Liebe Forumsmitglieder,
ich frage mich, wie kann es angehen, dass für die Bewilligung der nachträglichen Beratungshilfe vor Beginn der anwaltlichen Tätigkeit klar sein muss, ob ein Beratungshilfemandat vorliegt oder nicht,
gleichzeitig aber nach § 16 Abs 1 Bora ein Anwalt verpflichtet ist, auf die Möglichkeit der Beratungshilfe hinzuweisen, wenn im Laufe der Beratung klar wird, dass hier Beratungshilfe möglich wäre (gewesen wäre?).
Hierzu zitiere ich: OLG Celle 3. Zivilsenat, Beschluss vom 17.07.2009, 3 U 139/09
" Hat die Klägerin dagegen, - was wahrscheinlich ist - ihren späteren Prozessbevollmächtigten um Rat oder Vertretung ohne Vorlage eines Berechtigungsscheins und ohne Hinweis auf das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung von Beratungshilfe beauftragt, hätte dieser im Laufe der Beratung ohne weiteres erkennen können, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen der Beratungshilfe gegeben sind. Er war dann verpflichtet, sie auf die Möglichkeit der Beratungshilfe aufmerksam zu machen (vgl. Madert, a. a. O., Rn. 4). Hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin diese Aufklärung unterlassen, ist darin eine Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu sehen, aus der der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in einer seinem Gebührenanspruch entsprechenden Höhe erwachsen ist, den sie dem Gebührenanspruch ihres Prozessbevollmächtigten entgegenhalten kann. Die Verpflichtung, bei begründetem Anlass auf die Möglichkeit von Beratungs- und Prozesskostenhilfe hinzuweisen, ergibt sich aus § 16 Abs. 1 BORA. Infolge eines Verstoßes des Rechtsanwalts gegen diese Pflicht, steht dem Mandanten ein Anspruch auf Schadensersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu, mit dem er gegen den Gebührenanspruch seines Rechtsanwalts aufrechnen kann (vgl. Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., 2006, Rn. 651, 653)."
Faktisch heißt das ja, dass ich keine Gebühren für meine Beratung bekommen kann, wenn ich einmal erst im Laufe der Beratung merke, dass mein Mandant oder meine Mandantin arm ist. Nicht von der Staatskasse, weil ja weder der Mandant/die Mandantin noch ich selbst zu Beginn der Beratung wußte, dass Beratungshilfe in Betracht kommen könnte und folglich kein Beratungshilfemandat vereinbart wurde, aber auch nicht vom Mandant/ der Mandantin, weil ich ja darauf hinweisen muss, dass Beratungshilfe in Betracht kommt, wenn ich im Laufe der Beratung das bemerke....
Was sollte dieser Hinweis noch bringen, wenn doch dann eine Bewilligung der Beratungshilfe nicht mehr in Betracht kommt, weil ja eine Gebühr vereinbart wurde, in unkenntnis der Möglichkeit der Beratungshilfe?!? Im Prinzip müsste ich da ja dann sagen: Ich muss Sie darauf hinweisen, dass hier Beratungshilfe möglich gewesen wäre, wenn Sie mir das gleich gesagt hätten. (Ist natürlich völliger Quatsch).
In der Praxis löse ich derzeit das Problem zur Zeit, indem das allererste was ich den Leuten sage immer ist, dass möglicherweise Beratungshilfe in Betracht kommt. Gleich auf den Mandantenfragebogen steht das drauf und die Leute unterzeichnen mir das dann. Doch in der Bora steht ja, nur bei begründetem Anlass muss aufgeklärt werden über die Möglichkeit der Beratungshilfe. Dafür muss ich doch aber im normalfall erstmal beraten, also um bis zu dem begründeten Anlass zu kommen...
Wie soll es denn eigentlich sein? Hab ich einen Knick in der Logik oder liegt hier wirklich ein echter Widerspruch vor, dem ich nur entgehen kann, indem ich pauschal IMMER sofort aufkläre?
Viele Grüße,
Rechtsanwältin