Anfechtung der Annahme nach Erbscheinserteilung

  • the bishop:

    Ich denke, dass das von den Erben eingereichte Nachlassverzeichnis die angeblich zum Aktivnachlass gehörende Lebensversicherungssumme bereits enthielt (denn darauf bezog sich ja der Irrtum). Wenn sie aus dem Nachlass herausfällt, kommt es somit nicht zu einer Verminderung der Überschuldung auf 30.000 €, sondern zu einer Erhöhung der Überschuldung auf 120.000 €.

  • Wir reichen bei Übersendung des Nachlassverzeichnisses immer ein Merkblatt mit, darin steht unter anderem, dass Lebensversicherungen mit Berechtigtenbestimmung für den Fall des Todes nicht zum Nachlass zu rechnen sind. Aber wenn dies nicht so gehandhabt wird, ist für mich schon vorstellbar, dass die Erben erst jetzt die Überschuldung und damit den Anfechtungsgrund erkannt haben .... mit der Folge, wie Mel sie beschrieben hat...

  • Im vorliegenden Fall war der Nachlass aber auch ohne die besagte Lebensversicherungssumme überschuldet und die Erben hatten hiervon im Zeitpunkt der Erbschaftsannahme Kenntnis.

  • @juris2112 : Da wir gerade beim Thema sind : Wie verhält es sich mit der Wirksamkeit der Anfechtung, wenn die annehmenden und später irrtumsanfechtenden Beteiligten zunächst von einer geringfügigen Überschuldung (z.B. < 1.000,- €) ausgegangen sind und sich der Nachlass später als erheblich überschuldet (z.B. 10.000,- €) herausstellt ?

    M.E. greift die Anfechtung dann nicht durch, da die Irrtumsgrenze i.S.v. § 119 II BGB doch wohl genau bei null Euro liegt (Überchuldung ./. Nichtüberschuldung) - oder sehe ich das zu engstirnig ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Ich denke, dass kommt auf den Einzelfall an.

    Nach meiner Erfahrung gibt es doch etliche Fälle, bei welchen die Erbschaft von nahen Angehörigen des Erblassers aus moralischen Erwägungen auch dann angenommen wird, wenn eine mehr oder weniger geringfügige Überschuldung des Nachlasses vorliegt. Man kann also nicht unbedingt sagen, dass die Erbschaft unabhängig vom Grad der Überschuldung in jedem Falle angenommen worden wäre. Da es sich beim Irrtum um einen subjektiven Umstand handelt, entscheidet hier die individuelle "Schmerzgrenze" des jeweiligen Annehmenden.

  • Die Lebensversicherungsgesellschaft hatte einen Erbschein als Nachweis über die Erbfolge verlangt, weil das Bezugsrecht "zugunsten der Erben der versicherten Person" lautete.

  • Aber dann macht die Anfechtung der Erbschaftsannahme im vorliegenden Fall doch überhaupt keinen Sinn!

    Denn wenn die Anfechtung durchgreift, entfällt rückwirkend (mit der Erbenstellung) auch die Bezugsberechtigung und die Erbprätendenten sind so weit wie vorher.

    Also von vorne bis hinten ein absolut sinnloses Unterfangen.

  • Die beratenden Anwälte haben sich auf Palandt, Anm. 2 zu § 330 BGB bezogen, wonach bei "Bezugsberechtigung der Erben" die Erben "iZw" den Anspruch auf die Versicherungssumme nicht kraft Erbrechts, sondern als Bezugsberechtigte erwerben sollen und dass diejenigen bezugsberechtigt sind, die im Falle des Todes zu Erben berufen sind, selbst wenn sie die Erbschaft ausschlagen! (Entscheidung des BGH, die ich aber nirgendwo gefunden habe)
    Mir geht das auch zu weit!

  • Die beratenden Anwälte haben sich auf Palandt, Anm. 2 zu § 330 BGB bezogen, wonach bei "Bezugsberechtigung der Erben" die Erben "iZw" den Anspruch auf die Versicherungssumme nicht kraft Erbrechts, sondern als Bezugsberechtigte erwerben sollen und dass diejenigen bezugsberechtigt sind, die im Falle des Todes zu Erben berufen sind, selbst wenn sie die Erbschaft ausschlagen! (Entscheidung des BGH, die ich aber nirgendwo gefunden habe)
    Mir geht das auch zu weit!



    Na die Entscheidung würde ich mal gerne lesen. Sobald die Erben ausgeschlagen haben sind sie ja doch nicht mehr zum Erben berufen! Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz?!?

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

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  • Die beteiligten Anwälte reflektieren offenbar auf die Norm des § 167 Abs.2 VVG, wonach im Zweifel die im Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers berufenen Erben bezugsberechtigt sind und eine Erbausschlagung auf dieses Bezugsrecht keinen Einfluss hat. Letzteres ist selbstverständlich, denn wenn die Versicherungssumme nicht zum Nachlass gehört, kann das entsprechende Bezugsrecht auch nicht durch eine Ausschlagung der Erbschaft beeinträchtigt werden.

    Hiervon zu unterscheiden ist aber die Frage, wem das Bezugsrecht nach dem Willen des Erblassers überhaupt zusteht und ob die Erbausschlagung dazu führt, dass die durch die Erbausschlagung nachrückenden "Erben" bezugsberechtigt sein sollen. Bei § 167 Abs.2 VVG handelt es sich nämlich lediglich um eine Auslegungsregel. Die Norm greift daher nur ein, wenn sich nicht feststellen lässt, wen der Erblasser im Rahmen des Bezugsrechts tatsächlich begünstigen wollte. Hierfür gibt es im vorliegenden Fall zwei Möglichkeiten. Entweder er wollte "die Erben" begünstigen, wobei das Bezugsrecht die Erbenstellung der Begünstigten voraussetzt (dann wäre die Ausschlagung nach #27 schädlich) oder er wollte nur die im Zeitpunkt seines Ablebens vorhandenen Erbprätendenten bedenken (dann wäre die Ausschlagung unschädlich), wobei dann an sich nicht zwischen gesetzlichen und testamentarischen Erbprätendenten unterschieden werden dürfte.

    Sei es wie es sei.

    Denn wenn die Erben einen Erbschein nur deshalb beantragen, weil sie ihre Bezugsberechtigung im Anwendungsbereich des § 167 Abs.2 VVG nachweisen wollen, so setzt diese Intention begrifflich voraus, dass die Lebensversicherungssumme nicht zum Nachlass gehören kann. Wenn ein nach der Auslegungsregel des § 167 Abs.2 VVG bezugsberechtigter Erbe die Erbschaft ausschlagen will, so liegt auf der Hand, dass ihm der Nachweis seiner Bezugsberechtigung durch Vorlage eines Erbscheins von vorneherein nicht zur Verfügung steht. Er ist vielmehr darauf verwiesen, die seine Bezugsberechtigung begründende Erbprätendentenstellung gegenüber dem Versicherer auf andere Weise nachzuweisen.

    Mit anderen Worten: Die annehmenden Erben wussten, dass der Nachlass mit oder ohne Lebensversicherungssumme überschuldet war und sie haben die Erbschaft gleichwohl angenommen. Der Irrtum, der darin liegt, dass der Nachweis ihrer Bezugsberechtigung durch einen Erbschein zu führen sei und dass sie die Erbschaft daher zunächst annehmen müssten, um sie nach Erteilung des Erbscheins im Wege der Anfechtung der Erbschaftsannahme wieder auszuschlagen, berechtigt nicht zur Anfechtung der Erbschaftsannahme. Denn die Erbschaftsannahme wurde gerade aufgrund der geschilderten Intention ohne Rücksicht auf die Höhe, Zusammensetzung oder Überschuldung des Nachlasses erklärt.

  • Na die Entscheidung würde ich mal gerne lesen. Sobald die Erben ausgeschlagen haben sind sie ja doch nicht mehr zum Erben berufen! Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz?!?



    Lt. Palandt, Anm. 2 zu § 330 BGB ist die Fundstelle: BGH 12, 232, 32, 47, 130, 381, Ffm NJW-RR 98, 795. Ich habe diese Entscheidung bislang nicht finden können.

  • Die genannten Entscheidungen (die erstgenannte: BGHZ 13, 232) sprechen nur aus, dass der Anspruch auf die Lebensversicherungssumme aufgrund des vereinbarten Bezugsrechts nicht in den Nachlass fällt. Das ist aber eine Selbstverständlichkeit und führt uns im vorliegenden Fall daher nicht weiter.

  • (...)
    Aus den genannten Gründen zwar ein Eigenschaftsirrtum i.S. des § 119 Abs.2 BGB vor. Dieser Irrtum war aber nach meiner Auffassung für die erfolgte Erbschaftsannahme nicht i.S. des § 119 Abs.1 BGB kausal, weil die Erbschaft trotz bestehender erheblicher Überschuldung angenommen wurde und nach Sachlage nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Erbschaft bei "erhöhter" Überschuldung nicht angenommen, sondern ausgeschlagen worden wäre.




    Das kommt aber immer auf den Einzelfall an. Im geschilderten Fall halte ich den Irrtum auch nicht für kausal für die Annahme.
    Es sind aber durchaus Fälle denkbar, dass jemand die Erbschaft in Kenntnis einer Überschuldung - z. B. aus persönlichen Gründen - annimmt, dies aber nicht getan hätte, wenn er von tatsächlich darüberhinaus bestehenden Schulden gewusst hätte.
    Ich schreibe dies nur, damit nicht jemand auf die Idee kommt, dass eine Annahme in Kenntnis einer Überschuldung eine Anfechtung grundsätzlich ausschließt.

    Oops. Ich hatte die Seite 2 des Threads übersehen! Asche auf mein Haupt!

  • Ich tendiere nach wie vor dazu, den Erbschein nicht einzuziehen!
    Es liegt aber kein Antrag auf Einziehung des Erbscheins vor.
    Meine nächste Frage ist daher: In welcher Form ziehe ich den Erbschein nicht ein? Beschluss oder Aktenvermerk, der den Erben zur Kenntnisnahme mitgeteilt wird (zugestellt oder einfaches Schreiben?)?
    :gruebel:

  • Für die Einziehung des Erbscheins ist kein Antrag erforderlich. Ein etwa gestellter Antrag hat die Wirkung einer Anregung.
    Die Einziehung erfolgt, wenn sich Zweifel an der Richtigkeit ergeben. Das ist v.A.w. zu ermitteln (§§ 2361 Abs. 3 BGB, 12 FGG), und zwar abschließend. (Palandt, BGB, Anm. 9 zu § 2361) Da sowohl gegen die Einziehung als auch gegen deren Ablehnung die Beschwerde zulässig ist (§ 19 FGG), hat beides in Form einer rechtsmittelfähigen Entscheidung, z. B. durch Beschluss, zu erfolgen.

  • Ich denke, dass kommt auf den Einzelfall an.

    Nach meiner Erfahrung gibt es doch etliche Fälle, bei welchen die Erbschaft von nahen Angehörigen des Erblassers aus moralischen Erwägungen auch dann angenommen wird, wenn eine mehr oder weniger geringfügige Überschuldung des Nachlasses vorliegt. Man kann also nicht unbedingt sagen, dass die Erbschaft unabhängig vom Grad der Überschuldung in jedem Falle angenommen worden wäre. Da es sich beim Irrtum um einen subjektiven Umstand handelt, entscheidet hier die individuelle "Schmerzgrenze" des jeweiligen Annehmenden.



    Na die Frage des "individuellen Irrtums" dürfte dann in einem - der Anfechtung nachfolgenden - Erbscheinsverfahren nur äußerst schwer zu beantworten sein ...

    in dubio pro reo = im Zweifel von der Wirksamkeit der Irrtumsanfechtung ausgehen, bis das Gegenteil bewiesen wird ?!

    Und was mache ich, wenn ich einen Erbschein vor Anfechtung erteilt habe ? Im Einziehungsverfahren müsste man ja m.E. umgehend die Wirksamkeit der Anfechtung prüfen oder soll man dann wegen "Zweifeln an der Richtigkeit" des Erbscheins vorsorglich einziehen (,wie unsere Richter verfahren), wenn die Anfechtung nicht - wie im obigen Sachverhalt offensichtlich unwirksam erscheint ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Die Einziehung des Erbscheins darf nur erfolgen, wenn das NachlG von seiner Unrichtigkeit überzeugt ist. Es muss sich insoweit in die Lage versetzen, als würde es den Erbschein erstmals erteilen und prüfen, ob es ihn wieder mit dem bisherigen Inhalt erteilen würde. Falls nein, ist er einzuziehen und falls ja, ist er nicht einzuziehen. Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Erbscheins (etwa die Überlegung, dass eine erklärte Anfechtung durchgreifen könnte), genügen für eine Einziehung nicht.

    Der Erlass eines Vorbescheides im Rahmen des Einziehungsverfahrens ist unzulässig. Es kann den Beteiligten aber durch einstweilige Anordnung die Rückgabe der erteilten Erbscheinsausfertigungen aufgegeben werden, bis die Ermittlungen im Hinblick auf eine evtl. veranlasste Erbscheinseinziehung abgeschlossen sind.

    Zu allem vgl. Palandt/Edenhofer § 2361 RdNrn. 9, 11 m.w.N.

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