Erbschaft einzusetzen?

  • Bei einer Überprüfung nach § 120 IV ZPO teilt mir die PKH-Partei mit, dass sie derzeit kein Einkommen erhält, sondern von einer Erbschaft lebt. Die Erbschaft hatte sie am 22.09.2011 erhalten. Vorher hat sie Hartz-IV-Leistungen bezogen, die ihr dann wegen der Erbschaft gestrichen wurden. Mit der Erbschaft soll sie wohl bis April 2012 auskommen müssen und erhält danach wieder Sozialleistungen.
    Derzeit sind von der Erbschaft noch ca. 7.000 € vorhanden.

    Nun meine Frage: Hat sie die noch vorhandenen Erbschaft einzusetzen oder komme ich da mit Rücksicht auf den Bescheid des Jobcenters und der Tatsache, dass sie die nächsten Monate davon ihren Lebensunterhalt bestreiten soll nicht ran, d. h. ist das Jobcenter in diesem Fall sozusagen vorrangig?

  • Hat sie die noch vorhandenen Erbschaft einzusetzen oder komme ich da mit Rücksicht auf den Bescheid des Jobcenters und der Tatsache, dass sie die nächsten Monate davon ihren Lebensunterhalt bestreiten soll nicht ran, d. h. ist das Jobcenter in diesem Fall sozusagen vorrangig?

    a) Die Erbschaft ist vorhandenes Vermögen und daher einzusetzen.
    b) Es gibt keine Ränge. Die PKH ist zurückzuzahlen. Das Jobcenter muß wieder einspringen, wenn kein Geld mehr da ist.

  • Ich kann hier auch keine Nachrangigkeit der gerichtlichen Forderungen erkennen.

    Im Gegenteil müsste die Partei doch der Sozialbehörde bei Anfall der Erbschaft mitteilen, dass noch Ansprüche aus einem früheren Prozess bestehen, die die Erbschaft schmälern und dementsprechend bei der Berechnung des einzusetzenden Vermögens im Sinne des SGB II berücksichtigt werden müssen, oder? Ggf. ist dies nun nachzuholen oder bei erneuter Antragstellung beim jobcenter mitzuteilen. Der Nachweis lässt sich ja ohne Probleme führen.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Ich hatte auch mal einen solchen Fall und habe diesen mit dem zuständigen Sozialamt diskutiert; sie waren der Meinung, wer zuerst "die Hand auf der Erbschaft habe, dem stünde sie zu".

    Letztlich ist es am Ende zwar der gleiche große Topf, in den das Geld zurückfließt, aber ich habe es wie Noatalba gesehen und konnte dem damaligen Mitarbeiter überzeugend darlegen, warum die GK zu berücksichtigen sind (es war nach Abzug der GK noch immer ein ordentlicher Betrag für das Sozialamt übrig).

  • Gem. § 120 Abs. 4 S. 1 Halbs. 1 ZPO wird eine "wesentliche" Änderung der Verhältnisse verlangt. Wenn - wie hier - nach der Prognose der Sozialbehörde die PKH-Partei die Erbschaft pro rata temporis in Höhe des monatlichen Sozialsatzes bis zum Aufbrauchen des Vermögens zu einem bestimmten Datum verzehren soll, um dann wieder Sozialleistungen zu erhalten, liegt keine "wesentliche" Änderung vor.

  • Interessant, aber wo zieht man dann die Grenze zur "wesentlichen Verbesserung" ? Oder ist unerheblich, ob die Erbschaft für 2 Monate oder 2 Jahre reicht, Hauptsache nach deren Verbrauch ist wieder ein Sozialhilfeanspruch gegeben ? :gruebel:

  • Zunächst einmal die grundsätzliche Überlegung, dass im Rahmen des § 120 ZPO erworbenes Vermögen unstreitig nicht einzusetzen ist, wenn damit Vermögensgegenstände angeschafft werden, auf deren Verwertung die PKH-Partei nach §§ 115 ff. ZPO nicht verwiesen werden darf (vgl. Philippi, in: Zöller, Rn. 25 zu § 120 ZPO mit etlichen Beispielen). Wenn mit der Erbschaft lediglich auf Höhe des Sozialhilfesatzes der Lebensunterhalt bestritten wird und die Sozialbehörde sogar schon auf dieser Basis ausrechnet, dass das Erbe bis zum Tag X reicht, kann eigentlich schon deshalb nichts anderes gelten.

    Die Grenzziehung ist schwierig.

    Eine "wesentliche" Veränderung liegt vor, wenn die Verbesserung den wirtschaftlichen und sozialen Lebensstandard prägt und verändert. Nach dem hier geschilderten Sachverhalt fehlt es hieran.

    In anderen Fällen ist es eine Wertungssache. Von Wesentlichkeit würde ich ausgehen, wenn - anders als hier - nicht schon am Horizont der neue Sozialhilfeantrag winkt.

  • Wenn mit der Erbschaft lediglich auf Höhe des Sozialhilfesatzes der Lebensunterhalt bestritten wird und die Sozialbehörde sogar schon auf dieser Basis ausrechnet, dass das Erbe bis zum Tag X reicht, kann eigentlich schon deshalb nichts anderes gelten.

    Frage: Darf sie das überhaupt? Wenn die Partei nun von dem Erbe ein (angemessenes) Hausgrundstück erwirbt (welches ja grundsätzlich gem. § 12 Abs. 3 SGB II - neben anderen Vermögensgegenständen - nicht zu berücksichtigen wäre), kann dann die Behörde einwenden, die Leistungsbedürftigkeit sei quasi mutwillig herbeigeführt worden?

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Wenn mit der Erbschaft lediglich auf Höhe des Sozialhilfesatzes der Lebensunterhalt bestritten wird und die Sozialbehörde sogar schon auf dieser Basis ausrechnet, dass das Erbe bis zum Tag X reicht, kann eigentlich schon deshalb nichts anderes gelten.

    Frage: Darf sie das überhaupt?

    Natürlich, denn es fehlt ja so lange an der Bedürftigkeit. Das ist auch der Unterschied zum Hauserwerb. Wenn der Bedürftigte erbt und ein Haus kauft, bleibt er bedürftig mit Haus. Wenn der bedürftige erbt und seinen Lebensunterhalt davon bestreitet, ist er vorübergehend nicht bedürftig. Dieses "vorübergehend" ist mein Argument dafür, dass er zwar momentan keine Sozialleistung erhält, trotzdem aber keine wesentliche Veränderung gem. § 120 Abs. 4 ZPO vorliegt.

    Wenn die Partei nun von dem Erbe ein (angemessenes) Hausgrundstück erwirbt (welches ja grundsätzlich gem. § 12 Abs. 3 SGB II - neben anderen Vermögensgegenständen - nicht zu berücksichtigen wäre), kann dann die Behörde einwenden, die Leistungsbedürftigkeit sei quasi mutwillig herbeigeführt worden?

    Nein, der Schutz eines solchen Erwerbs ist ja ratio legis der Nichtanrechnensvorschriften. Der Staat stellt sich nicht schlechter: Wer z. B. Alg II und Wohngeld bekam, erbt und ein Haus kauft, bekommt immer noch Alg II, aber kein Wohngeld mehr.

  • Eine wesentliche Änderung ist eingetreten, die Partei hat nunmehr verwertbares Vermögen über dem Freibetrag. Das ist in jedem Fall wesentlich. Fraglich ist allein, ob der Bescheidung des JC den erhaltenen Betrag bis zum Tag X einzusetzen, gegen die Zumutbarkeit der Verwertung spricht. Dies wäre dann der Fall, wenn die Partei in Höhe der Rückzahlung keinen neuen Anspruch auf Sozialleistungen erwirbt, sprich, dass trotz Rückzahlung das JC später nicht zahlt. Und dazu :gruebel:.

    Soweit ich gelesen hab, ich lasse mich da auch gern belehren, gilt folgendes.

    Die Erbschaft ist, da nach Beginn des Leistungsbezuges erhalten, Einkommen und kein Vermögen. Insoweit ist dieses bis zum vollständigen Verbrauch, nicht nur zum Ende des Bewilligungsabschnitts, aufzuteilen.

    Soweit hieraus Verbindlichkeiten, gleich welcher Art, sogar im Wege der Zwangsvollstreckung, getilgt werden, außer Unterhalt, ist dies nicht zu berücksichtigen. Abzugsfähig sind nur Ausgaben nach §§ 11 ff. SGB II, vgl. BSG, 19.09.2008, B 14/7b AS 10/07 R.

    Daher ist die Verwertung nicht zumutbar.

    Aber, soweit die Partei, auch ohne Berücksichtigung der Erbschaft, nicht bedürftig ist, z.B. weil sie wieder arbéiten geht, ist die Zahlung zumutbar, denn dann gilt die Erbschaft bei einem neuen Antrag nicht als Einkommen, sondern Vermögen, dessen Verwertung, bei PKH-Rückzahlungsanordnung, nicht der Partei voirgeworfen werden kann.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Hat sie die noch vorhandenen Erbschaft einzusetzen oder komme ich da mit Rücksicht auf den Bescheid des Jobcenters und der Tatsache, dass sie die nächsten Monate davon ihren Lebensunterhalt bestreiten soll nicht ran, d. h. ist das Jobcenter in diesem Fall sozusagen vorrangig?


    a) Die Erbschaft ist vorhandenes Vermögen und daher einzusetzen.
    b) Es gibt keine Ränge. Die PKH ist zurückzuzahlen. Das Jobcenter muß wieder einspringen, wenn kein Geld mehr da ist.

    So habe ich mal verfahren und eine Einmalzahlung angeordet.
    OLG Celle hat mich bestätigt.

    Wir taumeln durch die Straßen, so als wären wir jung und schön.

  • Hat sie die noch vorhandenen Erbschaft einzusetzen oder komme ich da mit Rücksicht auf den Bescheid des Jobcenters und der Tatsache, dass sie die nächsten Monate davon ihren Lebensunterhalt bestreiten soll nicht ran, d. h. ist das Jobcenter in diesem Fall sozusagen vorrangig?

    a) Die Erbschaft ist vorhandenes Vermögen und daher einzusetzen.
    b) Es gibt keine Ränge. Die PKH ist zurückzuzahlen. Das Jobcenter muß wieder einspringen, wenn kein Geld mehr da ist.


    sehe ich auch so

  • Hat sie die noch vorhandenen Erbschaft einzusetzen oder komme ich da mit Rücksicht auf den Bescheid des Jobcenters und der Tatsache, dass sie die nächsten Monate davon ihren Lebensunterhalt bestreiten soll nicht ran, d. h. ist das Jobcenter in diesem Fall sozusagen vorrangig?


    a) Die Erbschaft ist vorhandenes Vermögen und daher einzusetzen.
    b) Es gibt keine Ränge. Die PKH ist zurückzuzahlen. Das Jobcenter muß wieder einspringen, wenn kein Geld mehr da ist.

    So habe ich mal verfahren und eine Einmalzahlung angeordet.
    OLG Celle hat mich bestätigt.


    Wurde die Entscheidung veröffentlicht?

  • Hat sie die noch vorhandenen Erbschaft einzusetzen oder komme ich da mit Rücksicht auf den Bescheid des Jobcenters und der Tatsache, dass sie die nächsten Monate davon ihren Lebensunterhalt bestreiten soll nicht ran, d. h. ist das Jobcenter in diesem Fall sozusagen vorrangig?


    a) Die Erbschaft ist vorhandenes Vermögen und daher einzusetzen.
    b) Es gibt keine Ränge. Die PKH ist zurückzuzahlen. Das Jobcenter muß wieder einspringen, wenn kein Geld mehr da ist.

    So habe ich mal verfahren und eine Einmalzahlung angeordet.
    OLG Celle hat mich bestätigt.


    bgf bestätigt Dich auch:strecker
    Ich versteh schon vom Ansatz nicht, warum das Vermögen nicht einzusetzen sein sollte; genau darauf wird Ast doch vom JC verwiesen.und wenn geld weg, dann neuer Antrag.

  • Der Ansatz ist, dass es sich eben sozialrechtlich um Einkommen, nicht Vermögen handelt und dessen Verbrauch eben nicht berücksichtigt wird, d.h. es gibt eben kein Geld in Höhe des Verbrauchs vom Amt, vgl. BSG, 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R. . Bsp.: 3.000,- EUR Erbschaft sind monatlich von Jan. - März 11 zu verwenden, es reicht aber nur bis Feb. da 1.000,- EUR an Kosten bezahlt wurden, gibt es für März 11 nichts vom Amt.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Der Ansatz ist, dass es sich eben sozialrechtlich um Einkommen, nicht Vermögen handelt und dessen Verbrauch eben nicht berücksichtigt wird, d.h. es gibt eben kein Geld in Höhe des Verbrauchs vom Amt, vgl. BSG, 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R. .


    tja, das ist das Problem, wenn man die Entscheidungen nicht liest, sondern nur unter bestimmten Stcihwörtern irgendwie speichert :strecker -der musste sein.
    Die obige Entscheidung ist mE überhaupt nicht einschlägig; hier ist niemand im Leistungsbezug; folglich gibt es auch keine Verpflichtung, Vermögen in der einen oder anderen Weise einzusetzen.
    By the way: jobcenter und Landeskasse ist ein- und dasselbe Portemonnaie; die Frage ist nicht so richtig von praktischer Auswirkung:strecker

  • hat sie Hartz-IV-Leistungen bezogen, die ihr dann wegen der Erbschaft gestrichen wurden. Mit der Erbschaft soll sie wohl bis April 2012 auskommen müssen und erhält danach wieder Sozialleistungen.

    Doch, die Partei ist ! im Leistungsbezug, also wie siehts denn nun aus? Und bitte nicht lästern, hatte schon geschrieben, dass ich mich auch gern belehren lassen, weil mangelndes Wissen!, gelesen habe ich die Entscheidungen und den Sachverhalt, wie immer, ob ich es richtig verstanden habe, das ! weiß ich nicht.

    Aus der Entscheidung:" Das Einkommen ist sowohl nach § 2 Abs 3 Satz 2 Alg II-V idF vom 20.10.2004, als auch nach § 2 Abs 3 Satz 3 Alg II-V idF vom 22.8.2005 (BGBl I 2499, gültig ab dem 1.10.2005) auf sich an den Bewilligungszeitraum anschließende Zeiträume zu verteilen. Der so genannte Verteilzeitraum wird weder durch den Ablauf eines Bewilligungszeitraums, noch durch die erneute Antragstellung begrenzt. Der Verteilzeitraum wird vielmehr nur dann unterbrochen, wenn für mindestens einen Monat die Hilfebedürftigkeit - ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme - entfällt...."

    Mit einem neuen Antrag dürfte es daher nicht getan sein.

    "Wenn aber nach der Antragstellung eine als Einkommen zu berücksichtigende einmalige Einnahme zugeflossen ist, die bei Aufhebung der Bewilligungsentscheidung oder Ende des Bewilligungsabschnitts noch nicht völlig verbraucht war, ändert die erneute Antragstellung allein den "Aggregatzustand" der Einnahme nicht. ..."

    "Einer bedarfsmindernden Berücksichtigung der Einkommensteuererstattung steht nicht entgegen, dass die Kläger die Steuererstattung zur Schuldentilgung verwendet haben. Im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden sind nicht vom Einkommen abzusetzen. Abgesehen davon, dass § 2 Abs 3 Satz 2 Alg II-V idF vom 20.10.2004 iVm § 11 Abs 2 SGB II abschließend regelt, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, bevor es der Aufteilung unterfällt, ist Einkommen zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen."

    Ach ja, wenn ich die Rückzahlung anordne, die Partei zahlt, aber dann insoweit kein Geld vom Amt bekommt, hat dies schon praktische Relevanz für die Partei.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

    2 Mal editiert, zuletzt von Wobder (10. November 2011 um 15:04)

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