geschäftsunfähiger Testator

  • Hallo zusammen!

    Ich habe heute einen Fall, der etwas Fingerspitzengefühl benötigt -ich hoffe zumindest, dass es damit getan ist-

    Die Erblasserin hat mit ihrem vorverstorbenen Ehemann 2 Erbverträge geschlossen. Hierbei haben sie sich gegenseitig eingesetzt. Bzgl. der Erbfolge nach dem Überlebenden wollten sie keine Bestimmungen treffen, jedoch soll die Schwester des Mannes ausgeschlossen sein.
    Im Jahr 2002 (nach dem Tod des Mannes) ist die Frau zum Notar gegangen und hat dort ein Testament errichtet, in dem sie X einsetzt.
    2004 teilt ihre Betreuerin (Rechtsanwältin) brav mit, dass die Betreute (=jetzt Erblasserin) ein Testament errichtet hat. Aus dem Gutachten zum Betreuungsverfahren ging jedoch hervor, dass die Betreute geschäftsunfähig sei. Das Gutachten ist einen Monat nach Testamentserrichtung erstellt worden.
    Es gibt gesetzliche Erben, von denen eine bereits nach dem genauen Datum des letzten Testaments gefragt hat. Also kann man vermuten, dass sie was ahnt, riecht, etc.
    Meine Fragen:
    1. Kann ich (quasi ungefragt) das Schreiben der Betreuerin zusammen mit den Eröffnungsunterlagen mitschicken? Damit also sowohl an den eingesetzten Erben als auch an die gesetzlichen Erben.
    2. Kann ich im Eröffnungsprotokoll den Hinweis aufnehmen, dass Zweifel an der Gültigkeit des Testaments bestehen?
    Grundsätzlich wird die Wirksamkeit ja erst im ES-Verfahren geprüft, aber da es sich hier um ein not. Testament handelt, käme es ggfs. nicht dazu. Und darauf vertrauen, dass die gesetzl. Erben schnell reagieren, mag ich auch nicht. Ich hab bisher immer nur "Formwirksamkeitszweifel" ins Protokoll mit aufgenommen. Darf ich mich auch bzgl. der Geschäftsfähigkeit äußern?

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Grundbesitz ist vorhanden.
    Der eingesetzte Erbe ist keiner der gesetzlichen Erben. Aus meiner Akte geht nicht hervor, in welchen Verhältnis er zu der Erblasserin stand.

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • aus meiner Sicht:
    - Die gesetzlichen Erben haben ohnehin ein Akteneinsichtsrecht.
    Also kannst Du es Ihnen auch gleich zusenden wenn Du meinst.

    - Im Eröffnungsprotokoll würde ich das nicht notieren.
    Du bist verpflichtet Testamentsanfechtungen den Beteiligten mitzuteilen.
    Um eine solche handelt es sich bisher nicht einmal - also befindest Du Dich irgendwo im Vorstadium. Es besteht kein Anlaß, derartige Zweifel reinzuschreiben (nicht dass Du noch einen Befangenheitsantrag erhälst)

  • Wenn ich es aber nicht im Protokoll vermerke, kann der im letzten Testament eingesetzte Erbe u.a. die Grundbuchberichtigung allein mit Vorlage des eröffneten Testaments mit Eröffnungsprotokoll betreiben.

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Wenn ich es aber nicht im Protokoll vermerke, kann der im letzten Testament eingesetzte Erbe u.a. die Grundbuchberichtigung allein mit Vorlage des eröffneten Testaments mit Eröffnungsprotokoll betreiben.


    Dann sende doch einen Aktenvermerk ans Grundbuchamt zur Ktn.

  • Lt. Sachverhalt wurde das Gutachten einen Monat nach Testamentserrichtung erstellt. Aber wann hat der Gutachter die Betreute persönlich begutachtet? Dies müsste sich aus dem Gutachten ergeben.


    warum soll man das bereits jetzt problematisieren oder voreilige Schlüsse ziehen (auch Gutachten sind letztlich nicht unbedingt verbindlich) ? Nach welcher Vorschrift wird sowas im Eröffnungsverfahren geprüft ?

  • Testamentserrichtung war am 12.08.2002, Untersuchungszeitpunkt war am 12.09.2002, abgefasst wurde das Gutachten am 13.09.2002

    Das Gutachten selbst liegt mir derzeit nicht vor. Ich habe nur das Schreiben der Betreuerin hier in meiner Akte. Diese schreibt wörtlich: "... in dem ... eingeholten Gutachten vom 13.09.2002 ... wird ausgeführt, dass Frau V. zum Untersuchungszeitpunkt am 12.09.2002 und zweifelsfrei auch am 12.08.2002 geschäftsunfähig im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB war."

    Selbst wenn ich dem GBA hier eine Mitteilung zukommen lasse: Wer garantiert mir, dass die Frau nicht auch noch woanders Grundbesitz hat? Außerdem kann der eingesetzte Erbe ja auch die Bankkonten leerräumen.

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Ich würde zunächst die Betreuungsakten beziehen und eine Kopie des Gutachtens zu den Akten nehmen.

    Sodann würde ich die vorliegenden letztwilligen Verfügungen gemeinsam eröffnen und die Eröffnung in ein und demselben Eröffungsprotokoll niederlegen. Außerdem würde ich im Eröffnungsprotokoll abschließend vermerken:

    Hinweis: Nach einem im Betreuungsverfahren ... (Az.) des Amtsgerichts ... erholten ärztlichen Gutachten vom 13.09.2002 war die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 12.08.2002 "zweifelsfrei geschäftsunfähig".

    Auch wenn es hier um die Testierunfähigkeit und nicht um die Geschäftsunfähigkeit geht, würde ich insoweit ausschließlich den Wortlaut des Gutachtens wiedergeben.

    Ein Eröffnungsprotokoll in Kenntnis der Dinge ohne den besagten Vermerk in die Welt zu setzen, halte ich für sträflich. Zudem würde ich den Beteiligten neben den letztwilligen Verfügungen und dem Eröffnungsprotokoll auch eine Kopie des Gutachtens übersenden.

    Zur Erbfolge: Eine Enterbung kann nicht vertragsmäßig verfügt werden (§ 2278 Abs.2 BGB). Auch wenn es sich bei der Schwester des Ehemannes um X handelt sollte, war die überlebende Ehefrau somit nicht gebunden und konnte frei zugunsten von X testieren (ist X ein Dritter, dann ohnehin). Da das betreffende Testament zweifelsfrei wirksam und das letzte Testament zweifelsfrei unwirksam sein dürfte, ist somit X Alleinerbin. Es nützt den gesetzlichen Erbprätendenten somit nichts, dass das letzte Testament unwirksam ist, weil jedenfalls das zugunsten von X errichtete Testament wirksam errichtet wurde.


  • ...

  • Die Frage, ob die Erblasserin zum maßgeblichen Zeitpunkt testierfähig war, hat unmittelbaren Einfluss auf die Erbfolge. Es spricht somit alles dafür, das betreffende Gutachten mittels Beiziehung der Betreuungsakten auch zum Inhalt der Nachlassakten zu machen. Des weiteren ist es nicht zweifelhaft, dass allen in Betracht kommenden Erbprätendenten ein entsprechendes Einsichtsrecht im Hinblick auf die Betreuungsakten zusteht und dass den Beteiligten daher nur das mitgeteilt wird, worauf sie ohnehin einen Anspruch hätten. Im Übrigen entscheidet das Nachlassgericht unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Nachlassverfahrens selbst, was es den Beteiligten mitteilt und was nicht.

    Ich bleibe dabei: Wenn man weiß, dass Grundbuchberichtigungen aufgrund notarieller letztwilliger Verfügungen nebst Eröffnungsprotokoll und die Auszahlung von Bankgeldern auch -zu Recht- aufgrund privatschriftlicher letztwilliger Verfügungen nebst Eröffnungsprotokoll erfolgen, dann ist es sehr wohl sträflich, wenn man in Kenntnis der Dinge ein Eröffnungsprotokoll mit einem Inhalt in die Welt setzt, aufgrund dessen dann ohne jede Berücksichtigung der bestehenden schwerwiegenden Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der betreffenden letztwilligen Verfügung über den Nachlass verfügt werden kann.

  • Ich finde den Vorschlag von Cromwell gut, die Beteiligten mit nackten Tatsachen zu vorsorgen, damit sie in der Lage sind, ihre Rechte selbst zu wahren. Vielleicht sollte noch ein Hinweis mit rein, dass das Nachlassgericht nicht geprüft hat, ob die Erblaserin testierunfähig war und dass rechtliche Auskünfte dazu nicht erteilt werden dürfen. (Der letzte Halbsatz verhindert vielleicht, das die Geschäftsstelle mit Anrufen belästigt wird.)

  • ... Außerdem würde ich im Eröffnungsprotokoll abschließend vermerken:

    Hinweis: Nach einem im Betreuungsverfahren ... (Az.) des Amtsgerichts ... erholten ärztlichen Gutachten vom 13.09.2002 war die Erblasserin im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 12.08.2002 "zweifelsfrei geschäftsunfähig".

    .... würde ich den Beteiligten neben den letztwilligen Verfügungen und dem Eröffnungsprotokoll auch eine Kopie des Gutachtens übersenden.
    ...

    Betreuungsgutachten enthalten insoweit grdstl. keine Aussage. Auch hier hat der Betreuer ! mitgeteilt, dass der EL geschäftsunfähig war. Es ist davon auszugehen, dass er entsprechend rechtl. gewürdigt ! hat. Dies würde ich mir keinesfalls zueigen machen, zumal noch gar keine Veranlassung ohne (Erbscheins)-Antrag zur Amtsermittlung besteht.

    Das dies nicht das Gelbe vom Ei ist, ist klar, liegt aber allein am Gesetzgeber, der dem Notar die Befugnis mit den entsprechenden Wirkungen eingeräumt hat.


    ... Des weiteren ist es nicht zweifelhaft, dass allen in Betracht kommenden Erbprätendenten ein entsprechendes Einsichtsrecht im Hinblick auf die Betreuungsakten zusteht und dass den Beteiligten daher nur das mitgeteilt wird, worauf sie ohnehin einen Anspruch hätten. Im Übrigen entscheidet das Nachlassgericht unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Nachlassverfahrens selbst, was es den Beteiligten mitteilt und was nicht.
    .. .

    Es ist auch nicht zweifelhaft, dass das NLG hierüber grundsätzlich nicht zu befinden hat und nicht alles, was das NLG entscheidet, auch richtig sein muss, vgl. Keidel, FamFG, 17.A, § 34 Rdn. 51 f.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Ich fand Cormwells Formulierung, die ja ein Zitat aus einer Akte anderen als der Nachlassakte war, auch ein wenig zu "deutlich".

    Formulierungsvorschlag:
    "Dem Nachlassgericht sind bereits jetzt im Eröffnungsverfahren Umstände bekannt geworden, die erhebliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der Testatorin am 12.08.2002 haben aufkommen lassen. Eine abschließende Würdigung, wer Erbe aufgrund welche der eröffneten Verfügungen von Todes wegen geworden ist, findet jeoch erst in einem gesonderten Erbscheinsverfahren statt."

    Somit mache ich jeden bösgläubig, der aufgrund Testament mit Eröffnungsprotokoll meint, Rechte herleiten zu müssen oder das Grundbuch berichtigen zu können oder wollen. Und zwar ohne, dass ich mich selber zu weit aus dem Fenster lehne, was die Wertung des Betreuungsgutachtens angeht.

    Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift gültig.
    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre Justizbehörde

  • Wobder:

    Ich hatte nicht gemeint, dass man den "Schrieb" der Betreuerin ungeprüft übernehmen soll, sondern dass man den besagten Hinweis mit dem genannten Inhalt erst nach Beiziehung des Gutachtens anbringen soll.

    Wie man den Hinweis im Einzelnen formuliert, ist nicht das Problem. Er muss eben nur so formuliert sein, dass jeder, der ihn liest, mit der Nase auf das Problem gestoßen wird. Wer sich über den Inhalt des Hinweises Gedanken macht, muss allerdings ohnehin der Auffassung sein, dass der Hinweis als solcher erforderlich ist. Das ist immerhin schon ein Fortschritt, denn es sah hier zunächst so aus, als wenn man einen solchen Hinweis weder für erforderlich noch für angebracht halten würde.

  • Ich werde mir jetzt auf jeden Fall mal die Betreuungsakte ziehen. Das Gutachten möchte ich gern selbst lesen. Dann weiß ich auch, ob es sich um eine rechtliche Würdigung der Betreuerin handelt oder ob der Gutachter das so explizit ausgedrückt hat.
    Einen Hinweis im Eröffnungsprotokoll werde ich auf jeden Fall machen. So deutlich, dass jeder mit der Nase darauf gestoßen wird. Aber das "WIE" entscheide ich dann nach Kenntnis des Gutachtens.

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)


  • Ich bleibe dabei: Wenn man weiß, dass Grundbuchberichtigungen aufgrund notarieller letztwilliger Verfügungen nebst Eröffnungsprotokoll und die Auszahlung von Bankgeldern auch -zu Recht- aufgrund privatschriftlicher letztwilliger Verfügungen nebst Eröffnungsprotokoll erfolgen, dann ist es sehr wohl sträflich, wenn man in Kenntnis der Dinge ein Eröffnungsprotokoll mit einem Inhalt in die Welt setzt, aufgrund dessen dann ohne jede Berücksichtigung der bestehenden schwerwiegenden Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der betreffenden letztwilligen Verfügung über den Nachlass verfügt werden kann.

    Ich hatte diesen Fall in letzter Zeit leider mehrfach und bin nach langem Überlegen zur Überzeugung gekommen, dass ich nichts ins Eröffnungsprotokoll schreiben darf. Die Wirksamkeit der Verfügung und damit die Erbfolge wird allein im Erbscheinsverfahren geklärt. Bei not. Verfügungen samt Eröprot. besteht immer ein Restrisiko (auch ob die Erbschaft angenommen wurde), das der Gesetzgeber zugelassen hat.

  • So, jetzt hab ich die Sache endlich wieder auf dem Tisch. Die Übersendung der Betreuungsakte hat sich wegen der Schlussrechnungslegung etwas verzögert.
    Also: Der Gutachter schreibt wörtlich: "Zum Untersuchungszeitpunkt und zweifelsfrei auch am 12.8.02 besteht Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB." (Er hat sich auf dieses Datum bezogen, weil die Erblasserin damals auch eine Vorsorgevollmacht gemacht hatte.)

    Ich werde jetzt in mein Eröffnungsprotokoll folgenden Vermerk aufnehmen: Auf Grund des fachärztlichen Gutachtens vom 13.09.2002 bestehen Zweifel an der Wirksamkeit des Testamentes vom 12.08.2002.

    Es hört doch jeder nur, was er versteht.

    (Goethe)

  • Ich denke, dass es wohl grundsätzlich so ist, dass das Gericht auch unwirksame Testamente zu eröffnen hat und eigentlich keine Angaben über die Wirksamkeit des Testaments in das Protokoll aufgenommen werden (müssen).

    Ich hätte hier daran gedacht, evtl. ausnahmsweise die Beteiligten zur Eröffnung vorzuladen und diese dann zu Protokoll etwas erklären "lassen"....wenn die dann gleich im Eröffnungsprotokoll ihre Bedenken wegen der Testierunfähigkeit niederschreiben lassen, dann ist das m.E. die sauberste Lösung.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

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    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

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