Anfechtung der Annahme nach Erbscheinserteilung

  • Hallo!

    Vor drei Monaten habe ich einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge erteilt (Erblasser ist bereits 2004 verstorben). Erben sind A und B zu je 1/2 Anteil geworden.

    Nun kommt die Anfechtung der Annahme der Tochter B wegen Irrtums. Die Tochter hat den Erbscheinsantrag zwar nicht gestellt, aber von der Antragstellung nach eigenen Angaben gewusst.

    Begründung der Anfechtung ist, dass erst zum jetzigen Zeitpunkt festgestellt wurde, dass der Grundbesitz erheblich belastet ist.

    Haltet ihr die Anfechtung für wirksam? - dann müsste ich den Erbschein einziehen.

    Ich halte die Anfechtung eher nicht für wirksam. Zudem gibt es ja ein paar Möglichkeiten die Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Der Notar hat die Tochter auch schon darüber belehrt, dass ein Nachlassinsolvenzverfahren eingeleitet werden müsste.

    Frage: Erbschein einziehen oder Mitteilung an Notar, dass die Anfechtungserklärung für nicht wirksam angesehen wird?

    Noch eine Anmerkung: Eine falsche e.V. liegt m.E. nicht vor, da die Erbschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung von allen Erben angenommen war - oder sehr ihr das anders?

    Könnte der Administrator das Thema besser in "Anfechtung der Annahme nach Erbscheinserteilung" berichtigen?!

    Edit: Überschrift ist geändert
    Mel

  • Genau den gleichen Fall hatte ich gestern auch,( Tochter ficht an, weil angeblich nichts von der Erbenstellung wußte und nun im Grundbuch steht). Habe der Mutter rechtliches Gehör zur beabsichtigten Einziehung gewährt und sie aufgefordert die Ausfertigung des Erbscheins wieder zu Gericht zu reichen. Alles inn Kopie an das Grundbuchamt (zur Warnung vor evtl. Grundstücksverfügungen).
    Meines Erachtens müssen wir die gewählte Form (hier Anfechtung) akzeptieren, wenn sie halt keine NL-Inso will.

    Oder???:confused:

  • Die nach den §§ 1955, 1945 formbedürftige Anfechtung der ausdrücklich erklärten oder durch Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist gesetzlich fingierten Erbschaftsannahme wegen Eigenschaftsirrtums ist möglich, wenn und sobald der Erbe davon Kenntnis erlangt, dass der Nachlass verschuldet oder überschuldet ist und er die Erbschaft bei früherer Kenntnis der Sachlage nicht angenommen hätte (§§ 1954 Abs.2, 119 Abs.2 und Abs.1 BGB). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist vom NachlG nach § 2361 Abs.1 BGB unter Berücksichtigung des Sachvortrags des Anfechtenden von Amts wegen zu prüfen. Dass der Anfechtende alternativ die Möglichkeit hätte, seine Haftung auf den Nachlass zu beschränken, ist unerheblich.

    Wem der Erbteil des Anfechtenden bei wirksamer Anfechtung anfällt, ist erst im Anschluss an die Erbscheinseinziehung zu prüfen. Das sind in erster Linie die Abkömmlinge der Tochter und -falls nicht vorhanden oder wenn diese ausschlagen- in zweiter Linie der Sohn, der dann zum Alleinerben berufen ist, sofern er nicht selbst anficht und den ihm angefallenen zweiten Hälfteerbteil annimmt.

    Ob die Anfechtung im vorliegenden Fall durchgreift, kann aufgrund der vorliegenden Informationen nicht beurteilt werden. Trifft der Sachvortrag der Tochter zu, dürfte die Anfechtung wirksam sein.

  • Nachtrag:

    Der in #2 beschriebene Sachverhalt ist unter Umständen überhaupt kein Anfechtungsfall. Denn wenn es sich tatsächlich so verhalten hat, dass die Tochter vom Erbanfall überhaupt keine Kenntnis hatte, ist die erklärte Anfechtung in Wahrheit eine Erbausschlagung, weil die Ausschlagungsfrist mangels Kenntnis vom Erbanfall überhaupt noch nicht begonnen hatte. Im Ergebnis bleibt sich dies für die veranlasste Einziehung des erteilten Erbscheins allerdings gleich.



  • Die erst nachträglich festgestellte Überschuldung des Nachlasses ist doch gerade der klassische Fall für eine Anfechtung der Annahme der Erbschaft. M.E. kann man den Erben da nicht auf die Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung verweisen.
    Sofern die Erbin wirklich erst nach Annahme der Erbschaft von der Überschuldung erfahren hat und die Fristen gewahrt sind kann die Anfechtung durchaus greifen.

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

    Spendenaufruf

  • Tochter hatte wohl Kenntnis vom Anfall, dass sie Erbe geworden ist, ist aber außer dem Grundstück nur normaler Haushalt vorhanden und kein besonderes Vermögen. Alles wurde durch die Mutter in Besitz genommen, daher ging die Tochter davon aus, dass die Mutter somit insgesamt die alleinige reale Rechtsnachfolgerin ist und dies auch bzgl. des grundstückes so läuft, wenn sie keine Ansprüche geltend macht. Ducrh Notar auf die anderen Umstände hingewiesen worden. Deshalb hat sie ausgeschlagen und vorsichtshalber die evtl. Annahme, die sie aber gar nicht wollte, angfeochten. Daher Schluss für mich-Erbschein weist falsche Erben aus.
    Stimme juris also zu.

  • Zu #7:

    Der beurkundende Notar hat somit richtig gehandelt:

    Vorrangig Ausschlagung und lediglich hilfsweise Anfechtung der Annahme.

  • Im Fall von datwattWATT hat die Mutter allerdings eine falsche eidestattliche Versicherung abgegeben - somit müsste sie die Akte der Staatsanwaltschaft vorgelegt werden.

    Bezüglich meines Falls: Dann könnte jemand der einen Erbschein beantragt und auch bekommt nach Monaten noch wirksam die Anfechtung der Annahme erklären?!
    Das dürfte doch eigentlich nicht sein.

  • Bei mir ist es m.E. so, dass die Mutter gefragt wurde, ob alle Kinder vom Todesfall wissen und ob einer sich dagegen ausgesprochen hat-sprich ausgeschlagen hat. Die Tochter wusste auch dass sie wohl "Erbe" geworden ist, die Mutter hat alles an sich genommen (weiter genutzt wie bisher ) und sie hat keine Pflichten / Rechte aus dieser Position ersehen können. Vielleicht schreib ich mich jetzt um Kopf und Kragen, aber zur StA wollte ich dies eigentlich nicht geben.:cool:

  • Das würde ich auch nicht tun, weil nach Sachlage keine böse Absicht dahinter steht. Denn schließlich gereichte die Erteilung des einzuziehenden Erbscheins der antragstellenden Mutter aufgrund der Miterbenstellung der Tochter zum Nachteil und nicht zum Vorteil.

    Wenn die Tochter keine Kinder hat oder diese ebenfalls ausschlagen, kann allerdings der Fall eintreten, dass neben der Mutter nunmehr die Verwandten des Erblassers der zweiten Erbordnung zu gesetzlichen Miterben berufen sind. Ob die Beteiligten diese Rechtsfolge bedacht haben, wage ich eher zu bezweifeln.


  • Bezüglich meines Falls: Dann könnte jemand der einen Erbschein beantragt und auch bekommt nach Monaten noch wirksam die Anfechtung der Annahme erklären?!
    Das dürfte doch eigentlich nicht sein.



    Natürlich geht das. Da die Erben oftmals von den beteiligten Banken, Versicherungen etc. vor Vorlage des Erbscheines auch keine Auskunft bekommen, kann eine evtl. Überschuldung auch erst nach Erbscheinserteilung festgestellt werden. Die Überschuldung ist gerade bei Grund- oder Firmenvermögen nicht immer sofort festzustellen. Auch bei kleinen Nachlässen werden manche Forderungen erst später bekannt. Den Erben dann die lange Nase zu zeigen und zu sagen: Erbschein ist erteilt nun sieh zu wie Du klar kommst, kann ebensowenig sein. Dafür gibt es nunmal die Möglichkeit der Anfechtung.

    zu #12
    :zustimm:

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    (Mark Twain)

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  • Das ist nur teilweise zutreffend.

    Richtig ist, dass nach 30 Jahren keine Anfechtung mehr möglich ist (vgl. z.B. § 1954 Abs.4 BGB und § 2082 Abs.3 BGB). Ist der Erbschein aber von vorneherein objektiv unrichtig, weil bereits beim Erbfall vorliegende Umstände nicht berücksichtigt wurden, so muss er ggf. auch noch nach 40 oder 50 Jahren eingezogen werden. Zu denken ist hier etwa an die Fälle, bei welchen ein Testament des Erblassers erst nach Jahrzehnten auftaucht, bei welchen ein erklärter Erbverzicht unter den Tisch fiel, weil die erforderliche Standesamtsmitteilung versäumt wurde oder bei welchen sich nach Jahrzehnten Beteiligte melden, die aufgrund einer öffentlichen Aufforderung bei der Erbscheinserteilung nicht berücksichtigt wurden.

    Erbrecht verjährt nicht. Dies folgt aus der grundgesetzlichen Erbrechtsgarantie.

  • Ich habe ein ähnliches Problem:
    Im April 2005 habe ich einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt. 4 Tage nach Antragstellung - vor Erbscheinserteilung - ging das Nachlasswertverzeichnis, von allen Erben unterschrieben, ein, wonach eine eindeutige - m.E. erhebliche - Überschuldung vorlag (ca. 75.000,00 EUR). Im November 2006 fechten alle Erben die Annahme der Erbschaft an, weil sie bei Beantragung des Erbscheins nicht gewußt hätten, dass der Nachlass überschuldet war. Sie seien irrtümlich davon ausgegangen, dass die Lebensversicherung (45.000,00 EUR) zum Nachlass gehörte. Erst durch anwaltliche Information im Oktober 2006 wurden sie darauf hingewiesen, dass Lebensversicherungen nicht zum Nachlass gehörten. Es liege also ein Eigenschaftsirrtum vor, weil sie die Überschuldung nicht erkannt hätten.
    Meine Frage: Ist die Anfechtung wirksam?
    Eigentlich will ich den Erbschein nicht einziehen, da die Überschuldung ausweislich der Akten bereits im April 2005 vorlag.

  • Selbst wenn man die Begründung als richtig unterstellte (Lebensversicherung mit 45.000,- €), bliebe der Nachlass mit 30.000,- € (75.000,- € Schulden abzüglich 45.000,- € Lebensv.) überschuldet. Somit würde ich den Erbschein vorerst nicht einziehen und den Anfechtenden unter Einräumung einer Frist zur Stellungnahme bzw. zur weiteren Begründung der Anfechtung mitteilen, dass die Anfechtung aufgrund der vorg. Gründe nicht durchgreifen dürfte.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Der Irrtum über die Nachlasszugehörigkeit von Rechten und Verbindlichkeiten kann eine Anfechtung nach § 119 Abs.2 BGB begründen, wenn er beim Annehmenden zur unzutreffenden Vorstellung einer Nichtüberschuldung oder beim Ausschlagenden zur irrigen Vorstellung der Überschuldung geführt hat (KG Rpfleger 2004, 490 = FamRZ 2004, 1900 = NJW-RR 2004, 941 = ZEV 2004, 283). Dies gilt aber nicht, wenn die Annahme oder Ausschlagung ohne Rücksicht auf den Nachlasswert erfolgt ist (OLG Düsseldorf Rpfleger 2005, 28 = ZEV 2005, 255).

    Aus dem im Zusammenhang mit der Erbscheinsbeantragung eingereichten und von allen Miterben unterzeichneten Nachlassverzeichnis ergibt sich, dass der Nachlass auch im Fall der Nachlasszugehörigkeit der Lebensversicherungssumme überschuldet gewesen wäre, dass den Erben dies bekannt war und dass sie die Erbschaft gleichwohl angenommen haben. Die fehlende Nachlasszugehörigkeit der Lebensversicherungssumme hat im vorliegenden Fall somit lediglich dazu geführt, dass sich die ohnehin vorliegende Überschuldung des Nachlasses (75.000 €) noch weiter erhöht hat (auf 120.000 €).

    Aus den genannten Gründen zwar ein Eigenschaftsirrtum i.S. des § 119 Abs.2 BGB vor. Dieser Irrtum war aber nach meiner Auffassung für die erfolgte Erbschaftsannahme nicht i.S. des § 119 Abs.1 BGB kausal, weil die Erbschaft trotz bestehender erheblicher Überschuldung angenommen wurde und nach Sachlage nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Erbschaft bei "erhöhter" Überschuldung nicht angenommen, sondern ausgeschlagen worden wäre.

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