Amtsärztliches Gutachten bei Räumungsschutz

  • Ich habe folgendes Problem:

    Schuldner beantragte Räumungsschutz wegen Suizidgefahr und legte ärztliche Atteste vor.
    Daraufhin habe ich die Räumung einstweilen eingestellt, jedoch dem Schuldner auch die Auflage erteilt, bei einen Amtsarzt vorstellig zu werden, der über den Gesundheitszustand ein Gutachten erstellt, aus dem sich ergibt, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit und mit welchen konkreten Folgen suizidale Handlungen des Schuldners bei einer bevorstehenden Räumung vorliegen würden sowie über ihre Behandlungsfähigkeit und Mitteilung etwaiger Maßnahmen, durch die die Suizidgefahr bei einer Zwangsräumung abgewandt werden könnten.

    Bisher gab es diesbezüglich auch nie Probleme.

    Nun tritt der Schuldnervertreter an mich heran und meint, dass der Amtsarzt nur tätig wird, wenn er direkt durch das Gericht beauftragt werden würde.
    Im Übrigen wird angefragt, wer die Kosten für das Gutachten übernimmt, da der Schuldner Leistungen nach dem SGB II erhält und ihm für den Räumungsschutzantrag PKH gewährt wurde.

    Kann mir da jemand Auskunft geben.

    Danke


  • Bei den Kosten handelt es sich um solche des Verfahrens, insofern wird der Amtsarzt zunächts aus der Staatskasse bezahlt.

    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit,

    aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher -Albert Einstein-

  • Danke, aber wie setze ich diese Erkenntnis jetzt in die Praxis um (ist mein erster Fall). Beauftrage ich jetzt den Amtsarzt und bitte um Übersendung der Kosten?

  • Ich habe hier in einem ähnlichen Fall den Antrag mit Attest als Grundlage für eine Btreuungsanregung genommen.
    In diesem Verfahren wird dann ein Gutachten erstellt.

    Verliere immer den ganzen Verstand - ein halber verwirrt nur! :grin:

  • Hinsichtlich der Kosten frag´mal bei den Kollegen aus der Betreuung. Die können dir sagen wie das gehandhabt wird.
    Würde bei sowas immer im Beschlusswege anordnen und eine Ausfertigung dem Gesundheitsamt zustellen

  • Es ist ein Beweisbeschluss zu erlassen. Formulierung in etwa:

    Zitat

    Es soll Beweis erhoben werden über die Behauptung des Antragstellers, er sei durch eine Räumung der Wohnung unter der im Rubrum benannten Anschrift suizidgefährdet durch Einholung eines Sachverständigengutachtens der/des Dr. X, c/o Gesundheitsamt Y-Stadt. Der/die Sachverständige wird gebeten, auch darauf einzugehen, ob und welche Möglichkeiten hinsichtlich einer Behandlung der Suizidgefährdung sowie Maßnahmen zur Abwendung der Suizidgefährdung bei Durchführung der Zwangsräumung bestehen.

    Bei Formulierungsschwierigkeiten am besten einen Zivilrichter des Vertrauens befragen. ;)

    Die Rechnung kommt mit dem Gutachten und wird dann aus der Staatskasse angewiesen.

    Ein Betreuungsgutachten halte ich schon inhaltlich nur bedingt für verwertbar, da die Zielsetzung eine andere ist (Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB vs. Frage der Suizidgefahr bei Zwangsräumung). Überdies ist es m.E. auch ein prozessuales Problem, ein Gutachten aus einem anderen Verfahren einzuführen. Im Zweifel, ohne das jetzt nachgelesen zu haben, wird dafür wahrscheinlich die Zustimmung beider Parteien benötigt.

  • Betreuungsgutachten sind für den Räumungsschutz nicht verwendbar. Amtsärzte würde ich wegen fehlendem Fachwissen generell nicht zu Rate ziehen.Wir haben zuletzt ein umfangreiches Gutachten bei einem Facharzt in Auftrag gegeben. Das Gutachten wird komplett den Anforderungen der Rechtsprechung und unseren Fragen gerecht. Aber wie auch in vielen anderen Fällen ist das Gutachten wenig hilfreich. Denn zusammengefasst sagt es aus: Armer Mensch, Krankheit liegt vor, jedoch derzeit keine Gefahr. Aber wenn es zur Räumung kommt, ist eine Kurzschlusshandlung vor, während oder nach dem Temin nicht ausgeschlossen.
    Aber das ist nicht mein Problem. Für mich steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen ich das Gutachten dem Gläubiger zugänglich machen kann. Geschätzte Kollegen: Wie handhaben Sie das? Holen Sie sich die Zustimmung des Schuldners und übersenden dann das ganze Gutachten an den Gläubiger (demzufolge keine Zustimmung --> kein Gutachten für den Gläubiger). Oder geben Sie unabhängig vom Schuldner dem Gläubiger nur die Antworten des Sachverständigen auf die gerichtlichen Fragen bekannt? Im welchem Umfang gehen Sie in Ihrer Entscheidung auf die gutachterlichen Feststellungen ein? Nehmen Sie die Diagnose, Therapie ... detailliert in die Begründung auf?

  • Wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des § 765a ZPO ein fachärztliches Gutachten m Wege der Beweisaufnahme eingeholt wird, ist dies der Gegenseite zugänglich zu machen. Wünscht der Schuldner dies nicht, kann er insoweit nicht mit seinem Vortrag gehört werden. Die Beweismittel sind den Parteien zugänglich zu machen, Geheimverfahren sind nicht zulässig.

  • Betreuungsgutachten sind für den Räumungsschutz nicht verwendbar. Amtsärzte würde ich wegen fehlendem Fachwissen generell nicht zu Rate ziehen.....


    1. Weshalb sollten Betreuungsgutachten nicht verwendbar sein? :gruebel: Diese enthalten Aussagen zur (psychischen) Erkrankung und teils auch zur (allgemeinen) Suizidgefahr beim Betroffenen.

    2. Amtsärzte sind in Unterbringungsverfahren nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften (PsychKG) involviert. Daher gehe ich davon aus, dass bei diesen auch Kenntnisse zu psychischen Ausnahmesituationen von Menschen vorliegen. Weshalb sprichst du Amtsärzten die Eignung ab?

  • Erfahrungen mit Amtsärzten im Zusammenhang mit Unterbringungen.
    Betreuungsgutachten müssen zu ganz anderen Fragen auskunftsfähig sein, werden meist vor einem ganz anderen Hintergrund erstellt. Sie sind, so ist meine Erfahrung, bei weitem nicht so aussagekräftig wie die Gutachten im Räumungsschutz.Betreuungsgutachten beschäftigen sich zwar auch mit den Lebensumständendes Betroffenen, mit dessen Gesundheitszustand und dessen Geschäftsfähigkeit.Sie geben Auskunft zu Hilfsmöglichkeiten und bestehenden Handlungsbedarf. Mit den konkretenFolgen einer Räumung, mit der Frage nach dem möglichen Verhalten desBetroffenen bei der Räumung beschäftigt sich so ein Gutachten nicht. Es kannauch nicht zur Frage Auskunft geben, ob sich eventuelle bestehende Erkrankungendurch die Räumung verschlechtern. Und wenn ein Betreuungsgutachten sichtatsächlich zur Frage der Suizidalität äußert, dann stellt sich doch imRäumungsschutzverfahren immer die Frage, ob sich seit der Begutachtung etwas geänderthat.

  • 2. Amtsärzte sind in Unterbringungsverfahren nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften (PsychKG) involviert. Daher gehe ich davon aus, dass bei diesen auch Kenntnisse zu psychischen Ausnahmesituationen von Menschen vorliegen. Weshalb sprichst du Amtsärzten die Eignung ab?

    Auch wenn ich da schon lange raus bin, kann ich mich noch erinnern, dass ich vor Jahren in einem Verfahren nach § 765a ZPO vorbereitend beim Gesundheitsamt nach der Benennung eines Sachverständigen angefragt hatte. Die Antwort lautete, dass keine Gutachten in Räumungsschutzverfahren erstellt werden, es wurden 2-3 andere externe Ärzte benannt.

    Ich kann mir das nur so vorstellen, dass Begutachtungen nach dem PsychKG mit einer sich dann akut mehr oder minder manifestierenden Ausnahmesituation, bei der letztlich "nur" über Unterbringung ja oder nein entschieden werden muss, nicht vergleichbar sind mit einem Gutachten in einem Räumungsschutzverfahren, bei dem letztlich umfangreiche Prognosen angestellt werden müssen, wie der Schuldner sich verhalten könnte und was auch therapeutisch unternommen werden muss.

  • Könntet ihr euch Fremdgefährdung wegen Räumung als Grund für Vollstreckungsschutz vorstellen? Finde bisher nichts.
    Aus der Räumung resultiert Frustration, die letztlich (wieder!) in eine Vergewaltigung münden könnte.
    Die Führungsaufsicht allein wird diese nicht verhindern können, fürchte ich.

  • Könntet ihr euch Fremdgefährdung wegen Räumung als Grund für Vollstreckungsschutz vorstellen? Finde bisher nichts.
    Aus der Räumung resultiert Frustration, die letztlich (wieder!) in eine Vergewaltigung münden könnte.
    Die Führungsaufsicht allein wird diese nicht verhindern können, fürchte ich.

    Wie soll ich denn das verstehen? Hat der Schuldner gedroht, jemanden zu vergewaltigen, wenn er geräumt wird? :eek:

    Unabhängig davon:

    Der Schuldner kann sich nur auf Härten berufen, welche die Zwangsvollstreckung für ihn (oder nahe Angehörige) bedeuten würde. Wenn die Gefahr besteht, dass der Schuldner einen verfahrensfremden Dritten schädigt, ist das für das Verfahren nach § 765a ZPO grundsätzlich irrelevant (Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 765a ZPO, Rn. 6). Stellt der Schuldner tatsächlich in Aussicht eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu begehen, würde ich eventuell an eine Mitteilung an die Führungsaufsichtsstelle oder einen Hinweis an die nach dem PsychKG zuständige Behörde denken.

  • Der Schuldner kann sich nur auf Härten berufen, welche die Zwangsvollstreckung für ihn (oder nahe Angehörige) bedeuten würde. Wenn die Gefahr besteht, dass der Schuldner einen verfahrensfremden Dritten schädigt, ist das für das Verfahren nach § 765a ZPO grundsätzlich irrelevant (Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 765a ZPO, Rn. 6).

    Nun ja, wenn ich mal so ins Unreine überlege: Der Schuldner trägt vor, dass durch die Räumung in einen Zustand geraten könnte (er quasi nicht an sich halten kann) in dem er (erneut) eine Straftat begehen könnte. Dann ist doch die Frage, ob nicht dieser "Kontrollverlust" als solcher, aber auch die aus der Straftat für ihn resultierenden Folgen, eine Härte im Sinne von § 765a ZPO bedeuten könnten.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Der Schuldner kann sich nur auf Härten berufen, welche die Zwangsvollstreckung für ihn (oder nahe Angehörige) bedeuten würde. Wenn die Gefahr besteht, dass der Schuldner einen verfahrensfremden Dritten schädigt, ist das für das Verfahren nach § 765a ZPO grundsätzlich irrelevant (Zöller, Zivilprozessordnung, 33. Aufl. 2020, § 765a ZPO, Rn. 6).

    Nun ja, wenn ich mal so ins Unreine überlege: Der Schuldner trägt vor, dass durch die Räumung in einen Zustand geraten könnte (er quasi nicht an sich halten kann) in dem er (erneut) eine Straftat begehen könnte. Dann ist doch die Frage, ob nicht dieser "Kontrollverlust" als solcher, aber auch die aus der Straftat für ihn resultierenden Folgen, eine Härte im Sinne von § 765a ZPO bedeuten könnten.

    Das geht, denke ich, zu weit. Die Härte trifft ja grundsätzlich das potentielle Opfer seiner Straftat. Dem Schuldner selbst droht ja nur, dass er für seine Tat zur Rechenschaft gezogen wird. Ob das eine besondere Härte ist, die aus der Zwangsvollstreckung resultiert? Und selbst wenn man das noch bejaht, müsstest du feststellen, dass die Interessen des Schuldners die des Gläubigers weit übersteigen. Und spätestens hier muss der Antrag scheitern. Der Schuldner hat ja letztlich nur ein Interesse daran, nicht "in Versuchung geführt" zu werden, der Gläubiger hat ein berechtigtes Interesse, seinen titulierten Anspruch auf Räumung durchzusetzen.

  • Nun ja, wenn ich mal so ins Unreine überlege: Der Schuldner trägt vor, dass durch die Räumung in einen Zustand geraten könnte (er quasi nicht an sich halten kann) in dem er (erneut) eine Straftat begehen könnte. Dann ist doch die Frage, ob nicht dieser "Kontrollverlust" als solcher, aber auch die aus der Straftat für ihn resultierenden Folgen, eine Härte im Sinne von § 765a ZPO bedeuten könnten.

    Das zum Einen, in erster Linie denke ich dabei natürlich auch an ein potentielles Opfer.

    Der Schuldner droht natürlich nicht damit. Es kann aber sein, dass es unter ungünstigen Umständen so läuft.
    Vielleicht kann ich die Umstände durch Auflagen begünstigen.

  • Wenn du nette Richter/Richterinnen auf der Abteilung hast, kannst du mal nach einer Vorlage für einen solchen Beschluss zur Erstellung eines
    Sachverständigengutachten fragen. Wegen potentiellen Gutachtern kannst du dich an die Verwaltung wenden, da gibt es mitunter Listen mit diversen Gutachtern. Weitere Anlaufstelle ist das Beschwerdegericht, die bei Suizidgefahr ggfs. auch Gutachten veranlassen (zumindest bei uns).

  • Noch einmal zur Sache:

    Nun ja, wenn ich mal so ins Unreine überlege: Der Schuldner trägt vor, dass durch die Räumung in einen Zustand geraten könnte (er quasi nicht an sich halten kann) in dem er (erneut) eine Straftat begehen könnte. Dann ist doch die Frage, ob nicht dieser "Kontrollverlust" als solcher, aber auch die aus der Straftat für ihn resultierenden Folgen, eine Härte im Sinne von § 765a ZPO bedeuten könnten.

    Das zum Einen, in erster Linie denke ich dabei natürlich auch an ein potentielles Opfer.

    Der Schuldner droht natürlich nicht damit. Es kann aber sein, dass es unter ungünstigen Umständen so läuft.
    Vielleicht kann ich die Umstände durch Auflagen begünstigen.

    Selbstverständlich ist der Hinweis des Schuldners, unter ungünstigen Umständen könnte es so laufen, eine Drohung. Was soll es denn sonst sein? Ein freundlicher Hinweis zur Gefahrenabwehr?

    Hier ist nicht über Vollstreckungsschutz, sondern über den Schutz der Allgemeinheit nachzudenken und es sind entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

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