Grenze der Genehmigungsfähigkeit des § 1811 BGB

  • Hallo liebe Mitstreiter.

    Mich würde mal interessieren, welche Grenze ihr euch bei der Genehmigungsfähigkeit einer nicht mündelsicheren Anlage nach § 1811 BGB gesetzt habt.
    Bis wieviel % des Gesamtvermögens erteilt ihr noch die Genehmigung zur anderweitigen Anlegung?
    Im vorliegenden Fall sollen jetzt rund 53% des Gesamtvermögens in verschiedene Geldanlagen im Sinne des § 1811 BGB umgeschichtet werden.

    Schon jetzt vielen Dank für die Antworten.

    Gruß
    dePodi

  • das mache ich nicht so sehr von %-Zahlen abhängig sondern vielmehr von der Gesamtsituation:

    zB:
    - wie hat der Betreute zu gesunden Zeiten sein Geld angelegt? (bei der älteren Dame, die ihr Leben lang nur das Sparbuch als Geldanlage hatte und da immer auf Nummer sicher gehen wollte, wäre mir zB schon 1% zu viel )
    - ist ersichtlich ob die Geldanlage im Sinne des Betroffenen ist? (hat er zB früher schon häufiger Geld so angelegt?)
    - wie gut kennt der Betreuer den Betreuten?
    - warum soll das gemacht werden?
    usw.

    53% finde ich persönlich arg viel und würde mir sehr genau erklären lassen, warum der Betreuer glaubt, dass es dem Betroffenen recht ist, wenn andere Leute mit mehr als der Hälfte seines Sparstrumpfs spekulieren...

    (das die Anlageform genehmigungsfähig ist, natürlich immer vorausgesetzt)

  • In einem solchen Fall hole ich ein Gutachten von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständiger für Kapitalanlagen und private Finanzplanung ein. Ein solches Gutachten kostet ca. 1.500.--€.

    Dies gilt auch, wenn für jemand eine Betreuung angeordnet wir, der Geld in Aktien, Fonds usw. angelegt hat, weil das Betreuungsgericht nicht in der Lage ist, solche Geldanlagen zu beurteilen.

  • In einem solchen Fall hole ich ein Gutachten von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständiger für Kapitalanlagen und private Finanzplanung ein. Ein solches Gutachten kostet ca. 1.500.--€.

    Dies gilt auch, wenn für jemand eine Betreuung angeordnet wir, der Geld in Aktien, Fonds usw. angelegt hat, weil das Betreuungsgericht nicht in der Lage ist, solche Geldanlagen zu beurteilen.

    Ok... Das ist natürlich ne sehr gute Möglichkeit, sich abzusichern. Aber hat sich noch nie ein Beteiliger über die hohen Kosten für das Gutachten beschwert?

    Und bedeutet der 2. Absatz, dass Du zu Beginn einer solchen Betreuung (mit Vermögen in Aktien, Fonds etc.) ein Gutachten einholst? Zu welcher Frage?
    In solchen - zum Glück seltenen - Fällen lass ich die Betreuung immer so weiter laufen, da die Anlage ja vom Betroffenen selbst erfolgt ist...

  • In einem solchen Fall hole ich ein Gutachten von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständiger für Kapitalanlagen und private Finanzplanung ein. Ein solches Gutachten kostet ca. 1.500.--€.

    Dies gilt auch, wenn für jemand eine Betreuung angeordnet wir, der Geld in Aktien, Fonds usw. angelegt hat, weil das Betreuungsgericht nicht in der Lage ist, solche Geldanlagen zu beurteilen.


    Letzteres halte ich für übertrieben.

    Bei einer zu gesunden Tagen durch den Betroffenen selbst erfolgten Geldanlage muss ich doch davon ausgehen, dass die Fortführung der Anlagen seinem (mutmaßlichen) Willen entspricht.

    Einen Bedarf, die entsprechenden Geldanlagen begutachten zu lassen, würde ich daher nicht sehen.

  • Nach meinen Erfahrungen ist es schon häufig vorgekommen, dass die Banken (der gute längjährige Bankberater) unerfahrenen Kunden "gefährliche" Wertpapiere angedreht haben, nur um eine Provision zu erhalten. Zu was die Banken fähig sind, hat die Finanzkrise gezeigt.

    Die vorhandenen Anlage entsprechen oft nicht den Sicherheits-Vorstellungen der Kunden (Bankberater: ich habe auch so eine Anlage), wenn man weiß, um was für Papiere es sich handelt.

    Ich habe hier schon Totalausfälle gehabt, aber vom Gutachter erfahren, dass die Banken nach bereits ergangenen Urteilen für die Vermittlungen solcher gefährlichen Anlagen haften.

    Auch Palandt, § 1811 Rz. 2, führt aus: Bei Zweifeln an der Wirtschaftlichkeit einer Anlage ist ggfs. ein Sachverständigengutachten einzuholen.
    Da ich von solchen Anlagen nichts verstehe, hole ich lieber ein Gutachten ein.

  • Konkret auf die eigentliche Frage (offenbar erstmalige Neuanlage in nicht mündelsichere Anlageformen) bezogen:Bei 0% des Vermögens.Soll heißen, der Betreuer hat seinen Antrag zu begründen. Wie hoch ist die unter Berücksichtigung der Steuerlast und der Kosten die vermutliche Rendite? Wie sicher ist das Produkt? Es ist zunächst nicht die Aufgabe des Gerichts nach Vorlage irgendwelcher Verkaufsprospekte seitens des Betreuers diese Ermittlungen anzustellen und sogar ein Gutachten zu beschaffen.Eine Grenze kann nicht pauschal gezogen werden. Auch bei 10% = 10.000.- € kann ein Regress bei falscher Bearbeitung drohen.Nach den beiden Crashs und der aktuellen Schließungswelle betreffend einiger Immobilienfonds wird ein Betreuer kaum noch seinen Antrag betr. dem Erwerb von Fonds begründen können.

  • Ich wäre hier generell sehr zurückhaltend. Allerdings halte ich die Einholung eines Sachverständigengutachtens für etwas übertrieben. Das kann doch ein in Finanzsachen einigermaßen versierter Verfahrenspfleger ebenfalls machen... und der kostet nur rund 100 €. Ein Tropfen im Meer der von Banken und Fonds üblicherweise berechneten Ausgabeaufschläge und sonstigen versteckten "Beratungsgebühren".
    Und: ein Finanzprodukt, das mir ein Betreuer nicht erklären und der Bankberater auf Anfrage nicht verständlich erläutern kann - das ist garantiert nichts für eine Geldanlage, die nach wie vor unter dem Primat der "Vermögenserhaltung" steht.

  • Wie bereits front242 fragte: Welche Anlageform soll den überhaupt gewählt werden. Selbst die Anlage in Edelmetalle ist von § 1807 BGB nicht erfasst und bedürfte nach § 1811 BGB einer gesonderten Genehmigung. Wie sehr Gold spekulativ ist, vermag ich nicht zu sagen, aber ein Materialwert ist immer gegeben.

    Im Großen und Ganzen ist § 1806 BGB (ursprünglich § 1906 BGB, was falsch war) derzeit sowieso ein Papiertiger. In Zeiten der absoluten Niedrigzinsen stellt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Norm, wie auch eine Diskussion hierüber derzeit eher der Streit um des Kaisers Bart ist. Denn um Verzinsungen mit wenigstens einer 1 vor dem Komma zu erhalten und dabei nicht spekulativ zu sein, muss man Gelder in einer Höhe von mindestens 15.000 € für mehrere Jahre festlegen. Da hier die Suche für eine Betreuer viel zu aufwendig ist, wird das Geld entweder auf ein Tagesgeldkonto oder das gute alte Sparbuch gepackt. Zinsen bei beiden derzeit unter 0,2 %. Aber es ist nicht spekulativ und ich habe die Anforderung des § 1806 BGB (ursprünglich § 1906 BGB, was falsch war) erfüllt. Mehr bin ich nicht im Stande zu leisten. Wenn der Rechtspfleger meint, dass es was besseres gibt, möge er sich belesen und mir dann seine Weißheiten mitteilen.

    2 Mal editiert, zuletzt von betreuerwichtel (28. Oktober 2015 um 22:55) aus folgendem Grund: zitierte Norm berichtigt nach Hinweis von felgentreu

  • 2 Fragen: Wolltet ihr wirklich einen 3 Jahre selig schlummernden Thread wieder aufmachen? Und Betreuerwichtel: Du meinst in Deinen Äußerungen wirklich den § 1906 BGB? Nicht, dass sich noch jemand hier her verirrt und das für richtig hält.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • @ felgentreu

    Natürlich hast du recht. Beim ersten mal vertippt und beim zweiten mal den Quatsch einfach übernommen. Es geht mir selbstverständlich um § 1806 BGB. Und dann stimmt auch wieder der Sinnzusammenhang zwischen Statement und Norm. Sorry. Ist in #10 angepasst.

  • Ich würde das Ganze nochmal aufrollen wollen 🙈Habe einen Antrag auf Genehmigung einer Geldanlage in einen Immobilienfonds. Die Betreute hat insgesamt 180.000 € und jetzt sollen 53.000 € zzgl. Zinsen (derzeit nicht beziffert) in einen Immofond gepackt werden. Begründet wurde das nicht weiter. Es wurde von der Bank sonin Beiblatt eingereicht, Verlustrisiken und eine kurze Beschreibung und massenhafter Werbung..
    Das restliche Vermögen ist bereits in Sparbriefe und Tagesgeldkonten angelegt.

    Ich habe irgendwie Bauchschmerzen bei dem Fonds. Die Verluste, die eintreten können, sind mir einfach zu groß auch wenn die Rendite vllt gut sein könnte..die Betreute könnte aber auch den größten Teil verlieren wenn nicht sogar alles..bei den Fonds stecken oftmals auch so komplexe gesellschaftliche Strukturen drin, dass ich mich außerstande sehen würde die Risiken ggü den Vorteilen abzuwägen, sonst wäre ich vermutlich Investmentbanker geworden..

    Für Anregungen wäre ich dankbar.

  • Wäre mir dann doch zu viel, hinzu kommt das nach meiner Erfahrung viele dieser Anlagen doch auch so angelegt sind, daß meist der Ertrag der ersten 1-2 Jahre für Gebühren, Auslagen und ähnliches der Banken draufgeht. Je nach Alter des Betroffenen hat er dann rechnerisch betrachtet nichts von der Anlage. Zuerst würde ich vom Betreuer weitere Unterlagen und Informationen zur Anlage anfordern, ebenso eine Begründung warum diese Anlage gewählt wurde. Gegebenenfalls wäre im weiteren Verlauf dann auch ein Verfahrenspfleger zu bestellen.

  • Ich würde einen Verfahrenspfleger mit entsprechender Qualifikation (Bankkaufmann, Bankfachwirt, Betriebswirt o.ä.) bestellen. Und ggf. die Anlagegenehmigung verweigern.

  • Ich würde einen Verfahrenspfleger mit entsprechender Qualifikation (Bankkaufmann, Bankfachwirt, Betriebswirt o.ä.) bestellen. Und ggf. die Anlagegenehmigung verweigern.

  • 06:45 Ich würde einen Verfahrenspfleger mit entsprechender Qualifikation (Bankkaufmann, Bankfachwirt, Betriebswirt o.ä.) bestellen. Und ggf. die Anlagegenehmigung verweigern.

    06:54 Ich würde einen Verfahrenspfleger mit entsprechender Qualifikation (Bankkaufmann, Bankfachwirt, Betriebswirt o.ä.) bestellen. Und ggf. die Anlagegenehmigung verweigern.

    Auch zwei Verfahrenspfleger machen die Entscheidung nicht einfacher.

    Inhaltlich obliegt es - Verfahrenspfleger hin oder her - dem Rechtspfleger, sich vollumfänglich über das angedachte Rechtsgeschäft zu informieren.
    Die Meinung des Betroffenenvertreters dazu kann nur ein Baustein sein.

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  • Ein Verfahrenspfleger (leider kein Bankkaufmann/Fachwirt o.ä) hat seine Zustimmung erklärt.. die Begründung ist allerdings wenig aussagekräftig wie ich finde.

    Ich werde nochmal nachfragen beim Betreuer und weitere Infos einholen.

    Vielen Dank an alle.

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