Amtsärztliches Gutachten bei Räumungsschutz

  • Schuldner beantragte Räumungsschutz wegen Suizidgefahr und legte ärztliche Atteste vor.

    Ich hatte vor über 10 Jahren einmal einen Antrag nach §765a I ZPO, wo der Schuldner eine Mitteilung von seinem Hausarzt einreichte, dass die Räumung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners darstellt, Ich weiß aber nicht mehr ob es um Selbstmord ging.
    Ich hatte die Räumungsvollstreckung einstweilen mit folgender Auflage eingestellt:
    Der Schuldner hat bis zum _______ eine Bescheinigung des Sozialpsychiatrischen Dienstes, welche nicht vor dem _______ datiert, beim Vollstreckungsgericht einzureichen, aus der sich ergibt, ob und in welchem Maße eine Räumung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners darstellt. Sollte eine entsprechende Bescheinigung bis zum _________ hier nicht vorliegen, wird die Einstellung sofort aufgehoben.

    That Guy: "We are more like Germany, ambitious and misunderstood!"
    Amy: "Look, everyone wants to be like Germany."

  • Auflage im Einstellungsbeschluss:


    1. Dem Schuldner wird aufgegeben, sich von dem Sachverständigen ...... psychiatrisch begutachten zu lassen.



    Der / die Sachverständige wird insbesondere um die Beantwortung folgender Fragen gebeten:

    1. Besteht eine konkrete Suizidalität des o.g. Vollstreckungsschuldners?


    1. Bei positiver Beantwortung der Frage zu 1.: Steht die Suizidalität in unmittelbarem Zusammenhang mit der bevorstehenden Wohnungsräumung?


    1. Besteht aktuell die Gefahr, dass der Schuldner durch die Wohnungsräumung in einen Zustand der Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störung (§ 20 StGB) oder verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) gerät und in diesem Zustand erhebliche rechtswidrige Taten begeht?


    1. In welchem Zeitrahmen und durch welche Maßnahmen kann die Gefährdung zu b. und c. ggf. abgewendet werden?



    Innerhalb von 10 Tagen nach Zustellung ist dem Vollstreckungsgericht ein Nachweis darüber zu erbringen, dass der Kontakt zu dem Gutachter hergestellt und ein Termin zur Untersuchung vereinbart wurde.


    Den Beschluss habe ich mit Akten an den Gutachter übersandt.

  • Yup. Mache ich in der Regel auch. Die Gläubigerinteressen müssen ja auch irgendwie Berücksichtigung finden.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Wird das Verfahren nach Antrag des Gläubigers fortgesetzt.

    Lasst ja die Kinder viel lachen, sonst werden sie böse im Alter. Kinder, die viel lachen, kämpfen auf der Seite der Engel.
    Hrabanus Maurus


    Nach manchen Gesprächen mit einem Menschen hat man das Verlangen, eine Katze zu streicheln, einem Affen zuzunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen.
    Maxim Gorki



  • Ich möchte hier noch einmal einhaken:

    Ich habe in einer Sache v.A.w. ein Sachverständigengutachten eingeholt.

    Sch. steht unter Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt ist jedoch psych. krank. (paranoid)

    Der Gutachter hatte im Gutachten geschrieben, dass Sch. aufgrund der Erkrankung nicht in der Lage sei den Inhalt des Gutachtens adäquat zu verstehen.

    Aus verfahrensrechtlicher Sicht habe ich jedoch keine Möglichkeit gesehen, dass ich es nicht bekannt gebe... sodass ich das schriftliche Gutachten Gläubiger und Schuldner zur Kenntnis und eventuellen Stellungnahme geschickt habe.

    Laut Gutachten besteht keine Gefahr für Sch.

    Sch. schreibt mir nun auf das Gutachten hin mehrere Seiten wirre Ausführungen, schreibt jedoch, dass das Gutachten abgelehnt wird, als auch der Gutachter, da er mit dem Gläubiger unter einer Decke steckt.

    Wie gehe ich jetzt verfahrensrechtlich mit diesen Einwendungen, insbesonder die Ablehnung de Gutachtens selbst, sauber um?

  • Das ist der Grund, warum es Verfahrenspfleger gibt.

    Aber nicht in Vollstreckungsverfahren nach der ZPO.

    Wie gehe ich jetzt verfahrensrechtlich mit diesen Einwendungen, insbesonder die Ablehnung de Gutachtens selbst, sauber um?

    Du weist die Ablehnung des Gutachters nach §406 Abs. 4 ZPO als unbegründet zurück, weil der Schuldner keinen Ablehnungsgrund glaubhaft gemacht hat. Wenn sich der vorgebrachte Ablehnungsgrund nicht erst aus dem Gutachten ergibt ist die Ablehnung ggf. bereits nach §406 Abs. 2 S. 1 ZPO unzulässig.

    Ich würde erst nach Rechtskraft des Zurückweisungsbeschlusses in der Hauptsache entscheiden.

  • Ich habe gerade das gefunden:

    Ist der Schuldner prozessunfähig, ist die Vollstreckung aufzuschieben, bis ein gesetzlicher Vertreter oder ein Pfleger (§ 57 ZPO) bestellt ist. Hierauf hat das Vollstreckungsgericht hinzuwirken (§ 22a FamFG), notfalls muss ein Verfahrenspfleger bestellt werden vgl. BGH I ZB 73/09, ZMR 2012, 264; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard ZVR/Becker-Eberhard § 23 Rn. 26.

    (Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 15. Aufl. 2021, ZPO § 765a)

    Könnte ich eventuell nach § 22a FamFG versuchen zu einem Einwilligungsvorbehalt zu kommen?

    Ansonsten gilt ja § 53 ZPO (jetzt neu): Solange der Betreuer nicht erklärt, dass es das Verfahren führt gilt hinsichtlich der Prozessfähigkeit §§51,52 ZPO.

    Und ob d. Sch. tatsächlich prozessunfähig ist?!

    Wie verhält es sich hinsichtlich der Einwendungen betreffend des Gutachtens selbst?

    Die Ausführungen sind tatsächlich völlig wirr und kaum einzuordnen.

    Es wird jedoch vorgetragen es lägen Falschdiagnosen vor usw.

  • Zitat von BGH, 17.08.2011 - I ZB 73/09

    Nachdem dem Schuldner auf der Grundlage des im Zwangsvollstreckungsverfahren entsprechend anwendbaren § 57 ZPO (vgl. MünchKomm.
    ZPO/Lindacher, 3. Aufl., § 57 Rn. 5; Stein/Jonas/Bork aaO § 57 Rn. 1a) nunmehr eine Verfahrenspflegerin als gesetzliche Vertreterin zur Seite gestellt worden ist, ist das Hindernis der fehlenden Prozessfähigkeit auch für das weitere Zwangsvollstreckungsverfahren behoben.

    Das Beschwerdegericht wird nach der Zurückverweisung zu prüfen haben, ob die Verfahrenspflegerin den bislang nicht wirksam gestellten Vollstreckungsschutzantrag des Schuldners nachträglich - mit Rückwirkung (vgl. § 184 Abs. 1 BGB) - genehmigt oder zwischenzeitlich von neuem gestellt hat.

    Die Entscheidung irritiert mich ehrlich gesagt. Nach allem, was ich in Betreuungssachen regelmäßig gelesen habe, ist der Verfahrenspfleger gerade kein gesetzlicher Vertreter. Das war bisher Rechtsprechung und hat es nun sogar in den § 276 Abs. 3 S. 3 FamFG geschafft.


    Daher halte ich die Bestellung eines besonderen Vertreters nach § 57 ZPO bei einem prozessunfähigen Schuldner ohne gesetzlichen Vertreter für angebracht. Verfahrenspfleger sollte man diesen Vertreter, gerade im Hinblick auf den neuen § 276 FamFG, aber besser nicht nennen, da dies Missverständnissen Vorschub leistet.

  • Könnte ich eventuell nach § 22a FamFG versuchen zu einem Einwilligungsvorbehalt zu kommen?

    Versuchen kann man viel. Ich sehe hier nicht im Ansatz einen Grund für einen Einwilligungsvorbehalt. Welche erhebliche Gefahr für den Betreuten muss den abgewehrt werden.

    Ist der Schuldner prozessunfähig, ist die Vollstreckung aufzuschieben, bis ein gesetzlicher Vertreter oder ein Pfleger (§ 57 ZPO) bestellt ist

    Es gibt doch schon einen Betreuer. Oder reicht der Aufgabenkreis nicht?

    Und ob d. Sch. tatsächlich prozessunfähig ist?!

    Das können wir hier natürlich nicht beurteilen.

    Wenn der Schuldner prozessunfähig ist, dann kann er keine Verfahrenserklärungen abgeben und die Ablehnung wäre unwirksam. Dann wäre aber alles dem Betreuer zuzustellen. Ggf. wäre dann auch der Räumungsschutzantrag unwirksam.

    Wäre mir neu, dass Verfahrensgrundrechte im Vollstreckungsverfahren nicht gelten - BGH, 17.08.2011 - I ZB 73/09

    Da geht es um einen Prozesspfleger. Die dort auch vorgenommene Bezeichnung als Verfahrenspfleger war mir neu. Den gibt es für mich nur im FamFG und da sind die Voraussetzungen ja auch nicht identisch.
    Den Prozesspfleger hatte ich direkt ausgeschlossen. Die Voraussetzungen liegen ja evident nicht vor, weil es einen Betreuer gibt.

  • Schuldner selbst.

    Aber da kein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist und der Betreuer nach Übersendung auch nicht ins Verfahren eingetreten ist, ist der Antrag m.E. auch nach dem alten 53 ZPO zulässig.

    Das Gutachten selbst hat sich ja nicht mit der Geschäftsfähigkeit direkt befasst, sondern mit der Gesundheitsgefahr. Aufgrund der Erkrankungen und auch dem was vorgetragen wird bestehen m.E. jedoch erhebliche Zweifel an einer Prozessfähigkeit.

    Insoweit ein Betreuer bestellt ist, sehe ich auch keine Möglichkeit jetzt nach 57 ZPO jemanden zu bestellen.

    Und soweit der Betreuer nicht eintritt ist er -so verstehe ich 53 ZPO- auch nicht weiter zu beteiligen.

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