Verheimlichter Mietvertrag des Schuldners

  • Situation wie folgt: Regelinsolvenz. Schuldner gab bei Erstgespräch an, er wohne irgendwo mietfrei. Nach drei Jahren, in denen der Verwalter ordentlich Masse "geschaffen" hat, meldet sich ein Vermieter, legt einen Mietvertrag mit dem Schuldner vor und fordert die seit drei Jahren rückständigen Mieten nebst Verzugszinsen als Masseforderung. Verteidigung des Verwalters?

    Meine Idee, wenn man Treu&Glauben sowie Verwirkung mal außen vor lässt: § 119 InsO analog. Denn indem dem Verwalter der Mietvertrag verheimlicht wurde, war dieser faktisch daran gehindert, zur Masseschonung die Erklärung nach § 109 I 2 InsO abzugeben. § 119 InsO gilt aber nur für "Vereinbarungen", daher eine Analogie.

    Oder § 162 I BGB, indem der Bedingungseintritt (Erklärung nach § 109 I 2 InsO) verhindert wurde.

    Rechtsprechung Fehlanzeige. Wäre daher schön, mal eine Meinung zur Rechtsfrage aus Eurem berufenen Munde zu hören...

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Als erstes mal die Verjährung prüfen.Ansonsten hilft meines Erachtens nur, wenn die Voraussetzungen vollliegen, Masseunzulänglichkeit anzuzeigen. Falls dies schon geschehen ist, sollten auch die Mietverbibdlichkeiten Altmasseverbindlichkeiten sein.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Danke für die schnellen Rückmeldungen! Und das am Samstag und bei dem tollen Wetter:cool:.

    @ Gegs: Die Masse haben wir durch entbehrungsreiche Anfechtungen schön angehäuft. Verjährung der Mietzinsen (3 Jahre) ist noch nicht eingetreten.

    @ BREamter: natürlich ist das ein Fake! "Vermieter" sind die Ex-Schwiegereltern... Der Mietvertrag wurde nur aus steuerlichen Gründen geschlossen und der Schuldner hat offensichtlich nie Miete gezahlt. Aber wir können das nicht beweisen und eine Rückdatierung scheint auch nicht erfolgt. Von Verwirkung wollte der Richter sich nicht überzeugen lassen, so dass wir uns letztlich verglichen haben.

    Aber das sind nur Randaspekte. Mich interessiert mehr die "reine" Rechtsfrage: Für den Fall, dass mir als Verwalter ein Mietvertrag verschwiegen wird und ich nicht mal die Möglichkeit habe, die Masse vor der Belastung mit neuen Mietzinsen zu schützen, sehe ich eine Gesetzeslücke. Wenn so ein Beispiel Schule macht und die Vermieter sich bei einer Insolvenz regelmäßig erst nach drei Jahren melden, ist mir einfach die schöne Masse zu schade.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Wozu doch Babys gut sind. Mir ist bei dem Versuch, meine kleine Bichte zum Schlafen zu bewegen, gerade die Idee gekommen, dass die geleistete Zahlung nach den Grundsätzen des Gesamtschuldnerausgleichs vielleicht gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden kann. Ob der Anspruch wirtschaftlich zu realisieren ist, ist eine andere Frage.

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  • Zwei Gedanken:wder Mietvertrag scheint wohl nie gelebt worden zu sein Mal die Kontoauszüge des Schuldners aus der Vergangenheit prüfen. Vielleicht kann man mit der Arcador Entscheidung des BGH noch was retten.Dem Schuldner über 97 InsO einen Strick drehen und mal die RSB in Frage stellen.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Situation wie folgt: Regelinsolvenz. Schuldner gab bei Erstgespräch an, er wohne irgendwo mietfrei. Nach drei Jahren, in denen der Verwalter ordentlich Masse "geschaffen" hat, meldet sich ein Vermieter, legt einen Mietvertrag mit dem Schuldner vor und fordert die seit drei Jahren rückständigen Mieten nebst Verzugszinsen als Masseforderung. Verteidigung des Verwalters?

    ...

    1. MV bestreiten und darauf hoffen, dass beim Rechtsstreit die Existenz eines Mietvertrages mit/gegen Bezahlung im Ergebnis mit der Schuldnererklärung "wohne mietfrei" erfolgreich bestritten werden kann.

    2. Forderung als Insolvenzforderung "abtun". Begründung: Forderung war vor Eröffnung begründet und daher ein Fall des § 38 Inso.

    Ein Kollege schreibt dazu: Stammen die Mieten aus der Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sind sie
    entgegen dem Gesetzeswortlaut ebenfalls nur einfache Insolvenzforderungen gem. § 38
    InsO und der Vermieter damit nur Insolvenzgläubiger, wenn der Insolvenzverwalter das
    Mietobjekt nicht für die Masse nutzbar macht, es aber über die Verfahrenseröffnung hinaus
    durch den Mieter benutzt werden kann. Für diese Handhabung spricht der Umstand, dass
    nach den §§ 38, 41, 42, 191 InsO als Insolvenzforderungen auch betagte bzw. bedingte
    Forderungen geltend gemacht werden können. Dies ist gegeben, wenn der Mietvertrag
    bereits vor der Insolvenzeröffnung wirksam geschlossen wurde.

  • Das Finanzamt würde sich übrigens über einen Hinweis auf das Mietverhältnis zwischen Verwandten, bei dem seit 3 Jahren keine Zahlungen geflossen sind, freuen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Wenn ich Ex-Schwiegereltern lese, scheint mE die entfernte Möglichkeit auf, daß man dem Schuldner früher mal tatsächlich gesagt hat, er müsse keine Miete zahlen, er also subjektiv sogar ehrlich war...

    Wie hat denn der Schuldner als Zeuge dem Gericht die Diskrepanz zwischen seiner seinerzeitigen Angabe und der jetzigen Behauptung des Vermieters erklärt?

    Im übrigen gibt es Telephone und Textmarker.
    Ersteres um den einen oder anderen Gläubiger wissen zu lassen, daß es vielleicht die Mühe wert wäre, einfach mal um Übersendung eines Verwalterberichts zu bitten. Letztere, um eventuell interessierende Passagen in besagtem Bericht angemessen zu kennzeichnen.

  • die ganze mischpoke gerichtlicherseits zur Vernehmung vorladen lassen !
    (das befördert ungemein die "redlichkeit" in entsprechenden Konstellationen....)

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • ...das ist übrigens das Szenario, auf grund dessen ich mittlerweile schriftliche Bestätigungen verölange, dass die Schuldner tatsächlich mietfrei wohnen. Weil die mir vie erzählen können, muss ja nicht alles stimmen...

    Ich würde auf jeden Fall mal den Schuldner einbestellen und fragen, wie viel ihm an der RSB liegt. Denn da hat er ja scheinbar irgendwas verschnarcht... oder bewusst verschwiegen. Auf jeden Fall dient das Insolvenzverfahrten ja nicht dazu, 3 Jahre lang mietfrei wohnen zu können.

    Ansonsten sehe ich aber, ein gültiger Mietvertrag vorausgesetzt, etwas schwarz für den Verwalter. Der hat halt - leider - die Pflicht, das Vermieteranschreiben zu machen. Ansonsten haftet er. Ob die von Imker angedachte Umwandlung zur Insolvenzforderung greift, kann ich nicht recht beurteilen.

  • Danke für die zahl- und sinnreichen Rückmeldungen.

    @ Gegs: Beim Schuldner ist definitiv nichts zu holen. Und b.t.w.: An Gesamtschuldnerausgleich denke ich - ehrlich gesagt - beim Wickeln meines kleinen Stammhalters sehr sehr selten. Eher an meine künftige Altersvorsorge oder daran, wie weit sein Strahl heute reichen wird...

    @ La Flor de Cano 1: Der Schuldner ist schon seit Jahren nicht mehr aufzufinden. Die RSB ist ihm daher auch grad' egal. Aber im Normalfall sollte dies wohl der richtige Weg sein, um Druck auf ihn und seine "Redlichkeit" ausüben zu können.

    @ La Flor de Cano 2: Respekt für den Verweis auf das Arcandor-Urteil (Urt. v. 26.04.2012, IX ZR 146/11: Anfechtung der Aufwertung einer Insolvenzforderung zur Masseverbindlichkeit). Anzufechtende Rechtshandlung wäre dann das Verschweigen des Mietvertrages als Unterlassen (§ 129 Abs. 2 InsO)?

    @ imker: Quasi die Umkehrung des letzten Gedankens von La Flor de Cano: Hier also nicht Anfechtung der Aufwertung, sondern Abwertung! Die Idee finde ich nicht schlecht, wenn man die Mietzinsen tatsächlich als "betagte" Forderung ansehen wollte. Der BGH hat dies bislang wohl nur für befristete Mietverträge über bewegliche Sachen so vertreten (Urt. v. 04.11.2009, XII ZR 170/07). Aber man könnte das ja mal durchfechten...

    @ Exec: Das Finanzamt ins Boot holen... Nettes Druckmittel für die Verhandlungen. Bin ich eigentlich dazu verpflichtet, wenn ich von solchen "Steuersparmaßnahmen" Kenntnis erlange?

    @ zonk: Schuldner war leider nicht zu erreichen. Und die RSB-Versagung kriegen unsere sachkundigen Gläubiger - angesichts der sonstigen Umstände - auch ohne unser Zutun hin. Da braucht's keines Winkens mit dem Laternenpfahl...

    @ Schmetterling1: Die schriftlichen Bestätigungen der Mietfreiheit werde ich meinen Verwaltern auch ans Herz legen. Aber wenn der Schuldner nicht redlich ist und ihm die RSB nichts bedeutet, komme ich damit auch nicht weit.

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  • @ Schmetterling1: Die schriftlichen Bestätigungen der Mietfreiheit werde ich meinen Verwaltern auch ans Herz legen. Aber wenn der Schuldner nicht redlich ist und ihm die RSB nichts bedeutet, komme ich damit auch nicht weit.

    Das vielleicht nicht. Aber Du kannst haftungsrechtlich belegen, dass Du alles mögloiche getan hast, um einer Haftung (hier: Zahlung der Miete durch die Insolvenzmasse) zu verhindern. Besser zumindest, als nur zu sagen: Der Schuldner hat mir gesagt, dass er mietfrei wohnen würde (denn das ist ja eines der roten Tücher für die Schuldner: das Anschreiben der Vermieter und das Anschreiben der Arbeitgeber. Ich hatte eine Schuldnerin, die sogar auf Drohung, dass das Insolvenzverfahren dann eingestellt werden würde, nicht den Vermieter nennen wollte...)

  • @ Schmetterling1: Zur Absicherung des Verwalters gegen Haftungsrisiken ist die Erklärung wirklich sinnvoll und wird von uns - ab jetzt - auch eingefordert.

    Eine einfache rechtliche Lösung des Problems ist wohl nicht zu erreichen. In einem (sehr familiären) Seminar habe ich Herrn Gehrlein (BGH-Richter) mal drauf angesprochen. Zumindest aus dem Stand heraus konnte er auch keine klare Lösung bieten. Wir sollten ihm die Sache mal im Revisionsverfahren vorlegen... Wir hatten die Sache allerdings schon durch Vergleich beendet, so dass uns die Instanzen (leider) erspart blieben.

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • vorliegend würde ich den "Vermieter" darauf hinweisen, dass es jedweder Lebenserfahrung widerspricht, über diesen doch sehr langen Zeitraum die Miete "stehenzulassen" und dann damit anzukommen, zumal es ja eine Veröffentlichung über die Insolvenzeröffnung gegeben hat. Entsprechend der Nichteintrittserklärung drei Monate anbieten (aber unter Hinweis darauf, dass das Teil wiklich beseht-> sonst Prozessbetrug) und wenn er darauf nicht einsteigt, Verfahren bis zum Ausfechten natürlich offenhalten...... (klar wird er dann noch die vorinsolvenzlichen Mieten anmelden, aber das ist eine andere Geschichte).

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