Unverwertbares Gutachten?

  • In einer Teilungsversteigerungssache hat der Gutachter einen Ortstermin anberaumt und sowohl Antragssteller als auch Antragsgegner informiert. Beim Ortstermin verweigert der Antragsteller, der das betreffende Haus bewohnt, dem Antragsgegner den Zutritt. Der Antragsgegner wendet nun die Unverwertbarkeit des Gutachtens ein, weil die Gewährung rechtlichen Gehörs in Form der Anwesenheit bei der Sachverhaltsaufnahme durch den Sachverständigen verletzt sei. Hatte jemand schon einmal solch einen Fall?

    Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Nein, hatte ich so noch nicht.

    Ich hätte aber kein Problem damit, da das rechtlioche Gehör durch die Übersendung des Gutachtens vor der Wertfestsetzung gewährt wird.
    Soweit das der Antragsgegner anders sieht, kann er zivilrechtlich (!) erwirken, dass ihm der Zutritt zu gewähren ist.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Es geht ja beim Ortstermin nicht nur um das rechtliche Gehör, sondern es ja auch darum, den Parteien das Recht zu geben, dem Sachverständigen Fragen zur Bewertung zu stellen und Hinweise zu geben. Sie können dazu beitragen, dass dem Gutachten eine zutreffende Tatsachenermittlung zugrundeliegt, indem sie sich selbst einen persönlichen Eindruck verschaffen.

    Andererseits wird der Antragssteller den Antragsgegner vermutlich auch beim nächsten Termin nicht aufs Grundstück lassen, so dass dem Antragsgegner tatsächlich nur der Klageweg bliebe.

    Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Der Gutachter kann je wohl nichts dafür, dass sich Antragsteller und Antragsgegner nicht mögen. Er hat das Gutachten nach besten Wissen usw. angefertigt und hätte es auch ohne Innenbesichtigung so angefertigt. Es ist nicht unüblich, dass eine Partei (oft sogar mit Anwalt) vor der Hütte im Regen stehen bleiben müssen.

  • Fragen können zudem auch außerhalb des Objekts geklärt werden.

    Und wenn der Antragsgegner ein dringendes Mitteilungsbedürfnis an den Gutachter hat, kann er diesen doch kontaktieren. Ich kenne das so, dass die Gutachter bereits bei der Terminsmitteilung um Informationen bitten. Hier hat jeder Gelegenheit, sich zu äußern.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • ... Beim Ortstermin verweigert der Antragsteller, der das betreffende Haus bewohnt, dem Antragsgegner den Zutritt. Der Antragsgegner wendet nun die Unverwertbarkeit des Gutachtens ein, weil die Gewährung rechtlichen Gehörs in Form der Anwesenheit bei der Sachverhaltsaufnahme durch den Sachverständigen verletzt sei. ...

    Unfug!
    Es ist Sache des Antragstellers, wen er in seine Wohnung läßt und wen nicht.
    Rechtliches Gehör ist dem Antragsgegner im Rahmen der Wertfestsetzung durch das Versteigerungsgericht zu gewähren, nicht "bei der Sachverhaltsaufnahme durch den Sachverständigen". Wie soll das auch aussehen, SV: "1,25", Antragsgegner: "Ich messe 1,26"?

    Mag der Antragsgegner konkret vortragen, auf welche -hierdurch zunächst nicht berücksichtigten- wertrelevanten Umstände er den Sachverständigen ausschließlich persönlich im Versteigerungsobjekt aufmerksam machen wollte.

  • Ich halte es auch für Unfug, aber was soll man machen. Man muss sich ja leider damit auseinandersetzen. Gerade in den Teilungsversteigerungssachen soll es ja häufiger vorkommen, dass sich die Parteien nicht grün sind. Wenn jedes Mal die Verletzung des rechtlichen Gehörs gerügt wird, würde man ja nur im Klagverfahren, das parallel laufen müsste, weiter kommen.

    Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • ...Es ist Sache des Antragstellers, wen er in seine Wohnung läßt und wen nicht...

    Grundsätzlich schon. Aber der Antragsgegner ist ebenfalls Eigentümer mit entsprechenden Rechten. Im Streitfall entscheidet das Zivilgericht hierüber. Der Antragsgegner sollte also zumindest seinen Antrag ans Zivilgericht vorlegen.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • ...Es ist Sache des Antragstellers, wen er in seine Wohnung läßt und wen nicht...

    Grundsätzlich schon. Aber der Antragsgegner ist ebenfalls Eigentümer mit entsprechenden Rechten. Im Streitfall entscheidet das Zivilgericht hierüber. Der Antragsgegner sollte also zumindest seinen Antrag ans Zivilgericht vorlegen.

    Solange der Antragsgegner nicht erklärt, daß und ggfs. welche wertbeeinflussenden Umstände vorhanden sind, auf die nur er persönlich im Objekt selbst aufmerksam machen kann, ist ein solcher Antrag für die Wertfestsetzung belanglos.

  • Obige Ausführungen habe ich Antragsgegner-Vertreter auch schon mitgeteilt. Ich hoffe nur, das die Obergerichte der Argumentation auch folgen und nicht in den JVEG Kommentar gucken. Ein Gutachten im Zivilprozess ist m.E. anders als im Versteigerungsverfahren zu behandeln. Letztlich hat das Versteigerungsgericht für die Wertfestsetzung den Hut auf - anders als im Zivilverfahren z.B.

    Wir ziehen ja nur die Sachverständigen zur Hilfestellung bei.

    Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Was hat das jetzt mit der Problematik rechtliches Gehör und Zutritt zu tun?

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Der Antragsgegner-V. trägt ja vor, dass er keinen Zutritt erhalten hat und ihm somit kein rechtliches Gehör gewährt wurde. Daher sei das Gutachten unverwertbar.
    Guckt man in die Kommentare zum JVEG ist dies wohl richtig, wenn z.B. im Zivilverfahren ein Ortstermin anberaumt wurde und der Zutritt verwehrt wird. Dann soll das Gutachten unverwertbar sein.

    Tatsächlich ist es ja aber im Versteigerungsverfahren so, wie ihr es vorgetragen habt: Rechtliches Gehör wird ja durch das Versteigerungsgericht im Rahmen der Wertfestsetzung gewährt.

    Daher habe ich so meine Befürchtungen bei einer Beschwerde im Wertfestsetzungsverfahren, ob die Obergerichte auch hier unterscheiden können.

    Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Der Antragsgegner-V. trägt ja vor, dass er keinen Zutritt erhalten hat und ihm somit kein rechtliches Gehör gewährt wurde. Daher sei das Gutachten unverwertbar. Guckt man in die Kommentare zum JVEG ist dies wohl richtig, wenn z.B. im Zivilverfahren ein Ortstermin anberaumt wurde und der Zutritt verwehrt wird. Dann soll das Gutachten unverwertbar sein. Tatsächlich ist es ja aber im Versteigerungsverfahren so, wie ihr es vorgetragen habt: Rechtliches Gehör wird ja durch das Versteigerungsgericht im Rahmen der Wertfestsetzung gewährt. Daher habe ich so meine Befürchtungen bei einer Beschwerde im Wertfestsetzungsverfahren, ob die Obergerichte auch hier unterscheiden können.

    Der AG-Vertreter kann den Zutritt auch nicht verlangen, wie bereits angesprochen (Stöber, Zwangsversteigerungsgesetzt, 19. Auflage, § 74 a Rn. 10.5). Das einzige was er erreichen könnte, ist aufgrund seiner nciht erfolgten Anwesenheit die Bewertung des Grundstücks nach dem äußeren Schein. Die Frage ist nur, ob er das aufgrund seiner nicht erfolgten Anwesenheit im Haus verlangen kann. Das mit dem rechtlichen Gehör greift in meinen Augen nicht. Deswegen würde ich nach dem Gutachten festsetzen fertig. Das rechtliche Gehör dürfte ihm gewährt worden sein, nämlich außerhalb des Hauses. Der Gutachter ist der Fachmann und ihm dürfte wohl unterstellt werden, dass er alle wertrelevanten TAtsachen aufnimmt und berücksichtigt. Sollte dennnoch etwas konkretes von dem Antragsgegner vorgetragen worden sein, was unbedingt zu berücksichtigten wäre, dann hätte er das dem Gutachter mitteilen können und der hätte entweder geantwortet, dass er das berücksichtigt hat oder wäre daraufhin nochmals in das Haus gegangen. Es dürfte ja wohl ausreichend sein, wenn der Gutachter draußen eine kurze Zusammenfassung von der Innenbesichtigung gibt. Da hätte man alle offenen Fragen klären können. So sehe ich das.

    Wie die Obergerichte entscheiden wäre mir - wenn es obergerichtlich noch keine Entscheidung gibt - erstmal egal, weil ich meine Rechtsauffassung darlege. Wenn die dann anders entscheiden, dann ist das halt so. Das würde ich zwar nicht verstehen können, aber das wäre dann anzuwenden. Ich sehe momentan keine Gründe dafür, das Gutachten nicht zu verwenden. Insbesondere wenn nur ins Blaue hinein vorgetragen wird und nur der Verfahrensverzögerung zu dienen scheint.

  • ...Daher habe ich so meine Befürchtungen bei einer Beschwerde im Wertfestsetzungsverfahren, ob die Obergerichte auch hier unterscheiden können.

    Das hängt auch von deiner Begründung ab.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Liebe Schwarmintelligenz,

    habe zu dem Thema nur diesen alten Pfad gefunden.

    Folgender Fall (ähnlich wie oben):
    Ein Ehepaar lebt in Scheidung. Der Noch-Ehemann wohnt in dem streitbefangenen Haus. Die Noch-Ehefrau betreibt die Teilungsversteigerung.
    Sie veräußert 1% ihres ideellen Anteils an ihren mutmaßlichen neuen Partner.
    Habe einen Gutachter bestellt.
    Der Ehemann gestattet dem Gutachter und seiner Nochfrau den Zugang zum Haus, nicht aber dem neuen Miteigentümer (und damit Antragsteller !).
    Die Antragstellerin erklärt daraufhin, wenn der Gutachter die Besichtigung der Innerräume ohne den Neuen fortsetzte, werde sie ihn als befangen ablehnen.
    Der Gutachter bricht den Termin ab und bittet um Weisung.
    Da ich ein Gutachten ohne Besichtigung der Innenräume für "zweite Wahl! halte, habe ich gemäß § 404a ZPO angeordnet, dass die Innenräume auch ohne den neuen Antragsteller stattfinden solle.

    Hiergegen legen die Antragsteller Erinnerung gemäß 766 ZPO ein.
    (M.E. kann wegen § 355 ZPO nur Erinnerung gem. § 11 RpflG eingelegt werden. Sei´s drum)

    Mein Abteilungsrichter hat nun eine Entscheidung des OLG Saarbrücken ausgegraben: Bürgerservice Saarland - 5 W 64/13 | Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken 5. Zivilsenat | Beschluss | Ablehnung des Sachverständigen: Durchführung eines Ortstermins in Abwesenheit der Gegenpartei als ...
    Danach darf ein vernünftiger Mensch einen Gutachter ablehnen, wenn dieser sich allein mit nur einer der Parteien in einem Haus aufhält, da er sich deren Einfluss aussetzen würde.

    Wie ist Eure Ansicht?
    LG
    buntschuh

  • Ich habe -glaube ich- noch nie von einer entsprechenden Anweisung nach § 404a ZPO gehört. Ich habe auch Zweifel, ob eine solche zulässig ist.

    Das Teilnahmerecht der Parteien, § 357 ZPO, ist ein so elementares Recht, dass dessen Entziehung schwierig sein dürfte. Bei einer Zutrittsverweigerung bleibt nur die Außenbegutachtung. So verstehe ich auch Stöber/Becker, Rn. 60 zu § 74a ZVG.

    In Seidel, Der Ortstermin des Sachverständigen, DS 2017, 188 (beck-online) wird neben der genannten Entscheidung des OLG Saarbrücken auf eine Entscheidung des OLG Koblenz verwiesen (NJW-RR 2013, 796). Dort hatte der Sachverständige in einem Bauprozess den Ortstermin abgebrochen, weil dem beklagten Bauunternehmer der Zutritt verweigert wurde. Das OLG fand den Abbruch des Termins richtig. Es spricht noch davon, dass die Parteiöffentlichkeit eines der wichtigsten Parteirechte sei und einen der Eckpfeiler des Beweisaufnahmerechtes darstelle.

  • Im Zwangsversteigerungsverfahren geht es aber gerade nicht um die Beweiserhebung zur Klärung einer Rechtsfrage. Deshalb spielen Fragen wie nach der Beweispflichtigkeit und etwaigen Folgen einer Beweisvereitelung keine Rolle. Der Verkehrswert ist von Amts wegen festzusetzen; seine Ermittlung unterliegt daher gerade nicht irgendeinem Dispositionsrecht der Parteien.

    Aus diesem Grund kann im Versteigerungsverfahren der Verkehrswert auch aufgrund eines Gutachtens festgesetzt werden, das eigentlich mangels Besichtigung keines ist. Im Streitverfahren wäre dagegen festzustellen, daß der angebotene Beweis nicht erhoben werden kann, und entweder gegen die beweisfällig gebliebene oder die beweisvereitelnde Partei zu entscheiden.

    Im Ausgangsfall hätte ich daher den Sachverständigen auch gebeten, die Innenbesichtigung vorzunehmen, und den "neuen Antragsteller zu 1%" auf die Anhörung zur Wertermittlung verwiesen.

  • Ein Gutachter, der einer Partei nicht die Anwesenheit beim Besichtigungstermin ermöglicht, würde sich befangen machen. Das Grundrecht auf rechtliches Gehör würde verletzt. Das ist unstreitig.
    Aber hier ist es der Bewohner, der sein Hausrecht ausübt. Auch dass ist ein Grundrecht.

    Der Gutachter soll nur halbe Arbeit abliefern, weil eine Partei ihm dabei nicht über die Schulter schauen kann?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!