HWR Berlin Prüfungsordnung

  • Hallo ihr Lieben,
    nun bin ich zwar schon seit einigen Jahren fertige Rechtspflegerin, verfasse aber erst heute meinen ersten Beitrag hier im Forum. Asche auf mein Haupt :oops: Dafür ist er aber auch gleich recht lang geworden :) Mich würden mal eure Meinungen hinsichtlich der Prüfungsordnung der HWR Berlin im Fach Rechtspflege interessieren. Da mir immer wieder Klagen seitens der Anwärter in der Praxis zu Ohren gekommen sind, habe ich mir die Prüfungsordnung einmal in Ruhe angesehen und mit den Prüfungsordnungen der anderen Bundesländer verglichen. Da gibt es in der Tat erstaunliche Unterschiede:


    I. Notenskalen
    1.) Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt
    In Berlin werden Noten auf einer Skala von 1-6 vergeben. Im Prinzip also wie in der Grundschule. Innerhalb der einzelnen Notenstufen findet eine weitere Unterteilung in 1+, 1, 1-, 1-2 statt, die letztlich aber keinen Einfluss auf die Gesamtnoten hat, aber dazu später.

    2.) Niedersachsen, Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg Vorpommern, Sachsen, Thüringen, Hessen, Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland
    In diesen Bundesländern werden Noten auf einer Skala von 15 – 0 Punkten vergeben. Im Prinzip also wie im Abitur.

    3.) Nordrhein-Westfalen
    In Nordrhein-Westfalen werden Noten auf einer Skala von 18 – 0 Punkten vergeben. Im Prinzip also wie im rechtswissenschaftlichen Studium.

    Meines Erachtens bietet die Notenskala der HWR Berlin nicht genügend Differenzierungsmöglichkeiten zwischen den einzelnen Leistungen der Studenten.

    II. Bildung der Abschnittsnoten
    1.) Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt

    Das eigentlich Skandalöse stellt meines Erachtens aber die Berechnung der Abschnittsnoten an der HWR Berlin dar.
    Gem. § 14 APORPfl findet nach jedem Ausbildungsabschnitt eine sog. Notenkonferenz statt. Ich zitiere § 14 III APORPfl:

    (3) Die Konferenz berät über die Bewertung der Gesamtleistung des Studierenden. Die oder
    der Vorsitzende der Konferenz fasst das Ergebnis der Beratung in einer Gesamtnote
    zusammen. Als Gesamtnote ist eine der im Laufbahngesetz genannten Noten festzusetzen.
    Die Gesamtnote ist der oder dem Studierenden schriftlich mitzuteilen und auf Wunsch
    mündlich zu erläutern. Die oder der Studierende kann eine schriftliche Stellungnahme zu den
    Personalakten abgeben.

    Aus der Prüfungsordnung wird keineswegs ersichtlich in welcher Form die Ergebnisse der Klausuren zur Bildung der Abschnittsnote herangezogen werden. Stattdessen heisst es lediglich, dass über die Note beraten wird. Steht ein Student beispielsweise schriftlich auf 2,3 oder auf 3,3 dann bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass der Kandidat auch eine 2 oder 3 als Abschschnittsnote erhält. Ist die Konferenz der Meinung er oder sie hat vielmehr eine 3 oder 4 verdient, dann kann sie dem Studenten auch diese Note geben, trotz einer schriftlichen Leistung von 2,3 oder 3,3.
    Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, inwiefern die in der Praxis angewendete Notenstufung der Klausuren in 1+, 1, 1- etc. bei der Bildung der Abschnittsnote Berücksichtigung findet. Aufgrund der im Laufbahngesetz genannten Noten kommt ferner erschwerend hinzu, dass eine 2,5 auf eine glatte 3 aufgerundet werden muss. Dies führt dazu dass ein Student mit 2,5 ebenso wie ein Student mit 3,4 eine 3 als Abschlussnote erhält. Dass eine 2,5 in einem anderen Notensystem jedoch ein Prädikat darstellt, wird hier nicht ersichtlich, da beide Studenten eine 3 erhalten.

    Erstmal bis hier. Später schaue ich mir noch den Rest an :cool:

  • Wenn Du als Praxisausbilderin tätig bist, kannst Du doch einfach mal zu einer Notenkonferenz hingehen und Dir die "Beratung" einfach mal ansehen und "mitberaten".

  • Die Notenvergabe an der HWR erfolgt höchst subjektiv und ist leider sehr undurchschaubar. Es gibt durchaus Fälle, in denen bei einem rechnerischen Schnitt von 1,5 eine 2 gegeben wurde. Im gleichen Jahrgang wurde bei einem rechnerischen Durchschnitt von 2,8 ebenfalls eine 2 erteilt. Dass hierbei ein Unterschied von 1,3 Noten vorliegt, ist später nicht mehr ersichtlich.

    Bedenkt man jedoch, dass das gesamte Studium (20 Monate reine Theorie) mit nur 13,8 % gewichtet ist (die gesamte Ausbildung mit insgesamt 25 %) die bloße mündliche Prüfung am Ende des Studiums mit absolut 9 % der Gesamtnote ins Gewicht fällt, frage ich mich sowieso, warum im Studium überhaupt Noten verteilt werden ... Der einzelnen mündlichen Prüfung stehen insgesamt 23 schriftliche Klausuren in den Studienabschnitten 1 und 3 gegenüber.

    Vergleichbare und vor allem aussagekräftig sind die Bewertungen der Studierenden jedenfalls nicht.

    Arbeit dehnt sich in genau dem Maß aus, wie Zeit für ihre Erledigung zur Verfügung steht.

  • Ich bin zwar noch im ersten Abschnitt, aber das klingt ja fürchterlich :eek: Hab mir die Prüfungsordnung ehrlich gesagt vorher nie so genau angesehen. Und da hat sich wirklich noch niemand drüber beschwert? Kaum zu glauben... Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass das überhaupt verfassungskonform ist. Meiner Meinung nach ein klarer Verstoß gegen Art. 12 I und Art. 3 I GG. Offenbar sieht das auch der bayerische Verwaltungsgerichtshof so:


    "Die Verwendung einer auf- bzw. abgerundeten Teilnote als Rechnungsgröße hat dagegen eine pauschalierende, die Leistungsunterschiede einebnende und damit das Ergebnis mehr oder weniger verfälschende Wirkung. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senates zum Prüfungsrecht ist eine Zwischenaufrundung oder -abrundung von Teilnoten bei einer arithmetischen Gesamtnotenbildung grundsätzlich nicht zulässig, weil sie zu einer nicht sachgerechten Verzerrung des tatsächlichen Leistungsbildes führen würde (vgl. B. v. 15.11.1979, Nr. 7 CE-1670/79, S. 8; U. v. 14.8.1981, Nr. 7 B 80 A.1055, S. 11). Die Gefahr einer solchen Verzerrung erscheint bei der Bildung der Gesamtnote der Ärztlichen Prüfung besonders groß. Beispielsweise ginge bei einer Auf- bzw. Abrundung für Kandidaten mit einer knapp über 2,5 (z.B. 2,6) liegenden Note des Zweiten Abschnitts und Kandidaten mit einer nahe bei 3,5 (z.B. 3,4) liegenden Note unterschiedslos die Note 3 in die Berechnung der Gesamtnote ein, obwohl das tatsächliche Leistungsbild nach dem Zahlenwert deutlich - unter Umständen bis fast um eine ganze Notenstufe - auseinander liegt; diese Verfälschung wird noch dadurch verstärkt, daß nach § 34 Abs. 1 Satz 2 ÄAppO die Note für den Zweiten Abschnitt mit dreifachem Gewicht in die Berechnung der Gesamtnote eingeht. Unter dem Gesichtspunkt einer sachgerechten, der Chancengleichheit aller Prüflinge in höchstmöglichem Maße entsprechenden Bildung der Gesamtnote für die Ärztliche Prüfung erscheint es somit als allein richtig, dabei als Note des Zweiten Abschnitts den genauen rechnerischen Zahlenwert einzusetzen.
    Als Ergebnis ist somit festzustellen, daß die Verwendung einer auf- bzw. abgerundeten Note des Zweiten Prüfungsabschnitts bei der arithmetischen Berechnung der Gesamtnote der Ärztlichen Prüfung ergebnisverfälschend und damit systemwidrig ist. Der Wortlaut von § 34 Abs. 1 ÄAppO ist im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG verfassungskonform dahin auszulegen, daß der Berechnung der Gesamtnote der Zahlenwert des Zweiten Prüfungsabschnitts zugrundezulegen ist."


    (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München 7. Senat, Az: 7 B 91.3368)


    In der Prüfungsordnung der HWR verhält es sich doch genau so wie in dem vom Verwaltungsgerichtshof beurteilten Fall. Die Noten für die einzelnen vier Abschnitte in Theorie und Praxis werden gerundet und die dann gebildete Gesamtausbildungsnote arithmetisch mit Kommastelle gebildet. Nach diesem Urteil dürfte das dann wohl verfassungswidrig sein...:daumenrun Selbiges gilt für die Examensklausuren und die Examensnote. Wahrlich erschütternd....

  • Die HWR liegt in Berlin und nicht in Bayern. Ob man nun 6, 10 oder 20 Notenstufen hat, das Problem ändert sich dadurch nicht. 5 Jahre nach der Prüfung kräht eh keiner mehr nach der Note. Bei der dienstlichen Beurteilung haben wir dann nur noch 5 Stufen (A-E).

  • Bei der dienstlichen Beurteilung haben wir dann nur noch 5 Stufen (A-E).


    Ab 1.1.2013 sind's die Stufen 1 - 5. Ob es Zwischennoten (z. B. 2+) geben wird, steht noch in den Sternen; die Ausführungsvorschriften zum neuen Beurteilungsrecht werden voraussichtlich erst im Sommer fertig sein (das muss der unheilvolle Einfluss des BER sein :teufel:).

    Treffen Einfalt und Gründlichkeit zusammen, entsteht Verwaltung.


    (Oliver Hassenkamp)


  • Die HWR liegt in Berlin und nicht in Bayern. Ob man nun 6, 10 oder 20 Notenstufen hat, das Problem ändert sich dadurch nicht. 5 Jahre nach der Prüfung kräht eh keiner mehr nach der Note. Bei der dienstlichen Beurteilung haben wir dann nur noch 5 Stufen (A-E).

    Naja, das Grundgesetz dürfte ja sogar in Berlin gelten :D. Insofern ist es für die Frage der Verfassungswidrigkeit völlig irrelevant wo die HWR nun liegt. Hinsichtlich der Notenstufen stimme ich dir bedingt zu. Das Problem liegt in der Tat nicht in den Notenstufen selbst, sondern in der NotenBILDUNG. Man kann sicherlich auch bei einem Notensystem von 0-18 Punkten die Gesamtnote einfach willkürlich per Notenkonferenz beschließen. Dazu bedarf es in der Tat keiner Notenskala von 1-6. Das Problem der Notenbildung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aber schon perfekt dargelegt, finde ich. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.
    Ob 5 Jahre nach der Prüfung wirklich keiner mehr nach der Note fragt, würde ich so pauschal nicht unbedingt sehen. Wie ist es bspw. mit Bewerbungen an Bundesgerichte? Da werden oftmals überdurchschnittliche Examina erwartet. Kommt sicherlich nicht für jeden in Frage, aber nichtsdestotrotz halte ich die Prüfungsordnung der HWR Berlin auch vor diesem Hintergrund für mehr als problematisch. Schließlich wird die Examensnote ebenfalls auf "glatte" Noten gerundet. Da vergeht dir mit 2,6 sicherlich das Lachen ;).

  • Der Bayrische VGH ist aber nun weder das BVerfG noch das OVG Berlin-Brandenburg oder das BVerwG Leipzig. Daher ist die Entscheidung völlig irrelevant. Entweder hat hier noch niemand geklagt oder die Klagen wurden abgewiesen.

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