Antragsteller hat Strafanzeige erstattet und ist Zeuge:

  • Hallo werte Kollegen,
    hab hier eine Akte die ich interessant finde (u.a. weil ich nie Strafsachen bearbeitet habe und nun vermutlich eine Wissenslücke schließen muss :D) und möchte den Sachverhalt Euch gerne vorstellen:

    Aktenverlauf:
    1. Beratungshilfe wird für die Angelegenheit:"Auswirkungen der Rücknahme des Strafantrages hinsichtlich Kostentragungspflicht im Strafverfahren (§ 470 StPO), Auswirkungen bei Zurücknahme eines neuen Antrages (§ 77 d StPO), Auswirkungen auf Schadensersatzpflicht (zivilrechtlich)" beantragt.
    2. Antragsteller hat Strafanzeige wegen übler Nachrede erstattet und wird vom Berufungs-Richter in einem ausführlichen Schreiben angeschrieben.
    3. Dessen RA meldet sich und antwortet auf das Schreiben (Tätigkeitsnachweis); insbesondere wird beantragt:
    - die Nebenklage zuzulassen
    - dem Antragsteller in II. Instanz PKH zu bewilligen
    - dem Nebenkläger sodann den RA beizuordnen
    4. Es liegt Vergütungsantrag von 99,96 € vor.

    A) Auf meine Nachfrage an den Antragsteller, warum er meint, dass die Angelegenheit sich außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens befinde kommt folgende Antwort:
    Der Antragsteller ist weder Angeklagter noch Partei des gerichtlichen Verfahrens, lediglich Anzeigenerstatter und Zeuge, daher befindet er sich nicht im gerichtlichen Verfahren.

    B) Gleichzeitig fragte ich an, ob die Vergütung nicht auf 35,70 € reduziert wird (Hinweis auf § 2 BerHG).
    Auf meine Nachfrage erhielt ich folgende Antwort:
    Die Beratung bezog sich nicht auf Straf- und Bußgeldsachen. Die Beratung bezog sich auf die Auswirkung bei Anzeigenrücknahme (Kostentragungspflicht), auf die Auswirkungen bzgl. eines evtl. neu zu stellenden Strafantrages und auf die Auswirkungen des von unserem Mandanten angestrebten zivilrechtlichen Schadensersatzes (Schmerzensgeld). Der Schwerpunkt lag somit im Verwaltungs- und Zivilrecht.

    Meine Gedanken:
    zu A)
    Mag zwar sein, dass der Antragsteller nicht Partei des Verfahrens ist, aber die beantragte Angelegenheit ist gerichtlich anhängig. Ausnahme ist der zivilrechtliche Schadensersatzanspruch.

    Eine andere Art der Hilfe für den zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch fällt mir nicht ein, daher müsste ich bewilligen (nur für den Punkt zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch).

    zu B)
    Wegen dem zivilrechtlichem Schadensersatzanspruch wurde kein Tätigkeitsnachweis vorgelegt, womit nur eine Beratung zu erstatten wäre = 35,70 €.

    Wie seht Ihr das?

  • Der Antragsteller hat eine Strafanzeige erstattet, der ein gerichtliches Strafverfahren folgte. Er befindet sich daher in einem gerichtlichen Verfahren, egal, ob als Zeuge, Geschädigter oder Nebenkläger. In Strafsachen gibt es nur die Beratungsgebühr, auch wenn der RA Schriftsätze an das Strafgericht gefertigt hat. Bei der Beratung über evtl. zivilrechtliche Ansprüche, die aus der Straftat erwachsen, handelt es sich aber um eine neue Angelegenheit, für die nochmals eine Beratungsgebühr entstehen kann.

  • Ok, dann werde ich mir mal den RVGReport reinziehen müssen. Danke für die Hinweise.


    Noch kurz eine Rückfrage für mein Verständnis:
    Wenn er Anzeige gemacht hat und das Ding ging in die Berufung. Wieso soll er noch eine Beratungsgebühr für Strafsachen bekommen. Noch mehr im Gerichtsverfahren, als jetzt schon, geht doch nicht mehr oder? Deshalb hatte ich angedacht, keine 35,70 € für Strafsachen zu bewilligen. :confused:

  • Naja, man kann sich auch innerhalb eines Gerichtsverfahren darüber beraten lassen (aber nur beraten) lassen, ob man z.B. ein RM zurücknehmen soll oder nicht. Das soll zulässig sein. Dein Fall kommt mir aber auch merkwürdig vor. Denn wenn bereits ein gerichtliches Verfahren läuft, ist es zu spät, um eine Strafanzeige zurücknehmen. Und in deinem Fall gab es ja offensichtlich sogar bereits ein Urteil! Das ist alles ziemlich ominös. Vielleicht solltest du deshalb den RA noch ein wenig vortragen lassen...

  • Boar! Grad 2 Akten gefunden vom Antragsteller:
    1. "Durchsetzung eines Entschädigungsanspruches (Schmerzensgeld)" - die Akte ist aus 2012

    2. "Beratung über die Möglichkeit der Nebenklage in einem Strafverfahren" - die Akte ist aus 2012


    Das riecht schon so, dass da insgesamt kostenrechtlich eine Angelegenheit vorliegt. Bevor ich jetzt "explodiere" ziehe ich mir mal die Akten bei.

    Es zeigt sich immer wieder: vorher nachgucken, was bisher für Anträge gestellt worden sind, erleichtert gewaltig das Arbeitsleben.


  • Es zeigt sich immer wieder: vorher nachgucken, was bisher für Anträge gestellt worden sind, erleichtert gewaltig das Arbeitsleben.

    Sach ich ja :D

    Und selbst wenn die Recherche ergibt, dass es sich nicht um die gleiche Angelegenheit handelt, so wird man mit der Recherche auf Querulanten, Verhaltensmuster, nicht prozessökonomisches Verhalten und noch vieles mehr aufmerksam.

    "Der Staat ist vom kühlen, aber zuverlässigen Wächter zur Amme geworden. Dafür erdrückt er die Gesellschaft mit seiner zärtlichen Zuwendung."

    Einmal editiert, zuletzt von Ernst P. (30. Juni 2012 um 14:16)

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!