Ausschlagung nicht überschuldeter Nachlass

  • Ich meine, dass ein sehr ähnlicher Fall hier schon mal diskutiert wurde, konnte ihn aber über die Suche nicht wiederfinden.

    Der Erblasser hat durch Testament seinen Enkel A als Erben eingesetzt, ersatzweise Enkel B. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einer Wohnungseigentumseinheit. Die Lebensgefährtin des EL bekommt als Vermächtnis ein lebenslanges Wohnungsrecht.
    Enkel A (20 Jahre alt) hat die Ausschlagung erklärt, die Eltern des B für diesen ebenfalls. B (16 Jahre alt) war bei der Ausschlagung anwesend und hat (wie sein Bruder) offenbar kein Interesse an der Hütte und will sich jeglichen Ärger damit sparen.

    Mein erster Gedanke war, die Genehmigung auf keinen Fall zu erteilen. Andererseits sollen die Wünsche des Minderjährigen ja auch berücksichtigt werden.

    Gibt es zur Abwägung zwischen den Wünschen des Betroffenen und der rein wirtschaftlichen Betrachtung Literatur oder Rechtsprechung? Oder hat jemand sonst einen Rat?

  • Hier wurde diese Frage schonmal kontrovers diskutiert:
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…nliche+gr%FCnde

    Ich bin der Meinung, dass man sich mit den Wünschen des betroffenen Kindes in seiner Entscheidung auf jeden Fall auseinandersetzen muss. Man kann sie weder einfach übergehen noch ihnen ohne weiteres nachgeben. Es ist abzuwägen, ob der Wille des Kindes auch seinem Wohl entspricht.
    Im vorliegenden Fall würde ich als erstes mal prüfen, wieviel die Wohnung wert ist, welche Belastungen ggf. noch bestehen (also außer dem Wohnrecht) und wie alt die Lebensgefährtin ist, damit man errechnen kann, was das Wohnrecht wert ist.


  • Im vorliegenden Fall würde ich als erstes mal prüfen, wieviel die Wohnung wert ist, welche Belastungen ggf. noch bestehen (also außer dem Wohnrecht) und wie alt die Lebensgefährtin ist, damit man errechnen kann, was das Wohnrecht wert ist.


    Eine genaue Angabe zum Wert habe ich nicht, aber der EL hat 2004 im notariellen Testament das Gesamtvermögen mit etwa 180.000,- € angegeben. Die einzige Belastung der Wohnung ist eine Grundschuld aus 1977, die Lebensgefährtin müsste Mitte 60 sein.
    Es geht dem Enkel und seinen Eltern nicht um den Wert, sondarn darum, nichts mit der Sache zu tun haben zu wollen.

  • Qui bono? Vor allem ist die Frage zu prüfen, wem das Erbe denn zufällt, wenn die beiden testamentarisch bedachten Enkel ausschlagen.

    In vergleichbarem Fall (Wohnrecht hatte Stiefsohn des EL) wurde hier eine Pflegschaft fürs erbende Enkelkind eingerichtet. Bei Ausschlagung wäre die Mutter als gesetzliche Erbin an das Vermögen gekommen. Sie hatte vor Errichtung des Testaments gegen Zahlung von Geld einen Pflichtteilsverzicht erklärt. Ergebnis: Kind nahm das Erbe durch den Pfleger an, Mutter kauft dem Kind für wenig Geld die ETW ab, ihr Notar hat aber das Vorkaufsrecht des Stiefsohns übersehen und ihm so den Immobilienerwerb zum Schnäppchenpreis ermöglicht.

  • Es geht dem Enkel und seinen Eltern nicht um den Wert, sondarn darum, nichts mit der Sache zu tun haben zu wollen.

    Das ist zwar menschlich nachvollziehbar, wäre mir aber bei einem sehr werthaltigen Nachlass zu dünn.
    Hier bleibt daher m.E. nichts anderes übrig, als ganz genau zu ermitteln, wie werthaltig der Nachlass letztlich ist. Das kann schon ne Weile dauern ;)

  • Qui bono? Vor allem ist die Frage zu prüfen, wem das Erbe denn zufällt, wenn die beiden testamentarisch bedachten Enkel ausschlagen.

    Dann wird es auf die gesetzliche Erbfolge hinauslaufen. Der Vater der Testamentserben (Sohn des EL) würde die Erbschaft für sich selbst wohl nicht ausschlagen.

    Mir geht es allerdings nicht in erster Linie darum, ob er eigene Interessen hat, sondern darum, welches Gewicht die Wünsche des Minderjährigen haben, der ja durchaus alt genug ist, eine eigene Meinung zu haben.

    Es geht dem Enkel und seinen Eltern nicht um den Wert, sondarn darum, nichts mit der Sache zu tun haben zu wollen.

    Das ist zwar menschlich nachvollziehbar, wäre mir aber bei einem sehr werthaltigen Nachlass zu dünn.
    Hier bleibt daher m.E. nichts anderes übrig, als ganz genau zu ermitteln, wie werthaltig der Nachlass letztlich ist. Das kann schon ne Weile dauern ;)

    Aber nicht anderthalb Jahre (so lange dauert es, bis er volljährig wird).
    Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass ich die Genehmigung versagen muss.

  • Falls die Sache dann in die Beschwerde geht, wären wir dir sehr dankbar, wenn du die Entscheidung des OLG hier mitteilen würdest.
    Im übrigen habe ich in seiner Sache mal über ein Jahr lang ermittelt, ehe ich schließlich die Genehmigung erteilen konnte. Und wenn ich mir sicher bin, dass die Sache zum OLG geht, möchte ich ungern den Hinweis bekommen, dass ich in der Sache nicht ausreichend ermittelt hätte.

  • Ich denke schon, dass man die klar geäußerte Meinung eines verständigen Mdj. berücksichtigen muss und schon gute Gründe bräuchte, um entgegen dieser Meinung zu entscheiden.

    Ich würde daher zunächst den Nachlass ermitteln und dann den Mdj. persönlich (ohne Eltern) anhören, ihm erzählen, was an Nachlass vorhanden ist und welche Folgen die Ausschlagung konkret hätte (also, dass dann nicht er sondern Person XY das bekommen würde).
    Hält er dann noch an der Ausschlagung fest, sollte er seine Gründe dafür möglichst konkret darlegen.

    Erscheinen die Gründe dann aus Sicht des Mdj. nachvollziehbar, halte ich eine Genehmigung für möglich.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ich würde daher zunächst den Nachlass ermitteln


    Mir liegt der Wertermittlungsbogen (NS 17) vor. Demnach ist ein geringfügiges Kontoguthaben vorhanden, das die Bestattungskosten nicht deckt und eben die Wohnung (im Formular mit 180.000,- € Wert angegeben, wie realistisch die Angabe ist, kann ich nicht beurteilen). Man könnte evtl. die Lebensgefährtin um Auskunft bitten, sonst fällt mir kein Ansatz zur Ermittlung des Nachlasses ein.

    und dann den Mdj. persönlich (ohne Eltern) anhören

    Das habe ich der Mutter auch schon telefonisch angekündigt.

  • Was die Wohnung angeht, würde ich mal den zuständigen Kollegen im GBA um Hilfe bitten. Der kann die Wohnung - z.B. anhand der Grundakte dieser oder anderer Wohnungen im gleichen Block - sicherlich grob einschätzen.

    Wichtiger Punkt ist auch, ob die Wohnung vermietet ist und was ggf. an Miete herein kommt.

    Und natürlich braucht man dann weitere Angaben dazu, ob aus der Finanzierung der Immobilie eventuell noch Verbindlichkeiten offen sind, die fortlaufend bedient werden müssten.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ach, ja, das Wohnrecht. Sorry, hatte ich ganz aus den Augen verloren. Das macht die Sache natürlich nicht einfacher. Solche Rechte verringern der Wert der Immobilie natürlich nicht unerheblich, da die Wohnung ja für die Dauer der Wohnrechtsausübung praktisch nicht genutzt werden kann. Dennoch macht das Recht die Wohnung nicht vollkommen wertlos.
    Hier hängt viel von dem Alter der Berechtigten und der damit verbundenen statistisch noch zu erwartenen Lebensdauer ab.

    Wahrscheinlich führt hier an einem Gutachten über den Wert der Wohnung kaum ein Weg vorbei... :cool:

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Ach, ja, das Wohnrecht. Sorry, hatte ich ganz aus den Augen verloren. Das macht die Sache natürlich nicht einfacher. Solche Rechte verringern der Wert der Immobilie natürlich nicht unerheblich, da die Wohnung ja für die Dauer der Wohnrechtsausübung praktisch nicht genutzt werden kann. Dennoch macht das Recht die Wohnung nicht vollkommen wertlos.
    Hier hängt viel von dem Alter der Berechtigten und der damit verbundenen statistisch noch zu erwartenen Lebensdauer ab.

    Wahrscheinlich führt hier an einem Gutachten über den Wert der Wohnung kaum ein Weg vorbei... :cool:

    Sag ich doch:)

    Und was man auch nicht vergessen darf ist, wer das Hausgeld zahlen muss (vermutlich wohl der Eigentümer und nicht der Wohnungsrechtinhaber)

  • Qui bono? Vor allem ist die Frage zu prüfen, wem das Erbe denn zufällt, wenn die beiden testamentarisch bedachten Enkel ausschlagen.

    Dann wird es auf die gesetzliche Erbfolge hinauslaufen. Der Vater der Testamentserben (Sohn des EL) würde die Erbschaft für sich selbst wohl nicht ausschlagen.
    .....

    Siehst Du kein Vertretungshindernis?

  • Eine gute Frage ! Vater schlägt für Kind aus und wird dadurch selbst Erbe.

    Vielleicht sollte man da ja dochmal § 1629 II, 1796 BGB in Betracht ziehen ? Aber wenn ein 16- oder 17-jähriger permanent behauptet, er will die Erbschaft nicht, muss auch hier erst mal geklärt werden, welche Bedeutung man dieser Willensäußerung beimisst. Wenn man gewillt ist, den Willen des Kindes zu berücksichtigen, erübrigt sich eigentlich diese Frage.
    Was wäre denn die Folge der Vertretungsentziehung: Ein Pfleger wäre zu bestellen, der dann vielleicht völlig anders denkt und für eine Nichtausschlagung/ Annahme der Erbschaft natürlich keine Genehmigung braucht. Dann wird das Kind Erbe, ob es will oder nicht. Das Kind könnte dann vielleicht als Verfahrensfähiger die Entlassung des Pflegers beantragen, weil es seine Interessen und Wünsche nicht berücksichtigt. Wie man es auch sieht: Irgendwie bekommt man das Verfahren immer zum OLG, das sich dann zu diesen Sachfragen mal äußern müsste.

  • So, ich habe den Minderjährigen inzwischen angehört (hat sich verzögert, weil mein Schreiben offenbar nicht angekommen ist). Er will weiterhin an der Ausschlagung festhalten. Und ich kann ihn sogar verstehen. Er hat gerade eine Ausbildung angefangen, von der Wohnung hat er nicht viel, da sie besetzt ist. Laufende Versicherungsbeiträge sind zu zahlen, die Tochter des EL verlangt den Pflichtteil und die Wohnungsberechtigte will, dass irgendwelche Mängel beseitigt werden.
    Im Moment neige ich dazu, die Genehmigung zu erteilen, obwohl ich damit etwas Bauchschmerzen habe.

  • Dann bestell doch den volljährigen Bruder zum Ergänzungspfleger für das Genehmigungsverfahren, ist ja möglich, selbst wenn der Betroffene 16 Jahre alt ist. Stimmen dann beide (Betroffener und Ergänzungspfleger) zu, reduzieren sich die Bauchschmerzen nochmals erheblich.

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