Pfändung "Taschengeldkonto" im Altenheim

  • Hallo Kollegen,

    habe trotz mehrjähriger Erfahrung im Zwangsvollstreckungsrecht erstmals die Konstellation, dass eine Pfändung an einem "Treuhand-Taschengeldkonto" in einem Altenheim vorliegt und der Schuldner Vollstreckungsschutz begehrt.

    Ich bin mir auch nicht sicher, ob der folgende Sachverhalt in anderen Regionen ebenfalls so üblich ist.

    Hier der Sachverhalt:
    Schuldner steht unter Betreuung und ist wegen Altersgebrechlichkeit in einem Altenheim untergebracht. Mangels ausreichendem Einkommen ist er vollständig auf Leistungen nach dem BSHG angewiesen.
    Die zuständige Sozialbehörde überweist sein ihm nach dem BSHG zustehendes Taschengeld auf ein spezielles Treuhandkonto direkt im Altenheim (kein Bankkonto).
    Eine Nachfrage bei unserer Betreuungsabteilung im Haus hat ergeben, dass dies von unserer Sozialbehörde in allen Alten- und Pflegeheimen so praktiziert werde. Die Pflegeeinrichtungen verwalten -ohne Bank zu sein- die von der Sozialbehörde eingehenden Taschengeldleistungen.

    Die Betreuerin hat nun im Namen des Schuldners um Vollstreckungsschutz ersucht und beruft sich auf §§ 850 und 850 k ZPO sowie die allgemeine Unpfändbarkeit von Sozialleistungen.

    Der Gläubiger widerspricht dieser Rechtsauffassung, da es sich um kein Bankkonto handelt; im Übrigen behauptet er diese Zahlungen seien nun vollumfänglich pfändbar, da mit der Auszahlung an einen Dritten (Altenheim) die Unpfändbarkeit der Sozialleistung entfallen wäre.

    Es handele sich nunmehr um einen vom Sozialrecht völlig abgetrennten Auszahlungsanspruch des Schuldners aus Treuhandvertrag, so dass Vollstreckungsschutz nicht zu gewähren sei.

    Habe die Vollstreckung zur Zeit einstweilen nach § 732 II ZPO eingestellt.
    :gruebel:
    Hatte einer einen vergleichbaren Fall und/oder kennt hierzu eine Fundstelle ?

  • Allgemeine Unpfändbarkeit von Sozialleistungen? :gruebel: Gibt es nicht (mehr).

    § 850 k ZPO setzt ein Konto bei einem Kreditinstitut voraus.

    Denkbar ist m. E. von einer Unpfändbarkeit wegen besonderer Zweckgebundenheit des Taschengeldes auszugehen. Dann könnte der Drittschuldner die Pfändung aber auch so ignorieren. Es bedürfte nicht notwendigerweise eines Beschlusses.

  • Allgemeine Unpfändbarkeit von Sozialleistungen? :gruebel: Gibt es nicht (mehr).

    § 850 k ZPO setzt ein Konto bei einem Kreditinstitut voraus.

    Denkbar ist m. E. von einer Unpfändbarkeit wegen besonderer Zweckgebundenheit des Taschengeldes auszugehen. Dann könnte der Drittschuldner die Pfändung aber auch so ignorieren. Es bedürfte nicht notwendigerweise eines Beschlusses.

    :eek: Die Pfändung ignorieren würde ich keinem empfehlen, weil die Pfändung nicht automatisch nichtig ist sondern allenfalls mit RM vernichtbar.

  • Das war auch kein genereller Gedanke für Drittschuldner. :cup:

    Hintergründe im vorliegenden Fall: mutmaßlich niederiger Streitwert der Drittschuldnerklage + Prozessrisiko liegt jedenfalls zunächst beim Pfändungsgläubiger + möglicher Einwand der Unpfändbarkeit w/ Zweckgebundenheit = Pfändungsgläubiger sieht womöglich von DSKlage ab bzw. Drittschuldner geht das überschaubare Risiko von Ignoranz ein.

  • Das war auch kein genereller Gedanke für Drittschuldner. :cup:

    Hintergründe im vorliegenden Fall: mutmaßlich niederiger Streitwert der Drittschuldnerklage + Prozessrisiko liegt jedenfalls zunächst beim Pfändungsgläubiger + möglicher Einwand der Unpfändbarkeit w/ Zweckgebundenheit = Pfändungsgläubiger sieht womöglich von DSKlage ab bzw. Drittschuldner geht das überschaubare Risiko von Ignoranz ein.

    Und das gerade bei einem so unkundigen Drittschuldner? Der dürfte sich dann eher anwaltlichen Rat holen, der ihm allenfalls rät zu hinterlegen.

  • Das war auch kein genereller Gedanke für Drittschuldner. :cup: Hintergründe im vorliegenden Fall: mutmaßlich niederiger Streitwert der Drittschuldnerklage + Prozessrisiko liegt jedenfalls zunächst beim Pfändungsgläubiger + möglicher Einwand der Unpfändbarkeit w/ Zweckgebundenheit = Pfändungsgläubiger sieht womöglich von DSKlage ab bzw. Drittschuldner geht das überschaubare Risiko von Ignoranz ein.

    Und das gerade bei einem so unkundigen Drittschuldner? Der dürfte sich dann eher anwaltlichen Rat holen, der ihm allenfalls rät zu hinterlegen.


    Hmm... Welcher Hinterlegungsgrund soll hier den greifen?

  • Wir reden hier von ca. 100,- EUR/mtl., die ein Heimbewohner zur Vfg. hat, sonst nix, davon muss er alles persönl. bezahlen, Kleidung, Kosmetik, Süßigkeiten, Zeitung, ....

    Die Leistung ansich ist unpfändbar und zweckgebunden, § 27b SGB XII. Ich gehe davon aus, dass der Gl. das weiß. Daher § 765a ZPO und dem Gläubiger die Kosten auferlegen.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Hier die aktuell Ergänzung des Sachvortrages von heute durch neuen
    Gläubigerschriftsatz; er weist ausdrücklich darauf hin:

    - Pfändungsschutz des SGB sei durch Erfüllung untergegangen
    (BGH Rpfl 2009, 466ff)
    - die Anwendung des § 765 a ZPO sei nicht gerechtfertigt
    (LG Koblenz Rpfl 2005, 150 ff)
    - Gl.-Vertr. vergleicht die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner
    mit einem Anspruch aus §§ 662, 667 oder 812 BGB, so dass
    die Vorschriften nach §§ 850k, 850 l ZPO nicht anwendbar seien

    Aus diesen Gründen ergäbe sich kein Pfändungsschutz.

    Schuldner sei mithin selbst schuld, wenn er sein Taschengeld nicht anderweitig in Sicherheit gebracht habe.
    Im Übrigen wird darauf verwiesen, dass hier bei einer Interessenabwägung auch die Belange des Gläubigers überwiegen seine Forderung zu realisieren.

    Bei diesem Verhalten der Gläubiger tendiere ich dazu allen Schuldnern mit Sozialhilfebezug sofort ein privat Insolvenzverfahren einzuleiten.

    Für weitere Denkanstöße vor Bescheidung wäre ich dankbar.

  • Bei mir gäbe es einen 765a ZPO, denn 100€ Taschengeld, die jemand im Altenheim für diverse persönliche Bedürfnisse bekommt (Friseur, diverse Pflegemittel, Zeitung etc.), sind wahrlich nicht zu viel, dass man davon noch was pfänden könnte. Ich würde mich mal erkundigen beim Betreuer, der Betreuungsabteilung oder im Heim, was von diesem Betrag der Heimbewohner alles noch bezahlen muss, um besser argumentieren zu können. Da wird kaum was dabei sein, auf worauf man verzichten muss oder was in den pauschalierten Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO vom Gesetzgeber nicht als notwendig und unverzichtbar angesehen worden ist.

    Ich bin wahrlich kein Schuldner- Freund, aber wie hier der Gläubiger argumentiert, ist alles andere als human oder nachvollziehbar.

  • Ich will mal versuchen, nüchtern zu argumentieren: Tatsächlich ist der Pfändungsschutz an der Quelle aufgehoben, da die Sozialleistung ans Heim gezahlt und dort für den Schuldner verwahrt wird. Für § 765a ZPO sehe ich auch keine Handhabe, da der Schuldner ein P-Konto einrichten und sich den Barbetrag auf dieses Konto auszahlen lassen kann. Dies ist zwar mit Aufwand verbunden, ob dieser aber unzumutbar ist, würde ich bezweifeln.

    Über den Gläubiger will ich moralisch nicht urteilen, da mir das Hintergrundwissen zum Sachverhalt fehlt. Vielleicht ist zwischen Schuldner und Gläubiger etwas vorgefallen, das den Gläubiger zu solch drastischen Maßnahmen veranlasst.

  • Mir ist der SV noch nicht ganz klar.

    Das Bezirksamt überweist SGB XII auf ein Konto des Pflegeheims.
    Der Gläubiger pfändet den Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen das Pflegeheim.

    Das Pflegeheim macht insofern eigene vorrangige Ansprüche (AGB)geltend zur Begleichung der zu erbringenden Unterkunfts- und Pflegeleistungen.

    Es verbleibt danach ein monatlich geringer Betrag für den Schuldner als TG für seine persönlichen Bedürfnisse.

    Ist nunmehr dieses TG schon über Monate unverbraucht angespart geblieben, was beantragt denn die Betreuerin des Schuldners konkret?

  • ...Für § 765a ZPO sehe ich auch keine Handhabe, da der Schuldner ein P-Konto einrichten und sich den Barbetrag auf dieses Konto auszahlen lassen kann. Dies ist zwar mit Aufwand verbunden, ob dieser aber unzumutbar ist, würde ich bezweifeln...

    Weißt du praktisch, wie Heimkonten ablaufen/funktionieren und warum? Ich meine das ausdrückl. nicht herablassend, habe selbst eine nahen Verwandt. im Heim und arbeite in der Betreuung.

    Noch eine Frage an den TE, ist eine Pflegestufe bewilligt? Lass dir die Taschengeldabrechnung, bekommt man auf Anforderung vom Heim, vorlegen.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • ...Für § 765a ZPO sehe ich auch keine Handhabe, da der Schuldner ein P-Konto einrichten und sich den Barbetrag auf dieses Konto auszahlen lassen kann. Dies ist zwar mit Aufwand verbunden, ob dieser aber unzumutbar ist, würde ich bezweifeln...

    Weißt du praktisch, wie Heimkonten ablaufen/funktionieren und warum? Ich meine das ausdrückl. nicht herablassend, habe selbst eine nahen Verwandt. im Heim und arbeite in der Betreuung.

    Ja, da ich sehr viele Heime auch in Forderungssachen vertrete. Es handelt sich in der Regel um Sammelkonten bzw. Bargeldkassen, wo die Barbeträge der Sozialhilfeempfänger verwaltet werden.

    Rechtlich sind die Heime nur verpflichtet, den Bewohnern bzw. deren Vertretern die Barbeträge auszuzahlen, für die Verwendung ist dann der Bewohner selbst verantwortlich und müsste davon dann z. B. im Kiosk oder seinen Friseur, Fußpfleger etc. selbst bezahlen. Dies ist natürlich für alle Beteiligten wenig praktikabel. Das Heim müsste für die Auszahlungen viel mehr Verwaltungspersonal einstellen, was die Heimkosten erhöhen würde. Der Bewohner müsste eine Vielzahl von Barzahlungen vornehmen. Viele Dienstleister wie Friseure, Fusspfleger, liefernde Apotheken etc. wollen keine Einzelabrechnungen mit den jeweiligen Bewohnern vornehmen und verlangen daher von den Heimen, daß sie mit dem Heim gesammelt abrechnen und das Heim die Gelder für die Bewohner zunächst verauslagt und dann im Rahmen der Barbetragsabrechnung verrechnet. Dazu werden dann buchhalterische Bewohnerkonten geführt.

    Wie Du siehst, kenne ich die Abläufe. Rechtlich kann aber ein Heimbewohner nicht besser gestellt werden, als Personen, die in den eigenen vier Wänden leben und ihren Friseur, Fußpfleger und die Apotheke jeweils einzeln bezahlen müssen. Natürlich ist der Aufwand für den Vertreter des Bewohners größer, als es meist praktiziert wird. Das rechtfertigt m. E. aber nicht, hier § 765a ZPO heranzuziehen, bei einem in den eigenen vier Wänden lebenden, vielleicht ebenfalls pflegebedürftigen Schuldner nicht.

  • ...Wie Du siehst, kenne ich die Abläufe. Rechtlich kann aber ein Heimbewohner nicht besser gestellt werden, als Personen, die in den eigenen vier Wänden leben und ihren Friseur, Fußpfleger und die Apotheke jeweils einzeln bezahlen müssen. Natürlich ist der Aufwand für den Vertreter des Bewohners größer, als es meist praktiziert wird. Das rechtfertigt m. E. aber nicht, hier § 765a ZPO heranzuziehen, bei einem in den eigenen vier Wänden lebenden, vielleicht ebenfalls pflegebedürftigen Schuldner nicht.

    Prima erklärt, aber wieso besser gestellt? Wieso soll der Bewohner gezwungen werden, zur Bank zu gehen, wenn er es denn überhaupt kann!, dort sein TG abzuheben, es in der Geldbörse zu behalten und in bar zu zahlen oder jede Woche zur Bank zu gehen und die Kleinbetragskosten zu überweisen.

    Das TG soll allein dem Bewohner für seine persönl. Ausgaben zur Verfügung stehen, egal wie er es verwaltet/ verw. lässt.

    Ich behauptete sogar, dass dem Gl. gar nichts zufließen kann, da nach Pfändung die Einstellung droht, § 27b Abs. 2 letzt. S. SGB XII.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich wollte das "besser gestellt" auch schon monieren, denke mal, dass er sich verschrieben hat und meine "nicht schlechter gestellt" als der zu Hause lebende Schuldner. Das Tagesgeld soll nach dem Willen des Gesetzgebers für die dringenden selbst zu finanzierenden Bedürfnisse zur Verfügung stehen, aus der Natur der Sache kann daher eine solche Sozialleistung nicht pfändbar sein, auch wenn sie jemand anders verwaltet. Mindestens 765a sollte da immer laufen.

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