Wiederverwahrung eines eröffneten Testaments bei Vor- und Nacherbfolge

  • Hallo,

    folgender Fall hat bei uns zu unterschiedlichen Meinungen geführt:

    Ehegatten haben sich gegenseitig zu nicht befreiten Vorerben eingesetzt. Nacherben des Zuerstversterbenden sollen die Kinder werden.
    Weiterhin gibt es eine Wiederverheiratungsklausel.
    Sofern beim Tod des Erstversterbenden keine Kinder am Leben sind, ist der Überlebende Alleinerbe.
    Über sein eigenes Vermögen soll der Längstlebende letztwillig frei verfügen können.

    Das Testament befand sich in amtlicher Verwahrung. Die Eröffnung erfolgte für den 1. Todesfall.

    Nun gab es unterschiedliche Auffassungen zur Wiederverwahrung.

    Meiner Meinung nach ist das Testament in Aktenverwahrung zu belassen und beim Tod des zweitversterbenden Ehegatten nicht nochmals zu eröffnen, da nur Verfügungen für den 1. Todesfall getroffen sind (über sein eigenes Vermögen soll der Überlebende ja letztwillig frei verfügen können).

    Ein Kollege vertrat die Auffassung, dass die Einsetzung als Nacherbe auch gleichzeitig eine Einsetzung als Schlusserbe darstellt. Das Testament wäre daher wieder zu verwahren und beim 2. Todesfall erneut zu eröffnen.

    Wie seht Ihr das ?

  • Über sein eigenes Vermögen soll der Längstlebende letztwillig frei verfügen können.



    Wenn das so im Testament steht, liegt keine Schlusserbeneinsetzung sondern Vor- und Nacherbfolge vor.
    Dementsprechend würde ich das Testament nach dem ersten Erbfall ebenfalls in Aktenverwahrung belassen.

  • Es kommt darauf an, ob die Auslegungsregel des § 2102 Abs.1 BGB Anwendung findet (Nacherbe = Ersatzerbe des überlebenden Ehegatten anstelle des erstverstorbenen Ehegatten). Da diese Frage erst beim zweiten Sterbefall geklärt werden kann, ist aus heutiger Sicht nicht auszuschließen, dass das Testament eine letztwillige Verfügung für den zweiten Sterbefall enthält. Dass der überlebende Ehegatte zur freien letztwilligen Verfügung über seinen dereinstigen Nachlass berechtigt ist, spricht nicht gegen eine Schlusserbeneinsetzung. Es kann sich hierbei nämlich auch um einen durchaus üblichen Testiervorbehalt im Hinblick auf eine getroffene Schlusserbeneinsetzung handeln.

    Im Zweifel also:

    Wiederverwahren und beim zweiten Sterbefall neu eröffnen.

  • Meiner Meinung nach ist das Testament in Aktenverwahrung zu belassen und beim Tod des zweitversterbenden Ehegatten nicht nochmals zu eröffnen, da nur Verfügungen für den 1. Todesfall getroffen sind (über sein eigenes Vermögen soll der Überlebende ja letztwillig frei verfügen können).



    Doch! Wenn es sich um ein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten handelt, stellt es zunächst (einfach gesagt) für beide Ehegatten "je eine" letztwillige Verfügung dar. Diese ist somit sowohl nach dem ersten und auch nach dem zweiten Sterbefall zu eröffnen und dann die darin getroffenen Verfügungen im Hinblick auf die für den jeweiligen Sterbefall geltenden weiteren Umstände (weitere Heirat, neue Verfügung etc.) zu prüfen.

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  • Das ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend.

    Ein gemeinschaftliches Testament, das sich inhaltlich in der gegenseitigen Alleinerbeneinsetzung der Ehegatten erschöpft, beinhaltet selbstverständlich jeweils eine selbständige letztwillige Verfügung eines jeden Ehegatten, und zwar in der Weise, dass der erstversterbende Ehegatte (gleich wer) den überlebenden Ehegatten (gleich wen) zum Alleinerben einsetzt.

    Gleichwohl enthält ein solches Testament nur eine letztwillige Verfügung, die erbrechtlich auch zum Zuge kommen kann, weil die Verfügung des überlebenden Ehegatten mit dem Vorableben des anderen Ehegatten gegenstandslos wird. In solchen Fällen enthält das Testament somit eindeutig keine Verfügung des überlebenden Ehegatten für den zweiten Sterbefall. Ein solches Testament ist daher weder wiederzuverwahren noch beim zweiten Sterbefall nochmals zu eröffnen.

    Im vorliegenden Fall verhält sich die Sache aus den in #3 genannten Gründen aber anders.

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