Massearmut - Masseunzulänglichkeit

  • Möglicherweise habe ich das etwas überspitzt ausgedrückt. Wenn man mit halbwegs guten Gründen über die Anfechtung reden kann, dann entsteht der von mir genannte Eindruck nicht.

    Beispiel:
    Der Insolvenzverwalter trägt vor, der Beklagte habe die Zahlungsunfähigkeit des nachmaligen Insolvenzschuldners schon deswegen erkannt, weil der Insolvenzschuldner ihm gegenüber die Zahlungen eingestellt habe. Denn auf die seit mehr als drei Wochen fällige und angemahnte Rechnung vom ... sei keine Zahlung mehr erfolgt, bis dann die angefochtene Zahlung nach 6 Wochen floss.
    Der Beklagte trägt dagegen vor (und belegt dies durch entsprechende Schreiben), dass es in der Vergangenheit ständige Praxis zwischen den Parteien gewesen sei, dass Rechnungen trotz Mahnung erst nach 4-5 Wochen bezahlt wurde, er habe dies eben hingenommen, weil der Insolvenzschuldner ein so wichtiger Kunde gewesen sei.

    M.E. würde keiner bei uns im Senat hier auf die Idee kommen, dass der Insolvenzverwalter unberechtigt klagt - selbst wenn er im Ergebnis vielleicht verlieren würde. Ich meine andere Fälle, ein paar davon habe ich ja schon mal im einem anderen Thread skizziert. Also keine Scheu davor, sich bis zu uns durchzukämpfen :D. Wir korrigieren Entscheidungen der Landgerichte in beide Richtungen und sind m.E. (aber insoweit bin ich natürlich "befangen") weder Insolvenzverwalter-feindlich noch Gläubiger-feindlich (sondern nur eigenwillig ;)).


    Nur ab und zu gibt es eben Abgründe, und wenn uns der zu sehr angähnt, dann sprechen wir es eben auch mal an und aus.
    Zwei Beispiele dazu:

    Edit: Fallbeispiele gelöscht, da die Fälle, wie das nachfolgende Posting zeigt, identifizierbar war.

    Soche Sachen gehen in die oben genannte Richtung.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasH (22. August 2014 um 16:39) aus folgendem Grund: Geändert werden Identifizierbarkeit

  • In diesem Fall wurden die meisten Prozessakten durch den Verwalter aufgearbeitet, die anwaltlichen Vertreter der Gläubiger hatten oft behauptet, das ZU vorliegen würde und dies u.a. Auch mit Presseartikeln untermauert. ..

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ändert das irgendetwas daran, dass die Behauptung, es sei ausschließlich an anwaltlich vertretene Gläubiger ausbezahlt worden, nachweislich falsch war, oder ändert das etwas am eigenwilligen Unterdrücken der Mitteilung über bestimmte organsatorische Probleme, die dem Verwalter aus den vorher geführten Verfahren bestens bekannt war? Beides lässt sich mit der Pflicht zum wahrheitsgemäßen und vollständigen Vortrag gemäß § 138 ZPO ersichtlich nicht in Übereinstimmung bringen und steht in bedenklicher Nähe zu § 263 StGB.

    Richtig ist, dass eine Menge der Anleger, insbesondere viele der anwaltlich vertretenen, selbst eine ZU des Anlageunternehmens mehr oder weniger deutlich in den Raum gestellt hatten. So etwas war dann bei der Abwägung zur Frage des Kenntnisstandes dieser Anleger zu berücksichtigen. Bei "mehr deutlich" hat der BGH ja dann auch entschieden, "weniger deutliche" gerade von Laien formulierten Schreiben gab es aber auch.

    Ich möchte nicht behaupten - insoweit waren die Beispiele im obigen Zusammenhang schlecht gewählt - , dass die Klagen des Insolvenzverwalters hier generell unberechtigt waren oder nur der Abschöpfung der vorhandenen Masse gedient haben. Nur, dass sich in diesen konkreten Fällen mit dem konkreten bedenklichen Vortrag Abgründe aufgetan haben.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Eigenwilligkeit - auch wenn sie für uns Anwälte zugegebener Maßen anstrengend sein kann - halte ich nicht per es für eine schlechte Eigenschaft. Ich besitze dieses Gen auch :D

    Problematisch - im Hinblick auf das angesprochene Szenario - sind unsere Arbeitsbedingungen. Ich sehe doch, insbesondere bei nicht so mitwirkungsbereiten Schuldnern, nur diejenigen Unterlagen, die einen Eingang in die Buchhaltung gefunden und nicht sofort im Schredder gelandet sind. Daraus ergibt sich dann schon mal ein Zerrbild. Blöd auch - da schaue ich mal meine Lieblingsfinanzämter an - wenn eine sinnvolle anwaltliche Verteidigung dann auch erst geschieht, wenn der Anwaltszwang nicht mehr zu umgehen ist. Da geht so mancher Rechtsstreit, für den die Erfolgsaussichten bejaht und Prozesskostenhilfe gewährt wurde, plötzlich den Bach runter. Da kann schon mal der Eindruck entstehen, dass ich bewußt falsch vorgetragen habe. Dies ist, da gebe ich Dir Recht, ein absolutes "no go". Nur meist wusste ich es eben nicht besser.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Hallo Gegs,

    vielen Dank für den Hinweis auf die Arbeitsbedingungen.So etwas in der Richtung hatte ich mir eigentlich auch schon vorgestellt. Und dass sich ein einstmal für eine Partei aussichtsreiches Verfahren durch neue Informationen stark verändern kann, das erlebt man sogar als Richter der Berufungsinstanz immer mal wieder. Natürlich frage ich mich dann manchmal, wie es dazu kommen kann - aber dass gerade ein InsVw nicht alles wissen kann, das leuchtet mir durchaus ein.

    Die Fälle, die mir wegen falscher Darstellung an die Nerven gehen, sind aber anders strukturiert. Gerade diese Woche haben wir wieder ein Urteil verkündet, mit etwa folgendem Ablauf: InsVw schreibt im Eröffnungsbericht "A", bei uns im Prozess dann aber "non-A". Oder um Prozess 1 schreibt der InsVw, dass etwas so und so liegt. Im Prozess 2 des gleichen Insolvenzverfahrens soll es dann genau umgekehrt gewesen sein, weil es eben für diesen Prozess besser wäre. Dass wir von den Gläubigern, die um keinen Fall haften wollen, öfters mal nicht mit der Wahrheit bedient werden, das ist ja sozusagen einkalkuliert, entsprechend vorsichtig werden die üblichen Äußerungen abgewogen. Aber vom Insolvenzverwalter als Vertrauensperson - viele sind ja auch Rechtsanwälte und damit auch noch Organe der Rechtspflege - erwarte ich eigentlich Wahrhaftigkeit (im Unterschied zu Wahrheit: Man kann sich täuschen, aber man muss sich bemühen).

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Hallo Andreas,

    danke für Deine Antwort.

    Vorab: Das mit dem "Organ der Rechtspflege" hören wir nicht so gern. Der Begriff aus der Nazi-Zeit, der in den RAF-Prozessen ein trauriges Revival fand, diente vorrangig dazu, engagierte Strafverteidiger mundtot zu machen. Okay wir werden an der Gerichtstür nicht kontrolliert, aber ansonsten werden aus dem Begriff auch heute noch zugunsten der Justiz nur Pflichten für uns Anwälte hergeleitet.

    Mit der Wahrhaftigkeit ist das so eine Sache. Ich bin nämlich meinem Mandanten verpflichtet. Dass heißt auch, dass ich den Gegner zur Not in eine Ecke drängen muss, wo er seiner Darlegungs- und Beweislast nicht mehr nachkommen kann. Gleiches gilt für "geschickten" Sachvortrag.

    Im Übrigen enthält auch ein Eröffnungsbericht oder Gutachten inhaltlich nicht immer das non plus ultra. Um das Eröffnungsverfahren nicht ewig lange andauern zu lassen, kann man oft nur ein ungefähres Bild ermitteln. Im Laufe des Verfahrens wird dies dann klarer oder ändert sich auch mal komplett.

    Aber wir sind weit vom Thema angekommen. Vielleicht sollten wir ein eigenes Thema aufmachen. Vielleicht nennen wir ihn: "Von Richtern und Anwälten".

    Ich wünsche ein schönes, arbeitsfreies Wochenende.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."


  • Hallo Gegs,

    die Herkunft des "Organs der Rechtspflege" ist mir bewusst, ich hatte aber angenommen, dass die Herkunftsschmerzen dieses Begriffs angesichts der Formulierung von Paragraph 1 der BRAO mittlerweile überwunden sind. Anscheinend ein Irrtum.

    Im Übrigen: Dass Anwälte als Parteivertreter Interessen zu vertreten haben, ist mir auch klar. Ich erwarte ja auch nur, dass sie nicht bewusst Falsches vortragen (sich zumindest darum bemühen), das meine ich mit Wahrhaftigkeit. Anhaltspunkte, dass diese Pflicht auch für Anwälte gilt, sehe ich in 138 ZPO, 263, 27 StGB. Allerdings scheint mir dies mit dem Zunehmen des amerikanischen Prinzips des Gewinnens um jeden Preis allmählich in den Hintergrund zu treten.

    Vielen Dank für die Wochenendwünsche, die ich gerne zurückgebe - auch wenn dies für viele Rechtsanwälte wohl eher ein frommer Wunsch bleibt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Hallo Andreas,

    bevor ich mich an meine eigene Buchhaltung - passend zum Thema :teufel: :eek: - mache, noch ein paar Gedanken.

    Ich erwarte ja auch nur, dass sie nicht bewusst Falsches vortragen [...] Anhaltspunkte, dass diese Pflicht auch für Anwälte gilt, sehe ich in 138 ZPO, 263, 27 StGB

    Für uns Anwälte gelten keine Sonderrechte. Die wollen wir auch nicht haben. Aber eben auch keine Sonderpflichten. Ich denken, dass die Justiz (Richter + Staatsanwälte) dies manchmal vergessen. Zumindest sind hier gerade ein paar Fälle im Umlauf, die ein Zwei-Klassen-Strafrecht zuungusten unserer Berufsgruppe wahrscheinlich erscheinen lassen. Näheres gern per PN.

    Allerdings scheint mir dies mit dem Zunehmen des amerikanischen Prinzips des Gewinnens um jeden Preis allmählich in den Hintergrund zu treten.

    Die Erwartung, dass nur ein Anwalt, der der eigenen Sache zum Erfolg verhilft, ein guter Anwalt ist, war meines Erachtens bei weiten Bevölkerungskreisen schon immer da. Ich erlebe sie sogar in meiner eigenen Familie. Was sich mit steigenden Anwaltszahlen wohl ändert, ist der wirtschaftliche Druck auf die Anwaltschaft. Viele Kollegen können es sich einfach nicht leisten, ein Mandat abzulehnen bzw. zu verlieren. Da werden obskure Heilsversprechungen gemacht, die dann zu einem ganz erheblichen Erfolgsdruck führen. Außerdem sehe ich das Problem, dass sehr viele junge Kollegen mittlerweile gezwungen sind, nach dem Examen sofort als Einzelkämpfer zu beginnen. Gewisse (Moral-)Vorstellungen bzw. ein Verhaltenskodex, der früher von älteren Kollegen auf die Berufsanfänger übertragen wurde, geht damit verloren.

    auch wenn dies für viele Rechtsanwälte wohl eher ein frommer Wunsch bleibt

    Ich empfinde es gar nicht so schlimm. Wichtiger - so denkt wohl Silberkotelett auch (sofern ist das einschätzen kann) - ist das Gefühl, seine Arbeitszeit frei einteilen zu können. Wenn ich Freitag-Vormittag mit meinen Freunden frühstücke, muss ich eben am Sonntag-Abend ins Büro. Dürfte bei Euch Richtern - jedenfalls munkelt man so etwas - wohl auch so sein.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • ...
    Ich empfinde es gar nicht so schlimm. Wichtiger - so denkt wohl Silberkotelett auch (sofern ist das einschätzen kann) - ist das Gefühl, seine Arbeitszeit frei einteilen zu können. Wenn ich Freitag-Vormittag mit meinen Freunden frühstücke, muss ich eben am Sonntag-Abend ins Büro. Dürfte bei Euch Richtern - jedenfalls munkelt man so etwas - wohl auch so sein.

    Im Ansatz ja, in der Tendenz allerdings genau umgekehrt:

    Ein gut laufendes Richterreferat*(1) sorgt für mehr Freizeit bei gleichem Gehalt. Ein gut laufendes Anwaltsreferat*(2) sorgt für mehr Ertrag bei weniger Freizeit.

    zu (1):
    Gut laufend bedeutet hier: Man hat bewältigbare Eingangszahlen, einen - mühsam - auf niedrig abgearbeiteten Bestand, daher hat man mehr Zeit für die Bearbeitung der verbleibenden Fälle, kann schneller terminieren, d.h. die Parteien schreiben weniger, sich intensiver vorbereiten und besser verhandeln. Das sorgt für mehr Vergleiche, die sich in weniger Gesamtarbeitszeit pro erledigtem Fall niederschlagen, das sorgt wieder für mehr Zeit bei der Bearbeitung der anderen Fälle ... Der Sache nach ein positives Perpetuum Mobile, oder "Erfolg gebiert Erfolg". Natürlich gibt es auch die Umkehrung, d.h. entsprechend negative Verstärkungsketten.

    zu (2):
    Gut laufend bedeutet hier: "Erfolg gebiert Erfolg": Man ist erfolgreich, das spricht sich herum, man bekommt mehr Mandanten, mehr Fälle ...
    Das führt irgendwann zum Standardspruch über Selbständige: Hast Du etwas vom Leben oder hast Du etwas zum Leben.

    Aber das sind natürlich nur die Betrachtungen eines Nicht-Rechtsanwalts ;)

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • kann schneller terminieren, d.h. die Parteien schreiben weniger

    Ich weiß, dass das Berufungsverfahren bestenfalls eine Wiederholung des erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags ist. Aber diese Annahme halte ich für gewagt. Ich hatte in letzter Zeit einige Rechtsstreite, in dem die Terminierung mit der Anfangsverfügung geschah. Die Klageerwiderung ging dann, durchaus fristgerecht, bestenfalls zwei Tage vor dem Termin bei mir ein. Was bei Nachbarschaftsstreitigkeiten vielleicht keine schlechte Idee ist (verstrittene Nachbarn sind meist keinen rechtlichen Argumenten zugänglich :eek:), wird einem Anfechtungsrechtsstreit nicht gerecht. Da braucht es - zumindest im erstinstanzlichen Verfahren - meines Erachtens einige wechselseitige Schriftsätze, bis die Lage klar herausgearbeitet ist. Teilweise pfeifen bei einem Kollegen und mir noch in der mdl. Verhandlung die Argumente durch die Gegend. Am Besten fand ich mal eine Richterin die nach 45 min rechtlicher Diskussion von uns Parteivertretern meinte, Vergleichsverhandlungen seien wohl komplett sinnlos. Unsere Antwort: Mitnichten, wir bereiten diese gerade vor :D.

    Hast Du etwas vom Leben oder hast Du etwas zum Leben.

    Dies hängt auch von den Einstellungen und der persönlichen Gier des Kollegen ab. Ich kenne durchaus Kollegen, die sich die Ablehnung von Mandaten leisten (können).

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • kann schneller terminieren, d.h. die Parteien schreiben weniger

    Ich weiß, dass das Berufungsverfahren bestenfalls eine Wiederholung des erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags ist. Aber diese Annahme halte ich für gewagt. Ich hatte in letzter Zeit einige Rechtsstreite, in dem die Terminierung mit der Anfangsverfügung geschah. Die Klageerwiderung ging dann, durchaus fristgerecht, bestenfalls zwei Tage vor dem Termin bei mir ein. Was bei Nachbarschaftsstreitigkeiten vielleicht keine schlechte Idee ist (verstrittene Nachbarn sind meist keinen rechtlichen Argumenten zugänglich :eek:), wird einem Anfechtungsrechtsstreit nicht gerecht. Da braucht es - zumindest im erstinstanzlichen Verfahren - meines Erachtens einige wechselseitige Schriftsätze, bis die Lage klar herausgearbeitet ist. Teilweise pfeifen bei einem Kollegen und mir noch in der mdl. Verhandlung die Argumente durch die Gegend. Am Besten fand ich mal eine Richterin die nach 45 min rechtlicher Diskussion von uns Parteivertretern meinte, Vergleichsverhandlungen seien wohl komplett sinnlos. Unsere Antwort: Mitnichten, wir bereiten diese gerade vor :D.

    Zwei Tage vor dem Termin für die Erwiderung ist natürlich zu knapp. Aber wenn man mehr als drei Schriftsätze braucht (Klage, Erwiderung und Replik) um im erstinstanzlichen Verfahren zur Sache zu kommen, dann hat man die "neue" ZPO von 2002 immer noch nicht verinnerlicht (ich bin in meiner erstinstanzlichen Zeit mit den drei Schriftsätzen jedenfalls sehr gut zu Recht gekommen). Aber es gibt natürlich Anwälte, die immer noch meinen, sie könnten trotz vorprozessualer Korrespondenz mit der Gegenseite mit einer "Dürftigstklage" beginnen, die, wenn man mal die ganzen BGH-Zitate streicht, vom Sachverhalt her kürzer ist als die letzte vorprozessuale Zahlungsaufforderung an die Gegenseite. Zum Glück gibt es auch viele andere, die bereits mit der Klage alles Erforderliche auf den Tisch legen.

    Im Übrigen Beste Grüße zum bevorstehenden 10.000er

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Der Verwalter hat vor längerer Zeit die Masseunzulänglichkeit angezeigt.

    Der Insolvenzverwalter hat weiterhin die Verwertung von Massegegenständen sowie die Erstellung der Steuererklärungen von Dritten durchführen lassen. Hierfür sind dementsprechend Kosten angefallen. Diese Kosten hat der Verwalter beglichen und die (Verwertungs-)einnahmen zur Masse gezogen. Durch die Begleichung der Kosten ist nunmehr jedoch nicht mehr genügend Geld vorhanden, um die Verwaltervergütung zu bezahlen (für die Gerichtskosten reicht es). Der Verwalter beantragt nunmehr die Einstellung nach § 207 InsO. Sehe ich das richtig, dass der Verwalter die Rechnungen bzgl. der Verwertung/Erstellung der Steuererklärungen nicht hätte zahlen dürfen? Und dass ich das Verfahren jetzt nach § 211 InsO einstellen müsste?

    Es ist richtig, dass der IV zunächst gemäß § 209 Abs. 1 InsO die Verfahrenskosten i. S. d. 54 InsO hätte begleichen bzw. entsprechende Rückstellungen hätte bilden müssen.

    Möglicherweise können die Verwertungs- und Steuerberatungskosten zu den sog. "unausweichlichen Verwaltungskosten" gehören, für die teilweise eine Gleichstellung mit den Verfahrenskosten i. S. d. § 54 InsO befürwortet wird, vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 14.10.2010, IX ZB 224/08. Aber auch dann meine ich, wäre nach § 209 Abs. 1 InsO zu quoteln, wenn's nicht für alle reicht (sofern es nicht auch an Deinem Gericht das gentlement agreement mit den IVs gibt, dass die Gerichtskosten den Vorrang vor der IV-Vergütung genießen. Aber dieses dürfte dann m. E. nicht zu Lasten der Gläubiger der "unausweichlichen Verwaltungskosten" gehen).

    Verzichtet der IV auf den Teil seiner Vergütung, mit dem er infolge Verletzung der Befriedigungsreihenfolge ausgefallen ist? Dann könnte man wohl argumentieren "Kosten gedeckt, Einstellung nach § 211". Ich gehe mal davon aus, dass es sich um ein Verfahren ohne Rsb handelt, denn in dem Fall wäre der Unterschied § 207 / § 211 schon kriegsentscheidend. Ansonsten ist das - glaube ich - nur von den Gerichtskosten ein Unterschied (bin da nicht so firm, hier gibt's den Kostenbeamten des mittleren Dienstes :)).

    Kurze Frage noch zu den unausweichlichen Verwaltungskosten. Gehören dazu auch "Personalberatungskosten zur Aufbereitung der Personalunterlagen"? Es wurden von einem Dritten im Bereich der Personalangelegenheiten, insbesondere bei der Betriebsprüfung, der Aufarbeitung der Personalunterlagen und der Bearbeitung der Insolvenzgeldansprüche Tätigkeiten vorgenommen. Ist die hierfür angefallene Vergütung vor § 55 InsO zu berücksichtigen? Ich hätte dies jetzt angenommen.

  • Kommt auf den Einzelfall an. Der BGH sagt in IX ZB 224/08 zu dem Begriff "unausweichliche Verwaltungskosten": "Unter diesem Begriff werden Aufwendungen erörtert, die der Insolvenzverwalter in Erfüllung seiner Pflichten nicht vermeiden kann, weil sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zwingend aufgebracht werden müssen (etwa Kosten für die Erhaltung der Masse, für die Verkehrssicherung oder für eine Steuererklärung)." Tendenziell für ich ein vorsichtiges "Ja" wagen, aber man muss es sich wohl im konkreten Fall kritisch angucken.

    Vielleicht kann die Verwalterseite zur "Unausweichlichkeit" hier aber mehr Erhellendes beitragen? :)


    Wichtige Entscheidungen fällt man mit Schnick Schnack Schnuck

  • Ah ja - mit der BGH-Entscheidung wird's klarer. Dann wird aus meinem vorsichtigen ein deutlicheres "Ja".

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