Zwangsvollstreckung während Wohlverhaltensphase

  • Hallo,

    ich hab folgendes Problem, zu dem ich leider nicht sehr viel weiß, da InsO nicht sehr geläufig.

    Zum Fall:

    - Es wird PfÜb erlassen, gepfändet wird der Anspruch auf Auszahlung des Guthabens bei einer Bank
    - 8 Monate später Eröffnung des Insolvenzverfahrens
    - Ende des Insolvenzverfahrens
    - Wohlverhaltensphase, die noch läuft

    Bisher hatte der Schuldner wohl nie Probleme an sein Geld zu kommen, jetzt auf einmal will die Bank eine Freigabe für das Konto. Der Treuhänder rät dem Schuldner Erinnerung gegen den PfÜb einzulegen.


    Über die Erinnerung muss ich nun entscheiden.


    Der Schuldner sagt, die Pfändung verstößt gegen § 294 Abs. 1 InsO und trägt dazu vor, dass das Guthaben auf seinem Konto jeden Monat neu entsteht und daher jeden Monat das Pfandrecht neu begründet wird. Dies würde gegen das Vollstreckungsverbot verstoßen.
    Würde man sich der Auffassung anschließen, wäre der Gläubiger doch auch bloßer Insolvenzgläubiger, so dass man Abhelfen müsste, oder?


    Der Gläubiger trägt vor, dass die Forderung zur Tabelle angemeldet wurde. Durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens würde der PfÜb der peremtorischen Einrede unterliegen (Meiner Meinung nach müsste es eine dilatorische Einrede sein). Es soll sich dabei also um eine Art Ruhendstellung handeln. Demnach kann also nicht während der Wohlverhaltensphase vollstreckt werden und die Einrede sei dem Drittschuldner gegenüber verpflichtend.


    HILFE HILFE? Hat jemand eine Entscheidung hierzu parat?

  • Offensichtlich ist der Gläubiger Insolvenzgläubiger. Die Wohlverhaltensphase läuft. Nach § 294 I InsO besteht Vollstreckungsverbot. Ich gehe davon aus, dass Restschuldbefreiung angekündigt wurde. Eine Forderung nach § 850 f II ZPO liegt hierwohl nicht vor. Erinnerung nach § 766 ZPO liegt vor.

    Das sind für mich ausreichend Gründe für Aufhebung.

    Ob zwischen den Beteiligten evtl. Ruhendstellung erklärt wurde, ist für mich unerheblich.

    Als Insolvenzgläubiger muss der Vollstreckungsgläubiger hier hoffen, dass aufgrund der Abtretung etwas für ihn rumkommt. Aber er kann sich nicht noch zusätzlich über eine Kontopfändung befriedigen.

  • Aufheben?

    Und was ist, wenn die RSB versagt wird?

    BGH Beschluss - IX ZB 217/08 - vom 24.03.2011

    Da ging es zwar um eine Rentenpfändung, aber ob man die Kontopfändung dann ganz aufheben kann?????

  • Während der Wohlverhaltensperiode nach § 294 Abs. 1 InsO sind Zwangsvollstreckungshandlungen der Insolvenzgläubiger unzulässig. Das Vollstreckungsverbot endet erst mit rechtskräftiger Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung (vgl. Uhlenbruck, InsO-Komm., 12. Aufl. § 294 Rdnr. 12). Das Vollstreckungsverbot während der Laufzeit der Abtretungserklärung gilt auch für Insolvenzgläubiger, die am Insolvenzverfahren nicht teilgenommen haben und die der Schuldner nicht in das Vermögensverzeichnis aufgenommen hat (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03).

    Wenn es keine schlechten Menschen gäbe, gäbe es keine guten Juristen.

    Charles Dickens (1812-70), engl. Schriftsteller

  • Zitat

    Müsste nach § 89 Abs. 3 InsO nicht eh das Insolvenzgericht zuständig sein?

    Für die Entscheidung (in analoger Anwendung des § 89 III) ja, für die Abhilfe ist aber noch das Vollstreckungsgericht zuständig.

    Zitat

    Während der Wohlverhaltensperiode nach § 294 Abs. 1 InsO sind Zwangsvollstreckungshandlungen der Insolvenzgläubiger unzulässig. Das Vollstreckungsverbot endet erst mit rechtskräftiger Erteilung oder Versagung der Restschuldbefreiung (vgl. Uhlenbruck, InsO-Komm., 12. Aufl. § 294 Rdnr. 12). Das Vollstreckungsverbot während der Laufzeit der Abtretungserklärung gilt auch für Insolvenzgläubiger, die am Insolvenzverfahren nicht teilgenommen haben und die der Schuldner nicht in das Vermögensverzeichnis aufgenommen hat (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 - IX ZB 288/03).

    :daumenrau:daumenrau

  • Da aus dem Titel nicht immer erkennbar ist, ob es sich um eine Insolvenzforderung handelt, schicke ich bei einem InsO-Verfahren immer den Antrag zurück an den Gl, soll der sich doch überlegen, ob er sich das antun will, denn auch für ihn wird beim Sch kaum etwas zu holen sein.

  • Da mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung zeitgleich das Insolvenzverfahren aufgehoben wird (§ 291 InsO), ist § 89 InsO nicht mehr anwendbar - es gilt in diesem Fall nun die Spezialvorschrift § 294 InsO, und diese gilt nach ihrem Wortlaut nur für Insolvenzgläubiger.

    Gleichwohl dürften die Neugläubiger, sofern es nicht um Unterhaltsforderungen oder welche aus unerlaubten Handlungen geht, kaum etwas erlangen können, da sämtliche pfändbaren Einkommens- bzw. Vermögensbestandteile abgetreten sind.

  • Da mit der Ankündigung der Restschuldbefreiung zeitgleich das Insolvenzverfahren aufgehoben wird (§ 291 InsO)

    Das Verfahren wird nicht zeitgleich aufgehoben, sondern erst nach Rechtskraft der Ankündigung.

    ist § 89 InsO nicht mehr anwendbar - es gilt in diesem Fall nun die Spezialvorschrift § 294 InsO, und diese gilt nach ihrem Wortlaut nur für Insolvenzgläubiger.

    Gleichwohl dürften die Neugläubiger, sofern es nicht um Unterhaltsforderungen oder welche aus unerlaubten Handlungen geht, kaum etwas erlangen können, da sämtliche pfändbaren Einkommens- bzw. Vermögensbestandteile abgetreten sind.


    Korrekt.

    Wenn es keine schlechten Menschen gäbe, gäbe es keine guten Juristen.

    Charles Dickens (1812-70), engl. Schriftsteller

  • Ich finde, dass wir bisher zu keiner richtigen Lösung gekommen sind, oder hab ich was übersehen?

    Also klar ist, dass § 294 InsO Anwednung findet, aber was ist mit der Frage, ob ich nun abhelfe oder nicht?

    Handelt es sich um einen bloßen Insolvenzgläubiger?

    Ich denke der Schuldner hat mit seiner Aussage Recht, dass das Pfandrecht jedes mal neu entsteht, wenn eine Gutschrift auf dem Konto erfolgt.

  • Aufheben?

    Und was ist, wenn die RSB versagt wird?

    BGH Beschluss - IX ZB 217/08 - vom 24.03.2011

    Da ging es zwar um eine Rentenpfändung, aber ob man die Kontopfändung dann ganz aufheben kann?????

    Ich finde auch, dass die Argumentation des BGH (auch für die Pfändung in Kontokorrentansprüche) nicht von der hand zu weisen ist
    Unter diesem Aspekte würde ich der Erinnerung nicht abhelfen und die Sache dem Inso-Richter zur Entscheidung vorlegen - die haben eh mehr Ahnung von Inso als ich!:teufel:

  • Der Gläubiger ist definitiv "bloßer" Insolvenzgläubiger. Wäre eine einstweilige Einstellung der ZV bis zur abschließenden Entscheidung über die Restschuldbefreiung möglich?

    Die Frage bleibt ja: Was passiert, wenn dem Schuldner die RSB nicht erteilt wird?

  • Wenn die Zwangsvollstreckung unzulässig ist, muss der PfÜB aufgehoben werden, da dann auch keinerlei Pfandrecht weiter bestehen darf. Und wenn die RSB doch nicht erteilt wird, müssen die Gläubiger eben erneut vollstrecken, anders kann es gar nicht sein.

  • Ich würde ja sagen, da haben die Gläubiger Pech gehabt, aber dann wird es wieder Kritik hageln. :teufel:

    Daher bleibt nur zu sagen, dass der Beitrag von Andy K. absolut stimmt und es selbstverständlich sehr bedauerlich ist, dass die Gläubiger sich dem Gesetz beugen müssen. :D

  • Aufheben? Und was ist, wenn die RSB versagt wird? BGH Beschluss - IX ZB 217/08 - vom 24.03.2011 Da ging es zwar um eine Rentenpfändung, aber ob man die Kontopfändung dann ganz aufheben kann?????

    Ich teile Covernas Meinung. Eine zwangsweise Aufhebung der Pfändung ist nach diesem BGH-Urteil m. E. nicht einfach so möglich.

  • Wenn man sich die BGH-Entscheidung anschaut, muss man zu dem Ergebnis kommen:

    Mit "Aufhebung des Insolvenzverfahrens" meint der BGH wohl die nach § 291 InsO (also am Beginn der Wohlverhaltsphase);
    Was er mit "Aussetzung der Pfändung" meint, ist mir allerdings nicht recht klar. Das Gesetz kennt die "Aufhebung" einer Pfändungsmaßnahme und die "(vorläufige) Einstellung einer Zwangsvollstreckungsmaßnahme mit oder ohne Sicherheitsleistung". Letzteres bedeutet nur, dass an den Gläubiger nichts auszukehren ist, der Schuldner aber die pfändbaren Positionen auch nicht bekommt. "Aufhebung" lehnt der BGH ja ab, und "Einstellung" würde bedeuten, dass der Gläubiger während der gesamten Wohlverhaltensphase die Beträge ansammeln muss, weil keiner der Parteien auszuzahlen ist, die Drittschuldner würden sich bedanken.
    "Aussetzung" entspricht wohl eher dem, was wir bisher bei den Kontopfändungen als "Ruhen" kannten, was aber die Banken überwiegend mittlerweile auch ablehnen.

    Also, zu 100%-ig schlau kann man aus der BGH-Entscheidung nicht werden, und die Drittschuldner werden es wohl auch nicht sein.

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