§ 853 ZPO und Insolvenzverwalter

  • Der Ausgangsfall ist ein ganz normales Geschehen. Der Drittschuldner hatte offensichtlich kein Problem, die Pfändungen zu bedienen. Das Schreiben des Insolvenzverwalters löst eine Unsicherheit aus und der Drittschuldner glaubt, sein Problem sei bei der Hinterlegungsstelle besser aufgehoben. Die ist aber kein Hinterlegungsgrund. Er hat die Rechtslage zu prüfen und entsprechend zu handeln. Es fehlen besondere Umstände, die eine rechtliche Prüfung erschweren.

    Wenn nach §§ 372 ff BGB hinterlegt wird, und es ist wie hier, kein Hinterlegungsgrund gegeben, hat die Hinterlegung keine befreiende Wirkung. Das heißt, der Drittschuldner stellt sehr schnell fest, dass sich seine Probleme nicht gelöst, sondern verdoppelt haben

    Wie soll der Drittschuldner denn hier die Rechtslage prüfen? Er weiß ja nicht, wann der Antrag auf Eröffnung des Insoverfahrens gestellt wurde.

  • Warum lässt der IV die Pfändungen nicht aufheben?

    Man darf doch das Vollstreckungsverbot von Insolvenzgläubigern nicht mit der Unwirksamkeit der Pfändung gleichsetzen. Die Pfändung war wirksam und der Drittschuldner ist nach § 836 Abs. 2 ZPO geschützt. Außerhalb der ZV liegende Umstände darf der Drittschuldner meiner Meinung nach gar nicht berücksichtigen. Die Vollstreckungsmaßnahme müsste beseitigt werden. Ob dies von Amtswegen oder auf Antrag geschehen muss oder kann, darüber besteht in der Lit. wohl immer noch Streit. Aber der Drittschuldner ist doch derjenige, der am wenigsten mit dem Verfahren zu tun hat. Also warum sollte ihm nicht ein Hinterlegungsrecht zustehen, wenn er Gefahr läuft an einen nicht Berechtigten zu zahlen?

  • Das Problem des Falles sind die Rechtswirkungen der Hinterlegung.
    § 853 ZPO setzt voraus, dass die Einzelvollstreckung zulässig ist. Nur dann kann das Verfahren nach 872 ff ZPO durchgeführt werden. Situation des Verteilungsgerichts ist die des Drittschuldners.
    Hinterlegung nach §§ 372 ff BGB setzt voraus, dass eine Gläubigerungewissheit besteht. Die kann aber nicht bestehen, weil keine besonderen Umstände zu dem Zusammentreffen von Einzel- und Gesamtvollstreckung hinzukommen.

    Dies kann am Beispiel des Zusammentreffens von Abtretung und Pfändung leichter gezeigt werden. Auch hier kann normalerweise keine Gläubigerungewissheit entstehen. Wenn aber die Abtretung begründet angezweifelt werden kann, z. B. Abtretung gerade wenige Tage vor der Pfändung, Zessionar ist ein Familienangehöriger und eine Gegenleistung kann nicht benannt werden, dann bestehen begründete Zweifel an der Wirksamkeit der Hinterlegung.

    Am Ausgangsfall ist aber nichts erkennbar, was zu der Situation hinzukommt, um eine Hinterlegung zu rechtfertigen. Der Drittschuldner muss aller zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um aufzuklären, wer gläubiger ist. Nimmt die Hinterlegungsstelle an, ohne Hinterlegungsgrund, haftete sie für die Folgen der rechtsgrundlosen Hinterlegung.

  • Gläubigerungewissheit besteht für den Drittschuldner doch schon dann, wenn sich Pfändungsgläubiger und Insolvenzverwalter darüber streiten, wer die Kohle zu bekommen hat. Davon gehe ich hier aus, da es sonst das Thema so nicht gäbe.

    BGH Urteil vom 03.12.2003 - XII ZR 238/01 -

    Dem Schuldner stehen die Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts nicht zur Verfügung. Ihm sind nur begrenzte Anstrenungen zur Ermittlung des Sachverhalts zuzumuten.

    RG Urteil vom 09.02.1917 - III. 374/16 -

    Berechtigung zur Hinterlegung wenn sich mehrere Bewerber über die Forderung streiten.

    RG vom 02.06.1938 - 55/38 -

    Subjektive Zweifel, die zur Hinterlegung berechtigen, können in Rechtsnormen, in den tatsächlichen Verhältnissen oder in der Auslegung des Rechtsgeschäfts liegen.

    BGH Urteil vom 10.12.2004 - V ZR 340/03 -

    Von dem Schuldner können nur begrenzte Anstrengungen zur Ermittlung des Sachverhalts verlangt werden, wenn die Ungewißheit über die Person des Gläubigers auf einen unklaren Abtretungsvorgang außerhalb des Einflußbereichs des Schuldners zurückzuführen ist.

    Das sollte auch der Fall sein, wenn dem Schuldner nicht bekannt ist und sein muss, wann der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat.

  • Aus diesen Entscheidungen stammt das "Hinzukommen weiterer Umstände". Wer am Rechtsverkehr teilnimmt, hat sich die Kenntnisse zu verschaffen, die im Gesetz stehen. Nur wenn Umstände hinzukommen, die die normale gesetzliche Wirkung beeinflussen, kann von einer Ungewissheit ausgegangen werden. Wenn jemand aber trotz erkennbarer Rechtswirkung das Risiko der Entscheidung fürchtet, kann dieses Risiko nicht durch Hinterlegung umgehen.

  • Muß eigentlich der Insolvenzschuldner, der neben dem Insolvenzverwalter als Empfangsberechtigter benannt ist, der Herausgabe des hinterlegten Betrags zustimmen, oder kann das der Insoverwalter im Rahmen von § 80 InsO machen?

  • Manche Tips sind so heiß, dass man am besten die Finger davon lässt. So ist Art. 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. Schwachsinn (ich habe mehre Versuche unternommen, es anders zu formulieren, aber alles andere wäre unzureichend). Beim BayHintG wurde der Begriff "abstraktes öffentlich-rechtliches Verwahrungsverfahren" völlig mißverstanden. Es ist eine Art autistisches Gesetz geworden.

  • An den Tip hatte ich mich genau gehalten. Es ist kein guter Tip.
    Ich habe gelesen, dann gedacht und dann geschrieben. Was im Tip nicht erwähnt wird, ist, dass einem ob dem Gelesenen der Kopf raucht. Und, zack, schon war die Umwelt verschmutzt.

  • Manche Tips sind so heiß, dass man am besten die Finger davon lässt. So ist Art. 5 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. Schwachsinn (ich habe mehre Versuche unternommen, es anders zu formulieren, aber alles andere wäre unzureichend). Beim BayHintG wurde der Begriff "abstraktes öffentlich-rechtliches Verwahrungsverfahren" völlig mißverstanden. Es ist eine Art autistisches Gesetz geworden.

    Also ich finde bei Art. 5 Abs. 2 Satz 2 BayHintG keine zweite Alternative. Hast Du die alte Version angeschaut?

    Hab einen Fall, bei dem das Insolvenzverfahren beendet ist, aber bzgl. des hinterlegten Betrags eine Nachtragsverteilung angeordnet wurde.
    Insolvenzverwalter und Insolvenzschuldner wollen nun den Betrag ausbezahlt haben (Schuldner sagt, das gehört nicht zur Masse).
    Kann man da an den Insoverwalter auszahlen, oder muß man den Ausgang des Rechtsstreits zwischen Insoverwalter und Schuldner abwarten?

  • Die Beschreibung der Fundstelle ist so wie die Behauptung über die Fundstelle. Gemeint ist, dass die Bezeichnung als Empfangsberechtigter widerruflich ist. Hinterlegungen haben stets Rechtswirkungen. Diese sind nicht disponibel. Dies ist einer der grundlegenden Fehler des Bayerischen Hinterlegungsgesetzes.

    Was die Auszahlung angeht, so kommt es darauf an, wie hinterlegt wurde, also Hinterlegungsgrund und Empfangsberechtigte. Danach kann auch die Herausgabe beurteilt werden.

  • Die Beschreibung der Fundstelle ist so wie die Behauptung über die Fundstelle. Gemeint ist, dass die Bezeichnung als Empfangsberechtigter widerruflich ist. Hinterlegungen haben stets Rechtswirkungen. Diese sind nicht disponibel. Dies ist einer der grundlegenden Fehler des Bayerischen Hinterlegungsgesetzes.

    Was die Auszahlung angeht, so kommt es darauf an, wie hinterlegt wurde, also Hinterlegungsgrund und Empfangsberechtigte. Danach kann auch die Herausgabe beurteilt werden.

    Etwas nebulös. Es geht darum, ob der Insoverwalter für den Schuldner handeln kann. Was hat das mit dem Widerruf zu tun?

  • Der Widerruf bezog sich auf das Gesetz, also nicht auf den Ausgangsfall.
    Was den Ausgangsfall angeht, die Hinterlegungsstelle braucht sich nicht zu fragen, ob der Insolvenzverwalter für den Schuldner handeln kann, sondern der Insolvenzverwalter hat nachzuweisen, dass er es kann. Die Hinterlegungsstelle prüft nur die Nachweise. Man geht zwar davon aus, dass der Herausgabeanspruch regelmäßig in die Masse fällt, aber das befreit nicht von der Nachweispflicht.
    Stellt der Schuldner den Herausgabeanspruch, hat er nachzuweisen, dass der hinterlegte Betrag nicht masserelevant ist. Für beide gilt, dass die Nachweise mit Urkundsbeweisen zu führen sind. Die Behauptung der Empfangsberechtigung ist nicht ausreichend, auch wenn deren Begründung richtig ist.

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