Anwaltswechsel bei einem von zwei Streitgenossen

  • Hallo,

    ich weiß, es gibt schon einige Forenbeiträge, die das Thema des Anwaltswechsels im Prozeß diskutieren. Allerdings habe ich in all den Beiträgen und der Kommentierung keine ausreichend befriedigende Antwort auf meine Frage finden können. Folgender Sachverhalt:

    Die Beklagten A und B werden als Gesamtschuldner anfangs von einem gemeinsamen RA 1 vertreten. Es ergeht schließlich VU gegen beide Beklagte. Der gemeinsame RA 1 legt Einspruch gegen das VU ein. Es kommt zur Einspruchsverhandlung, in der erstmals neben RA 1 nun ein RA 2 auftritt und erklärt, daß das Mandat zwischen RA 1 und dem Beklagten B beendet sei und er nunmehr diesen vertrete. Schließlich kommt es zum Vergleich und einer Kostenquotelung von 82:18 (Kläger : Beklagte als Gesamtschuldner). Der Kläger stellt Antrag nach § 106 ZPO. Alsdann erhält er den Ausgleichungsantrag von RA 2 (natürlich ohne Erhöhung nach Nr. 1008 VV, da er ja nur den Beklagten B vertreten hat) m. d. B. um kurzfristige Stellungnahme. Ein Antrag von RA 1 fehlt (bislang).

    Frage: Nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO werden die Kosten mehrere RAe nur insoweit erstattet, als sie die Kosten eines RA nicht übersteigen oder ein notwendiger Anwaltswechsel vorliegt. Daß Letzteres vorliegt, wird seitens des RA 2 in seinem Antrag nicht weiter thematisiert. Ein Grund für diesen Wechsel ist zumindest nicht ersichtlich, so daß - würden beide RAe für die Beklagten die Kosten anmelden - die Kosten des RA 2 zurückzuweisen wären. Ob RA 1 die Kosten des Beklagten A noch anmeldet, steht in den Sternen.

    Ich frage mich aber, ob § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO keinen Unterschied macht, welche Kosten welches RA geltend gemacht werden. Wenn nun RA 1 erst einmal keinen Antrag stellt, so würden nach § 91 Abs. 2 S. 2 Var. 1 ZPO die angemeldeten Kosten diejenigen eines RA nicht übersteigen und in der Kostenausgleichung berücksichtigt werden (oder nicht?). Wenn nun RA 1 für den Beklagten A später nach § 106 Abs. 2 ZPO den Antrag stellt, was passiert dann mit dessen Kosten? Sind diese dann (mit Ausnahme der Erhöhung nach Nr. 1008 VV, da er ja beide Beklagte anfangs vertreten hat) zurückzuweisen? Differenziert § 91 Abs. 2 S. 2 Var. 1 ZPO zwischen den Kosten des ersten und des zweiten RA - oder spielt das keine Rolle?

    Bolleff

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  • Ich hätte schon mal kein Problem damit, wenn auf Beklagtenseite 2 Anwälte stehen.
    2 Beklagte == 2 Anwälte --> das ist durchaus erstattungsfähig.

    § 91 ZPO wird nur dahingehend zu sehen sein, dass nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig sind, was auch nur einen Beteiligten betrifft.

    Nirgendwo aus dem Gesetz geht hervor, dass 2 Personen (Beklagte) zwingend einen gemeinsamen Anwalt zu nehmen hätten. Das kann in manchen Fällen (z.B. Schadenersatzforderung gegen 2 Personen wegen unerlaubter Handlung) u.U. sogar zu einer Interessenkollision führen.

    Bei mir könnte jeder der beiden Beklagten mit den Kosten seines Anwalts (natürlich ohne Erhöhnungsgebühr) gegen die Kosten des Klägers ausgleichen.
    Wenn der Kläger allerdings einen Ausgleichungsantrag stellt und der RA des B1 dann keine Kosten vorlegt, hat der B1 dann eben Pech gehabt.

  • Okay, dann lag da bereits mein Denkfehler. Ich ging davon aus, daß aufgrund der anfangs gemeinsamen Beauftragung die spätere Beauftragung eines eigenen RA nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung mehr notwendig gewesen ist. Wenn der Partei aber grds. das Recht des eigenen RA zusteht, dann steht der Kläger trotz RA-Wechsel jetzt nun nicht schlechter dar, als er ohnehin dastünde. Leuchtet ein.

    Nur der Vollständigkeit halber: Im vorliegenden Fall geht es um Mietforderungen des Klägers (Vermieters) gegen die Beklagten (Mieter).

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  • Evtl. hilft BGH, B. v. 13.10.2011 in V ZB 290/10, wobei im Mitmieterfall der B. v. 03.02.2009 in VIII ZB 114/07 tendenziell ein abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnte und man daher hier ggf. die Notwendigkeit der mit dem Anwaltswechsel verbundenen Mehrkosten thematisieren kann.

  • Evtl. hilft BGH, B. v. 13.10.2011 in V ZB 290/10, wobei im Mitmieterfall der B. v. 03.02.2009 in VIII ZB 114/07 tendenziell ein abweichendes Ergebnis rechtfertigen könnte und man daher hier ggf. die Notwendigkeit der mit dem Anwaltswechsel verbundenen Mehrkosten thematisieren kann.


    Dem schließe ich mich an. Das Recht auf freie RA-Wahl eröffnet nicht unbedingt die grenzenlose Erstattungsfähigkeit. Hat sich der Wechsel-Streitgenosse mit dem ersten RA überworfen und meint, aus diesem Grunde nunmehr plötzlich Mehrkosten verursachen zu können, dann ist das durchaus diskussionswürdig.
    Ich kann mir problemlos auch die Lösung im Ausgangsbeitrag von Bolleff im letzten Absatz a.E. vorstellen.

  • Ja man kann das durchaus in Einzelfällen diskutieren.

    Geht es bei den beiden Mietern (Beklagten) etwa darum, dass überhaupt keine Miete an den Vermieter gezahlt wurde, kann man durchaus die Notwendigkeit nur eines Anwalts ansehen.

    Geht es aber etwa darum, dass für irgendwelche Zerstörungen Schadenersatz gefordert wird und nicht beide Mieter gleichermaßen dafür verantwortlich sind (was der Kläger aber nicht wissen kann), so sind durchaus - alleine schon wegen des möglichen Interessenkonflikts - 2 Anwälte zuzubilligen.

    Ich habe an dieser Stelle immer den typischsten Fall dieser Konstellation im Kopf: Nach Verkehrsunfall werden Fahrzeugführer, Fahrzeughalter und Haftpflichtversicherung verklagt. Zwar wird hier häufig nur ein Anwalt für die Beklagten auftreten, allein schon wegen der AGBs der Versicherung, wenn dann aber etwa der Fahrzeughalter Widerklage auf Schadenersatz erheben, ist diesem hierfür auch ein anderer/weiterer Anwalt zuzugestehen. Er muss sich dafür nicht des Anwalts bedienen, den die Versicherung für die Verteidigung gegen die Klage ausgesucht hat.

  • Danke für die Kommentare und Little Steven für die Rechtsprechungshinweise. Bezüglich Andy.Ks letzter Anmerkung und der Entscheidung des VIII. Senats: Im hiesigen Fall ging es um nicht gezahlte Miete der beiden beklagten Mieter und Nutzungsentschädigung. Bei Klageerhebung haben sie nicht mehr zusammen, gleichwohl aber am selben Ort gewohnt. Kann man die Begründung des VIII. Senat so verstehen, daß er den Sachverhalt anders beurteilt hätte, wenn die Parteien zwar nicht mehr zusammen, gleichwohl noch am selben Wohnort leben würden? Der RA-Wechsel erfolgte wohl - meine Vermutung - nicht aus Interessenskollision, sondern vielmehr aufgrund Vertrauensverlust der Partei in ihren RA.

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  • Wenn sie nicht mehr zusammen gewohnt haben, hatten sie sich offenbar getrennt, waren also faktisch einander fremde Personen wie du und ich. Und dann kann man doch solche Leute nicht zwingen, dass sie sich auf einen gemeinsamen Anwalt einigen müssten, oder ? Was macht man dann, wenn der eine Anwalt A und der andere Anwalt B haben will: Jedem nur die Hälfte seiner Vergütung festsetzen ? Ich glaube nicht, dass das so Bestand hätte.

  • Wenn sie nicht mehr zusammen gewohnt haben, hatten sie sich offenbar getrennt, waren also faktisch einander fremde Personen wie du und ich. Und dann kann man doch solche Leute nicht zwingen, dass sie sich auf einen gemeinsamen Anwalt einigen müssten, oder ? Was macht man dann, wenn der eine Anwalt A und der andere Anwalt B haben will: Jedem nur die Hälfte seiner Vergütung festsetzen ? Ich glaube nicht, dass das so Bestand hätte.


    Nein, da mißverstehen wir uns. Bei der Konstellation, daß beide von Anfang jeder sich einen eigenen RA nimmt (unabhängig davon, ob sie nun im selben Ort getrennt wohnen oder nicht), ist es ja nach der zitierten Rechtsprechung von Little Steven wohl so, daß jeder berechtigt sei, sich einen eigenen RA zu nehmen/beauftragen. Diese Konstellation liegt hier aber so nicht vor. Sie hatte ja einen gemeinsamen RA, nur hat einer dann offenbar aus Unmut das Mandat gekündigt und einen eigenen beauftragt. Dazu fragte ich mich, ob diese Tatsache überhaupt eine Rolle spielt, da ja sowieso von Anfang an (erstattungsrechtlich also unbedenklich) beide getrennte RAe hätten beauftragen können - oder ob es in dieser Konstellation nicht einer gesonderten Beurteilung dieses Sachverhaltes (Stichwort: "Notwendigkeit") bedarf.

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  • Eben, wenn beide nach dem Ergebnis sowieso verschiedene Anwälte hätten beauftragen können, kann man das ihnen auch nicht vorwerfen, wenn sie das erst ab einen späteren Zeitpunkt tun. Die Kosten werden begrenzt durch einen fiktiven Fall (wie man das häufig auch bei Fahrtkosten kennt), solange man den nicht überschreitet, ist alles gut.

  • Ich bleibe bei meiner Ansicht, denn auch bei Streitgenossen, die den gleichen RA gewählt haben, hat jeder für sich eine RA-Wahl getroffen. Ein pers. Überwerfen mit dem RA rechtfertigt jedoch die Erstattungsfähigkeit von Mehrkosten gerade nicht. Was für eine Einzelpartei gilt, ist auch für Streitgenossen gültig. Man muss die Angelegenheit insoweit auf den einen Streitgenossen fixiert sehen. Nicht, was er "dürfte" ist entscheidend, sondern was er bereits gemacht hat, sich nämlich einen RA ausgesucht. Dass ein weiterer Beteiligter den gleichen RA gewählt hat, ist doch irrelevant.
    Und für einen RA-Wechsel gilt nun mal:

    Zitat

    Ein sachlicher Grund ist hingegen zu verneinen, wenn

    - das Mandat wegen persönlicher Differenzen gekündigt wird (OLG Köln, JurBüro 1992, 175),

  • Der BGH hat gerade bei der Erstattungsfähigkeit von Fahrtkosten zu verstehen gegeben, dass es nicht darauf ankommt, was jemand tatsächlich gemacht hat (ist jemand zu einem Anwalt gefahren, hat er ihn schriftlich informiert, ....), sondern auf die fiktive Fallgestaltung, nämlich, dass ihm die Mehrkosten durch die Beauftragung eines Anwalts am eigenen Wohnort zustehen, auch wenn er diesen an einem anderen Ort beauftragt hat. Beauftragt der in München ansässige Kläger einen Anwalt in Stuttgart für einen Prozess in Nürnberg, kann man sich auch nicht hinstellen und sagen, dass er dann gleich einen Anwalt in Nürnberg hätte beauftragen können. Dies Fahrtkosten sind auch in diesem Falle bis zu einer Strecke München-Nürnberg erstattungsfähig. Die Gesamtkosten werden also in der Regel beschränkt durch einen fiktiven Fall, und das ist hier die Beauftragung zweier unterschiedlicher Anwälte von Anfang an.
    Dieses Grundprinzip des BGH muss man wohl auch für andere Fälle anwenden, da man ansonsten die Diskussionen ins Unermessliche führen kann, was ja vor 2002 auch bei den Fahrtkosten der Fall war.

  • Dieses Grundprinzip des BGH muss man wohl auch für andere Fälle anwenden, da man ansonsten die Diskussionen ins Unermessliche führen kann, was ja vor 2002 auch bei den Fahrtkosten der Fall war.


    Und genau da bin ich mir eben nicht sicher, ob das auf die hier vorliegende Fallkonstruktion übertragbar ist. Lassen wir uns überraschen. :D

  • Da ich ziemlich genau den gleichen Fall habe, wüßte ich gerne, wie es hier weiterging?
    2 Beklagte wegen Räumung und Mietrückständen verklagt, zunächst ein gemeinsamer Anwalt; die Beklagten haben sich im Laufe des Verfahrens getrennt, einer ist weggezogen und hat sich eigenen Anwalt am neuen Wohnsitz genommen (dessen Mandat wurde lt. Akte wegen Interessenkollision niedergelegt). Kosten wurden gequotelt - Beklagte als Gesamtschuldner tragen 30%. Zur Kostenfestsetzung haben beide Anwälte ihre Kosten angemeldet und der Klägeranwalt wehrt sich heftig dagegen, weil der Wechsel nicht notwendig war (?)
    Mit Literatur und Rechtsprechung lässt sich sowohl gemeinsamer Anwalt als auch beide Anwälte begründen...

    Du hast nur ein Leben - aber wenn Du es richtig gemacht hast, reicht das auch ... Indra

  • Ich halte die Kosten des neuen RAs nicht für erstattungsfähig, wenn vorher ein gemeinsamer RA mandatiert war. Da Mandantengespräche am Anfang des Verfahrens stattfinden, ist es unerheblich, dass ein Beklagter verzogen ist. Und um welche Interessenkollision genau soll es gehen? Dass sich die Beklagten getrennt haben, führt nicht automatisch zu einer Interessenkollision, da der Gegner für beide Beklagte weiterhin die Klägerseite ist.

  • Zur Interessenkollision habe leider (noch) keine nähere Begründung, lediglich den Schriftsatz des vormals gemeinsamen Anwalts mit der Mandatsniederlegung. Es ging während des ganzen Verfahrens aber auch darum, ob nur einer oder beide Mieter der Räume waren - aber das geht mir dann zu weit, das materiell-rechtliche Problem in der Kostenfestsetzung zu lösen (sagt ja auch die Rechtsprechung oben).
    Ich war eigentlich auch schon soweit, dass nur ein Anwalt erstattungsfähig wäre, dann wurde ich aber durch die oben angeführten Entscheidungen zu den Streitgenossen ("jeder darf grundsätzlich eigenen Anwalt haben") wieder nachdenklich...

    Du hast nur ein Leben - aber wenn Du es richtig gemacht hast, reicht das auch ... Indra

  • Wenn die Interessenkollision von Anfang an bestand, wären beide Mandate niederzulegen, und der Anwalt hätte überhaupt keinen Gebührenanspruch.


    Die trat wohl erst im Laufe des Verfahrens auf, als sich die Beklagten trennten - aber dann werde ich zunächst mal abwarten, was der Anwalt hierzu weiter vorträgt

    Du hast nur ein Leben - aber wenn Du es richtig gemacht hast, reicht das auch ... Indra

  • Eventuell hilft dir hier: OLG Karlsruhe, Beschl. v.24.08.1999 – 3 W 82/99 (bei juris abrufbar)

    LS
    1. Die Beauftragung mehrerer Anwälte durchStreitgenossen kann sich im Einzelfall als Rechtsmissbrauch darstellen,insbesondere dann, wenn bei deckungsgleicher Interessenlage der Streitgenossenkeine sachlichen Gründe vorhanden sind, die für eine Aufspaltung der Mandatesprechen, wenn ein interner Interessenwiderstreit zwischen den einzelnenStreitgenossen weder besteht noch zu besorgen ist und nach der rechtlichen odertatsächlichen Ausgestaltung der Streitgenossenschaft kein sachliches Bedürfnisfür die Hinzuziehung eines eigenen Anwalts erkennbar ist.

    2. Wenn Streitgenossen sich für eine gemeinsameanwaltliche Vertretung entschieden haben und auch ihr (erster) Anwalt keinedurchgreifenden Bedenken gegen eine gemeinsame Interessenvertretung hatte, dannbedarf es der näheren Darlegung und Glaubhaftmachung von Gründen einermöglichen Interessenkollision, die eine gesonderte Prozessvertretung imweiteren Prozessverlauf rechtfertigen.

  • Vielen Dank Heike:daumenrau; dann werde ich mal abwarten, ob der Anwalt gute Gründe für die Mandatsniederlegung hatte:gruebel: und melde mich dann wieder

    Du hast nur ein Leben - aber wenn Du es richtig gemacht hast, reicht das auch ... Indra

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