Ausschlagung und Anfechtung durch gesetzlichen Vertreter

  • Hallo zusammen. Folgenden Sachverhalt habe ich unter den Beiträgen Ausschlagung und Anfechtung noch nicht gefunden:
    Der sorgeberechtigte Vater V schlägt für seinen minderjährigen Sohn S die Erbschaft aus. V wurde darüber informiert, dass auch die sorgeberechtigte Mutter M die Erbschaft für S ausschlagen muss. Eine Erbausschlagung der M für S geht nicht ein. 6-Wochen-Frist ist längst abgelaufen. Kann M die Annahme der Erbschaft aufgrund Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist anfechten? M hat über ihren Rechtsanwalt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dies hab ich in Nachlasssachen noch nie gehabt! Muss auch der Vater V dann die Anfechtung erklären? Für den Beginn der Ausschlagungsfrist genügt doch die Kenntnis vom Anfall der Erbschaft durch einen sorgeberechtigten Elternteil! Oder beginnt die Frist für die Mutter erst zu laufen, wenn diese Kenntnis vom Anfall der Erbschaft an das Kind erhält? Vater und Mutter von S haben wahrscheinlich keinen Kontakt zueinander. Der Vater wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass die Ausschlagung durch die Mutter noch nicht vorliegt. Wie kommt man hier weiter?

  • Hallo zusammen. Folgenden Sachverhalt habe ich unter den Beiträgen Ausschlagung und Anfechtung noch nicht gefunden:
    Der sorgeberechtigte Vater V schlägt für seinen minderjährigen Sohn S die Erbschaft aus. V wurde darüber informiert, dass auch die sorgeberechtigte Mutter M die Erbschaft für S ausschlagen muss. Eine Erbausschlagung der M für S geht nicht ein. 6-Wochen-Frist ist längst abgelaufen. Kann M die Annahme der Erbschaft aufgrund Verstreichenlassen der Ausschlagungsfrist anfechten? M hat über ihren Rechtsanwalt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Dies hab ich in Nachlasssachen noch nie gehabt! Muss auch der Vater V dann die Anfechtung erklären? Für den Beginn der Ausschlagungsfrist genügt doch die Kenntnis vom Anfall der Erbschaft durch einen sorgeberechtigten Elternteil! Oder beginnt die Frist für die Mutter erst zu laufen, wenn diese Kenntnis vom Anfall der Erbschaft an das Kind erhält? Vater und Mutter von S haben wahrscheinlich keinen Kontakt zueinander. Der Vater wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass die Ausschlagung durch die Mutter noch nicht vorliegt. Wie kommt man hier weiter?



    Wiedereinsetzung kannst Du abhaken. Gibt's nicht.
    Ist M gerichtlicherseits über die Ausschlagung durch V für S informiert worden?


  • Wiedereinsetzung kannst Du abhaken. Gibt's nicht.



    :zustimm:
    M.E. kommt es im Hinblick auf den Fristbeginn auf die Kenntnis des jew. Elternteils an. Durch die Einführung auch des gemeinsamen Sorgerechts nach der Scheidung kommt es oft dazu, dass beide Eltern ausschlagen müssen, aber kaum noch Kontakt haben (wie da die "geimeinsame Sorge" ausgeübt wird frage ich mich immer wieder) oder gar nicht miteinander kommunizieren. Nur auf die Kenntnis des einen Elternteils abzustellen, der zuerst ausgeschlagen hat dürfte nicht richtig sein. Bei uns wird daher bei der Ausschlagung des ersten Elternteils immer der der andere Elternteil von der Ausschlagung benachrichtigt und über die Frist und die Notwendigkeit der Ausschlagung auch durch den weiteren Sorgeberechtigten belehrt.

    Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.

    (Mark Twain)

    Spendenaufruf

  • § 166 BGB ist auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anwendbar, weil diese Norm nur die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung, nicht aber deren Unterlassen betrifft (Erman/Schlüter § 1944 RdNr.6; Palandt/Edenhofer § 1944 RdNr.6). Es dürfte somit auch für die Kenntnis des gesetzlichen Vertreters der Gesamtvertretungsgrundsatz des § 1629 Abs.1 S.2 HS.1 BGB zur Anwendung kommen, sodass die Ausschlagungsfrist erst mit Kenntnis beider Elternteile beginnt (LG Freiburg BWNotZ 1993, 44; Palandt/Edenhofer § 1944 RdNr.6; DErbRK/Hanhörster/Dospil § 1944 RdNr.6; Damrau, Der Minderjährige im Erbrecht, 2002, RdNr.22). Nach abweichender Auffassung wird die Kenntnis eines Elternteils analog § 1629 Abs.1 S.2 HS.2 BGB für ausreichend gehalten (MünchKomm/Leipold § 1944 RdNr.14; Soergel/Stein § 1944 RdNr.12).

    Folgt man der erstgenannten Auffassung (die ich für zutreffend halte und nach welcher auch Mel verfährt), so hat die Ausschlagungsfrist im vorliegenden Fall erst begonnen, als beide Elternteile i.S. des § 1944 Abs.2 S.1 BGB von Erbanfall und Berufungsgrund Kenntnis erlangt hatten. Ob eine Ausschlagung durch M jetzt noch möglich ist, hängt somit davon ab, wann sie Kenntnis erlangt hat und ob die seitdem laufende sechswöchige Ausschlagungsfrist inzwischen verstrichen ist. Ist sie bereits verstrichen, können beide Eltern die Versäumung der Ausschlagungsfrist nach § 1956 BGB anfechten, aber wiederum nur innerhalb der hierfür geltenden (neuen) Sechswochenfrist und des weiteren nur dann, wenn sich die Mutter über den Bestand oder den Lauf der Ausschlagungsfrist oder die Rechtsfolgen des Fristablaufs im Irrtum befand, weil sie vom Vater hierüber nicht aufgeklärt wurde, oder weil sie glaubte, ihr Schweigen käme einer Ausschlagung gleich (Erman/Schlüter § 1956 RdNr.3 m.w.N.). Lag ein solcher Irrtum nicht vor und/oder ist die Anfechtungsfrist bereits verstrichen, ist nichts mehr zu machen und das Kind demzufolge (endgültig) Erbe geworden.

    Folgt man dagegen der abweichenden Auffassung, ist die Ausschlagung verspätet und die Versäumung der Ausschlagungsfrist auch nicht nach § 1956 BGB anfechtbar. Denn wenn die vorhandene Kenntnis eines Elternteils genügt, kann überhaupt nicht der Fall eintreten, dass ein Irrtum entsteht, der in fehlender Kenntnis begründet ist.

    Der vorliegende Wiedereinsetzungsantrag ist im Hinblick auf beide denkbaren Lösungen natürlich eine anwaltliche Glanzleistung ersten Ranges. Besser lässt sich die Tatsache fehlender eigener Rechtskenntnisse wohl kaum hinausposaunen.

  • @juris 2112:
    Deine rechtlichen Erörterungen in diesem Forum, zu welchem Thema auch immer, sind immer wieder lesenswert. Hast du schon mal in Erwägung gezogen, Jura zu studieren. Ich würde dir glatt zutrauen, ein Prädikatsexamen mit "links" abzulegen. Ich vermute aber, du bist auch mit deiner jetzigen Tätigkeit glücklich und zufrieden.

  • Ausschlagender und Anfechtender ist jeweils der Minderjährige. Es bleibt somit auch für die Anfechung beim Gesamtvertretungsrecht des § 1629 Abs.1 S.2 HS.1 BGB.

    Dies ergibt sich auch aus folgendem: Wird die Ausschlagungsfrist -gleich aus welchem Grund und gleich von wem- versäumt, ist die Ausschlagung insgesamt unwirksam. Sie kann daher im Rechtssinne nicht in einen wirksamen Vaterteil und einen unwirksamen Mutterteil aufgespalten werden. Die Rechtswirkungen der Versäumung der Ausschlagungsfrist lassen sind daher nur durch ein neues Rechtsgeschäft (die Anfechtung) wieder beseitigen. Und insoweit müssen wieder -ganz normal- beide Eltern handeln.

  • Zitat Amun:

    Ich vermute aber, du bist auch mit deiner jetzigen Tätigkeit glücklich und zufrieden.

    Das ist absolut zutreffend.

    Außerdem: Wer 30 Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel und sich ständig fortgebildet hat, der kann im Jurastudium im Hinblick auf die ihn interessierenden Rechtsgebiete nichts mehr lernen, sondern er kann sich allenfalls als Korrektiv im Hinblick auf zweifelhafte rechtliche Aussagen der Professoren verstehen. Aber das ist ja nun wirklich nicht der Sinn der Sache.

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