Zivilprozeßordnung sind, dann gilt auch

    Zitat von BGH v. 05.07.1993 - II ZR 234/92

    Liegen die Vorgänge, über die der Zeuge zu berichten hat, zum Zeitpunkt seiner Aussage sechs Jahre zurück, so hat das Gericht gemäß ZPO § 378 anzuordnen, daß der Zeuge Aufzeichnungen und andere Unterlagen einzusehen hat; der Zeuge hat die Pflicht, seine Aussage vorzubereiten.

  • mit einer auf den anfechtungsrelevanten Zeitraum beschränkte Anfrage habe ich bisher durchweg gute Erfahrungen gemacht. Was nicht wirklich funktionieren kann, sind pauschale Anfragen und auch noch ohne Anlass, wann gegen den Schuldner vollstreckt wurde.

    Also auf die Anfechtung weise ich Gerichtsvollzieher nicht hin, weil das wissen sie. Sie sprechen einen auch schon oft darauf an, dass doch der Gläubiger wieder alles abgeben muss usw. Meine Anfragen schränke ich zeitlich nicht ein, weil doch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch (Raten-)Zahlungen außerhalb von § 131 InsO anfechtbar sein können. Bei den meisten Gerichtsvollziehern bekommt man einen Ausdruck aus der EDV (ganz prima), den sie mit wenig Aufwand aus ihren Maschinen lassen können. Wenn es ihnen zu viel wird, komme ich eben mal zur Akteneinsicht. Kein Thema. Unterhalte mich auch gern mit den GVs, weil die Storries über die Schuldner erzählen. Da hüpft das Herz des Anfechtungsexperten. Und dann haben wir noch ganz wenige GVs, die meinem Ansinnen einfach aus Sturheit nicht nachkommen. Da muss dann der Insolvenzrichter ran.

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  • Ich hänge mich jetzt einfach mal hier dran, weil es für mich einfach auch ein Problem im Umgang mit dem Schuldner ist:

    Ich habe in zwei verschiedenen Verfahren monatlich pfdb. EK in sagenhafter Höhe von 0,78 €. Bei einem Schuldner hatte ich schon ein Anderkonto, weil es vorher mehr war, dem habe ich mal so aus der Hüfte aufgetragen, ein mal im Jahr zu überweisen. 0,78 € für einen Dauerauftrag fand ich etwas fett. Da sind wir aber auch schon in der WVP.

    Jetzt hat eine Schuldnerin zu ihrer normalen Altersrente die große Witwenrente dazu bekommen (traurig, traurig) und ich habe wieder einen pfändbaren Betrag in der oben angegebenen irrsinnig hohen Summe. Ein Anderkonto habe ich nicht. Mir widerstrebt es auch, jetzt eines einzurichten und die Schuldnerin um monatliche Zahlung zu bitten. Das Verfahren wäre jetzt abschlussreif, sie hätte den Betrag seit August zahlen müssen. Ich habe aber erst jetzt den Rentenbescheid bekommen.

    Was nun? Was macht ihr denn so in solchen Fällen? Kann ich ein mal im Jahr an die LZK überweisen lassen? Was erzähle ich meinem Gericht im Schlussbericht? Pfändbarer Betrag ja, aber nicht eingezogen, Schuldnerin zahlt direkt? Zusammenrechnungsbeschluss und Offenlegung beim Rententräger ist mir - ehrlich gesagt - auch zu aufwendig für diese Summe. :gruebel:

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