bedenklicher Antrag der STA ?

  • Hallo Fories, ich brauche mal Hilfe:
    STA regt die Bestellung eines Ergänzungspflegers für ein 14-jähriges Kind an. Sachverhalt: Mutter hat die Polizei gerufen weil Vater ausgerastet war und Mutter + Kind angegriffen hatte- Vorwurf: Totschlag.
    Mutter hat 1 Tag später die Anzeige zurückgezogen und ist nicht mehr bereit, gegen den Ehemann auszusagen.
    STA will nun an den 14-jährigen Sohn und beantragt neben AO Erg.-Pfleger dass die Anhörung der Eltern unterbleiben soll und auch , dass die Bekanntgabe des Beschlusses aus ermittlungstechnischen Gründen zunächst zurückzustellen ist.

    Ich bin der Auffassung, dass das zu weit geht. Was meint Ihr ?

  • M.E. kann die StA die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des FamFG nicht außer Kraft setzen. Wenn die StA anderer Auffassung ist, soll sie diese belegen.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Sehe ich auch so. Davon mal ab: Wofür bzw. aus welchem Grund soll für den 14-jährigen ein Ergänzungspfleger bestellt werden?

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • ich denke, dass ich das Verfahren so durchführe, wie ich es für richtig erachte und glaube nicht, dass ich der STA begründen muss, warum ich nicht auf Anhörung und Zustellungen verzichte- zumal für die Zustellungen ja die Geschäftsstelle zuständig wäre. Problem ist auch, dass lediglich behauptet wird, das Kind besitze nicht die notwendige Verstandesreife. Nach dem mir vorliegenden mageren Akteninhalt ist überhaupt nicht erkennbar, ob man sich mit dem Kind überhaupt mal unterhalten hatte.

  • So ist es. Bei einem 14-jährigen ist zunächst mal davon auszugehen, dass er die nötige Verstandesreife besitzt (Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage, § 52 StPO Rn 24). Ich würde die Akte daher der StA zurückschicken m. d. B., zunächst mal ihre Hausaufgaben zu machen. Im Übrigen müsste mir dann auch noch vorgetragen werden, ob das Kind überhaupt aussagebereit ist. Dies festzustellen ist nach hiesiger Ansicht nämlich auch originäre Aufgabe der StA oder der Polizei und nicht des Familiengerichts und erst recht nicht die des Ergänzungspflegers.

    @Steinkauz: Gedacht habe ich mir das schon, die Frage zielte eher darauf ab, ob die StA was dazu gesagt hat. Oftmals werden mir die Akten nämlich vorgelegt zur Bestellung eines Ergänzungspflegers, ohne dass zum Aufgabenkreis auch nur irgendetwas vorgetragen wird.

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  • Dies festzustellen ist nach hiesiger Ansicht nämlich auch originäre Aufgabe der StA oder der Polizei und nicht des Familiengerichts und erst recht nicht die des Ergänzungspflegers.

    Der Ergänzungspfleger soll auch nicht die Aussagebereitschaft feststellen, sondern durch die Bestellung soll - in diesem Stadium - mittels eines beschränkten Aufenthaltsbestimmungs- und ggf. Einwilligungsrechts bzgl. Befragungen und ggf. Untersuchungen des Kindes die Klärung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 StPO ermöglicht werden.

  • Dies festzustellen ist nach hiesiger Ansicht nämlich auch originäre Aufgabe der StA oder der Polizei und nicht des Familiengerichts und erst recht nicht die des Ergänzungspflegers.

    Der Ergänzungspfleger soll auch nicht die Aussagebereitschaft feststellen, sondern durch die Bestellung soll - in diesem Stadium - mittels eines beschränkten Aufenthaltsbestimmungs- und ggf. Einwilligungsrechts bzgl. Befragungen und ggf. Untersuchungen des Kindes die Klärung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 52 Abs. 2 StPO ermöglicht werden.

    Eben nicht. Der Ergänzungspfleger entscheidet darüber - und NUR darüber - ob das Kind von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht oder nicht. Zu diesem Zeitpunkt MÜSSEN die Voraussetzungen des § 52 II StPO bereits geprüft und bejaht worden sein. Die Frage der (ärztlichen) Untersuchung des Kindes ist wiederum eine ganz andere Baustelle.

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    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • 1. Wie kann der Vorwurf auf Totschlag lauten, wenn keiner tot ist?:confused:

    2. aus einem Schreiben an die STA in einem ähnlichen Fall:

    erhalten Sie anliegend Ihre Ermittlungsakte zurück.

    Zu Ihrem Antrag vom ....012 teile ich mit, daß die Einrichtung einer Ergänzungspflegschaft derzeit ohne die in § 26 FamFG gesetzlich vorgeschriebenen Ermittlungen des Familiengerichtes nicht in Frage kommt.

    Zum eventuell möglichen gesetzlichen Vertretungsausschluß nach § 52 StPO ist bislang ungeklärt, ob nicht die Minderjährige selbst über die hinreichende Verstandesreife verfügt. Insoweit sind zunächst Ermittlungen erforderlich. Ich stelle vor Ermittlungen meinerseits anheim, selbst dazu weiter vorzutragen.

    Für die weiteren angeregten Aufgabenkreise eines Ergänzungspflegers besteht kein gesetzlicher Vertretungsausschluß der Mutter. Hier käme nur die Entziehung der Vertretungsmacht nach §§ 1629 II 3 i.Vm. 1796 II BGB in Betracht. Auch dafür wären hier zunächst Ermittlungen anzustellen, ob tatsächlich ein Interessengegensatz besteht, der den Entzug rechtfertigte.

    Dabei sind nach §§ 34, 159, 160 FamFG grundsätzlich auch die Minderjährige und die Mutter anzuhören. Schwerwiegende Gründe für ein Absehen von der Anhörung sind nicht ersichtlich. Eine Verdunklungsgefahr ist nicht erkennbar. Die Möglichkeit der Einflußnahme der Mutter auf die Minderjährige ist ohnehin gegeben, da die Beteiligten spätestens mit der Bekanntgabe der Entscheidung durch das Gericht informiert wären. Daß die Beteiligten von einer Entscheidung des Familiengerichts informiert werden müssen, dürfte angesichts der klaren gesetzlichen Vorgabe in §§ 40, 41 FamFG klar sein, da andernfalls die Entscheidung keine Wirkung hätte.

    Unabhängig davon wird die Sache dem Familienrichter zur Prüfung einer Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB vorgelegt. Dieser wird ggf. die Prüfung, ob Maßnahmen gegen die Mutter bis hin zum Entzug der elterlichen Sorge in einem eigenen Verfahren vornehmen.

    Hier wird zunächst eine Monatsfrist notiert.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Sehr schöne Verfügung! Kleiner Wermutstropfen: Auch hier fehlt noch ein Passus zur erforderlichen Aussagebereitschaft des Kindes.

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    (Gotthold Ephraim Lessing)


  • Zum eventuell möglichen gesetzlichen Vertretungsausschluß nach § 52 StPO ist bislang ungeklärt, ob nicht die Minderjährige selbst über die hinreichende Verstandesreife verfügt. Insoweit sind zunächst Ermittlungen erforderlich. Ich stelle vor Ermittlungen meinerseits anheim, selbst dazu weiter vorzutragen.


    Wenn die StA bzw. der Strafrichter die Verstandesreife verneint, ist das Familiengericht an diese Einschätzung gebunden. Dies besagen alle mir bekannten Kommentierungen zum § 52 StPO.
    Und dass er sie verneit hat, ergibt sich bereits aus der Vorlage an das Familiengericht.

  • Zum eventuell möglichen gesetzlichen Vertretungsausschluß nach § 52 StPO ist bislang ungeklärt, ob nicht die Minderjährige selbst über die hinreichende Verstandesreife verfügt. Insoweit sind zunächst Ermittlungen erforderlich. Ich stelle vor Ermittlungen meinerseits anheim, selbst dazu weiter vorzutragen.

    Wenn die StA bzw. der Strafrichter die Verstandesreife verneint, ist das Familiengericht an diese Einschätzung gebunden. Dies besagen alle mir bekannten Kommentierungen zum § 52 StPO. Und dass er sie verneit hat, ergibt sich bereits aus der Vorlage an das Familiengericht.

    Das lasse ich nur gelten, wenn mir dazu auch eine Begründung geliefert wird. Die pauschale Aussage, dass davon ausgegangen wird, reicht mir so nicht aus. Ich fühle mich an nicht an etwas gebunden, was nicht geprüft wurde.

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  • Der Pfleger sollte bestellt werden bevor überhaupt irgendjemand die Verstandesreife beurteilt hat! Und es geht noch besser: Danach hat die Ermittlungsrichterin die Vernehmung und Prüfung der Verstandesreife abgelehnt weil noch kein Ergänzungspfleger bestellt ist. :eek: Es gibt bis heute noch keinen Fortschritt in der Sache...

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  • Sehr schöne Verfügung! Kleiner Wermutstropfen: Auch hier fehlt noch ein Passus zur erforderlichen Aussagebereitschaft des Kindes.

    :daumenrau (Auch betreff. Vfg. ) Zuerst! muss sich nachvollziehbar aus der Strafakte ergeben, dass Aussagebereitschaft besteht. Allein aus der Stellung des Erg.pfl.antrages folgt dies nicht. Liegt diese nicht vor, kommt keine Erg.pfl.schaft in Betracht und zwar auch dann, wenn das Kind nicht die nötige Verstandesreife für die Entscheidung besitzt.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Dann gebe ich zur Vervollständigung mal noch das zweite Schreiben an die STA zur Kenntnis:

    sende ich die mir überlassene Akte mit Dank zurück.

    Ich konnte der Akte entnehmen, daß eine richterliche Vernehmung erfolgen sollte. Leider ist dabei weder geklärt worden, ob die Mdj. überhaupt aussagebereit ist noch ob sie ggf. über die erforderliche Verstandesreife verfügt. Da die Klärung dieser Grundsatzfrage durch die zuständige Verhörsperson erfolgen soll, sehe ich mich derzeit an einer Entscheidung über die Bestellung eines Ergänzungspflegers gehindert. Zunächst müßte geklärt sein, ob überhaupt Aussagebereitschaft besteht. Besteht keine Aussagebereitschaft, ist das Verfahren hier zu Ende, da es nicht mehr bis zur Frage des Vertretungsausschlusses kommt. Sollte Aussagebereitschaft bestehen, wäre die Folgefrage der Verstandesreife zu prüfen. Nur wenn diese fehlt, steht die Frage des Vertretungsausschlusses an.

    Ich bitte daher zu prüfen, inwieweit doch noch die Prüfung durch die zuständige Verhörsperson erfolgen kann.

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  • Mein aktueller Fall - in den ich vor allem deswegen involviert bin, weil ich jetzt die Führungsakte an der Backe habe -:

    StA sendet mir eine Ermittlungsakte zu, um einen Ergänzungspfleger für 9- und 15-jährige Geschwister zu bestellen (Beschuldigter ist einer der Elternteile). Von der Tatsache mal abgesehen, dass ich den Aufgabenkreis erraten durfte, hatte diese Kinder bislang NIEMAND gesehen. Auf meine Zwischenverfügung, dass ich nicht erkennen könne, worauf sich die Annahme zur Verstandesreife (die insbesondere bei einem 15-jährigen Kind ohne weiteres vorausgesetzt werden könne) begründe und auch nichts zur Aussagebereitschaft ermittelt worden sei, erhielt ich die Akte zurück mit dem lapidaren Bemerken, dass ich an die Auffassung der StA zur mangelnden Verstandesreife gebunden sei und nun mal endlich machen solle.
    Da sich in der Zwischenzeit herausgestellt hatte, dass beide Kinder die türkische Staatsangehörigkeit besitzen, legte ich nun die Akte dem Richter vor mit einem ausführlichen Vermerk, in welchem ich meine Bedenken mitgeteilt habe.
    Immerhin wurde dann vom Richter zwischenverfügt, dass er zwar die Auffassung teile, dass er an die Feststellungen der StA zur Verstandesreife [die sich nach wie vor auf NICHTS stützten, Anm. d. Verf.] gebunden sei, er aber bitteschön noch etwas zur Aussagebereitschaft vorgetragen hätte.
    Die StA besann sich daraufhin bezüglich des 15-jährigen Kindes eines Besseren und ließ dieses dann doch vernehmen.
    Und jetzt kommt das Beste: Daraufhin wird die Akte erneut dem Richter übersandt, nunmehr endlich für das 9-jährige Kind einen Ergänzungspfleger zu bestellen, da sich aus der Tatsache, dass das 15-jährige Kind ausgesagt habe, schließen lasse, dass auch das 9-jährige Kind aussagebereit sei. Ja nee, is' klar!

    Der Richter fand das offenbar auch überzeugend und hat nun - nach schriftlicher Anhörung der Eltern, mit dem Kind hat nach wie vor niemand gesprochen - Ergänzungspflegschaft "in der Frage des Zeugnisverweigerungsrechts" angeordnet.

    Nicht vergessen werden darf hier natürlich, dass der Beschluss KEINERLEI Gründe enthält...

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  • Wir würden dafür in der Beschwerde (aber wer legt die ein?) derartig abgewatscht werden, daß uns die Ohren klingelten.:eek:

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  • Wir würden dafür in der Beschwerde (aber wer legt die ein?) derartig abgewatscht werden, daß uns die Ohren klingelten.:eek:

    Ich bin kein Strafrechtler, aber ich könnte mir vorstellen, dass ein findiger Strafverteidiger da was draus drehen könnte, falls der Elternteil auf Grund der Aussage dieses Kindes verurteilt wird...

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  • Ich habe jetzt einen ähnlichen Fall von einem Strafrichter vorgelegt bekommen. Ergänzungspflegschaft soll für 4 Kinder bestellt werden, wovon der Älteste 14 Jahre alt ist. Auf mein Schreiben, dass zunächst geprüft werden müsse, ob die Kinder aussagebereit sind und ob zumindest hinsichtlich des 14-jährigen eine entsprechende Verstandesreife gegeben ist, erhielt ich die Akte von dem Richter zurück mit dem Bemerken, dass die Prüfung der Voraussetzungen erst im Verhandlungstermin erfolgen könnte und eine Nichtbearbeitung meinerseits zu einer wesentlichen Verfahrensverzögerung führen würde. Die Rückantwort meinerseits, dass ich an meiner Auffassung nichts geändert hat und zunächst die Voraussetzungen zu prüfen sind, kommentierte der Richter die Verfahrensverzögerung so, dass er erst einen HVT in 6 Monaten abhalten könnte, um die Voraussetzungen zu prüfen und dann weitere 6 Monate bis zum nächsten HVT, wo dann die Befragung der Kinder erfolgen könnte, vergehen würden. Wenn ich jetzt keinen Ergänzungspfleger bestellen würde, dann soll ich die Akte doch dem Familienrichter zur Entscheidung vorlegen.

    Wie würdet ihr jetzt weiter verfahren????

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